T 0333/14 04-02-2016
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EMULSIONSARTIGE WASSERLÖSLICHE KONZENTRATE
Lefèvre, Angèle
Ounis, Abdallah
Zulässigkeit der Einsprüche
Ausnahmen von der Patentierbarkeit - Verfahren zur therapeutischen Behandlung
Spät eingereichte Hilfsanträge - zugelassen (nein)
Sachverhalt und Anträge
I. Das europäische Patent Nr. 1 565 163 wurde mit neun Ansprüchen erteilt.
Die unabhängigen Ansprüche 1 und 8 und der abhängige Anspruch 9 der erteilten Fassung lauten wie folgt:
"1. Wasserlösliche Emulsionskonzentrate von fettartigen Substanzen hergestellt mit den folgenden Schritten:
Kombinieren von Lecithinen und hochkonzentrierten wässrigen Lösungen aus höher als zweiwertigen Alkoholen mit Kettenlängen von C3-C6 oder Kohlenhydraten,
wobei die Konzentration der Lösungen aus höher als zweiwertigen Alkoholen mit Kettenlängen von C3-C6 bzw. Kohlenhydraten zwischen 30 Gew.-% und 99 Gew.-% ist,
Dispergieren der Kombination mittels Rühren,
Zugeben der fettartigen Substanzen,
wobei das Verhältnis Lecithin:fettartigen Substanzen zwischen 1:1 und 1:12 und die Konzentration der Mischung Lecithin/fettartigen Substanzen in den hochkonzentrierten wässrigen Lösungen aus höher als zweiwertigen Alkoholen mit Kettenlängen von C3-C6 oder Kohlenhydraten zwischen 10 Gew.-% und 90 Gew.-% ist,
Rühren der Kombination und der fettartigen Substanzen
und Homogenisieren unter Hochdruck.
8. Verwendung der wasserlöslichen Emulsionskonzentrate gemäß mindestens einem der vorhergehenden Ansprüche für kosmetische, pharmazeutische oder diätetische Zwecke.
9. Verwendung gemäß Anspruch 8, gekennzeichnet durch topische, orale oder parenterale Anwendung."
II. Gegen die Erteilung des Patents wurden zwei Einsprüche eingelegt. Als Einspruchsgründe unter Artikel 100 a), b) und c) EPÜ wurden fehlende Neuheit, fehlende erfinderische Tätigkeit, unzureichende Offenbarung sowie unzulässige Erweiterung angeführt.
Weiterhin wurde in beiden Einspruchsbegründungen darauf hingewiesen, dass die beanspruchte Verwendung der Emulsionskonzentrate die Behandlung am menschlichen Körper miterfasse und daher vom Patentschutz ausgenommen sei.
III. Im Verlauf des Einspruchs- und Beschwerdeverfahrens wurde als Stand der Technik u.a. die folgende Entgegenhaltung genannt:
D25: DE 37 22 540 A1
IV. Die vorliegende Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die in der mündlichen Verhandlung vom 25. November 2013 verkündete und am 12. Dezember 2013 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent zu widerrufen.
Hauptantrag der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren war die Zurückweisung der Einsprüche. Weiterhin lagen laut Entscheidung der Einspruchsabteilung und laut Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung fünf Hilfsanträge vor.
In der Sache kam die Einspruchsabteilung zu folgendem Ergebnis:
a) "Der vorliegende Einspruch" erfülle die Erfordernisse nach Artikel 99(1), 100 und Regel 76 EPÜ und sei daher zulässig.
b) Der Gegenstand der Ansprüche 8 und 9 der erteilten Fassung (Hauptantrag) betreffend die Verwendung von Emulsionskonzentraten für pharmazeutische Zwecke und die topische, orale oder parenterale Anwendung umfasse Verfahren zur Therapie und sei deshalb unter Artikel 53 c) EPÜ von der Patentierbarkeit ausgeschlossen.
c) Anspruch 3 in Hilfsantrag 1 (identisch mit Anspruch 3 der erteilten Fassung) erfülle aufgrund der Ersetzung des ursprünglich im Zusammenhang mit polaren Lipiden verwendeten Begriffs "Lipide" durch den Begriff "fettartige Substanzen" nicht die Erfordernisse von Artikel 123(2) EPÜ.
