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T 0692/13 (BWT/Anreicherung mit Magnesium) 11-10-2017
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VERFAHREN UND VORRICHTUNG ZUR ANREICHERUNG VON WASSER MIT MAGNESIUM-IONEN
Spät eingereichte Tatsachen - zugelassen (ja)
Neuheit - (ja)
Ausreichende Offenbarung - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerden der Beschwerdeführerin I (Patentinhaberin) sowie der Beschwerdeführerin II (Einsprechende) betreffen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, dass das europäische Patent EP-B-2094611 in geänderter Fassung gemäß damaligem Hilfsantrag I die Bedingungen des EPÜ erfülle.
II. Folgende in der angefochtenen Entscheidung zitierte Dokumente sind für die vorliegende Entscheidung relevant:
D6: DE-A1-100 20 437
D7: A.A. Zagorodni, Ion Exchanger Materials, Properties and Applications, S. 37 bis 45, Elsevier 2007
D9: WO-A1-2005/092798
D10: W.H. Höll et al. S. 139-147 in Ion Exchange for Industry, Editor: Michael Streat, Ellis Horwood Limited, 1988
D11: F. Helferich, Ionenaustauscher, Band 1, Grundlagen, S. 173-174, Verlag Chemie GmbH, 1959
D12: Konrad Dorfner, Ion Exchangers, S. 99 bis 108, Walter de Gruyter, 1991
D13: DE-A1-28 00 516
D16: C.E. Harland, Ion Exchange: Theory and Practice, S. 104-105 and 192-195, 2. Auflage, 1994
D18: DIN 54403, Dezember 2001
III. Mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin II folgende Dokumente ein:
D19: Versuchsbericht 12-0100: Quellverhalten von unterschiedlichen Harzen unterschiedlicher TK bei Beladung mit Mg
D20: Versuchsbericht 12-0302: pH-Entwicklung und Magnesiumabgabe bei unterschiedlichen Austauschermischungen mit gleicher Mg-Beladung bei Leitungswasser Neuhof
D21: E.E. Lockhart et al., The effect of water impurities on the flavor of brewed coffee, Journal of food science, 20 (6), 1955, pp. 598-605
D22: Directive 2009/54/EC of 18 June 2009 on the exploitation and marketing of natural mineral waters.
IV. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin I (Patentinhaberin) können wie folgt zusammengefasst werden:
D19 bis D22 seien nicht in das Verfahren zuzulassen, da keines der Dokumente prima facie relevant sei. Zudem hätten die in D20 gezeigten Versuche bereits vor der Einspruchsabteilung eingereicht werden können, da sich die Sachlage nicht geändert habe.
Ausführbarkeit
Das Merkmal "zur Anreicherung mit Magnesium" könne nicht derart ausgelegt werden, dass unter allen denkbaren Bedingungen das Wasser mit Magnesium angereichert werde. Ein Fachmann verstehe ausgehend vom Ausführungsbeispiel, dass sich im Ionenaustauscher zuerst ein Gleichgewicht einstellen müsse, bevor eine Anreicherung des Wassers mit Magnesium stattfinde. Obwohl die Einsprechende in D20 gezielt darauf hingearbeitet habe, Beispiele zu finden, bei denen das beanspruchte Verfahren schlecht funktioniere, gehe aus D20 hervor, dass selbst unter den in D20 angegebenen unrealistischen Bedingungen nach einer gewissen Zeit eine Anreicherung mit Magnesium stattfinde. Der Fachmann wisse, wie er die Beladung des Ionenaustauschers mit Magnesium wählen müsse, damit das Ziel der Anreicherung des Trinkwassers mit Magnesium-Ionen erreicht werde.
Auch könne der pH-Wert für unterschiedliche Wässer über den Grad der Beladung des Ionenaustauschers mit Wasserstoff und Magnesium eingestellt werden. Der Fachmann kenne die Affinität unterschiedlicher Ionen gegenüber dem Ionenaustauscher und wisse, dass die Veränderung des pH-Werts des Wassers durch die Beladung mit Alkali-Ionen beeinflusst werde. Dies sei im Einklang mit den Ergebnissen aus D20.
