T 0779/18 (Kombinationstherapeutikum für die Behandlung von Rhinitis / KLOSTERFRAU) 23-11-2021
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KOMBINATIONSTHERAPEUTIKUM FÜR DIE BEHANDLUNG VON RHINITIS
Maria Clementine Martin Klosterfrau
Vertriebsgesellschaft mbH
Teva GmbH
Wittkopp, Alexander
ZAKLADY FARMACEUTYCZNE POLPHARMA S.A.
Bülle Dr., Jan
Rückerstattung der Beschwerdegebühr - wesentliche Verfahrensmängel (nein)
Zulassung von Beweismitteln (ja)
Zulassung von Hilfsanträgen im Beschwerdeverfahren -Hilfsantrag IIB (ja)
Neuheit - zweite (bzw. weitere) medizinische Verwendung
Neuheit - Hauptantrag und Hilfsanträge I, II, IIB, III bis VI (nein)
Klarheit - Hilfsanträge IIA und VII bis X (nein)
Sachverhalt und Anträge
I. Das Europäische Patent Nr. 2 822 537 wurde mit 15 Ansprüchen erteilt. Die unabhängigen Ansprüche des Patents lauteten wie folgt:
"1. Kombinationstherapeutikum in Form einer pharmazeutischen Zusammensetzung zur Verwendung bei der topischen nasalen Behandlung von Rhinitiden zu Zwecken der Verringerung der systemischen Resorption imidazolinbasierter alpha-Sympathomimetika, wobei die pharmazeutische Zusammensetzung in Kombination und jeweils in pharmazeutisch wirksamen Mengen
(a)
(a1) Pantothenol (Dexpanthenol) oder dessen physiologisch unbedenkliche Ester und/oder
(a2) Pantothensäure oder deren physiologisch unbedenkliche Salze;
und
(b) mindestens ein imidazolinbasiertes alpha-Sympathomimetikum oder dessen physiologisch unbedenkliches Salz;
enthält."
"15. Pantothenol (Dexpanthenol) oder dessen physiologisch unbedenkliche Ester und/oder Pantothensäure oder deren physiologisch unbedenkliche Salze zur Verwendung bei der prophylaktischen und/oder kurativen Behandlung von Rhinitiden mittels nasaler Applikation zu Zwecken der Verringerung der systemischen Resorption eines imidazolinbasierten alpha-Sympathomimetikums, wobei das Pantothenol (Dexpanthenol) oder dessen physiologisch unbedenkliche Ester und/oder die Pantothensäure oder deren physiologisch unbedenkliche Salze zusammen und/oder in Kombination mit dem imidazolinbasierten alpha-Sympathomimetikum oder dessen physiologisch unbedenklichen Salzen verabreicht wird."
II. Gegen die Erteilung des Patents wurde von vier Einsprechenden Einspruch eingelegt. Als Einspruchsgründe wurden fehlende Neuheit und fehlende erfinderische Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ), unzureichende Offenbarung (Artikel 100 b) EPÜ) sowie unzulässige Erweiterung des Inhalts (Artikel 100 c) EPÜ) angeführt.
III. Die Einspruchsabteilung entschied, das Patent zu widerrufen. Dieser Entscheidung lagen das erteilte Patent als Hauptantrag, die am 22. Februar 2017 eingereichten Hilfsanträge I-X und die während der mündlichen Verhandlung am 1. Februar 2018 und am 2. Februar 2018 eingereichten Hilfsanträge IIA bzw. IIB zugrunde.
