T 0407/11 (Objektorientierte Benutzeroberfläche/SIEMENS) 10-04-2014
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Verfahren und System zur Unterstützung eines Funktionsaufrufs mittels einer Benutzeroberfläche
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag und Hilfsantrag 1 (nein)
Klarheit - Hilfsantrag 2 (nein)
Zulassung ins Beschwerdeverfahren - Hilfsantrag 3 (nein)
Der zugehörige Fachmann im Zusammenhang mit der Bereitstellung von Bedienungshilfestellungen über eine Benutzeroberfläche (wie z.B. Fehlermeldungen oder Warnhinweise) an den Benutzer eines Computersystems ist nach Auffassung der Kammer kein Experte der Software-Programmierung oder der Computertechnik im engeren Sinn, sondern vielmehr ein Fachmann der Benutzerfreundlichkeit auf dem Gebiet der
Mensch-Maschine-Schnittstellen bzw. der Software-Ergonomie (siehe Punkt 2.1.6).
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, zur Post gegeben am 1. Oktober 2010, auf Zurückweisung der europäischen Patentanmeldung Nr. 05020956.8. Gemäß dem Antrag der Anmelderin vom 2. September 2010 erging die Entscheidung der Prüfungsabteilung als "Entscheidung nach Lage der Akten". Das entsprechende Formblatt verwies zur Begründung auf den Prüfungsbescheid (Anhang zur Ladung zur ursprünglich vorgesehenen mündlichen Verhandlung vor der Prüfungsabteilung) vom 1. Juli 2010, der den Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) bezüglich der unabhängigen Ansprüche 1 und 6 gegenüber dem allgemeinen Fachwissen des Fachmanns beinhaltete.
Die folgende Druckschrift wurde im Prüfungsverfahren zitiert:
D1: A. Simpson: "Mastering Word Perfect 6 for Windows", Sybex Computer Books, Seiten 627-629, 1994.
II. Die Beschwerdeschrift ging am 15. November 2010 ein. Die Beschwerdegebühr wurde am selben Tag entrichtet, während die Beschwerdebegründung am 1. Februar 2011 einging. Die Beschwerdeführerin beantragte sinngemäß, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage der Anmeldung in der mit Schreiben vom 6. November 2009 eingereichten Fassung zu erteilen.
III. Die Kammer hat am 19. Dezember 2013 zu einer für den 10. April 2014 anberaumten mündlichen Verhandlung geladen. Mit der Anlage zur Ladung für eine mündliche Verhandlung gemäß Artikel 15(1) VOBK teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung zur Beschwerde mit. Hierbei wurden insbesondere Einwände nach Artikel 56 EPÜ gegenüber D1 erhoben und die Gründe hierfür dargelegt.
IV. Mit Schreiben vom 10. März 2014 reichte die Beschwerdeführerin geänderte Ansprüche gemäß einem Hauptantrag, einem ersten Hilfsantrag und einem zweiten Hilfsantrag ein, um insbesondere die mit der Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK erhobenen Einwände der Kammer auszuräumen und beantragte eine Patenterteilung gemäß Hauptantrag, hilfsweise gemäß erstem oder zweitem Hilfsantrag.
V. Am 10. April 2014 fand eine mündliche Verhandlung statt, in deren Verlauf die Beschwerdeführerin einen dritten Hilfsantrag einreichte. Alle vorliegenden Anträge wurden erörtert. Die Beschwerdeführerin beantragte abschließend, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage der Ansprüche des Hauptantrags oder hilfsweise auf denen des ersten und zweiten Hilfsantrags, eingereicht mit dem Schreiben vom 10. März 2014, oder denen des dritten Hilfsantrags, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, zu erteilen. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.