Auch sei die Ionenaustauscherkapazität ein gängiger Begriff und der Fachmann könne ohne Weiteres mit einem wie in Absatz [0030] des Streitpatents beschriebenen Verfahren die gewünschte Menge an Magnesium auf den Ionentauscher aufbringen. Ausgehend von der totalen Kapazität und der aufgebrachten Menge an Magnesium könne die Beladung mit Magnesium einfach berechnet werden.
Auch D20 belege, dass die Kapazität des Ionenaustauschermaterials bestimmt werden könne.
Erfinderische Tätigkeit
D6 zeige lediglich ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Verminderung von Steinbildung und Korrosion in flüssigkeitsführenden Systemen und habe nicht die Anreicherung von Trinkwasser mit Magnesium zum Ziel. D6 zeige keinen schwachsauren Ionenaustauscher, welcher nur teilweise mit Magnesium beladen sei. D6 ziele nicht auf die Veränderung der Härte, sondern nur auf den Austausch von Calcium mit Magnesium. Eine Beladung des Ionentauschers mit Wasserstoff laufe der Lehre der D6 zuwider.
D9 offenbare einen Wasserfilter mit einem kationischen Austauschharz, wobei Mineralsalz wie Magnesiumsalz zudosiert würden. Es werde zwar angegeben, dass ein Teil des Ionentauschers mit Alkali- oder Erdalkali-Ionen beladen sei, jedoch werde weder explizit Magnesium genannt noch sei dies für die Anreicherung des Wassers mit Magnesium gedacht.
D10 liefere lediglich in allgemeiner Form Hinweise, dass es möglich sei, ein schwachsaures Ionenaustauschermaterial mit Magnesium zu beladen, aber keinerlei Hinweise zur Anreicherung von Trinkwasser mit Magnesium.
D13 offenbare einen starksauren Ionenaustauscher für einen Austausch von Calcium gegen Magnesium-Ionen.
V. Die maßgeblichen Argumente der Beschwerdeführerin II (Einsprechenden) können wie folgt zusammengefasst werden:
D19 bis D22 seien als Reaktion auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung anzusehen. Die Einspruchsabteilung habe das Argument der Affinität der verschiedenen Kationen nicht berücksichtigt. D20 bestätige, dass dies eine Rolle spiele.
Ausführbarkeit
Es gebe keine allgemein akzeptierte Definition der Ionenaustauscherkapazität. Selbst wenn man von D18 ausginge, das nur die totale Kapazität betreffe, sei es nicht möglich ein Ionenaustauschermaterial herzustellen, das in einem Bereich von 70 bis 30% seiner Ionenaustauscherkapazität mit Wasserstoff-Ionen beladen ist.
Zudem sei das Verfahren nicht über die gesamte Breite des Anspruchs ausführbar, da nicht alle Ionenaustauschermaterialien, die im Verfahren benutzt würden, zwingend zur Anreicherung mit Magnesium führten, wie dies auch aus D20 hervorginge. D20 zeige, dass je nach Beladung des Ionentauschers eine pH-Einstellung auf einen Wert von weniger als 7.0 gar nicht möglich sei.
Es fehle die Angabe mindestens eines weiteren Merkmals im Anspruch, das erfüllt sein müsse, damit eine Anreicherung mit Magnesium überhaupt erreicht werde. So sei je nach Wasserzusammensetzung eine lange Vorlaufzeit respektive ein großes Vorlaufvolumen nötig, bis es überhaupt zu einer Anreicherung mit Magnesium komme.
D20 zeige auch, dass je nach Beladung Calcium-Ionen nicht im Austausch gegen Magnesium, sondern gegen Natrium dem Wasser entzogen würden. Auch sei es unmöglich, mit den beanspruchten Ionenaustauschern gleichzeitig Wasserstoff und Magnesium gegen Calcium auszutauschen.
Erfinderische Tätigkeit
D6 offenbare bereits den Austausch von Calcium gegen Magnesium. Der einzige Unterschied sei die Beladung des Ionenaustauschers mit Wasserstoff. Da D20 belege, dass der pH-Wert durch die Anwesenheit von Wasserstoff-Ionen auf dem Ionenaustauscher nicht unbedingt unter 7.0 gebracht werde, sei die zu lösende Aufgabe in der Bereitstellung eines alternativen Verfahrens zu sehen. Die Lösung sei naheliegend, da die 30-70%ige Beladung mit Wasserstoff rein willkürlich sei. Selbst wenn die Reduktion der Alkalinität als zu lösende Aufgabe angesehen würde, so sei die Lösung naheliegend aufgrund von D12.
