T 2296/08 23-03-2010
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Geschirrkorb zur Aufnahme von Geschirrteilen und Haushalt-Geschirrspülmaschine
Neuheit - Haupt-, Hilfsantrag 1 (verneint)
Unzulässige Erweiterung - Hilfsanträge 2-4
Sachverhalt und Anträge
I. Die Einspruchsabteilung hat mit der Entscheidung vom 3. November 2008 den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 1 137 363 zurückgewiesen.
Der erteilte Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"Geschirrkorb (1) zur Aufnahme von Geschirrteilen (4, 8, 9), insbesondere in einer Haushalt-Geschirrspülmaschine, mit einer rechenartigen Haltevorrichtung aus mehreren Stacheln (4), die direkt auf Bodendrähten (3) befestigt sind, wobei die Haltevorrichtung zwischen verschiedenen Schwenklagen mittels Bodendrähten (3) klappbar ist, wobei die Stacheln (4) der Haltevorrichtung in einem festen Winkel zueinanderstehend abgewickelt ausgebildet sind, so dass jeder abgewickelte Stachel (4) zwei freie Enden (5, 7, 7') hat, wobei die Befestigung der Stacheln auf den Bodendrähten sich in der Nähe der Abwinklung befindet, so dass in jeder Schwenklage die Haltevorrichtung mindestens ein freies Stachelende von der Abwinklung aus betrachtet aufwärts gerichtet ist".
II. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass die geltend gemachten Einspruchsgründe der unzulässigen Erweiterung nach Artikel 100 c) EPÜ und der mangelnden Neuheit nach Artikel 100 a) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents in unveränderter Form nicht entgegenstünden. Die Neuheit des Gegenstandes des Anspruches 1 bejahte sie, weil im Stand der Technik, insbesondere in Druckschrift
DE-U-1 960 802 (A3),
das Merkmal, dass die Haltevorrichtung zwischen verschiedenen Schwenklagen mittels Bodendrähten klappbar ist, nicht offenbart sei. Damit würden Schwenk- bzw. Klappmittel definiert, die aktiv beweglich am Schwenk- bzw. Klappvorgang beteiligt seien. Demgegenüber seien die Bodendrähte in dem Geschirrkorb der Druckschrift A3 passiv feststehend ausgebildet.
III. Gegen diese Entscheidung hat die Einsprechende am 4. Dezember 2008 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung ist am 16. Februar 2009 eingegangen.
Mit der Anlage zur Ladung zu der beantragten mündlichen Verhandlung, hat die Kammer den Parteien ihre vorläufige Bewertung des Falles mitgeteilt. Darauf hat die Patentinhaberin Hilfsanträge 1-4 eingereicht.
Die beantragte mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer hat am 23. März 2010 stattgefunden.
IV. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das europäische Patent Nr. 1 137 363 zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte demgegenüber, die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag) oder hilfsweise die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geändertem Umfang auf Grundlage einer der Hilfsanträge 1-4, eingereicht mit Schreiben vom 23. Februar 2010, aufrecht zu erhalten, mit der Korrektur, dass im Hilfsantrag 4 das Merkmal "an denen die Stacheln" durch "an dem die Stacheln" ersetzt werden soll.
V. Anspruch 1 in der Fassung des Hauptantrages entspricht dem erteilten Anspruch 1. Diesem sind im Hilfsantrag 1 die Merkmale hinzugefügt worden,
dass "der [Geschirrkorb] aus einer mittels Drähte gebildeten Korbkonstruktion mit an einem Geschirrkorbboden (2) längs und quer verlaufenden Bodendrähten (3) besteht" und
die Stacheln "direkt auf Bodendrähten (3) des Geschirrkorbbodens (2) befestigt sind".
Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 ist unter anderem dahingehend präzisiert worden, dass "die Haltevorrichtung zwischen verschiedenen Schwenklagen mittels Bodendrähten (3) des Geschirrkorbbodens (2), an denen die Stacheln (4) direkt befestigt sind, um die Längsachsen von Bodendrähten (3) klappbar ist". Demgegenüber ist in Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 "mittels" durch "mit" ersetzt worden.
Die entsprechende Änderung in Anspruch 1 des Hilfsantrages 4 lautet: "die Haltevorrichtung zwischen verschiedenen Schwenklagen mittels dem um seine Längsachse drehbeweglich Bodendraht (3), an dem die Stacheln (4) direkt befestigt sind, um die Längsachse des Bodendrahts (3) klappbar ist".
VI. Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass der Gegenstand des Anspruches 1 des Haupt- und des Hilfsantrages 1 im Hinblick auf Druckschrift A3 nicht neu sei. Darüber hinaus sei der Gegenstand des Anspruches 1 der Hilfsanträge 2-4 unzulässig erweitert worden, weil sich aus der ursprünglichen Fassung der Anmeldung nicht eindeutig ergebe, wie die Bodendrähte 3 im Geschirrkorb gelagert seien. Dies gelte insbesondere für die Merkmale, dass die Haltevorrichtung um die Längsachse von Bodendrähten bzw. um die Längsachse eines Bodendrahtes klappbar sind. Die aus Druckschrift A3 bekannten Einsatzteile für den Geschirrkorb seien jedenfalls auch im Sinne des Anspruches 1 klappbar.