VI. Anspruch 1 des Hauptantrags hat folgenden Wortlaut:
"Verfahren zur Unterstützung des Aufrufs einer Funktion eines Daten verarbeitenden elektronischen Systems, bei dem
- ein von einem Benutzer veranlasster Funktionsaufruf durch das System festgestellt wird,
- durch das System überprüft wird, ob ein Objekt für die Anwendung der Funktion ausgewählt ist,
- falls kein Objekt ausgewählt ist, eine Information darüber dem Benutzer zugänglich gemacht wird,
- falls ein Objekt ausgewählt ist, überprüft wird, ob es für die Anwendung der Funktion geeignet ist, und
- falls ein nicht für die Anwendung der Funktion geeignetes Objekt ausgewählt ist, eine Information darüber dem Benutzer zugänglich gemacht wird."
Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags enthält alle Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag mit dem einzigen Unterschied, dass das Merkmal "durch das System überprüft wird, ob ein Objekt für die Anwendung der Funktion ausgewählt ist" durch das Merkmal "dann durch das System überprüft wird, ob bereits ein Objekt für die Anwendung der Funktion ausgewählt ist" ersetzt worden ist (mit hervorgehobenen Änderungen in Bezug auf den Hauptantrag).
Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags enthält alle Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und umfasst zusätzlich das folgende Merkmal:
"- falls vor dem Funktionsaufruf mehrere Objekte ausgewählt waren, von welchen aktuell nicht alle für diese Funktion geeignet sind, eine Rückmeldung gegeben wird, welche von den gewählten Objekten für diese Funktion aktuell geeignet sind."
Anspruch 1 des dritten Hilfsantrags hat folgenden Wortlaut (mit hervorgehobenen Änderungen in Bezug auf den zweiten Hilfsantrag):
"Verfahren zur Unterstützung des Aufrufs einer Funktion eines Daten verarbeitenden elektronischen Systems, bei dem
- ein von einem Benutzer veranlasster Funktionsaufruf durch das System festgestellt wird,
- durch das System überprüft wird, ob ein oder mehrere Objekt [sic] für die Anwendung der Funktion ausgewählt ist [sic],
- falls kein Objekt ausgewählt ist, eine Information darüber dem Benutzer zugänglich gemacht wird,
- falls ein oder mehrere Objekt [sic] ausgewählt sind, überprüft wird, ob die ein oder mehreren Objekten für die Anwendung der Funktion geeignet sind,
- falls ein nicht für die Anwendung der Funktion geeignetes Objekt ausgewählt ist, eine Information darüber dem Benutzer zugänglich gemacht wird, und
- falls vor dem Funktionsaufruf mehrere Objekte ausgewählt waren, von welchen aktuell nicht alle für diese Funktion geeignet sind, eine Rückmeldung gegeben wird, welche von den gewählten Objekten für diese Funktion aktuell geeignet sind."
Der weitere unabhängige Anspruch 6 aller vorliegenden Anträge ist auf ein System gerichtet, das ausgelegt ist, die Verfahrensschritte des Anspruchs 1 der jeweiligen Anträge auszuführen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. HAUPTANTRAG
Anspruch 1 dieses Antrags ist identisch mit dem Anspruch 1 des Anspruchssatzes, der der angefochtenen Entscheidung zugrunde lag.
2.1 Artikel 52(1) EPÜ: Neuheit und erfinderische Tätigkeit
Die Kammer urteilt, dass Anspruch 1 dieses Antrags nicht die Erfordernisse des Artikels 52(1) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ erfüllt. Die Gründe hierfür sind wie folgt:
2.1.1 Die Kammer betrachtet das Dokument D1 als einen möglichen, realistischen Ausgangspunkt für die Bewertung der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit gemäß dem "Aufgabe-Lösungs-Ansatz" in Bezug auf Anspruch 1. D1 beschäftigt sich mit der Speicherung von elektronischen Dateien ("files") in einem Textverarbeitungssystem namens "WordPerfect" und offenbart die folgenden einschränkenden Merkmale des Anspruchs 1:
Verfahren zur Unterstützung des Aufrufs einer Funktion ("File ? Save As") eines datenverarbeitenden elektronischen Systems ("WordPerfect"), bei dem
A) ein von einem Benutzer veranlasster Funktionsaufruf durch das System festgestellt wird (siehe Seite 627, zweiter Absatz: "... Figure 20.3 shows the Save As dialog box that opens whenever you choose ... File ? Save As to save any file." in Verbindung mit Fig. 20.3);
B) durch das System überprüft wird, ob ein Objekt ("file format") für die Anwendung der Funktion ausgewählt ist (siehe Seite 627, letzte Zeile bis Seite 628, dritte Zeile: "... choose File ? Save As ... Select the file format you want from the Format drop-down list, then choose OK to complete the save.").