D9 sei auch ein möglicher Ausgangspunkt. Die einzige gegenüber D9 zu lösende Aufgabe sei die Anreicherung des Wassers mit Magnesium. Dies sei naheliegend aufgrund von D10, D11 und D16.
Auch sei D13 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen für die Frage der erfinderischen Tätigkeit relevant.
VI. Die mündliche Verhandlung fand am 11.Oktober 2017 statt. Im Laufe der Verhandlung reichte die Beschwerdeführerin I einen neuen Hauptantrag ein.
Die unabhängigen Ansprüche dieses Antrags lauten wie folgt:
"1. Verfahren zur Anreicherung von Trinkwasser mit Magnesium-Ionen, wobei das Wasser durch einen Ionenaustauscher (9) geleitet wird, der ein schwach saures Ionenaustauschermaterial enthält, das mindestens zu einem Teil seiner Ionenaustauscherkapazität mit Magnesium-Ionen beladen ist, dadurch gekennzeichnet, dass das Ionenaustauschermaterial in einem Bereich von 70 bis 30% seiner Ionenaustauscherkapazität mit Wasserstoff-Ionen beladen ist.
11. Vorrichtung zur Anreicherung von Trinkwasser mit Magnesium-Ionen mit einem mit dem Wasser beaufschlagbaren Ionenaustauscher (9), der ein schwach saures Ionenaustauschermaterial enthält, das mindestens zu einem Teil seiner Ionenaustauscherkapazität mit Magnesium-Ionen beladen ist, dadurch gekennzeichnet, dass das Ionenaustauschermaterial in einem Bereich von 70 bis 30 % seiner Ionenaustauscherkapazität mit Wasserstoff-Ionen beladen ist, und wobei das Ionenaustauschermaterial in einem Bereich von 30 bis 70% seiner Ionenaustauscherkapazität mit Magnesium-Ionen beladen ist."
Die Ansprüche 2 bis 10 bzw. 12 bis 15 sind von den Ansprüchen 1 bzw. 11 abhängig und beschreiben bevorzugte Ausführungsformen des Verfahrens bzw. der Vorrichtung.
VII. Die Beschwerdeführerin I (Patentinhaberin) beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf Basis des Hauptantrages, eingereicht während der mündlichen Verhandlung vom 11. Oktober 2017, oder des ersten (erteilte Ansprüche), des zweiten (eingereicht mit Eingabe vom 27. Dezember 2011), des dritten (eingereicht mit Eingabe vom 5. Oktober 2012) oder des vierten bis achten Hilfsantrags (eingereicht mit Eingabe vom 21. Juli 2017), aufrechtzuerhalten.
Die Beschwerdeführerin II (Einsprechende) beantragt, unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung das Patent gänzlich zu widerrufen.
Entscheidungsgründe
1. Artikel 12(4) VOBK: Zulassung von D19 bis D22
D19 bis D22 wurden mit der Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin II als angebliche Reaktion auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung eingereicht.
Die Einspruchsabteilung hat dem Argument der Beschwerdeführerin II, dass je nach Beladung des Ionentauschers eine Anreicherung des Trinkwassers nicht erhalten werde (siehe deren Eingabe während des Einspruchsverfahrens vom 5. November 2012 unter 2.1.2), in ihrer Entscheidung keine besondere Bedeutung zugemessen. Deshalb hat die Beschwerdeführerin II zur Wiederholung und weiteren Ausführung dieser Argumentation D20 eingereicht. Somit kann D20 als gerechtfertigte Reaktion auf das Verfahren vor der Einspruchsabteilung und vor allem auf die Entscheidung angesehen werden. Es ist deshalb kein Grund zu ersehen, wieso D20 bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätte eingereicht werden müssen, sodass D20 Teil des Beschwerdeverfahrens ist.