VII. Dem hielt die Beschwerdegegnerin entgegen, dass die Merkmale des Anspruches 1 im Kontext zu lesen seien.
Bei der Erfindung sei der Bodendraht als aktives Klappmittel drehbar, wohingegen er bei dem aus Druckschrift A3 bekannten Geschirrkorb feststehend ausgebildet sei. Dort würde die Haltevorrichtung durch zusätzliche, separate Einzelteile gebildet, die ähnlich einem Scharnier gelagert seien. Die die Stacheln verbindenden Drähte der Haltevorrichtung seien keine Bodendrähte im Sinne des Anspruches 1. Aufgrund der Anordnung der Bodendrähte und Drähte im Geschirrkorb, könnten die Stacheln 1 nicht mittels der Bodendrähte geklappt werden.
Von dem aus Druckschrift A3 bekannten Geschirrkorb unterscheide sich der mit dem Haupt- und Hilfsantrag 1 beanspruchte Gegenstand dadurch, dass er eine rechenartige Haltevorrichtung aus mehreren Stacheln aufweise, die direkt auf Bodendrähten des Geschirrkorbbodens befestigt seien, wobei die Haltevorrichtung zwischen verschiedenen Schwenklagen mittels Bodendrähten klappbar sei, und dadurch, dass sich die Befestigung der Stacheln auf den Bodendrähten des Geschirrkorbbodens in der Nähe der Abwicklung befinde.
Die zusätzlichen Merkmale in Anspruch 1 der Hilfsanträge 2 - 4 seien zwar in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen nicht explizit beschrieben, ergeben sich für den Fachmann jedoch implizit aus den Ausführungen auf Seite 3, Zeile 34 bis Seite 4, Zeile 16, in Verbindung mit den Figuren 1 - 4. Wenn die Stacheln direkt auf Bodendrähten befestigt sind, also fest mit ihnen verbunden sind, und mittels Bodendrähten zwischen verschiedenen Schwenklagen klappbar sind, so würde dies zwingend die Drehbeweglichkeit des jeweiligen Bodendrahts um dessen Längsachse bedingen. Dies hätte die Einspruchsabteilung ohne Bedenken ebenso gesehen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Druckschrift A3 - Offenbarungsgehalt
Aus dieser Druckschrift ist ein Geschirrkorb mit am Boden drehbar gelagerten rechenartigen Gittern 1 für einzelne Geschirrteile bekannt.
a) Der Geschirrkorb besteht aus fest miteinander verbundenen Drähten. Der in der Draufsicht der Abbildung 2 dargestellte äußere Umriss wird durch zwei übereinander angeordnete Drähte gebildet. An diesen Drähten sind die nach oben gebogenen Enden von längs und quer verlaufenden Drähten befestigt. In Abbildung 2 sind zwei Längsdrähte und sieben Querdrähte erkennbar.
b) An den Querdrähten sind die rechenartigen Gitter 1 vorgesehen.
Die Gitter 1 umfassen Stacheln, die mittels zweier Verbindungsdrähte fest miteinander verbunden sind. In Abbildung 2 sind diese rechts neben den Querdrähten des Geschirrkorbes dargestellt. Der eine Verbindungsdraht ist an seinem einen Ende um 90º abgewinkelt und bildet einen Hebel 2, der in einen Wellenstab 3 eingreift, um eine Schwenklage der Gitters 1 zu arretieren. Der andere Verbindungsstab befindet sich zwischen dem einen Verbindungsstab 2 und dem Querdraht des Geschirrkorbs.
Jedes rechenartige Gitter 1 ist mittels Klammern an jeweils einem der Querdrähte des Geschirrkorbes scharnierartig gelagert (siehe Seite 2, Abs. 3, S. 2), so dass es aus einer horizontalen in eine geneigte Lage verschwenkt werden kann (s. Abb. 1 und 3). Dabei dreht sich das Gitter 1 um die Achse des jeweiligen Querdrahtes des Geschirrkorbs.
3. Neuheit - Haupt-/Hilfsantrag 1
3.1 Druckschrift A3 offenbart im Wortlaut des Anspruches 1 einen Geschirrkorb zur Aufnahme von Geschirrteilen, insbesondere in einer Haushalt-Geschirrspülmaschine (siehe Titel).
Dieser Geschirrkorb besteht aus einer mittels Drähten gebildeten Korbkonstruktion mit an einem Geschirrkorbboden längs und quer verlaufenden Drähten. Da diese Drähte im Bodenbereich des Geschirrkorbes angeordnet sind, sind sie Bodendrähte im Sinne des Anspruches 1.
