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T 0794/01 28-08-2003
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Phillips-Katalysator und seine Verwendung zur Herstellung von Ethylenhomopolymerisaten und -copolymerisaten
Neuheit (ja) - gegenüber Druckschrift durch unterschiedliche Produktherstellung - gegenüber Vorbenutzung durch fehlenden Weiterbehandlungsschritt
Erfinderische Tätigkeit (nein) - Einbahnstraßen-Situation
Sachverhalt und Anträge
I. Die Erteilung des Europäischen Patents Nr. 0 555 747 auf die europäische Patentanmeldung Nr. 93 101 628.1 der BASF Aktiengesellschaft (jetzt Basell Polyolefine GmbH), angemeldet am 3. Februar 1993 unter Beanspruchung einer DE-Priorität vom 13. Februar 1992 wurde am 2. Mai 1997 bekanntgemacht.
Die unabhängigen Ansprüche 1 und 7 lauten:
"1. Philips-Katalysator für die Homopolymerisation von Ethylen mit Alpha-Olefinen enthaltend als katalytisch wirksame Komponente einen auf einem feinteiligen Aluminiumsilikat-Gel geträgerten, mit mindstens einem Fluorid modifizierten und in einer oxydierenden Atmosphäre bei 400 bis 1100°C aktivierten Chromkatalysator mit einem Chromgehalt von 0,1 bis 10 Gew.-%, dadurch gekennzeichnet, daß das Aluminiumsilikat- Gel (Trägergel) einen Aluminiumoxidgehalt von 0,5 bis 6 Gew.-% aufweist, wobei das Aluminiumoxid im Oberflächenbereich der Trägerteilchen angereichert ist."
"7. Verfahren zur Herstellung von Ethylenhomopolymerisaten und -copolymerisaten mit Alpha- Olefinen durch Polymerisation von Ethylen oder von Gemischen aus Ethylen und Alpha-Olefinen mit Hilfe von Phillips-Katalysatoren, dadurch gekennzeichnet, daß man hierbei die Phillips-Katalysatoren gemäß einem der Ansprüche 1 bis 6 verwendet."
Die weiteren Ansprüche 2 bis 6 bzw. 8 und 9 sind von Anspruch 1 bzw. Anspruch 7 abhängig.
II. Gegen das Patent wurde aufgrund von Artikel 100 a) EPÜ Einspruch erhoben von W.R. Grace & Co. und der Widerruf in seinem gesamten Umfang beantragt. In Verlaufe des Einspruchsverfahrens erweiterte die Einsprechende ihren Antrag auch auf den Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 b) EPÜ.
III. Die Einsprechende stützte ihren Einspruch u. a. auf die folgenden Druckschriften:
D1: Ullmanns Enzyklopädie der technischen Chemie, Weinheim, 1980, Band 19, Seiten 181 bis 189,
D2: US-A-2 825 721,
D3: DE-A-39 38 723,
D7: DE-A-32 44 032 und
D8: DE-A-28 02 517.
Weiters erhob die Einsprechende auch den Einwand einer offenkundigen Vorbenutzung des Patentgegenstands durch die eigene Lieferung eines Katalysators mit den Bezeichnungen SP-9-2775 FL bzw. SP-9-7476 bzw. 617 Cr FL an die Firma HIP, Petro Hemija, Pancevo, Jugoslawien und legte dazu als Beweismittel vor:
D6: Erklärung Dr. Rieser vom 29. Januar 1998 mit folgenden Anlagen 1 bis 8:
Anlage 1 (datiert Februar 87):
Produktinformation Grace "Modifizierte Silica Gele Cogele", derzufolge Grace drei Typen (I, II, III) von Al- Cogelen herstellt mit unterschiedlicher Verteilung des Fremdions (Al) in der Gelmatrix: Typ I (Al-Cogele Nr. 1 bis 3): homogene Verteilung; Typ II (Al-Cogele Nr. 4 bis 7): Anreicherung im Oberflächenbereich bei gleichzeitiger Abnahme in der Matrix; Typ III (Al-Cogele Nr. 8 bis 10): Verteilung ausschließlich auf der Oberfläche.
Anlage 2 (undatiert):
englischsprachige Version von Anlage 1 mit handschriftlicher Ergänzung (von Dr. Rieser) der von Grace verwendeten Bezeichnungen: die Al-Cogele haben die Bezeichnung XSt967B, wobei X für die Typ II Cogele Nr. 4 bis 7 die Werte 2, 3, 4 und 8 besitzt.
Anlage 3 (16. Juli 1984):
Handschriftlich ausgefülltes Formular "Auftrag zur Herstellung und abgepackten Bereitstellung von Sondermustern" mit dem Hinweis "Etikettbezeichnung: Grace Experimental Catalyst SP 9-2775, Menge 4l, Versandanschrift: HIP attn. Mr. R. Tadic YU-26000 Pancevo"; im Feld "Spezifikation" ist (in abweichender Handschrift) angegeben: "wurde nach Rückspr. GEIKR ausgetauscht gegen 8St967B ...." Dr. Rieser stellt in seiner "Erklärung" fest: "1984 hat die Grace GmbH für HIP, ... einen chromhaltigen Katalysator auf der Basis des Cogels 8 St 967 B hergestellt. Dieser Träger erhielt später die kommerzielle Bezeichnung Al-Cogel Nr. 7 (vgl. Anlage 2), der Chromkatalysator hatte die interne Bezeichnung SP-9-2775."
Anlage 4 ("Call Report" datiert 6. April 1989):
Dieser Bericht enthält auf Seite 1 zum Thema "HDPE Catalysts UHMW Resins" die Information, daß HIP einen Katalysator für Polymere mit einem Molekulargewicht über 1. Million und einer Molekulargewichtsverteilung sucht, die enger als die derzeit mit SP-9-2775 erreichte ist. Bei der für diesen Katalysator verwendeten besonders niedrigen ("particularly low") Aktivierungstemperatur von 500°C können mit diesem die gewünschten Polymereigenschaften nicht erzielt werden. Gemäß dem "Call Report" wird HIP deshalb drei andere Katalysatoren (je 500 g) testen, darunter SP-9-2775 Fl. In der "Erklärung" gibt Dr. Rieser an, daß dieser fluorierte SP- 9-2775-Katalysator später die Bezeichnung SP-9-7476 erhielt.