d) Dem Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 (identisch mit Anspruch 1 der erteilten Fassung) fehle die Neuheit gegenüber dem in der Entgegenhaltung D25 beschriebenen Ausführungsbeispiel 5 (Artikel 54 EPÜ).
e) Die erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vorgelegten Hilfsanträge 3 und 4 würden nicht in das Verfahren zugelassen, da der Gegenstand des in diesen Anträgen identischen Anspruchs 1 prima facie als unklar zu bewerten sei (Regeln 116 und 137(3) EPÜ sowie Artikel 84 EPÜ).
f) Die Ansprüche 1 bis 8 des Hilfsantrags 5 seien identisch mit den Ansprüchen 1 bis 8 von Hilfsantrag 1, womit der Gegenstand von Anspruch 3 dieses Hilfsantrags ebenfalls gegen Artikel 123(2) EPÜ verstoße, wie bereits für Hilfsantrag 1 festgestellt.
V. Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein und bestritt dabei u.a. die Zulässigkeit der Einsprüche im Hinblick auf das Vorbringen betreffend Neuheit und erfinderische Tätigkeit.
VI. Mit Antwort vom 10. März 2015 auf die Erwiderung der Beschwerdegegnerin (Einsprechende 1) legte die Beschwerdeführerin drei neue Hilfsanträge vor.
Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags ist im Wortlaut identisch mit Anspruch 1 der erteilten Fassung des Streitpatents, wobei nach "Homogenisieren unter Hochdruck" jedoch noch folgendes Merkmal hinzugefügt ist:
"..., dadurch gekennzeichnet, dass die Herstellungsschritte ohne Verwendung eines 2. Emulgators durchgeführt werden."
Anspruch 8 des ersten Hilfsantrags lautet wie folgt:
"8. Verwendung der wasserlöslichen Emulsionskonzentrate gemäß mindestens einem der Ansprüche 1-5 für pharmazeutische Zwecke."
Die Ansprüche 1 und 7 des zweiten Hilfsantrags lauten wie folgt:
"1. Wasserlösliche Emulsionskonzentrate von fettartigen Substanzen hergestellt mit den folgenden Schritten:
Kombinieren von Lecithinen und hochkonzentrierten wässrigen Lösungen aus höher als zweiwertigen Alkoholen mit Kettenlängen von C3-C6 oder Kohlenhydraten,
wobei die Konzentration der Lösungen aus höher als zweiwertigen Alkoholen mit Kettenlängen von C3-C6 bzw. Kohlenhydraten zwischen 30 Gew.-% und 99 Gew.-% ist,
Dispergieren der Kombination mittels Rühren,
Zugeben der fettartigen Substanzen aus der Gruppe der Fettsäuren, Wachse, Wachsester, Paraffine, Fettalkohole, Fettaldehyde, Glyceride usw., Isoprenoide, nämlich Terpene und Steroide: z.B. A-Vitamine, E-Vitamine, D-Vitamine, K-Vitamine, Bisabolol, Menthol, etherische Öle, Cholesterin, Sitosterole, Coenzym Q 10 oder Ceramide sowie der öllöslichen UV-A und UV-B Filter und Siliconöle,
wobei das Verhältnis Lecithin:fettartigen Substanzen dieser Gruppe zwischen 1:1 und 1:12 und die Konzentration der Mischung Lecithin/fettartigen Substanzen dieser Gruppe in den hochkonzentrierten wässrigen Lösungen aus höher als zweiwertigen Alkoholen mit Kettenlängen von C3-C6 oder Kohlenhydraten zwischen 10 Gew.-% und 90 Gew.-% ist,
Rühren der Kombination und der fettartigen Substanzen dieser Gruppe
und Homogenisieren unter Hochdruck.
7. Verwendung der wasserlöslichen Emulsionskonzentrate gemäß mindestens einem der Ansprüche 1-4 für pharmazeutische Zwecke."
Die Ansprüche 1 und 7 des dritten Hilfsantrags entsprechen im Wortlaut den Ansprüchen 1 und 7 des zweiten Hilfsantrags, wobei jedoch die Wahl der obligatorischen fettartigen Substanzen in Anspruch 1 beschränkt ist auf die Gruppe der
"Wachse, Wachsester, Paraffine, Glyceride, Isoprenoide, nämlich Terpene und Steroide: z.B. A-Vitamine, E-Vitamine, D-Vitamine, K-Vitamine, Bisabolol, Menthol, etherische Öle, Sitosterole, Coenzym Q 10 oder Ceramide".