Da D19, D21 und D22 gegenüber den bereits im Verfahren befindlichen Dokumenten prima facie keine zusätzlichen, für die Entscheidung relevanten Angaben enthalten, wird eine Diskussion der Zulässigkeit dieser Entgegenhaltungen als nicht notwendig erachtet.
Hauptantrag
2. Artikel 13(1) und (3) VOBK
Die Beschwerdeführerin II hat die Zulässigkeit des in der mündlichen Verhandlung eingereichten neuen Hauptantrags nicht moniert. Die Kammer sieht auch keinen Grund, dies zu tun, da sich durch die Einreichung dieses leicht geänderten Antrags die Diskussion über Neuheit erübrigte und damit ein gewährbarer Antrag vorliegt (siehe infra).
3. Artikel 100(b) in Verbindung mit Artikel 83 EPÜ
Die Bedingungen das Artikels 83 EPÜ sind aus folgenden Gründen erfüllt:
3.1 Anspruch 1 betrifft ein Verfahren, das geeignet ist Trinkwasser mit Magnesium anzureichern. Dabei wird Trinkwasser durch einen Ionenaustauscher geleitet, der ein schwach saures Ionenaustauschermaterial enthält, das mindestens zu einem Teil seiner Ionenaustauscherkapazität mit Magnesium-Ionen und 30 bis 70% mit Wasserstoff-Ionen beladen ist.
Es stellt sich nach Ansicht der Beschwerdeführerin II die Frage, ob der Fachmann weiß, wie er den gewünschten Ionentauscher erhält und wie sichergestellt wird, dass das Trinkwasser wirklich mit Magnesium angereichert wird, also die Magnesiumkonzentration im behandelten Trinkwasser erhöht wird.
Das Patent selbst sagt nichts darüber aus, wie die Ionenaustauscherkapazität bestimmt werden soll und wie erreicht und überprüft werden soll, ob tatsächlich 70 bis 30% der Ionenaustauscherkapazität mit Wasserstoff-Ionen beladen ist. Auch Absatz [0030] der Patentschrift macht dazu keine Angaben.
Der Fachmann weiß, dass es mehrere Definitionen der Ionenaustauscherkapazität gibt (siehe z.B. D7, S. 39 bis 41) und dass deshalb auch unterschiedliche Methoden für deren Bestimmung existieren. Da die Ionenaustauscherkapazität jedoch ein gängiger Begriff ist, ist dem Fachmann bewusst, dass standardisierte Methoden erarbeitet wurden, die es erlauben unterschiedliche Materialien zu vergleichen. Einer dieser Standards ist die DIN 54403 (D18).
D18 betrifft die Bestimmung der totalen Kapazität von Kationenaustauschern und weist darauf hin, dass beim schwachsauren Kationenaustauscher von der Wasserstoff-Form auszugehen ist, wegen der unterschiedlichen Quellung der einzelnen Beladungsformen (siehe 5.1 und 5.3.1). Nachdem die Gesamtkapazität bestimmt wurde, kann anschließend, wie in Absatz [0030] des Streitpatents beschrieben, Magnesium gegen Wasserstoff ausgetauscht werden. Aus der aufgenommenen Menge an Magnesium kann berechnet werden, welcher Prozentsatz der Ionenaustauscherkapazität weiterhin mit Wasserstoff beladen ist. Dem Fachmann ist bewusst, dass es durch den Austausch mit Magnesium zu einer Quellung des Ionentauschers kommt und somit zu einer Variation in der auf das Volumen bezogenen Ionenaustauscher-kapazität. Dies kann jedoch in einem ersten Ansatz vernachlässigt und dann die Berechnung durchgeführt werden. Diese Variation hindert den Fachmann jedoch nicht einen Ionenaustauscher herzustellen, der mit etwa 30 bis 70% Wasserstoff-Ionen beladen ist. Um Unsicherheiten in den "Randbereichen" zu vermeiden und sich "sicher" in dem Bereich der 30-70%igen Wasserstoffionenbeladung zu befinden, kann der Fachmann z.B. die Hälfte der Wasserstoffionenaustauschkapazität mit Magnesium ersetzen. Die Ungenauigkeit ist nicht so gravierend, als dass sie den Fachmann von der Ausführung der Erfindung abhalten würde, vor allem deshalb nicht, weil es nicht um die Einstellung eines spezifischen Wertes geht, sondern eines relativ breiten Bereichs.