Anlage 5 ("Call Report" datiert 5.2.90):
Auf Seite 2 ist unter "Analysis Results" angegeben: "Mrs Trivic tested 967 BW Fl and 969 MS Fl with the target of getting higher M.W. and narrow distribution; the aktivation took place for both samples at 500; 550 and 600 °C. The best results with 967 at 500 deg-c but still not enough.
They have also one sample of SP-9-2775 Fl which they will test in February.
After this test they will probably place order for 2-3 drums of the selected catalyst".
Anlage 6 (datiert 6.11.90):
Auftragsbestätigung von Grace Italiana SPA an Panèevo- YU [Firmensitz HIP] über 400kg "SP9-7476 PO 617 CRIII FL".
In der "Erklärung" stellt Dr. Rieser dazu fest: "Die Katalysatoren wurden ohne jede Auflage und ohne Geheimhaltungsvereinbarung an die Firma HIP verkauft".
Anlage 7 (datiert 4.2.91):
Mit dieser Mitteilung von Grace Worms an Grace Passirana wurden dieser "provisional specifications" von zwei Katalysatoren zugesandt, darunter von "617 Cr III/SP-9- 7476"; laut der beiliegenden "Provisional Specification" handelt es sich dabei um den Katalysator 617 Cr III Fl mit u. a. folgender Zusammensetzung:
Al2O3 2-4%, Cr 0.98-1,28%, F 0,8-1,2%.
Anlage 8 (Brief von Grace an Rheinische Olefinwerke GmbH (ROW) vom 4.6.91:
Mit diesem Brief wird ROW eine "tabellarische Zusammenfassung der von Grace/Worms kommerziell hergestellten HDPE-Katalysatoren" zugesandt. Darin wird festgestellt: "Die genannten Leistungsdaten entstammen langjährigen Testreihen, die wir in unseren Testautoklaven durchgeführt haben". Auf Seite 2 der Anlage dieses Briefs sind u. a. die Katalysatoren 617 Cr und 617 CrFl genannt; in der Spalte "Potential" wird diesen beiden Katalysatoren die Verwendung zugeordnet: "extra high molecular weight resins (up to 1 mio. Dalton)".
IV. Mit der am 8. März 2001 mündlich verkündeten und am 9. Mai 2001 schriftlich begründeten Entscheidung widerrief die Einspruchsabteilung das Patent wegen fehlender Neuheit gegenüber der Offenbarung von D8, insbesondere gegenüber dessen Beispiel 5. Es wurde als erwiesen angesehen, daß durch die Herstellung der dort beschriebenen Aluminiumsilikat-Träger durch Behandlung von Kieselsäure mit der Lösung einer Aluminium-Verbindung das Merkmal von Anspruch 1 in der erteilten Fassung (Hauptantrag) erfüllt ist, wonach sich das Aluminiumoxid im Oberflächenbereich der Trägerteilchen angereichert befindet. Die gemäß Beispiel 5 von D8 geringere Menge an Al2O3 könne im Hinblick auf die Offenbarung in D8 von Al2O3-Mengen, die im beanspruchten Bereich liegen, nicht als unterscheidendes Merkmal gelten.
Dieselbe Schlussfolgerung gelte auch für Anspruch 1 des Hilfsantrags, der gegenüber dem Hauptantrag um das - zusätzlich unklare - Merkmal ergänzt wurde "und welche dadurch hergestellt werden, dass man am Ende der Hydrogelbildung mit einer wässrigen Al-Salzlösung versetzt".
Der Einwand fehlender Neuheit gegenüber D2 überzeugte die Einspruchsabteilung ebenso wenig wie der unzureichender Offenbarung der beanspruchten Erfindung.
Der weitere Einwand einer neuheitsschädlichen offenkundigen Vorbenutzung aufgrund der "Erklärung" D6 (samt Anlagen) wurde wegen des fehlenden Nachweises von anspruchsgemäßen Aktivierungsbedingungen der vorbenutzten Katalysatoren zurückgewiesen.
V. Gegen diese Entscheidung hat die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) am 13. Juli 2001 Beschwerde eingelegt, am 17. Juli 2001 die Beschwerdegebühr bezahlt und am 18. September 2001 die Beschwerdebegründung eingereicht.
Weitere Argumente der Beschwerdeführerin wurden (in Reaktion auf einen Bescheid des Berichterstatters vom 19. Mai 2001) mit Schriftsatz vom 30. Juni 2003 und in der mündlichen Verhandlung am 28. August 2003 vorgebracht.
VI. Die schriftlichen und mündlichen Ausführungen der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:
a) Gegenüber D8 liege Neuheit vor, weil das dort offenbarte Verfahren der Imprägnierung eines Aluminium und Titan enthaltenden Kieselsäure-Xerogels mit Silylchromat nicht zu Trägergel-Teilchen führe, in deren Oberfläche das Aluminiumoxid angereichert ist.
b) Auch unterscheide sich wegen des unterschiedlichen Zeitpunkts des Aufbringens der Chromverbindung - vor oder nach der Temperaturbehandlung (Kalzinierung) - die Art der Bindung des Chroms an den Träger. Dies werde insbesondere dadurch deutlich, daß D8 ausdrücklich darauf hinweise, daß das dort verwendete Silylchromat in an den Träger adsorbierter Form vorliege, während sich bei der patentgemäßen Aktivierung des chrombehandelten Trägers Si-O-Cr Bindungen bildeten.
