Information
Cette décision n'est disponible qu'en Anglais.
T 1216/05 10-06-2008
Téléchargement et informations complémentaires:
Gebauter Kolben
Erfinderische Tätigkeit (nein)
Stoffaustausch
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat am 20. September 2005 gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 29. Juli 2005, mit der der Einspruch gegen das europäische Patent 1 161 624 zurückgewiesen worden ist, Beschwerde eingelegt, gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet und am 28. November 2005 die Beschwerde schriftlich begründet.
II. Der Einspruch wurde auf die Einspruchsgründe nach Artikel 100(a) (Artikel 54 und 56) EPÜ gestützt. Der auf fehlender Neuheit beruhende Einspruchsgrund wurde während der mündlichen Verhandlung im Einspruchsverfahren zurückgezogen.
III. Folgende Druckschriften haben während des Beschwerdeverfahrens eine Rolle gespielt:
D1: DE-A-44 16 120
D2: DE-A-40 24 381
IV. Der Anspruch 1 wie erteilt lautet wie folgt:
"1. Gebauter Kolben mit einem Oberteil (2) aus Stahl und einem mit dem Oberteil verschraubten Unterteil (3), das die Naben beinhaltet,
dadurch gekennzeichnet,
daß das Unterteil (3) aus ausscheidungshärtendem, ferritisch perlitischem Stahl (AFP-Stahl) besteht und fließgepreßt oder geschmiedet ist."
V. Am 10. Juni 2008 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.
Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Sie trug im Wesentlichen folgendes vor: D1 offenbare einen gebauten Kolben mit einem Oberteil aus Stahl und einem mit dem Oberteil verschraubten Unterteil, das die Naben beinhaltet, wobei dieses auch aus Stahl sein könne.
Die zu lösende Aufgabe sei darin zu sehen, ein Unterteil bereitzustellen, das den erforderlichen Festigkeitsanforderungen bei einer gleichzeitig rationellen Herstellbarkeit genüge. D2 schlage vor, in einem Kolben mit Bereichen aus vergütetem Stahl, diesen durch einen in den Eigenschaften vergleichbaren, kostengünstigeren AFP Stahl zu ersetzen. Es sei daher naheliegend, auch in D1 den günstigeren AFP-Stahl einzusetzen.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat den Ausführungen der Beschwerdeführerin widersprochen und im Wesentlichen folgendes vorgebracht: D1 lehre keinesfalls, das Unterteil aus Stahl herzustellen; diese Entgegenhaltung offenbare lediglich, das Unterteil aus Gusseisen zu fertigen. D2 offenbare keinen gebauten Kolben, bei dem das Unterteil ausschließlich aus AFP-Stahl bestehen könnte. Folglich könne auch eine Kombination von D1 und D2 nicht zum beanspruchten Gegenstand führen.
Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.
VI. Im schriftlichen Verfahren hatte die Beschwerdegegnerin angekündigt, in der mündlichen Verhandlung möglicherweise hilfsweise geänderte Ansprüche vorzulegen. Hilfsanträge sind jedoch auch während der mündlichen Verhandlung nicht eingereicht worden, und am Schluss der mündlichen Verhandlung hatte die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Nach Verkündung der Entscheidung hat die Beschwerdegegnerin gefragt, wie die Kammer die Hilfsanträge beurteile. Ihr wurde mitgeteilt, dass keine vorgelegt wurden und sich daher auch keine Hilfsanträge im Verfahren befänden, über welche eine Entscheidung hätte getroffen werden können.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Erfinderische Tätigkeit:
2.1 Im Einklang mit den Parteien hält auch die Kammer D1 für den nächstkommenden Stand der Technik.
2.2 D1 offenbart einen gebauten Kolben mit einem Oberteil (1) aus Stahl und einem mit dem Oberteil verschraubten Unterteil (5), das die Naben beinhaltet, und ebenfalls aus Stahl bestehen kann (Zusammenfassung, Figur 1).
Die Beschwerdegegnerin behauptete, die Verwendung des Wortes "Stahl" in der Zusammenfassung der Patentschrift D1 sei irrtümlich, insbesondere weil die Zusammenfassung in Widerspruch zum Patentanspruch dieser Patentschrift stünde. Im Patentanspruch sei nur von "Eisenbasiswerkstoff" für das Kolbenunterteil die Rede und eigentlich könne damit nur Gusseisen gemeint sein.
Dem kann nicht gefolgt werden. Zuerst ist festzustellen, dass Stahl auch ein Eisenbasiswerkstoff ist und daher kein Widerspruch zwischen Zusammenfassung und Patentanspruch dieser Patentschrift vorliegt. Im Patentanspruch von D1 wird als Material für das Kolbenoberteil "Eisenbasiswerkstoff" angegeben, in der Zusammenfassung aber "Stahl". Ein Fachmann wird nicht daran zweifeln, dass das Oberteil in D1 aus Stahl bestehen kann, da es bekannt ist, das Oberteil aus Stahl zu fertigen (siehe z.B. D2). Für das Unterteil wird erneut in der Zusammenfassung "Stahl" als Werkstoff angegeben und im Patentanspruch "Eisenbasiswerkstoff". Daher gibt es für den Fachmann keinen Grund anzunehmen, dass jetzt mit "Eisenbasiswerkstoff" nicht mehr "Stahl" wie in der Zusammenfassung angegeben, sondern Gusseisen gemeint sein soll, obwohl das Wort "Gusseisen" in der gesamten Patentschrift nicht vorkommt.