VII. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK erläuterte die Kammer ihre vorläufige Einschätzung.
- Unter anderem wies sie darauf hin, dass sich für die teilweise Unzulässigkeit eines Einspruchs, wie sie von der Beschwerdeführerin mit Hinweis auf eine unzureichende Substantiierung der Einspruchsgründe im Hinblick auf fehlende Neuheit und fehlende erfinderische Tätigkeit geltend gemacht werde, im EPÜ keine Grundlage finde. Da in den Einspruchsbegründungen jeweils mindestens ein Einspruchsgrund nachvollziehbar begründet worden sei, seien die Einsprüche als zulässig anzusehen (vgl. Punkt 1 der Mitteilung).
- Eine Verwendung für pharmazeutische Zwecke umfasse auch die Verwendung eines Pharmazeutikums in einem Verfahren zur therapeutischen Behandlung des Körpers gemäß Artikel 53 c) EPÜ. Daher scheine die in Anspruch 8 des Streitpatents (Hauptantrag) und in den entsprechenden Ansprüchen der Hilfsanträge beanspruchte Verwendung der Emulsionskonzentrate für pharmazeutische Zwecke nicht gewährbar zu sein (vgl. Punkt 4 und 10 der Mitteilung).
- Beispiel 5 der Entgegenhaltung D25 erweise sich als neuheitsschädlich für Anspruch 1 des Streitpatents (Hauptantrag). Weiter scheine die im jeweiligen Anspruch 1 des zweiten und dritten Hilfsantrags angegebene Auswahlmöglichkeit "Glyceride" in diesem Zusammenhang nicht dazu geeignet, die anspruchsgemäße fettartige Substanz von dem gemäß D25 verwendeten Fischöl abzugrenzen (vgl. Punkt 5 und 8 der Mitteilung).
- Aufgrund der Bedingung, dass die Herstellungsschritte ohne Verwendung eines zweiten Emulgators durchzuführen seien, schienen die Konzentrate gemäß Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags neu gegenüber dem Produkt der Hochdruckhomogenisierung aus Beispiel 5 von D25 zu sein, wo Natriumoleat mitverwendet werde (vgl. Punkt 8 der Mitteilung). Weiter komme die Entgegenhaltung D25 auch als Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des ersten Hilfsantrags basierend auf diesem Unterscheidungsmerkmal in Frage (vgl. Punkt 9 der Mitteilung).
VIII. Eine mündliche Verhandlung fand am 4. Februar 2016 in Abwesenheit des Beschwerdegegners (Einsprechender 2) statt.
Im Verlauf der Verhandlung legte die Beschwerdeführerin vier weitere Hilfsanträge als vierten bis siebten Hilfsantrag vor, zog aber den vierten und fünften Hilfsantrag wieder zurück.
Der sechste Hilfsantrag entspricht dem zweiten Hilfsantrag mit Ausnahme folgender Änderungen:
- In Anspruch 1 wurde der Begriff "Glyceride usw." aus der Gruppe der Auswahlmöglichkeiten für die obligatorischen fettartigen Substanzen gestrichen.
- In Anspruch 7 wurde "für pharmazeutische Zwecke" geändert zu: "für pharmazeutische, nicht therapeutische Zwecke".
Der siebte Hilfsantrag entspricht dem zweiten Hilfsantrag mit Ausnahme folgender Änderungen:
- In Anspruch 1 wurde der Begriff "Glyceride usw." aus der Gruppe der Auswahlmöglichkeiten für die obligatorischen fettartigen Substanzen gestrichen.
- Anspruch 7 wurde gestrichen; die folgenden Ansprüche wurden entsprechend umnumeriert.
IX. Die Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Zulässigkeit der Einsprüche (Regel 76(2)c) EPÜ)
Die Entscheidung der Einspruchsabteilung (Punkt 1) sei im Hinblick auf die Zulässigkeit der Einsprüche unvollständig (da erklärt werde, "der" Einspruch, also nur einer der Einsprüche, sei zulässig) und nicht begründet.