c) Da D2, um zum Gegenstand des Streitpatents zu gelangen, eine mehrfache Auswahl von dort nicht in Kombination offenbarten Merkmalen erfordere und auch bezüglich der Art der Herstellung des Trägers (durch Copräzipitation, was zu einer homogenen Verteilung des Aluminiumoxids im Träger führe) sowie wegen seines höheren Gehalts an Aluminiumoxid (10%) vom Patentgegenstand wegführe, stelle es keinen neuheitsschädlichen Stand der Technik dar.
d) Auch die behauptete offenkundige Vorbenutzung sei nicht neuheitsschädlich:
i) Einerseits seien die zu Testzwecken erfolgten Lieferungen von Grace an HIP auch bei Fehlen einer besonderen Geheimhaltungsvereinbarung wegen der Gemeinsamkeit des Entwicklungsprojekts einem Vertrauensverhältnis unterlegen, demzufolge HIP nicht als Öffentlichkeit im Sinne von Artikel 54 (2) EPÜ gelten könne.
ii) Anderseits sei nicht belegt, daß das gemäß D6, Anlage 5 von Grace an HIP gelieferte Katalysator-Muster SP-9-2775 Fl jemals aktiviert wurde. Noch weniger könne von einer Aktivierung im Temperaturbereich 400 bis 1100°C ausgegangen werden, weil die von HIP vorgesehene Katalysator-Verwendung zur Herstellung von ultrahochmolekularem Polyethylen (UHMW PE), wie der Fachmann wisse, relativ niedrige Aktivierungstemperaturen erfordere, HIP aber beim Test anderer Katalysatoren festgestellt habe, daß eine Temperatur von 500°C zwar besser sei als 550° und 600°C, aber immer noch zu unbefriedigenden Resultaten führe (Anlage 5, Seite 2, "Analysis Results"). Gemäß D2 könnten die Aktivierungstemperaturen für Phillips-Katalysatoren im Bereich von 450° bis 1500°F (232 bis 815°C) liegen, so daß eine unter der patentgemäßen Untergrenze von 400°C liegende Aktivierungstemperatur jedenfalls nicht ausgeschlossen werden könne.
iii) Was den Auftrag zur Lieferung von 400kg Katalysator von Grace an HIP gemäß der Auftragsbestätigung D6, Anlage 6 betreffe, fehlten Belege, daß die Lieferung überhaupt erfolgte, und wenn ja, ob der Katalysator unter den patentgemäßen Bedingungen aktiviert wurde. Selbst in diesem Falle könne aber nicht von einer offenkundigen Vorbenutzung gesprochen werden, weil es sich dabei eindeutig um die Verwendung des Katalysators für eine erste Polymerisation in kommerziellem Maßstab handle, die als notwendiger Entwicklungsendpunkt noch Bestandteil der Testphase sei. Es gelte somit das vorstehend in d)i) Gesagte.
iv) Schließlich werde auch bestritten, daß das im Brief von Grace an ROW (D6, Anlage 8) implizit enthaltene Verkaufsangebot den Erfordernissen von Artikel 54 (2) EPÜ genüge: erstens mache das Angebot allein den Katalysator noch nicht der Öffentlichkeit zugänglich und zweitens bestehe zwischen Grace und ROW eine Entwicklungsgemeinschaft, weil ROW mit BASF gesellschaftlich verknüpft sei und BASF am Gebiet von Phillips-Katalysatoren mit Grace als Trägerlieferant kooperiere. Auch ROW stelle somit keine Öffentlichkeit im Sinne von Artikel 54 (2) EPÜ dar.
e) Der beanspruchte Gegenstand sei auch erfinderisch:
i) Gegenüber D2, weil diese Entgegenhaltung im Hinblick auf die schon zur Neuheit gemachten Ausführungen (siehe obiger Paragraph c) weder ausgehend von der allgemeinen Beschreibung noch ausgehend von einem Ausführungsbeispiel einen Hinweis auf die Lösung des patentgemäß vorliegende Problems der Bereitstellung eines Katalysators für die Herstellung von Polyethylen hoher Tieftemperatur-Kerbschlagzugzähigkeit geben könne. Dies gelte insbesondere für den einzigen konkret offenbarten fluorhältigen Katalysator (Spalte 14, Beispiel VI, Tabelle VIII, achte Zeile), dessen Träger aus Aluminiumoxid- Gel ohne Kieselsäurebestandteile besteht.
ii) Erfinderische Tätigkeit liege auch gegenüber einem aufgrund des Angebots (D6, Anlage 8) von Grace an ROW allenfalls vorbenutzten nicht-aktivierten Katalysator "617 CrFl" vor, weil dessen Aktivierung bei den in Anspruch 1 des Streitpatents angegebenen Temperaturen von 400 bis 1100°C keinesfalls zwangsläufig aus dem Hinweis in D1 auf Aktivierungstemperaturen von 500 bis 1000°C hervorgehe. Vielmehr hätte der Fachmann für die in Anlage 8 für diesen Katalysator angegebene Verwendung für HDPE mit extra hohem Molekulargewicht eine Aktivierungstemperatur unter 400°C für geeignet gehalten, weil er wisse, daß mit niederen Aktivierungstemperaturen höhere Molekulargewichte erreicht werden und weil D2 für die Aktivierung Temperaturen ab 450°F (232°C) angebe.