Eine andere Möglichkeit, die beanspruchten Ionentauscher herzustellen ist die in D20 von der Beschwerdeführerin II benutzte Methode, worin mit unterschiedlichen Ionen beladene Ionentauscher gemischt werden; ähnlich ist das in D12 vorgesehen. Auch hier kommt es zu Ungenauigkeiten, da ein mit Wasserstoff-Ionen gesättigter Ionenaustauscher eine geringere Quellung hat als ein mit Magnesium oder einem anderen Ion gesättigter Ionenaustauscher.
Es ist also offensichtlich, dass in Anspruch 1 ein Klarheitsproblem aufgrund eines nicht eindeutig definierten Parameters (70 bis 30% seiner Ionenaustauscherkapazität) vorliegt. Dieser unklare Parameter führt jedoch nicht zu einem Mangel an Ausführbarkeit der Erfindung (T 2290/12, Gründe 3.1), da der Fachmann prinzipiell weiß, wie solche Ionentauscher herzustellen sind.
Obwohl es auch andere Normen (wie z.B. eine ASTM-Norm) zur Bestimmung der totalen Kapazität gibt, gibt es keinen Hinweis, der belegt, dass solche Normen von der DIN-Norm völlig abweichende Ergebnisse liefern würden.
Nachdem der Fachmann einen Ionentauscher hergestellt hat, der in dem beanspruchten Verfahren benutzt werden soll, stellt sich die Frage, ob er weiß, wie das Verfahren durchzuführen ist, damit Trinkwasser mit Magnesium angereichert wird.
Das Streitpatent offenbart zwei Beispiele, in denen ein nur mit Magnesium- und Wasserstoff-Ionen beladener Ionenaustauscher jeweils mit Trinkwasser beaufschlagt wurde. Nach Durchlauf von max. 8, bzw. 5 Litern konnte eine Anreicherung mit Magnesium festgestellt werden. Der Fachmann erhält also die Anleitung den Ionentauscher so lange mit Wasser durchzuspülen, bis sich die Magnesiumkonzentration im durchgeleiteten Wasser erhöht. Der Fachmann weiß, dass dabei der Ionentauscher genügend lange mit dem Wasser in Kontakt sein soll, damit sich ein Gleichgewicht einstellen kann. Zudem kennt sie die in D11 und D16 gezeigten Affinitätsreihen und weiß, dass die Beladung des Ionentauschers mit Natrium oder Kalium dazu führen wird, dass die Anreicherung des Trinkwassers mit Magnesium erst dann stattfinden kann, wenn Natrium bzw. Kalium ausgetauscht wurden. Dies ist auch im Einklang mit den Ergebnissen aus D20, die zeigen, dass Magnesium erst dann im Wasser angereichert wurde, wenn Natrium ausgetauscht ist (siehe Figuren 4 und 5). Es ist auch bekannt, dass die Zusammensetzung des Wassers (z.B. Gehalt an Calcium- und Magnesium-Ionen und deren Verhältnis) eine Rolle dabei spielt, wie schnell es zu einer Anreicherung mit Magnesium kommt.
Obwohl die Lehre des Streitpatents eindeutig in die Richtung eines Ionentauschers geht, der nur mit Wasserstoff und Magnesium beladen ist, ist sogar mit Ionentauschern, die noch mit anderen Ionen beladen sind, eine Anreicherung mit Magnesium möglich.
Anspruch 1 enthält zwar keinen Schritt, der vorsieht, dass die Anreicherung des Trinkwassers mit Magnesium erst nach dem Durchleiten einer gewissen Menge von Trinkwasser eintritt, jedoch geht dies eindeutig aus der Lehre des Streitpatents hervor. Das Fehlen eines (wesentlichen) Merkmals im Anspruch kann aber allenfalls einen Einwand unter Artikel 84 EPÜ (siehe auch T 2001/12, Gründe 4.2) begründen, nicht einen solchen unter Artikel 83 EPÜ.