In den Einspruchsbegründungen sei ein Zusammenhang zwischen den zitierten Entgegenhaltungen und den in den Ansprüchen des Streitpatents definierten Merkmalen nicht nachvollziehbar dargelegt worden. Wegen unzureichender Substantiierung der Einspruchsgründe zum Thema Neuheit und erfinderische Tätigkeit seien deshalb beide Einsprüche im Hinblick auf diese Einspruchsgründe nicht zulässig.
Ausnahme von der Patentierbarkeit (Artikel 53 c) EPÜ)
In den auf die Verwendung der Emulsionskonzentrate für pharmazeutische Zwecke gerichteten Ansprüchen werde keine spezifische Anwendung in einem therapeutischen Behandlungsverfahren genannt. Wie aus der Entscheidung T 0004/98 vom 9. August 2001 zu entnehmen sei, könne der Anspruchsgegenstand infolgedessen nicht als eine bestimmte Behandlungsmethode oder therapeutische Anwendung im Sinne von Artikel 53 c) EPÜ ausgelegt werden.
Ohnehin sei der Begriff "Verwendung für pharmazeutische Zwecke" auf eine Verwendung lediglich zur Herstellung von Arzneimitteln und Giften beschränkt und umfasse nicht deren Anwendung. Zur Stützung dieser Auslegung werde auf G. Wahrig: Deutsches Wörterbuch (Bertelsmann Lexikon-Verlag), Eintrag zum Begriff "pharmazeutisch" verwiesen.
Die Ansprüche seien nicht mit der Absicht erstellt worden, therapeutische Verfahren abzudecken. Das Interesse der Beschwerdeführerin betreffend Pharmaka sei auf Erzeugnisse zur topischen Verabreichung beschränkt. Die beispielhaft im Streitpatent genannten Produkte, wie medizinische Ölbäder, seien üblicherweise frei verkäuflich, nicht apothekenpflichtig und würden nicht von Ärzten verabreicht.
Zulassung der Hilfsanträge
Der sechste und siebte Hilfsantrag enthielten leicht überschaubare Änderungen in Reaktion auf bereits bekannte Einwände unter Artikel 53 c) und 54 EPÜ. Die Einreichung dieser Hilfsanträge könne daher nicht als überraschend gewertet werden; sie vereinfache vielmehr die Diskussion.
X. Die Argumente der Beschwerdegegnerin (Einsprechende 1) lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Zulässigkeit der Einsprüche (Regel 76(2)c) EPÜ)
Eine teilweise Unzulässigkeit eines Einspruchs im Hinblick auf bestimmte Einspruchsgründe sei im EPÜ nicht vorgesehen. Dies würde auch im Widerspruch zu dem Grundsatz stehen, wonach bekanntermaßen eine Einspruchsabteilung im Rahmen der Amtsermittlung befugt sei, neue Einspruchsgründe zu prüfen. Im übrigen sei der Einspruch der Beschwerdegegnerin (Einsprechende 1) in der Einspruchsschrift ausführlich und ausreichend im Sinne von Regel 76(2)c) EPÜ begründet worden; und dies auch im Hinblick auf das Vorbringen zur Neuheit und erfinderischen Tätigkeit, indem nämlich die nach Auslegung relevanten Anspruchsmerkmale in Bezug zum Stand der Technik gesetzt worden seien.
Ausnahme von der Patentierbarkeit (Artikel 53 c) EPÜ)
Die Verwendungsansprüche seien weder auf die Emulsionskonzentrate selbst noch auf deren Herstellung, sondern auf ihre Verwendung gerichtet. Dabei beinhalte die Verwendung für pharmazeutische Zwecke nach üblichem Verständnis therapeutische Verfahren im Sinne von Artikel 53 c) EPÜ; weiterhin verweise Anspruch 9 des Streitpatents mit der Angabe einer "parenteralen Anwendung" eindeutig auf therapeutische Verfahren.
Zulassung der Hilfsanträge
Die Hilfsanträge seien verspätet eingereicht worden und wiesen Mängel auf. Insbesondere sei im Hinblick auf den sechsten und siebten Hilfsantrag anzumerken, dass die bekannten Einwände unter Artikel 53 c) und 54 EPÜ bereits in der angefochtenen Entscheidung als entscheidungsrelevant behandelt worden seien, so dass die Beschwerdeführerin mehrere Jahre Zeit gehabt habe, geeignete Anträge vorzulegen. Die verspätete Vorlage des sechsten und siebten Hilfsantrags am Tag der mündlichen Verhandlung stelle die Beschwerdegegnerin vor eine neue Situation und erfordere zusätzliche Vorbereitungszeit.