Der Geschirrkorb weist eine rechenartige Haltevorrichtung aus mehreren Stacheln 1 auf, die direkt auf Querdrähten befestigt sind (siehe oben, b: "Verbindungsdrähte"). Da diese Querdrähte am Boden des Korbes vorgesehen sind (siehe Seite 2, Abs. 2, S. 2) und als Auflage für Geschirrteile dienen, sind sie ebenfalls Bodendrähte im Sinne des Anspruches 1. Hierzu ist festzustellen, dass Anspruch 1 keine Merkmale enthält, durch welche sich diese Bodendrähte von den Bodendrähten des beanspruchten Geschirrkorbes unterscheiden würden. Mittels dieser Bodendrähte ist die Haltevorrichtung zwischen verschiedenen Schwenklagen klappbar (siehe oben, b).
Darüber hinaus ist festzustellen, dass Anspruch 1 keine Merkmale enthält, die eine als separates Einsatzteil ausgebildete Haltevorrichtung ausschließen.
In den Abbildungen 1-3 ist erkennbar, dass die Stacheln der Haltevorrichtung in einem festen Winkel zueinander stehen und abgewickelt ausgebildet sind, dass jeder abgewinkelte Stachel zwei freie Enden aufweist und dass sich die Befestigung der Stacheln auf den Bodendrähten des Geschirrkorbbodens, also den beschriebenen Verbindungsdrähten (siehe oben, b) sich in der Nähe der Abwinklung befindet, so dass in jeder Schwenklage der Haltevorrichtung mindestens ein freies Stachelende von der Abwinklung aus betrachtet aufwärts gerichtet ist.
3.2 Da somit sämtliche Merkmale des Anspruches 1 sowohl des Haupt- als auch des Hilfsantrages 1 aus dieser Druckschrift bekannt sind, ist dessen Gegenstand nicht neu im Sinne des Artikels 54 (2) EPÜ 1973, so dass keinem dieser Anträge stattgegeben werden konnte.
4. Unzulässige Erweiterung - Hilfsanträge 2-4
4.1 In Anspruch 1 ist das Merkmal, dass die Haltevorrichtung "um die Längsachsen von Bodendrähten (3) klappbar ist" (Hilfsanträge 2 und 3) bzw. "um die Längsachse des Bodendrahtes (3) klappbar ist" (Hilfsantrag 4) aufgenommen worden.
4.2 Gemäß der gefestigten Rechtsprechung der Beschwerdekammern, muss der Fachmann die vorgeschlagenen Änderungen unter Heranziehen seines allgemeinen Fachwissens unmittelbar und eindeutig der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung entnehmen können (s. "Rechtsprechung der Beschwerdekammern", 5. deutsche Auflage, III.A.2 und die dort zitierten Entscheidungen T 1206/01 und T 731/09). Dies schließt die dort ausdrücklich genannten Merkmale ein, aber auch die für ihn vom Inhalt miterfassten (d.h. impliziten) Merkmale (s. z.B. T 511/92, erwähnt in "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts", supra, I.C.2.3.). Solche impliziten Merkmale müssen sich klar und eindeutig aus dem ergeben, was in der Druckschrift ausdrücklich angegeben ist (s. T 823/96, erwähnt in "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts", supra, Seite 304).
4.3 Das neu aufgenommene Merkmal ist in der ursprünglichen Fassung der Anmeldung nicht ausdrücklich beschrieben.
Zwar ergibt sich aus den Ausführungen auf Seite 3, Zeilen 34 bis Seite 4, Zeile 16 der Anmeldung, dass die Stacheln 4 an den Bodendrähten 3 des Geschirrkorbbodens 2 befestigt sind, und dass die Stacheln 4 eine rechenartige Haltevorrichtung bilden, die zwischen verschiedenen Schwenklagen klappbar ist. Wie die Bodendrähte, beziehungsweise die daran befestigten Stacheln konkret gelagert sind, um diese Klappbarkeit zu ermöglichen, ist dort jedoch nicht beschrieben. Dies ergibt sich auch nicht aus den Figuren 1-4, weil dort nicht gezeigt wird, wie die Bodendrähte 3 im Geschirrkorb gelagert sind.
Für diese Lagerung gibt es mehrere Möglichkeiten. Die vielleicht offensichtlichste ist die beanspruchte, nämlich dass die Bodendrähte um ihre Längsachse verdrehbar gelagert sind. Jedoch bestehen auch andere Möglichkeiten, beispielsweise, dass sie um eine parallel zu ihrer Längsachse vorgesehene Drehachse verschwenkbar sind. Eine solche Möglichkeit wird in Druckschrift A3 gezeigt, bei der die Haltevorrichtungen 1 um die Längsachse der Querdrähte des Geschirrkorbes verdrehbar sind. Die aufgenommenen Merkmale ergeben sich also nicht eindeutig aus dem ausdrücklich in der Anmeldung Angegebenen. Sie sind keine implizit offenbarten Merkmale.
4.4 Die Kammer kommt deshalb zu dem Ergebnis, dass der Fachmann die oben genannten Merkmale nicht unmittelbar und eindeutig der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung entnehmen kann.
Somit entsprechen diese Änderungen nicht den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ, so dass auch den Hilfsanträgen 2 bis 4 nicht stattgegeben werden konnte.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.