VII. Die Beschwerdegegnerin stützte sich in ihren Schriftsätzen vom 6. Mai 2002 und 28. Juli 2003 (fälschlich datiert "28. 7. 2007") sowie in der mündlichen Verhandlung auf folgende Ausführungen:
a) D8 sei neuheitsschädlich für den Gegenstand des Streitpatents, weil die Zusammensetzung der dort offenbarten Katalysatoren sich von der patentgemäßen nicht unterscheide und der Katalysator-Träger strukturell den gemäß D7 hergestellten Trägern entspräche, die eine Aluminiumoxid- Anreicherung im Oberflächenbereich aufwiesen. Die Träger- Herstellungsweise gemäß D7 führe laut explizitem Hinweis im Streitpatent zu patentgemäßen Katalysator-Strukturen mit einer Anreicherung des Aluminiumoxids im Oberflächenbereich.
b) Der Neuheitsschädlichkeit von D8 könne auch nicht durch die Behauptung begegnet werden, daß die dort praktizierte Temperaturbehandlung des Trägers vor dem Aufbringen des Silylchromats dessen chemische Anbindung an den Träger verhindere, weil auch nach der Temperaturbehandlung noch genügend Hydroxylgruppen an der Oberfläche der Trägerpartikel verblieben, die mit dem Silylchromat reaktiv seien und zu denselben Si-O-Cr Bindungsverhältnissen führten, wie sie gemäß D1 (Seite 181, rechte Spalte, oben) bei der patentgemäßen Kalzinierung des schon chrombeladenen Katalysators entstünden. Diese Argumentation werde dadurch erhärtet, daß es sich bei den Triphenylsilyl-Gruppen des gemäß D8 verwendeten Bis- triphenylsilylchromats um typische "Abgangsgruppen", also chemisch leicht abspaltbare Gruppen, handle.
c) Auch die Offenbarung von D2 treffe den Gegenstand des Streitpatents neuheitsschädlich, weil diese Entgegenhaltung alle Merkmale des beanspruchten Gegenstands als bevorzugte Merkmale offenbare und deren Kombination, auch wenn sie in D2 nicht explizit offenbart sei, den Fachmann wegen der strikten Systematik des Aufbaus dieser Entgegenhaltung ohne die Notwendigkeit einer Mehrfachauswahl unmittelbar zum Patentgegenstand führe.
d) Auch die aus D6 und dessen Anlagen hervorgehende Lieferung des Katalysators SP-9-2775 Fl (= SP-9-7476 = 617 Cr FL) von Grace an HIP sei neuheitsschädlich, weil ausweislich der "Erklärung" von Dr. Rieser keine Geheimhaltungsvereinbarung zwischen diesen beiden Firmen bestand und es sich dabei somit um eine offenkundige Vorbenutzung handle.
e) Dieser Umstand sei selbst dann gegeben, wenn eine Aktivierung des Katalysators durch HIP bei den patentgemäßen Bedingungen nicht belegt wäre, weil für den Fachmann der Begriff "Phillips-Katalysator" eine Aktivierung unter Standardbedingungen, also - wie aus D1 bekannt - in oxydierender Umgebung bei 500 bis 1000°C impliziere.
f) Zusätzlich könne aber aus der Aussage in D6, Anlage 5, "Analysis Results": "They have also one sample of SP-9-2775 Fl which they will test in February [1990]" in Zusammenhang mit der Anlage 6, d.i. der Auftragsbestätigung vom 6. November 1991 über 400 kg "SP-9-7476 PO 617 CRIII FL", geschlossen werden, daß dieser Test mit dem aktivierten Katalysator tatsächlich (erfolgreich) durchgeführt wurde, weil sich nur daraus die nachfolgende Bestellung der großen Katalysator- Menge von 400 kg erkläre.
g) Schließlich belege D6, Anlage 8 nicht nur, daß der gegenständliche Katalysator unter der kommerziellen Bezeichnung "617 CrFl" als Katalysator für die Herstellung von HDPE mit extra hohem Molekulargewicht bis 1 Million Dalton angeboten wurde, sondern dieses Angebot stelle auch selbst eine offenkundige Vorbenutzung dar, weil es den Katalysator nicht nur in nicht-aktiviertem Zustand, sondern - im Sinne der Argumentation im vorstehenden Subparagraph e) - auch in aktiviertem Zustand der Öffentlcihkeit zugänglich gemacht habe.
h) Selbst wenn man dem Patentgegenstand Neuheit zuerkenne, beruhe er aber nicht auf erfinderischer Tätigkeit, weil er sowohl gegenüber D2 als auch gegenüber seinen vorbenutzten nicht-aktivierten Ausführungsformen nahe liege.
i) Dabei sei für die Beurteilung des Naheliegens die im Streitpatent angegebene Aufgabenstellung deshalb irrelevant, weil sie sich nicht an diesem nächstliegenden Stand der Technik, nämlich Phillips-Katalysatoren mit einem Kieselsäureträger mit im Oberflächenbereich erhöhter Aluminiumoxid-Konzentration orientiere, sondern an einem ferner liegenden Stand der Technik, dem dieses Merkmal fehle.
j) Auch seien an der tatsächlichen Lösung selbst dieser Aufgabenstellung Zweifel angebracht, weil schon D3 Phillips- Katalysatoren offenbare, deren Tieftemperaturzähigkeit (D3, Tabelle, Seite 5) im Bereich der Werte liege, wie sie als überraschendes patentgemäßes Ergebnis im Streitpatent präsentiert würden. Die subjektive Aufgabenstellung des Streitpatents liege somit objektiv nicht vor, sondern man könne diesbezüglich nur vom Wunsch nach der Bereitstellung eines ähnlich wirksamen Phillips-Katalysators ausgehen.
k) Die Lösung dieser Aufgabe liege einerseits nahe gegenüber D2, weil diese Entgegenhaltung alle Merkmale des Streitpatents schon als Vorzugsmerkmale offenbare, und anderseits gegenüber dem gemäß D6 offenkundig vorbenutzten nicht-aktivierten Katalysator, weil dessen Aktivierung unter den in der Enzyklopädie D1 offenbarten Standardbedingungen zwangsläufig unmittelbar zur Gegenstand des Streitpatents führe.
VIII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Neuheit
2.1. Entgegenhaltung D8
2.1.1. Anspruch 1 dieser Entgegenhaltung betrifft einen Katalysator für die Polymerisation von Ethylen oder die Copolymerisation von Ethylen mit Alpha-Olefinen, wobei ein Silylchromat, vorzugsweise Bis-triphenylsilylchromat (Anspruch 2; Beispiele), auf einem Aluminium und Titan enthaltenden Kieselsäureträger mit großer Oberfläche abgeschieden wird, der vorher einer Wärmebehandlung von etwa 500° bis 1000°C ausgesetzt wurde.