XI. Die Beschwerdeführerin beantragte im Hauptantrag die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung. Hilfsweise beantragte sie die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf Grundlage der Ansprüche des ersten, zweiten oder dritten Hilfsantrags, sämtlich eingereicht mit Schreiben vom 10. März 2015, oder des sechsten bzw. siebten Hilfsantrags, beide eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 4. Februar 2016. Sie bestritt die Zulässigkeit der Einsprüche im Hinblick auf die Einspruchsgründe fehlende Neuheit und fehlende erfinderische Tätigkeit.
XII. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende 1) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde. Zusätzlich beantragte sie, die Hilfsanträge nicht in das Verfahren zuzulassen.
XIII. Der Beschwerdegegner (Einsprechender 2) äußerte sich im Beschwerdeverfahren nicht und legte keine Anträge vor.
Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit der Einsprüche (Regel 76(2)c) EPÜ)
1.1 Der Begriff der Unzulässigkeit bezieht sich laut Regel 77 EPÜ (Verwerfung des Einspruchs als unzulässig) auf den Einspruch als Ganzes (vgl. T 0212/97 vom 8. Juni 1999; Gründe Nr. 3.1 und T 0065/00 vom 10. Oktober 2001; Gründe Nr. 2.2). Anders als von der Beschwerdeführerin geltend gemacht, enthält das EPÜ keine Grundlage dafür, einen einzelnen Einspruchsgrund als unzulässig zu verwerfen.
1.2 Die Zulässigkeit eines Einspruchs ist gegeben, wenn er den in Regel 77(1) EPÜ genannten Erfordernissen entspricht, also insbesondere nach Regel 76(2)c) EPÜ eine Erklärung darüber enthält, in welchem Umfang gegen das europäische Patent Einspruch eingelegt und auf welche Einspruchsgründe der Einspruch gestützt wird, sowie die zur Begründung vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel angibt. Dabei reicht es im Hinblick auf das Kriterium der Substantiierung der Einspruchsgründe aus, wenn einer der Einspruchsgründe die Erfordernisse der Regel 76(2)c) EPÜ erfüllt.
1.3 Die von der Beschwerdeführerin zur Stützung des Konzepts der "teilweisen Unzulässigkeit" angeführte Entscheidung T 0182/89 (ABl. EPA 1991, 391) wurde von der Großen Beschwerdekammer in ihrer Stellungnahme G 10/91 vom 31. März 1993 bereits berücksichtigt. Dabei gelangte die Große Kammer zu der Auffassung, dass eine Einspruchsabteilung in Anwendung des Artikels 114(1) EPÜ einen durch die Erklärung gemäß Regel 55 c) EPÜ 1973 (entsprechend Regel 76(2)c) EPÜ 2000) nicht abgedeckten Einspruchsgrund von sich aus vorbringen oder einen solchen vom Einsprechenden (oder nach Artikel 115 EPÜ von einem Dritten) nach Ablauf der Frist gemäß Artikel 99(1) EPÜ vorgebrachten Grund prüfen kann, sofern dieser prima facie relevant ist (vgl. G 10/91, ABl. EPA 1993, 408; Gründe Nr. 16 sowie Leitsätze Nr. II).
Daraus ergibt sich, dass ein bei Ablauf der Einspruchsfrist nicht ausreichend substantiierter Einspruchsgrund nicht "unzulässig" sein kann, da dies im Gegensatz zu der in G 10/91 dargelegten Vorgehensweise bedeuten würde, dass ein solcher Einspruchsgrund automatisch von jeder weiteren Prüfung ausgeschlossen wäre.
1.4 Nach Auffassung der Kammer erfüllen im vorliegenden Fall beide Einsprüche die Kriterien für die Zulässigkeit gemäß Regel 77(1) EPÜ.