Zusammenfassend ist die Kammer davon überzeugt, dass der Fachmann weiß, wie der benötigte Ionenaustauscher hergestellt und wie dann mit einem solchen das Wasser mit Magnesium angereichert werden kann.
Anspruch 1 erfüllt somit die Bedingungen des Artikels 83 EPÜ.
Zu den von der Beschwerdeführerin II hinsichtlich weiterer Ansprüche erhobenen Beanstandungen:
3.2 Anspruch 3 betrifft den Austausch von Magnesium gegen Calcium. Wie bereits oben erwähnt, kennt der Fachmann die in D11 gezeigte Affinitätsreihe und weiß, dass je nach Beladung die Abgabe von Magnesium nicht unmittelbar nach dem Beginn des Durchleitens des Trinkwassers, d.h. möglicherweise erst zu einem späteren Zeitpunkt, stattfindet. Anspruch 3 ist dahingehend zu verstehen, dass das in das Wasser abgegebene Magnesium durch Calcium ersetzt wird. Es bedeutet jedoch nicht, dass Calcium nicht auch (zusätzlich) durch andere Ionen wie z.B. Wasserstoff-Ionen ersetzt werden kann. Dies geht auch aus den Absätzen [0022] und [0023] des Streitpatents hervor. Der Gegenstand des Anspruchs 3 impliziert, dass der Ionenaustauscher zusätzlich zu den Wasserstoff-Ionen eine ausreichende Menge Magnesium enthält, damit der Austausch gegen Calcium stattfindet. Es gibt also keinen triftigen Grund daran zu zweifeln, dass der Fachmann weiß, wie aus dem Wasser Calcium entfernt und dafür Magnesium zugegeben werden kann.
3.3 Anspruch 1 in Kombination mit Anspruch 4 ist so zu verstehen, dass das Ionenaustauschermaterial in einem Bereich von 30 bis 70% seiner Ionenaustauscherkapazität mit Magnesium-Ionen und in einem Bereich von 70 bis 30% seiner Ionenaustauscherkapazität mit Wasserstoff-Ionen beladen ist. Der Fachmann weiß, dass die angegebenen Bereiche komplementär zu lesen sind, sodass eine 70%ige Beladung mit Magnesium nur eine 30%ige Beladung mit Wasserstoff-Ionen bedeuten kann. Die Anwesenheit anderer Ionen ist nicht ausgeschlossen, da sowohl Magnesium als auch Wasserstoff nur je 30% der Beladung ausmachen können. Dass der Fachmann weiß, wie solche Ionentauscher herstellbar sind, wurde bereits in den vorigen Abschnitten diskutiert.
3.4 Die Ansprüche 6 und 7 werden so interpretiert, dass durch die Magnesium-Beladung die Beladung mit Wasserstoff reguliert wird, was wiederum den pH-Wert beeinflusst. Dies geht auch aus Absatz [0023] des Streitpatents hervor. Der Fachmann würde dieses Verhältnis je nach dem zu behandelnden Trinkwasser einstellen, sodass das zu erreichende Ziel, nämlich die gewünschte Einstellung das pH-Werts, gelingt. Es wurde von der Beschwerdeführerin II nicht bewiesen, dass dies im Hinblick auf die zuvor gemachten Überlegungen das Können des Fachmanns übersteigen würde.
3.5 Gegen die abhängigen Ansprüche 2, 5 sowie 8 bis 10 wurden von der Beschwerdeführerin II keine darüber hinausgehenden Einwände erhoben. Die Kammer hat auch keine Bedenken, sodass die Bedingungen des Artikels 83 EPÜ für die genannten Ansprüche erfüllt sind.
3.6 Anspruch 11 betrifft eine Vorrichtung mit einem Ionenaustauscher. Die unter den Punkten 3.1 und 3.3 gemachten Ausführungen gelten sinngemäß, sodass auch Anspruch 11 die Bedingungen des Artikels 83 EPÜ erfüllt. Dies gilt auch für die abhängigen Ansprüche 12 bis 15, gegen die kein zusätzlicher Einwand von der Beschwerdeführerin II erhoben wurde.
4. Artikel 100(a) in Verbindung mit Artikel 54 EPÜ
Die Beschwerdeführerin II hatte keinen Neuheitseinwand gegen den zur Diskussion stehen Anspruchssatz erhoben und die Kammer sieht auch keinen Grund, dies zu tun.