2.1.2. Gemäß Beispiel 5 (in Verbindung mit Beispiel 3; Seiten 16 bis 18) wird zunächst (Stufe A) eine getrocknete, in Pentan aufgeschlämmte Polypor-Kieselsäure mit einer Toluol-Lösung von Aluminiumtriisopropylat versetzt, mit Titantetraisopropylat und Ammoniumhexafluorosilikat gemischt und die Mischung 17 Stunden auf 750°C erhitzt, wobei ein Kieselsäure-Träger mit 0,3 Gew.-% Al2O3 erhalten wird. Dieser Träger wird danach (Stufe B) mit Bis-triphenylsilylchromat zu einer Katalysator- Aufschlämmung in Hexan verarbeitet, die nach weiterer Hexanzugabe unmittelbar zur Ethylenpolymerisation verwendet wird (Stufe C).
2.1.3. Beispiel 5 offenbart somit alle Bestandteile des patentgemäß beanspruchten Katalysators und zwar mit Ausnahme der geringeren Menge an Aluminiumoxid auch in den geforderten Mengen. Da der Katalysator aber nach Auftrag des Silylchromats nicht mehr erhitzt (zur Aktivierung kalziniert) wird, liegt das Silylchromat gemäß D8 (wie auch explizit auf Seite 7, letzter Absatz angegeben) nicht an den Träger chemisch gebunden, sondern an ihn (nur) adsorbiert vor.
Diese (adsorbierte) Anordnung des Silylchromats unterscheidet sich von der patentgemäß vorliegenden chemischen Anbindung der Chromatgruppe =CrO4 an die Siliziumatome der Kieselsäurematrix, wie sie unbestritten gemäß D1 (Seite 181, spaltenüberbrückender Absatz) bei der Kalzinierung des schon chrombeladenen Trägers durch Reaktion des Chromtrioxids mit den verfügbaren Silanolgruppen entsteht.
2.1.4. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents ist somit neu gegenüber D8.
2.1.5. Die Richtigkeit dieser Schlußfolgerung wird durch die Behauptung der Beschwerdegegnerin nicht beeinträchtigt, wonach Bis-triphenylchromat auch ohne nachträgliches Erhitzen wegen der besonderen Eigenschaft der Triphenylsilylgruppen als leicht abspaltbare "Abgangsgruppen" mit oberflächlichen Silanolgruppen des Trägers unter Ausbildung der in D1 beschriebenen Cr-O-Si-Bindungsstrukturen reagiere; weder stützte die Beschwerdegegnerin diesen Einwand, für den sie als Einsprechende die Beweislast trägt, durch irgendein Beweismittel, noch entspricht er allgemeinem Fachwissen. Es ist im Gegenteil sowohl auf D1 (Seite 181, rechte Spalte, letzter Absatz vor der Teilüberschrift "2.3.3 Katalysator der Standard Oil Comp."), als auch auf die als Stand der Technik in D8 (Seite 6, letzter Absatz) genannte US-A-3 324 101 hinzuweisen (Anspruch 1, Beispiel 1), denen zufolge auch ungeträgertes Bis-triphenylsilylchromat sich als Katalysator für die Polymerisation von Ethylen eignet.
2.2. Entgegenhaltung D2
2.2.1. Anspruch 1 dieser Entgegenhaltung betrifft ein Verfahren zur Polymerisation von Olefinen unter Verwendung eines Katalysators, der als einzige wirksame katalytische Bestandteile Chromoxid und mindestens ein Oxid aus der Gruppe Silizium, Aluminium, Zirkonium und Thorium enthält, wobei zumindest ein Teil des Chroms beim ersten Kontakt des Katalysators mit Kohlenwasserstoff als Chrom(VI) vorliegt.
Die Katalysator-Mischung aus Chromoxid und weiterem Oxid wird vorzugsweise zur Aktivierung erhitzt, besonders bevorzugt unter nicht-reduzierenden Bedingungen, etwa in Gegenwart von Sauerstoff oder Luft (Spalte 3, Zeilen 18 bis 29).
Die Chrommenge, bestimmt als Chromoxid, kann 0.1 bis 10 Gew.-% oder mehr betragen (Spalte 4, Zeilen 21 bis 24).
Vorzugsweise ist der verwendete Träger ein Siliziumoxid- Aluminiumoxid-Komposit, das durch Copräzipitation oder Imprägnierung hergestellt werden kann, wobei ein besonders wirksamer Träger ein copräzipitiertes Komposit aus 90% Siliziumoxid und 10% Aluminiumoxid ist (Spalte 4, Zeilen 30 bis 41; Spalte 14, Tabelle VIII, Zeilen 40 bis 43).
Gemäß Spalte 3, Zeilen 61 bis 67 kann die Herstellung des Katalysators durch Imprägnieren von z. B. Silizium- Aluminium-Oxid mit Chromverbindung (gegebenenfalls Kalzinierung zu Chromoxid), Trocknung und Aktivierung bei 450 bis 1500°F (232 bis 815°C) während 3 bis 10 Stunden erfolgen.
Der Katalysator kann, vorzugsweise vor der Chromoxid- Beaufschlagung mit einem Fluorid behandelt werden (Spalte 5, Zeilen 3 bis 17).
Tabelle VIII (Spalte 14) vergleicht die Aktivität bei der Polymerisation von Propylen von Katalysatoren mit verschiedenen Trägern, darunter Siliziumoxid- Aluminiumoxid-Träger mit Aluminiumoxid-Gehalten von 2% bis 95% sowie, als einzige Offenbarung eines fluorierten Katalysators, ein mit HF-behandelter Aluminiumoxid-Gel- Träger. Die Aktivität des letztgenannten Katalysators ist wesentlich schlechter als die des besten Katalysators mit einem copräzipitierten Siliziumoxid- Aluminiumoxid-Träger mit 10% Aluminiumoxid.