Was die Kriterien gemäß Regel 76(2)c) EPÜ betrifft, so geben beide Einspruchsbegründungen an, es werde der vollumfängliche Widerruf des Patents beantragt, nennen Einspruchsgründe unter Artikel 100 a), b) und c) EPÜ und geben eine Begründung der unter Artikel 100 a), b) und c) EPÜ vorgebrachten Einwände an. Dass die Einspruchsgründe unter Artikel 100 b) und c) EPÜ in beiden Einspruchsbegründungen ausreichend substantiiert sind, hat die Beschwerdeführerin nicht bestritten. Die Kammer sieht diesbezüglich ebenfalls keinen Anlass für eine Beanstandung.
Wie vorstehend erläutert (s.o. Punkt 1.21.2 ), ist dies bereits ausreichend zur Erfüllung der Kriterien gemäß Regel 76(2)c) EPÜ.
1.5 Die Zulässigkeit eines Einspruchs ist als unverzichtbare verfahrensrechtliche Voraussetzung jeder sachlichen Prüfung des Einspruchsvorbringens in jedem Verfahrensstadium, also auch im anschließenden Beschwerdeverfahren, von Amts wegen zu prüfen (vgl. T 0289/91 vom 10. März 1993, Gründe Nr. 2.1; Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, siebte Auflage, September 2013, IV.E.3.2.1.a) und IV.D.3.1). Selbst wenn - wie von der Beschwerdeführerin geltend gemacht wurde - die Entscheidung der Einspruchsabteilung in diesem Punkt unvollständig wäre, ergäbe sich daher für das Beschwerdeverfahren kein Unterschied.
2. Ausnahme von der Patentierbarkeit (Artikel 53 c) EPÜ)
2.1 Gemäß Artikel 53 c) Satz 1 EPÜ sind Verfahren zur therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers von der Patentierbarkeit ausgenommen.
2.2 Anders als von der Beschwerdeführerin unter Verweis auf die Entscheidung T 0004/98 (ABl. EPA 2002, 139; Gründe Nr. 8.1) behauptet, sind therapeutische Verfahren unter Artikel 53 c) EPÜ somit nicht auf spezifische Behandlungsverfahren beschränkt, die bestimmte Angaben bezüglich Art der Krankheit, Art des einzusetzenden Mittels und Patientengruppe erfordern würden. Vielmehr umfasst Artikel 53 c) EPÜ auch die unbestimmte Therapie; vgl. hierzu Artikel 54(4) und 54(5) EPÜ, wo sowohl auf die unbestimmte Anwendung in einem in Artikel 53 c) EPÜ genannten Verfahren (entsprechend einer ersten medizinischen Indikation) als auch auf die spezifische Anwendung in einem in Artikel 53 c) EPÜ genannten Verfahren (entsprechend einer weiteren medizinischen Indikation) Bezug genommen wird. Es gibt im EPÜ keine Grundlage dafür, dem allgemeinen Begriff der therapeutischen Behandlung bestimmte implizite Einschränkungen zuzuschreiben (vgl. auch die diesbezüglichen Ausführungen in der Entscheidung T 1020/03 (ABl. EPA 2007, 204; Gründe Nr. 31 bis 37)).
2.3 Die Ansprüche des Streitpatents (Hauptantrag) enthalten mit Anspruch 8 einen unabhängigen Anspruch, der auf die Verwendung der in Anspruch 1 definierten wasserlöslichen Emulsionskonzentrate für pharmazeutische Zwecke gerichtet ist.
2.4 Nach üblichem Verständnis würde der fachkundige Leser bei diesem Wortlaut davon ausgehen, dass die Anwendung der Konzentrate als Pharmazeutikum (Arzneimittel), also ihre Verwendung in einem Verfahren zur therapeutischen Behandlung des Körpers gemäß Artikel 53 c) EPÜ, unter die beanspruchte Verwendung "für pharmazeutische Zwecke" fällt. Die Verwendung einer Zubereitung in einem Behandlungsverfahren entspricht dabei einem Behandlungsverfahren unter Verwendung der besagten Zubereitung.
2.4.1 Diese Auslegung wird durch den Umstand bestätigt, dass laut Unteranspruch 9 des Streitpatents (der auf Anspruch 11 der ursprünglichen Fassung der Anmeldung zurückgeht) die Verwendung für pharmazeutische Zwecke gekennzeichnet ist "durch topische, orale oder parenterale Anwendung", also durch die Applikation der Zubereitung am Körper. Somit war mit dem gewählten Wortlaut von Anfang an beabsichtigt, dass die Verwendung die Anwendung beinhalten soll.