2.3 Der Kolben gemäß Anspruch 1 unterscheidet sich demnach von dem aus D1 bekannten Kolben dadurch dass:
- der für das Unterteil verwendete Stahl ein ausscheidungshärtender, ferritisch-perlitischer Stahl (AFP-Stahl) ist, und
- fliessgepresst oder geschmiedet ist.
2.4 Die dem angefochtenen Patent zugrundeliegende Aufgabe kann darin gesehen werden, ein Unterteil bereitzustellen, das hohen Festigkeitsanforderungen bei einer gleichzeitig rationellen Herstellbarkeit genügt (Streitpatentschrift, Absatz [0004]).
Diese Aufgabe wird durch die Verwendung eines AFP-Stahls für das Kolbenunterteil gelöst.
D2 offenbart einem Kolbenfachmann, bei gebauten Kolben unter anderem AFP-Stahl einzusetzen. Die Eigenschaften und Wirkungen von diesem bekannten AFP-Stahl kennt der Kolbenfachmann. Es ist daher naheliegend, AFP-Stahl entsprechend seiner bekannten Eigenschaften oder Wirkungen für das Unterteil des aus D1 bekannten gebauten Kolbens zu verwenden (sogenannter "analoger Einsatz", siehe insbesondere T 130/89 ABl. 91, 514).
Ein analoger Einsatz kann zwar erfinderisch sein, wenn damit eine ablehnende Haltung der Fachwelt überwunden wird.
Aus keiner der im Beschwerdeverfahren zitierten Druckschriften geht jedoch eine Auffassung des Kolbenfachmanns hervor, dass Stahl, insbesondere ein AFP-Stahl, nicht bei einem unteren Bereich eines Kolbens eingesetzt werden könnte. Insbesondere in den von der Beschwerdegegnerin zitierten Stellen aus drei verschiedenen Veröffentlichungen einer Mahle-Kolbenkunde geht lediglich hervor, dass ein anderer Werkstoff als Stahl für das Unterteil des gebauten Kolbens bevorzugt wird ("vorzugsweise"). Darüber hinaus lehrt D1, dass als Werkstoff für das Unterteil Stahl verwendet werden kann.
Die Beschwerdegegnerin hat in dieser Hinsicht ausgeführt, dass folgende Beweisanzeichen einer erfinderischen Tätigkeit vorlägen:
- wirtschaftlicher Erfolg,
- überraschende Wirkung/unerwartetes Ergebnis (leichte Herstellbarkeit und hohe Festigkeit, technische und wirtschaftliche Überlegenheit)
- lange bestehendes Bedürfnis, und
- Vorurteile der Fachwelt.
Leichte Herstellbarkeit, hohe Festigkeit und niedrige Kosten sind jedoch bekannte Eigenschaften des AFP-Stahls, die in D2 bereits angesprochen werden. Ein kommerzieller Erfolg kann ein Naheliegen aufgrund des vorhandenen Stands der Technik nicht kompensieren.
Des Weiteren sind wirtschaftlicher Erfolg, das Bestehen eines langen unbefriedigten Bedürfnisses oder eines Vorurteils der einschlägigen Fachwelt nicht nachgewiesen worden.
2.5 Des weiteren bezieht sich D2 unter anderem auch auf die Herstellung von gebauten Kolben (Spalte 1, Zeilen 24 bis 26). Dieser Druckschrift liegt die Aufgabe zugrunde, einen kostengünstiger zu verarbeitenden Werkstoff als den überwiegend eingesetzten Chrom-Molybdän-Stahl 42CrMo4 mit vergleichbar guten Eigenschaften einzusetzen (Spalte 1, Zeilen 12 bis 15). Gelöst wird diese Aufgabe durch die Verwendung eines AFP-Stahls (Spalte 1, Zeilen 16 bis 19).
Die in D2 vermittelte Lehre ist somit darin zu sehen, für die Fertigung der Teile eines gebauten Kolbens, die aus geschmiedetem Stahl sind, AFP-Stahl zu verwenden.
Es war deshalb für einen Kolbenfachmann naheliegend, sich bei einem aus D1 bekannten gebauten Kolben diese Lehre zunutze zu machen und für das Unterteil aus Stahl einen AFP-Stahl zu verwenden, der bei vergleichbar guten Eigenschaften kostengünstiger als der üblich eingesetzte Stahl ist.
2.6 Die Beschwerdegegnerin hat die Auffassung vertreten, D2 lehre nur das Oberteil (Kolbenboden) aus AFP-Stahl herzustellen.
Obwohl dies für die von D2 vermittelte Lehre ohne Belang ist, trifft diese Behauptung nicht zu.
D2 sieht als Einsatzgebiete für die darin offenbarte Erfindung sowohl Gelenkkolben als auch gebaute Kolben vor (Spalte 1, Zeilen 20 bis 26). Der Patentanspruch dieser Patentschrift verlangt, dass auch an den Naben AFP-Stahl eingesetzt wird. In gebauten Kolben sind die Naben im Kolbenunterteil angebracht. Somit offenbart D2, auch Teile des Unterteils aus AFP-Stahl zu fertigen.
2.7 Folglich, beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 wie erteilt nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.