2.2.2. Aus dem Vorstehenden folgt, daß es einer mehrstufigen Auswahl bedarf, um ausgehend von der Offenbarung von D2 zum Gegenstand des Streitpatents zu gelangen. Darüber hinaus offenbart D2 zwar prinzipiell die Möglichkeit, ein Trägermaterial durch Imprägnierung (von Kieselsäure mit Aluminium-Verbindung) herzustellen, dessen Oberfläche somit eine höhere Aluminiumoxid-Konzentration aufweist als das Innere der Trägerteilchen, wie es patentgemäß gefordert wird, eindeutig bevorzugt sind gemäß D2 aber copräzipitierte Träger, die eine über den Teilchenquerschnitt homogene Aluminiumoxid- Verteilung besitzen, deren Aluminiumoxid-Gehalt noch dazu mit 10% weit über der patentgemäßen Höchstgrenze von 6% liegt (Spalte 14, Zeilen 15 bis 43).
Der zwangsläufigen Offenbarung einer Kombination der patentgemäß verlangten Merkmale widerspricht auch, daß in D2 als fluorierter Träger einzig einer aus Aluminiumoxid, d. h. ohne den patentgemäßen Mehrheitsbestandteil Siliziumoxid, beschrieben ist.
2.2.3. Der Gegenstand des Streitpatents ist somit gegenüber D2 neu.
2.3. D6 (Vorbenutzung)
2.3.1. Lieferungen von Grace an HIP
a) Aus dem Inhalt der D6-Anlagen 1 bis 5 und 7 kann geschlossen werden, daß der der späteren kommerziellen Bezeichnung (P.O. CAT) 617 CR FL entsprechende Katalysator SP-9-2775 Fl bzw. SP-9-7476 vor dem Prioritätsdatum des Streitpatents in Testmengen von Grace an HIP geliefert und von HIP auf seine Eignung für die Polymerisation von UHMW-HDPE (Polyethylen hoher Dichte mit ultrahohem Molekulargewicht über 1 Million) (cf. Anlage 4) untersucht wurde. Dies wurde von der Beschwerdeführerin nicht bestritten, ebenso wenig wie, daß es sich dabei um einen Katalysator des Grace-Typs II, d. h. mit Anreicherung des Aluminiumoxids im Oberflächenbereich der Teilchen (cf. Anlagen 1 und 2), und den in Anlage 7 angegebenen Aluminiumoxid- und Chrom-Gehalten handelte.
b) Strittig ist, ob die Bestellung des Katalysators durch HIP in größerer Menge (Anlage 6) voraussetzt, daß die in Anlage 5 ("Analysis Results") erwähnten späteren Tests mit SP-9-2775 Fl auch tatsächlich vorher durchgeführt wurden und zwar nach patentgemäßer Katalysator-Aktivierung in oxydierender Atmosphäre bei 400 bis 1100°C.
c) Ebenso strittig ist, ob dieser Test, wenn er so durchgeführt wurde, offenkundig war, weil HIP als Öffentlichkeit im Sinne von Artikel 54 (2) EPÜ zu gelten habe.
d) Die Kammer ist der Auffassung, daß trotz der Aussage von Dr. Rieser in dessen "Erklärung" D6, wonach ein Verkauf "ohne jede Auflage und ohne Geheimhaltungsvereinbarung" erfolgte (cf. Seite 3, zweiter Absatz) von einem Vertrauensverhältnis zwischen Grace und HIP ausgegangen werden muß, demzufolge HIP keinen Teil der Öffentlichkeit im Sinne von Artikel 54 (2) EPÜ darstellt.
e) Diese Schlußfolgerung, muß gezogen werden, weil die Testphase eines Produkts in der Regel wegen der durch wechselseitigen Know-How-Austausch gekennzeichneten Interessenlage eines besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen dem Produktlieferanten (hier Grace) und dem Anwender (hier HIP) bedarf, das einen freien Transfer des dem Anwender vom Produktlieferanten zur Verfügung gestellten Wissens auch ohne separate Vereinbarung ausschließt (siehe T 782/92 vom 22. Juni 1994, nicht im EPA Amtsblatt veröffentlicht).
f) Die in D6, Anlage 5 angesprochene Lieferung des Katalysators SP-9-2775 Fl stellt somit ungeachtet seiner eventuellen, nicht ausdrücklich belegten Verwendung in bei 400 bis 1100°C aktivierter Form keine offenkundige und in diesem Fall neuheitsschädliche Vorbenutzung dar.
g) Dieselbe Schlußfolgerung trifft auch auf die Lieferung (gemäß D6, Anlage 6, Auftragsbestätigung HIP/Grace) und eventuelle Verwendung in aktivierter Form der 400-kg-Menge desselben Katalysators zu, weil es sich dabei im Hinblick auf den Zeitpunkt des Auftrags (6. November 1990) offensichtlich - und unwidersprochen von der Beschwerdegegnerin - um den ersten, in der Anlage 5 angekündigten (an die für Februar 1990 vorgesehene Muster-Testphase anschließenden) Polymerisations- Großversuch von HIP handelt ("Analysis Results", third Paragraph: "After this test they will probably place order for 2-3 drums of the selected catalyst"). Dieser erste Polymerisations-Großversuch bildet aber den Abschluß der Testphase und untersteht daher demselben Vertraulichkeits- Regime wie die vorhergehende Testphase mit Kleinversuchen, weil erst durch diesen Großversuch die letztlich allein ausschlaggebende Produktionstauglichkeit der gewonnen Erkenntnisse ermittelt werden kann.
h) Auf Basis der vorliegenden Beweismittel stellen die Katalysator-Lieferungen von Grace an HIP somit keine offenkundige Vorbenutzung im Sinne von Artikel 54 (2) EPÜ dar.