5. Artikel 100(a) in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ
Anspruch 1
5.1 Erfindung
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Anreicherung von Trinkwasser mit Magnesium-Ionen.
5.2 Nächstliegender Stand der Technik
Die Beschwerdeführerin II nannte D6, D9 oder D13 als mögliche Startpunkte für den Aufgabe-Lösung-Ansatz.
Die Kammer erachtet D6 als den nächstliegenden Stand der Technik, da D6 explizit die Anreicherung des Wassers mit Magnesium durch Austausch anderer Härtebildner gegen Magnesium an schwach sauren Kationenaustauschern offenbart (Spalte 5, Zeilen 28 bis 37; Spalte 6, Zeilen 13 bis 15). Trinkwasser ist zudem explizit als mögliche Wasserquelle angegeben (Spalte 3, Zeile 3 und Spalte 6, Zeile 67 bis Spalte 7, Zeile 2). Unter "anderen Härtebildnern" ist vor allem Calcium zu verstehen (Spalte 1, Zeilen 10 bis 20; Absatz [0007]).
Im Gegensatz dazu betrifft D9 die Anreicherung von Wasser mit Additiven wie z.B. Magnesium durch Zugabe via Kapseln (siehe z.B. Seite 15, Zeilen 12 bis 20 sowie Seite 16, Zeile 24 bis Seite 17, Zeile 1). D9 offenbart somit nicht die Anreicherung von Magnesium durch Austausch am Ionentauscher. D9 erwähnt zwar, dass zur Einstellung des pH-Werts im gewünschten Bereich der Ionentauscher mit Alkali- oder Erdalkali-Ionen beladen sein kann, gibt Magnesium aber nicht explizit an (Seite 9, Zeilen 10 bis 13). D9 verfolgt das Ziel der Anreicherung mit Magnesium auf andere Art und Weise und hat weniger gemeinsame Merkmale mit Anspruch 1 als D6.
D13 betrifft die Umhärtung von Wasser durch Austausch von gelösten Calcium-Ionen gegen Magnesium-Ionen an starksauren Kationenaustauschern. Da schwach saure und stark saure Kationenaustauscher sich unterschiedlich verhalten, ist D13 ebenfalls nicht als nächstliegender Stand der Technik geeignet.
5.3 Aufgabe
Die gegenüber D6 zu lösende Aufgabe kann darin gesehen werden bei der Anreicherung des Wassers mit Magnesium den pH-Wert des Wassers zu senken (Absätze [0020] und [0022] des Streitpatents).
5.4 Lösung
Als Lösung wird ein Verfahren gemäß Anspruch 1 vorgeschlagen, dadurch gekennzeichnet, dass das Ionenaustauschermaterial in einem Bereich von 70 bis 30% seiner Ionenaustauscherkapazität mit Wasserstoff-Ionen beladen ist.
5.5 Erfolg der Lösung
Die in Tabelle 1 und 2 des Streitpatents dargestellten Ergebnisse zeigen, dass der pH-Wert der behandelten Trinkwässer auf unter 7 eingestellt wird.
Auch die in Diagramm 3 aus D20 gezeigten Ergebnisse belegen, dass der pH-Wert des behandelten Wassers bei den meisten Messungen unter dem pH-Wert des zu behandelnden Trinkwassers (pH=7.92) liegt. Die Ergebnisse, die über pH=7,92 liegen, lassen nicht den Schluss zu, dass die Aufgabe nicht über die gesamte Breite gelöst wird, da selbst in diesen Fällen der pH-Wert nach einem gewissen Filtrationsvolumen unter den pH-Wert des Ausgangswassers fällt. Dies passiert etwa zum gleichen Zeitpunkt wie die Anreicherung des Wassers mit Magnesium (siehe Diagramm 1). Daraus kann nur abgeleitet werden, dass für Ionenaustauscher, die mit anderen Ionen als Magnesium und Wasserstoff beladen sind, die Aufgabe erst gelöst wird, wenn eine größere Menge von Wasser über den Ionenaustauscher geleitet wurde. Es kann aber nicht geschlussfolgert werden, dass mit solchen Ionentauschern die Aufgabe nicht gelöst wird.