Hinsichtlich der weiteren Merkmale des Anspruchs 1 schließt sich die Kammer der in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung der Beschwerdeführerin an, wonach in D1 eine Warnung nur dann ausgegeben wird, falls das ausgewählte Dateiformat vom Dateiformat der zuletzt abgespeicherten Datei abweicht und nicht - wie laut Anspruch 1 - wenn ein für die Anwendung der aufgerufenen Speicherfunktion ungeeignetes Dateiformat ausgewählt wurde (siehe D1, Seite 628, letzter Absatz: "... WordPerfect displays a Save Format dialog box whenever you save a file to a format that's different from the one previously used to save that file ...").
2.1.2 Daher besteht der Unterschied zwischen dem Gegenstand des Anspruchs 1 und der Offenbarung von D1 darin, dass
C) falls kein Objekt ausgewählt ist, eine Information darüber dem Benutzer zugänglich gemacht wird;
D) falls ein Objekt ausgewählt ist, überprüft wird, ob es für die Anwendung der Funktion geeignet ist und falls ein nicht für die Anwendung der Funktion geeignetes Objekt ausgewählt ist, eine Information darüber dem Benutzer zugänglich gemacht wird.
Folglich ist der Gegenstand des Anspruchs 1 dieses Antrags neu gegenüber D1 (Artikel 54 EPÜ).
2.1.3 Die Unterscheidungsmerkmale C)C) und D)D) haben angeblich die Wirkung, eine "einfachere Bedienung/Verwendung" einer objektorientierten Benutzeroberfläche und dadurch "geringere Einstiegshürden bzw. eine einfachere Einarbeitung" vor allem für "Anfänger bzw. Umsteiger" zu ermöglichen, so dass das resultierende Verfahren "leicht und intuitiv" zu erlernen sei (vgl. Seite 2, Zeilen 23-34 der ursprünglich eingereichten Anmeldung).
2.1.4 Eine solche Wirkung kann jedoch nicht als eine direkt ableitbare, kausale Folge der Merkmale C)C) und D)D) betrachtet werden, da Attribute wie "einfachere Bedienung" bzw. "leichte und intuitive Einarbeitung" in der Regel subjektiver Natur sind, d. h. von den individuellen Präferenzen und Erfahrungen oder den geistigen Möglichkeiten eines Benutzers abhängen (vgl. T 1741/08, Punkt 2.1.9, zweiter Absatz), während die Einstufung eines Benutzers als "Anfänger", "Umsteiger" oder "Fortgeschrittener" im Allgemeinen auf verschiedenen, nicht klar definierten Kriterien basiert. Die Kammer sieht daher die Wirkung der Verfahrensschritte C)C) und D)D) vielmehr darin, zu verhindern, dass eine vom Benutzer gewünschte Datenverarbeitungsfunktion - durch eigene Fehlbedienung - überhaupt nicht oder nur unzureichend vom datenverarbeitenden System ausgeführt wird.
2.1.5 Die durch Anspruch 1 zu lösende objektive Aufgabe besteht demnach darin, in einem datenverarbeitenden elektronischen System gemäß D1 zu verhindern, dass eine vom Benutzer aufgerufene Funktion aufgrund dessen Verschulden entweder gar nicht oder nur in unerwünschter Weise vom System ausgeführt wird.