2.3.2. Lieferangebot von Grace an Rheinische Olefinwerke GmbH (ROW)
a) Im Unterschied zum gemeinsamen Entwicklungsverhältnis zwischen Grace und HIP kann aus dem in D6, Anlage 8 enthaltenen Angebot von "kommerziell hergestellten HDPE- Katalysatoren", das auf Seite 2 den Katalysator "617 CrFL" einschließt, weder explizit, noch implizit auf ein Vertraulichkeit bedingendes Entwicklungs-Test-Verhältnis geschlossen werden. Vielmehr war Grace gemäß ihrem Schreiben an ROW vom 4. Juni 1991 offensichtlich daran interessiert, ROW als "normalen" Kunden auch für diesen Katalysator zu gewinnen, und ROW hatte ausreichend Gelegenheit, diesen Katalysator mit allen seinen Merkmalen und Eigenschaften (cf. G 1/92, ABl. EPA 1993, 277) jederzeit vor dem Prioritätszeitpunkt des Streitpatents (13. Februar 1992) zu erwerben. Mit dem Erwerb eines Produkts geht dieses nämlich regelmäßig mit allen seinen Merkmalen und Eigenschaften an den Käufer über.
b) Dieser Schlussfolgerung steht die in Punkt VI d) iv) von der Beschwerdeführerin dargelegte Konstellation nicht entgegegen, weil aus der gesellschaftlichen Verknüpfung von ROW mit BASF als früherem Phillips-Lizenznehmer nicht automatisch folgt, daß ROW gegenüber Grace, das Trägermaterialien für Phillips- Katalysatoren herstellt, irgendeine implizite Geheimhaltungsverpflichtung haben müsse. Zum Beweis einer solchen hätte es der Vorlage eines entsprechenden Beweismittels durch die diese Behauptung aufstellende Beschwerdeführerin bedurft.
c) Da das Angebot von Grace, die kommerzielle Verfügbarkeit des Katalysators "617 CrFl" auch sonst in keiner Weise einschränkt, muß dieses im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen auch ohne den Beweis einer tatsächlich erfolgten Lieferung als "Zugänglichmachen" des Katalysators "617 CrFl" im Sinne von Artikel 54 (2) EPÜ beurteilt werden.
d) Da das genannte Angebot von Grace sich aber auf den nicht- aktivierten Katalysator bezieht und da der Kammer keinerlei Informationen vorliegen über seine Aktivierung, über deren Bedingungen und/oder über die Verwendung des Katalysators, stellt diese offenkundige Vorbenutzung keine neuheitsschädliche Vorwegnahme des Gegenstands des Streitpatents dar, da dessen Anspruch 1 sich ja auf den unter bestimmten Bedingungen aktivierten Katalysator bezieht.
e) Die Gültigkeit dieser Schlußfolgerung bleibt auch bestehen gegenüber dem Argument der Beschwerdegegnerin, daß die Offenbarung des nicht-aktivierten Philips-Katalysators "617 CrFl" wegen seiner ausschließlichen Verwendbarkeit in aktivierter Form auch die patentgemäß aktivierte Form mit einschließe.
f) Der Stand der Technik kann der Öffentlichkeit nämlich nur solche Merkmale verfügbar machen, die er de facto besitzt. Darüber hinausgehende Merkmale, die er durch Weiterverarbeitung erwerben kann, sind nicht Teil seiner Offenbarung, weil bezüglich der Realisierung solcher Merkmale nicht die für eine Neuheitsschädlichkeit wesentliche Sicherheit ihrer Verwirklichung vor dem effektiven Anmeldedatum der "Erfindung" besteht. Erwägungen dieser Art, die letztlich auf ein Urteil über den Grad der Wahrscheinlichkeit einer in der Zukunft liegenden Maßnahme betreffen, gehören daher in den Bereich der Untersuchungen des Naheliegens einer Erfindung.
g) Die von der Beschwerdegegnerin als Stütze dieser Argumentation zitierte Entscheidung T 288/90 vom 1. Dezember 1992 (nicht veröffentlicht im ABl. EPA) betrifft die Frage der Offenbarung von tatsächlich verwirklichten Merkmalen eines unter einer kommerziellen Bezeichnung offenbarten Produkts (cf. Entscheidungsgründe 4) und ist daher nicht relevant für die hier behauptete Offenbarung nicht verwirklichter Merkmale.
h) Da somit der unter den Bedingungen von Anspruch 1 des Streitpatents aktivierte Katalysator "617 Cr Fl" der Öffentlichkeit durch das in D6, Anlage 8 enthaltene Angebot von Grace an ROW nicht zugänglich gemacht war, ist dieses Angebot nicht neuheitsschädlich für Anspruch 1 des Streitpatents.
2.3.3. Keine der in D6 beschriebenen Vorbenutzungshandlungen nimmt daher den Gegenstand von Anspruch 1 neuheitsschädlich vorweg.
2.3.4. Dieselbe Schlußfolgerung trifft a fortiori auch auf die von Anspruch 1 abhängigen Ansprüche 2 bis 6 und auf die Ansprüche 7 bis 9 zu, die sich auf Verfahren zur Herstellung von Ethylenhomo- und -copolymerisaten unter Verwendung der Katalysatoren gemäß einem der Ansprüche 1 bis 6 beziehen.
3. Nächstliegender Stand der Technik, Aufgabe und Lösung
3.1. Entsprechend den Ausführungen im vorstehenden Punkt 2.3.2 unterscheidet sich der durch das Angebot von Grace an ROW der Öffentlichkeit zugänglich gemachte Katalysator "617 CrFl" von dem gemäß Anspruch 1 des Streitpatents nur durch die fehlende Aktivierung. Darüber besteht auch Einvernehmen zwischen den Parteien.