5.6 Naheliegen der Lösung
D6 betrifft nur den Austausch von Calcium gegen Magnesium, um den Magnesiumanteil an der Gesamthärte zu erhöhen. Dadurch wird die Steinbildung vermindert, was einen Korrosionsschutz bedingt (Absätze [0012] bis [0014]). Zudem hilft der höhere Magnesiumanteil auch gegen die Korrosion (Absatz [0015]). D6 lehrt nicht aus Magnesium bestehende Anteile an der Gesamthärte gegen Anteile an Magnesium auszutauschen (Absatz [0013], letzter Satz). Um dies sicherzustellen, muss der Ionenaustauscher nur mit Magnesium beladen sein. Eine andere Beladung läuft der Lehre der D6 entgegen. Ein Fachmann hat also ausgehend von D6 keinen Anlass die Beladung des Ionenaustauschers zu ändern und würde, um den pH-Wert des Wassers zu senken, dies auf klassische Art und Weise tun, wie z.B. durch Zugabe von Säure.
D9 lehrt die Wasserqualität zu verbessern, indem das Wasser unter anderem über einen schwachsauren Kationenaustauscher geleitet wird (Seite 8, Zeilen 11 bis 16). Wie im Abschnitt 5.2 angegeben, kann der pH-Wert des Wassers durch teilweise Beladung mit Alkali- oder Erdalkali-Ionen eingestellt werden. In D9 wird der Kationenaustauscher jedoch vor allem dazu benutzt, ungewünschte Ionen aus dem Wasser zu entfernen; er erfüllt sozusagen eine Filterfunktion (Seite 8, Zeilen 8 bis 14). Für die Anreicherung des Wassers mit gewünschten Substanzen werden Kapseln benutzt (Seite 16, Zeile 24 bis Seite 17, Zeile 1). Es ist kein Grund zu ersehen, wieso ein Fachmann ausgehend von D6, D9 konsultieren würde, da sie sich in ihrer Lehre unterscheiden.
D10 befasst sich nicht mit der pH-Einstellung, sondern mit der Möglichkeit, Metall-Ionen durch mit Magnesium beladene Ionenaustauscher aus Wasser zu entfernen. Für die Lösung der gestellten Aufgabe ist es somit, ausgehend von nächstliegenden Stand der Technik, nicht relevant.
D12 offenbart, dass Ionentauscher, die sowohl mit Calcium als auch mit Wasserstoff beladen sind, als Puffer benutzt werden können (Seite 107, letzter Absatz - Seite 108, erster Absatz). Dadurch kann der pH-Wert von Zellkulturen eingestellt werden. Die Beladung mit unterschiedlichen Ionen läuft der Lehre der D6 entgegen, sodass der Fachmann die Lehre der D12 mit jener der D6 kombinieren würde.
D13 beschäftigt sich schließlich ebenfalls nicht mit der pH-Einstellung (siehe supra), sodass es auch nicht für die Lösung der gestellten Aufgabe relevant ist.
5.7 Die Kammer kommt deshalb zum Schluss, dass der Fachmann ausgehend von D6 nur durch rückwirkende Betrachtungsweise auf den Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen würde.
Anspruch 11
5.8 Die gleiche Argumentation gilt für den Gegenstand des Anspruchs 11, der eine Vorrichtung zur Anreicherung von Trinkwasser mit Magnesium-Ionen betrifft, die sich von D6 darin unterscheidet, dass das Ionenaustauschermaterial in einem Bereich von 70 bis 30% seiner Ionenaustauscherkapazität mit Wasserstoff-Ionen und in einem Bereich von 30 bis 70% seiner Ionenaustauscherkapazität mit Magnesium-Ionen beladen ist.
5.9 Demzufolge erfüllen die unabhängigen Ansprüche 1 und 11 die Bedingungen des Artikels 56 EPÜ. Das Gleiche gilt somit auch für die abhängigen Ansprüche 2 bis 10 und 12 bis 15.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird mit der Anordnung an die erste Instanz zurückverwiesen, das Patent auf der Grundlage des Hauptantrages, eingereicht während der mündlichen Verhandlung vom 11. Oktober 2017, und einer anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.