2.4.2 Damit in Einklang steht weiter auch die Aussage in Absatz [0023] des Streitpatents, wonach die erfindungsgemäßen Konzentrate direkt als Produkt verwendet werden können für beispielsweise medizinische oder kosmetische Ölbäder.
2.5 Laut Beschwerdeführerin soll der Begriff "Verwendung für pharmazeutische Zwecke" implizit ausschließlich die Verwendung der Emulsionskonzentrate zur Herstellung von Pharmazeutika umfassen. Zur Stützung ihrer Auffassung verweist sie auf G. Wahrig: Deutsches Wörterbuch (Bertelsmann Lexikon-Verlag), Eintrag zum Begriff "pharmazeutisch", wonach dieser Begriff gleichbedeutend sein soll mit "die Kenntnis und Herstellung von Arzneimitteln und Giften betreffend".
2.6 Im Streitpatent wird allerdings an keiner Stelle auf eine in diesem Sinne eingeschränkte Bedeutung hingewiesen. Somit ist die allgemeinere Auslegung heranzuziehen, die wie oben erläutert zusätzlich durch den Kontext gestützt wird (vgl. Punkt 2.42.4 bis 2.4.22.4.2 ). Sollte der Anspruch nur die Herstellung von pharmazeutischen Erzeugnissen betreffen, hätte er explizit so formuliert werden können, um andere Möglichkeiten klar auszuschließen. Beim vorliegenden Wortlaut kann dagegen nicht davon ausgegangen werden, dass eine therapeutische Verwendung ausgeschlossen ist.
2.7 Zur Stützung einer im Kontext des Streitpatents völlig plausiblen Auslegung ist es entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht erforderlich, auf weitere Lexika oder Lehrbücher zurückzugreifen. Im übrigen sei darauf hingewiesen, dass auch gemäß "Wahrig" die Pharmazie u.a. den Gebrauch von Heilmitteln betrifft.
2.8 Ob spezielle im Patent genannte Ausführungsformen, wie zum Beispiel medizinische Ölbäder, apothekenpflichtig sind oder üblicherweise von einem Arzt verabreicht würden, ist für die Beurteilung ohne Belang, da es auf den Behandlungszweck ankommt, der eindeutig als "medizinisch" angegeben ist (wobei die anderen beiden Kriterien zwar im Zweifelsfall als Hinweise auf ein therapeutisches Verfahren dienen könnten, aber nicht obligatorisch erfüllt sein müssen). Die Anwendung eines medizinischen Ölbads, die im Streitpatent als konkretes Beispiel für die Verwendung der Konzentrate angegeben wird, ist damit therapeutisch im Sinne von Artikel 53 c) EPÜ (vgl. Punkt 2.4.22.4.2 ).
2.9 Aus diesen Gründen ist die Kammer zu der Auffassung gelangt, dass der Gegenstand von Anspruch 8 des Streitpatents Behandlungsverfahren gemäß Artikel 53 c) EPÜ umfasst und aufgrund dessen nicht patentierbar ist.
2.10 Während die Kammer keinen besonderen Anlass sieht, den ersten, zweiten und dritten Hilfsantrag nicht in das Verfahren zuzulassen, enthält jeder dieser Anträge allerdings ebenso wie der Hauptantrag einen unabhängigen Anspruch betreffend die Verwendung der wasserlöslichen Emulsionskonzentrate für pharmazeutische Zwecke (Anspruch 8 im ersten Hilfsantrag, Anspruch 7 im zweiten und dritten Hilfsantrag) und ist damit aufgrund desselben Mangels gemäß Artikel 53 c) EPÜ nicht gewährbar.
3. Zulassung des sechsten und siebten Hilfsantrags (Artikel 13 VOBK)
3.1 Der sechste und siebte Hilfsantrag wurden im Verlauf der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer eingereicht. Beide entsprechen im wesentlichen dem zweiten Hilfsantrag, wobei u.a. in Anspruch 1 die Auswahlmöglichkeit "Glyceride usw." gestrichen wurde. Die Beschwerdeführerin hat dazu erklärt, mit der Änderung in Anspruch 1 beider Hilfsanträge solle ein bereits seit langem im Verfahren bekannter Einwand im Hinblick auf mangelnde Neuheit ausgeräumt werden.