3.2. Gemäß dem Streitpatent (Seite 2, Zeilen 2 bis 6 und 13 bis 16; Seite 3, Zeilen 47 bis 50) besteht die dem Streitpatent zugrunde liegende Aufgabe in der Bereitstellung eines neuen Phillips-Katalysators für die Herstellung von Homo- und Copolymerisaten des Ethylens, der deren Herstellung in hoher Ausbeute mit besonderen Eigenschaften (Kälteschockzähigkeit, keine Neigung zum Schwellen beim Blasformprozeß) ermöglicht.
3.3. Der nicht-aktivierte Phillips-Katalysator "617 CrFl" ist gemäß D6, Anlage 8 als Katalysator für die Herstellung von HDPE hohen Molekulargewichts geeignet. Die vom Streitpatent beanspruchten Phillips-Katalysatoren sind bezüglich des Molekulargewichts des herzustellenden Polyethylens nicht eingeschränkt und hohe Molekulargewichte sind somit ebenso umfaßt wie niedrige.
3.4. Dem Fachmann ist aus seinem in der Enzyklopädie D1 (Seite 181, Paragraph "2.3.2 Phillips-Katalysatoren") wiedergegebenen allgemeinen Fachwissen bekannt, daß der Katalysator "617 CrFl" seine angestrebte katalytische Wirkung erst nach der für Phillips-Katalysatoren standardmäßig erforderlichen Aktivierung entfaltet und er weiß auch, daß diese durch Erhitzen des Katalysators bei 500 bis 1000°C stattfindet. Da das Chrom aktivierter Phillips-Katalysatoren überwiegend als Chrom(VI) vorliegt (siehe D1, Seite 181, rechte Spalte, erster Absatz), ergibt sich zudem die Notwendigkeit der Aktivierung in oxydierender Atmosphäre, wenn vor der Aktivierung eine niedrigere Chrom-Oxydationsstufe vorliegt, wie z. B. Chrom(III) im patentgemäß eingesetzten Chromacetylacetonat (einziges Beispiel auf Seite 4). Dieser Sachverhalt ist im Streitpatent angesprochen (Seite 3, Zeilen 15 bis 18), das bezüglich der Aktivierung auch feststellt (Seite 3, Zeilen 31 bis 32): "Methodisch gesehen weist diese Aktivierung keine Besonderheiten auf, sondern kann nach den aus der DE-A-15 20 467 bekannten Methoden erfolgen".
3.5. Es folgt, daß der Fachmann, der vor der Aufgabe steht, den nicht-aktivierten Katalysator "617 CrFl" zu aktivieren, zwangsläufig nach dem in D1 zusammengefaßten allgemeinen Fachwissen vorgehen wird. Dabei gelangt er unmittelbar zum Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1.
3.6. Der Zwangsläufigkeit der Wahl von Aktivierungstemperaturen zwischen 500 und 1000°C steht der Hinweis in D2 (Spalte 3, Zeilen 61 bis 69) auf niedrigere Aktivierungstemperaturen (minimal 450°F ~ 232°C) nicht wirksam entgegen, weil es sich dabei um eine isolierte Feststellung in einem auf eine Erstanmeldung im Jahre 1953 zurückgehenden, einzelnen Patentdokument handelt, der keine Autorität zukommt gegenüber der Aussage in der wesentlich aktuelleren Enzyklopädie D1 (publiziert 1980), die das allgemeine Fachwissen zu diesem Zeitpunkt zusammenfaßt.
3.7. Die Aussage in D2 gewinnt auch nicht an Bedeutung durch den Hinweis in D6, Anlage 8 auf die Eignung des Katalysators 2617 CrFl" für HDPE mit extra hohem Molekulargewicht bis zu 1 Million Dalton, weil es keinerlei Beleg für die Behauptung der Beschwerdeführerin gibt, daß zur Herstellung von HDPE mit einem Molekulargewicht in diesem Bereich ein Katalysator erforderlich sei, der bei Temperaturen unter 500°C oder gar unter der patentgemäßen Untergrenze von 400°C aktiviert werden muß. Dies gilt selbst dann, wenn man im Sinne der - unbelegten - Argumentation des Beschwerdeführerin unterstellt, daß der Fachmann zum Erreichen höherer Polyethylen-Molekulargewichte niedrige Aktivierungstemperaturen favorisiert hätte. Auch der Hinweis in D6, Anlage 5 ("Analysis Results") auf unbefriedigende Ergebnisse nach Aktivierung bei 500°C (siehe ...) läßt einen Schluß auf eine beabsichtigte Verwendung niedrigerer Aktivierungstemperaturen nicht zu; vielmehr weist Anlage 5 nach diesem Hinweis unmittelbar auf bevorstehende Versuche mit einem anderen, nämlich dem (patentgemäßen) Katalysator SP-9-2775 Fl hin und nicht auf bevorstehende Versuche mit Aktivierungstemperaturen unter 500°C.
3.8. Da die von Anspruch 1 des Streitpatents verlangte Aktivierung ausgehend von "617 CrFl" somit das Resultat einer Einbahnstraßen-Situation ist (T 192/82 ABl. EPA 1984, 415), liegt der so erhaltene Katalysator gegenüber seiner nicht- aktivierten Form selbst dann nahe wenn er, wie hier geltend gemacht, zu unerwarteten Extra-Effekten Anlaß gibt (siehe obiger Paragraph 3.2). Diese sind nämlich bei Vorliegen einer Einbahnstraßen-Situation unbeachtlich, weil der Fachmann schon bei Lösung der im wesentlichen zwischen dem Streitpatent und dem nicht-aktivierten Katalysator "617 CrFl" übereinstimmenden Aufgabe der Bereitstellung eines effizienten HDPE Katalysators ohne weiteres zum Gegenstand von Anspruch 1 des Streitpatents gelangt.
4. Der Gegenstand des Anspruchs 1 erfüllt somit nicht die Bedingungen von Artikel 56 EPÜ.
5. Bei diesem Sachverhalt erübrigt sich eine Entscheidung zu weiteren Einwänden der Beschwerdegegnerin.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.