2.1.6 Beim zugehörigen Fachmann, dem eine solche objektive Aufgabe angetragen werden könnte, handelt es sich nach Auffassung der Kammer nicht um einen Experten der Softwareprogrammierung (wie in der angefochtenen Entscheidung suggeriert; vgl. Abschnitte 2.5 und 2.6) oder der Computertechnik im engeren Sinn, sondern vielmehr um einen Fachmann der Benutzerfreundlichkeit auf dem Gebiet der Mensch-Maschine-Schnittstellen bzw. der Software-Ergonomie. Dies wurde von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer auch nicht bestritten.
2.1.7 Ausgehend von der Lehre von D1 würde ein solcher Fachmann zunächst erkennen, dass das Format "WordPerfect 6.0" das voreingestellte Dateiformat ("default save format") für die Speicherung von elektronischen Dateien in D1 darstellt (siehe den Eintrag "WordPerfect 6.0 (*.wpd;*.wpt;*.doc;*.wp)" im Formatfeld neben der Bezeichnung "Format" in Fig. 20.3). Ferner entnimmt der Fachmann der Druckschrift D1, dass ein Abspeichern einer Datei in dem beschriebenen Textverarbeitungssystem zwar möglich ist, aber nicht empfohlen wird (siehe Seite 628, zweiter Absatz, rechte Spalte: "You can change the default save format from WordPerfect 6 to something else, though I don't recommend it ..."). Daraus würde der Fachmann schließen, dass ein vom Dateiformat "WordPerfect 6.0" abweichendes Format für die Speicherung von Dateien "ungeeignet" ist.
Die Kammer ist ferner der Überzeugung, dass es dem allgemeinen Fachwissen des Fachmanns auf dem Gebiet der Software-Ergonomie zuzurechnen ist, dass eine angemessene Hilfestellung mittels einer grafischen Oberfläche für einen Benutzer im Zusammenhang mit einer benutzerfreundlichen Datenverarbeitung unabdingbar ist. Somit würde dieser Fachmann für den Fall, dass gar kein Dateiformat vom Benutzer ausgewählt wurde, oder für den Fall, dass das zur Speicherung ausgewählte Dateiformat nicht mit dem vorgesehenen Dateiformat "WordPerfect 6.0" übereinstimmt, nur eine Möglichkeit der Reaktion des Systems ins Auge fassen: die Speicherung der betreffenden Datei erst dann auszuführen, nachdem der Benutzer darüber informiert wurde, dass er im Begriff ist, die Datei mit fehlendem bzw. ungeeignetem Dateiformat abzuspeichern. Dadurch wäre zweifelsfrei sichergestellt, dass der Benutzer das Dateiformat noch derart korrigieren kann, dass die gewählte Datei letztendlich doch in erwünschter Weise abgespeichert wird. Eine etwaige Speicherung der Datei ohne jegliche Rückmeldung an den Benutzer könnte hingegen eine Speicherung in einem unerwünschten Format durch das Computersystem mit der Gefahr von eventuell irreparablen Schäden für die zu speichernde Datei nach sich ziehen (siehe hierzu auch D1, Seite 628, letzter Absatz: "... protect files from being damaged accidentally ..." oder Seite 629, letzter Absatz, rechte Spalte: "Do not convert crucial DOS system files ... to a different format. This can cause problems with your computer ..."), weil eben in einem solchen Fall ein Hinweis zu einer nicht erfolgten oder problematischen Auswahl des Dateiformats gänzlich fehlen würde.
Demzufolge käme für den Fachmann unter Einsatz seines allgemeinen Fachwissens zur Bewältigung der objektiven Aufgabe nur eine Lösung mit entsprechenden Rückmeldungen an den Benutzer in Frage. Die Umsetzung dieser geringfügigen Anpassung des Systems von D1 wäre zudem für ihn mit keinerlei technischen Schwierigkeiten verbunden, da lediglich ein zusätzliches Fenster, wie z. B. das in D1 verwendete "Save Format"-Dialogfenster (siehe D1, Seite 629), eingeblendet werden müsste mit einer hinzugefügten Meldung wie "The typed file format is not valid. Type the correct file format, such as *.wpd; *.wpt; *.doc; *.wp". Somit würde der Fachmann in naheliegender Weise zur Lösung gemäß Anspruch 1 gelangen.