3.2 Da die Anträge verspätet eingereicht wurden, unterliegt ihre Zulassung in das Verfahren gemäß Artikel 13 der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK; ABl. EPA 2007, 536) dem Ermessen der Kammer.
3.3 Die angefochtene Entscheidung der Einspruchsabteilung behandelt zum Thema der Patentierbarkeit nur Einwände unter Artikel 53 c) und 54 EPÜ; zur erfinderischen Tätigkeit wurde im bisherigen Verfahren nicht entschieden.
3.4 Laut der angefochtenen Entscheidung war die Einspruchsabteilung der Auffassung, dem Gegenstand von Anspruch 1 des damaligen Hilfsantrags 2 fehle die Neuheit gegenüber dem in der Entgegenhaltung D25 beschriebenen Ausführungsbeispiel 5 (s.o. Punkt IV.d)d) ; angefochtene Entscheidung Punkt 8 bis 8.3). Dabei entspreche das laut D25 verwendete Fischöl der fettartigen Substanz gemäß Streitpatent. Der betreffende Anspruch ist identisch mit Anspruch 1 der erteilten Fassung des Streitpatents, also des damaligen und jetzigen Hauptantrags.
3.5 Im schriftlichen Teil des Beschwerdeverfahrens ging die Beschwerdeführerin nicht auf diesen Einwand betreffend die fehlende Neuheit ein, sondern beschränkte sich auf die Behauptung, die Entgegenhaltung D25 könne gar nicht zur Beurteilung der Neuheit herangezogen werden, weil sie ein anderes technisches Gebiet betreffe als das Streitpatent.
3.6 In ihrer zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung ergangenen Mitteilung (s.o. Punkt VII.VII. ) wies die Kammer darauf hin, dass bekanntermaßen das technische Gebiet einer Entgegenhaltung nicht relevant für die Beurteilung der Neuheit sei und dass nach vorläufiger Einschätzung dem Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags sowie des zweiten und dritten Hilfsantrags nach wie vor die Neuheit gegenüber Beispiel 5 der Entgegenhaltung D25 fehle. Für Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags schien nach vorläufiger Meinung der Kammer die Neuheit gegeben zu sein, wobei die erfinderische Tätigkeit ausgehend von der Entgegenhaltung D25 auf der Grundlage des Unterscheidungsmerkmals beurteilt werden könne, wonach anspruchsgemäß kein zweiter Emulgator in der homogenisierten Zubereitung miteingearbeitet sei.
3.7 Mit dem vorliegenden sechsten bzw. siebten Hilfsantrag wird nun versucht, die Neuheit von Anspruch 1 gegenüber der Entgegenhaltung D25 auf der Grundlage eines anderen Unterscheidungsmerkmals als im ersten Hilfsantrag herzustellen, nämlich der Wahl der obligatorischen fettartigen Substanz. Durch die Streichung der Auswahlmöglichkeit "Glyceride" sind Triglyeride (entsprechend Fischöl in D25) nicht mehr umfasst, während Anspruch 1 des sechsten und siebten Hilfsantrags keine Bedingung zu enthalten scheint, die wie im ersten Hilfsantrag die Anwesenheit eines zweiten Emulgators im Produkt ausschließen könnte.
3.8 Hierdurch würde sich folglich die Diskussionsgrundlage für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit, die im bisherigen Verfahren ohnehin nur ansatzweise angesprochen wurde, verändern.
3.9 Die Kammer ist zu dem Schluss gelangt, dass diese Umstellung so kurzfristig weder der Beschwerdegegnerin noch der Kammer zugemutet werden konnte, zumal der Neuheitseinwand, wie von der Beschwerdeführerin selbst in ihrem Vortrag hervorgehoben wurde, seit Jahren, mindestens seit Beginn des Beschwerdeverfahrens, bekannt war und die Beschwerdeführerin daher ausreichend Gelegenheit hatte, frühzeitig geänderte Anträge einzureichen, um diesem Einwand Rechnung zu tragen.
3.10 Aufgrund dessen werden der sechste und siebte Hilfsantrag gemäß Artikel 13(1) und (3) VOBK nicht in das Verfahren zugelassen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.