2.1.8 Folglich beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 dieses Antrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber D1 und dem allgemeinen Fachwissen des Fachmanns (Artikel 56 EPÜ).
2.1.9 Die Beschwerdeführerin hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass die Anmeldung im Zusammenhang mit Automatisierungssystemen und zugehörigen Programmen zu sehen und der Begriff "Objekt" entsprechend zu interpretieren sei. Dieser Zusammenhang ergebe sich aus dem Hinweis auf den Funktionsaufruf "Laden in CPU" gemäß Seite 4, Zeile 22 der ursprünglich eingereichten Beschreibung, den der Fachmann als Hinweis auf eine speicherprogrammierbare Steuerung verstehe, sowie den Namen "STEP 7 Lite" in der Titelleiste des in Figur 1 dargestellten Anwendungsfensters. Die Kammer ist jedoch nicht davon überzeugt, dass der Begriff "Objekt" als ein auf eine Anwendung im Automatisierungsbereich eingeschränktes Objekt interpretiert werden muss, da einerseits die Ansprüche keine derartige Einschränkung enthalten und andererseits die Beschreibung nur ganz allgemein den Aufruf einer Funktion eines datenverarbeitenden elektronischen Systems, insbesondere eines Computers betrifft (vgl. Seite 2, Zeilen 17-19 der ursprünglichen Beschreibung). Da eine CPU das Kernstück jedes Computers ist, wie die Beschwerdeführerin auch einräumte, stellt der Funktionsaufruf "Laden in CPU" auch keinen eindeutigen Hinweis auf eine speicherprogrammierbare Steuerung dar. Der Name "Step 7 Lite" wird zudem in der Beschreibung weder aufgegriffen noch erläutert, er wird vielmehr nur im Rahmen einer beispielhaften Illustration gemäß Fig. 1 verwendet.
Darüber hinaus hat die Beschwerdeführerin sowohl im schriftlichen Verfahren als auch in der mündlichen Verhandlung argumentiert, dass der Fachmann mit einem "Objekt" gemäß Anspruch 1 die zu speichernde Datei und nicht deren Dateiformat gleichsetzen würde. Das jeweilige Dateiformat sei vielmehr als ein "Attribut" oder ein "Parameter" des Speichern-Befehls anzusehen. Die Kammer stellt jedoch hierzu fest, dass weder Anspruch 1 noch die Beschreibung der Anmeldung eine präzise Definition des Begriffs "Objekt" angibt. Da somit der Begriff "Objekt" sehr breit auszulegen ist (z. B. als jedwedes Funktionsargument), kann folglich das Dateiformat gemäß D1 sehr wohl als ein mögliches Objekt, auf das die Funktion "Save As" unter anderem angewandt wird, betrachtet werden.
2.2 Demnach ist dieser Antrag nicht gewährbar nach Artikel 56 EPÜ.
3. ERSTER HILFSANTRAG
Anspruch 1 dieses Antrags unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hauptantrags lediglich darin, dass das Merkmal B)B) sich nun folgendermaßen liest (mit hinzugefügter Hervorhebung):
"dann durch das System überprüft wird, ob bereits ein Objekt für die Anwendung der Funktion ausgewählt ist".
Diese Änderung ist durch die Offenbarung von Seite 3, Zeilen 3-6 der ursprünglichen Anmeldung gestützt.
3.2 Artikel 52(1) EPÜ: Neuheit und erfinderische Tätigkeit
3.2.1 Die Merkmalsanalyse und die Feststellungen bezüglich Anspruch 1 des Hauptantrags gemäß Punkt 2.12.1 oben gelten mutatis mutandis auch für Anspruch 1 dieses Antrags.
3.2.2 Zudem offenbart D1 auch das modifizierte Merkmal B)B) des Anspruchs 1, da auch dort zuerst der Aufruf der Funktion "Save As" erfolgt, bevor überprüft wird, ob bereits ein Datenformat vom Benutzer ausgewählt wurde (siehe Fig. 20.3), um dann mit der Speicherung der jeweiligen Datei in dem gewünschten Format fortzufahren (siehe Seite 628, Zeilen 1-3). Die Beschwerdeführerin brachte hierzu keine weiteren Argumente in der mündlichen Verhandlung vor.
3.3 Somit ist auch dieser Antrag nicht gewährbar nach Artikel 56 EPÜ.
4. ZWEITER HILFSANTRAG
Anspruch 1 dieses Antrags unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hauptantrags darin, dass er zusätzlich angibt, dass
E) falls vor dem Funktionsaufruf mehrere Objekte ausgewählt waren, von welchen aktuell nicht alle für diese Funktion geeignet sind, eine Rückmeldung gegeben wird, welche von den gewählten Objekten für diese Funktion aktuell geeignet sind.
Merkmal E)E) ist durch die Offenbarung von Seite 3, Zeilen 24-29 und Anspruch 5 der ursprünglichen Anmeldung gestützt.
4.1 Artikel 84 EPÜ
Die Kammer ist der Auffassung, dass durch die Hinzufügung des Merkmals E)E) das Zusammenwirken der einzelnen Verfahrensschritte des Anspruchs 1 unklar wird. Dem fachkundigen Leser erschließt sich nämlich weder sprachlich noch technisch, wie gemäß Verfahrensschritt E)E) mehrere Objekte vor einem Funktionsaufruf ausgewählt und deren Eignung für die Funktionsanwendung überprüft worden sein sollen, wenn in den vorangehenden Verfahrensschritten B)B) und D)D) des Anspruchs 1 lediglich ein Objekt ausgewählt und dessen Eignung überprüft wurde. Selbst wenn man - zugunsten der Beschwerdeführerin - annehmen sollte, dass die mehreren ausgewählten und überprüften Objekte aus den einzelnen ausgewählten und überprüften Objekten gemäß Merkmale B)B) und D)D) resultieren würden, wäre völlig unklar, ob dann die Verfahrensschritte B)B) , D)D) und E)E) iterativ oder in einem Zug auszuführen sind.
4.2 Folglich ist dieser Antrag nicht gewährbar nach Artikel 84 EPÜ.
5. DRITTER HILFSANTRAG
Anspruch 1 dieses Antrags unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hauptantrags darin, dass er zusätzlich angibt, dass in den Verfahrensschritten B)B) und D)D) jeweils überprüft wird, ob ein oder mehrere Objekte für die Funktionsanwendung ausgewählt bzw. geeignet sind (mit hinzugefügter Hervorhebung).
5.1 Zulassung in das Beschwerdeverfahren
Dieser Antrag wurde als Reaktion auf den Klarheitseinwand in Bezug auf Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer und somit in einem sehr späten Verfahrensstadium eingereicht. Als Stütze für die vorgenommenen Änderungen im Anspruch 1 hat die Beschwerdeführerin wiederum auf Seite 3, Zeilen 24-29 der ursprünglichen Anmeldung verwiesen. Diese Textstelle betrifft jedoch lediglich eine zusätzliche Rückmeldung für den Fall, dass vor dem Funktionsaufruf mehrere Objekte ausgewählt waren, d. h. den letzten durch einen Spiegelstrich gekennzeichneten Verfahrensschritt des Anspruchs 1 dieses Antrags. Sie enthält hingegen keine Hinweise oder Informationen, wie dieser Schritt mit den übrigen Schritten zusammenwirkt, insbesondere auch nicht darüber, dass ein oder mehrere Objekte überprüft werden, ob sie für die Anwendung der Funktion geeignet sind. Die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ sind somit nicht erfüllt und der Antrag ist folglich prima facie nicht gewährbar.
5.2 Aus den obigen Gründen hat die Kammer entschieden, den dritten Hilfsantrag in Ausübung ihres durch Artikel 13(1) VOBK eingeräumten Ermessens nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.