IV. Folgende Dokumente wurden inter alia in der Entscheidung der Einspruchsabteilung zitiert:
D3: Auszug Open Drug Database - Fachinformation zu "Nasic**(®)" Nasenspray
D13: Fachinformation "nasic**(®)"
D15: EP 2766 008 = WO 2013/097911 A1 = D24
D44: Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR); 3. Sitzung der BfR Kommission für kosmetische Mittel (Protokoll des BfR vom 5. Mai 2009)
D45: Björklund et al., J Colloid Interphase Sci, 2016, 479, 207-20 (Zusammenfassung)
D46: Valenta et al., Drug Dev Ind Pharm., 2001, 27(1), 57-62 (Zusammenfassung)
D47: "Toxicology of Skin", Howard I. Maibach, 2001, Auszug aus Seite 162
D48: Expertenerklärung Dr. John Martin Hempel mit den Anlagen Ia, Ib und 2
D70: Tabelle ,,Pub-Med Recherche"
D71: Kushwaha AS et al., AAPS PharmSciTech, Vol. 18, No. 8 (2017), 2949-2956
D72: Björklund S. et al., Journal of Colloid and Interface Science 479 (2016) 207-220
D73: Kushwaha AS et al., AAPS PharmSciTech, Vol. 18, No. 7, (2017), 2702-2705
D74: Valenta C. et al., Drug Development and Industrial Pharmacy, 27(1), (2001), 57-62
D75: Tauschel H.-D. et al., Arzneim.-Forsch./Drug Res. 34, Nr 12 (1984), 1768-1772
D76: Heine H., medwelt, Bd. 34, Heft 20/83, 602-604
D77: Heine H., medwelt, (1984), 35, 320-322
D78: Bauerova K. et al., European Journal of Drug Metabolism and Pharmacokinetics (2001), Vol. 26, No. 1/2, 85-94
V. In der angefochtenen Entscheidung kam die Einspruchsabteilung zu folgenden Ergebnissen:
a) Die mit den Einspruchsschriften eingereichten Dokumente galten als zulässigerweise im Verfahren eingereicht. Dokument D48 wurde in das Verfahren zugelassen.
b) Der Hauptantrag erfülle die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ und falle nicht unter das Patentierungsverbot gemäß Artikel 52(2)(a) EPÜ. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags sei jedoch gegenüber D13 nicht neu. Die Zweckbestimmung "zu Zwecken der Verringerung der systemischen Resorption imidazolinbasierter alpha-Sympathomimetika" würde keine neue Anwendung darstellen.
c) Der Gegenstand der Hilfsanträge I und II sei gegenüber D13 bzw. D15/D24 und D26 nicht neu.
d) Der während der mündlichen Verhandlung eingereichte Hilfsantrag IIA sei in das Verfahren zuzulassen. Abhängig von der Auslegung des eingeführten Merkmals erfülle der Anspruch 1 die Erfordernisse entweder des Artikels 83 EPÜ oder des Artikels 54 EPÜ gegenüber D26 und D15/D24 nicht.
e) Der während der mündlichen Verhandlung eingereichte Hilfsantrag IIB sei nicht in das Verfahren zuzulassen.
f) Der Gegenstand der Hilfsanträge III bis VI sei gegenüber D15/D24 nicht neu.
g) Die Hilfsanträge VII bis X enthalten das gleiche unklare Merkmal wie der Hilfsantrag IIA, welches unterschiedlich ausgelegt werden könne. Die Hilfsanträge VII bis X erfüllten somit ebenfalls die Erfordernisse entweder des Artikels 83 EPÜ oder des Artikels 54 EPÜ gegenüber D26 und D15/D24 nicht.
VI. Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) legte Beschwerde gegen die obige Entscheidung ein. Mit ihrer Beschwerdebegründung reichte sie 12 Hilfsanträge ein, die den im erstinstanzlichen Verfahren eingereichten Hilfsanträgen I-II, IIA, IIB und III-X entsprachen.
VII. Der Inhalt der Ansprüche, auf denen die vorliegende Entscheidung basiert, lautet wie folgt:
Der Anspruch 1 des Hilfsantrags I basiert auf dem Anspruch 1 des Hauptantrags, wobei:
- die Komponente (a) auf Pantothenol (Dexpanthenol) oder dessen physiologisch unbedenkliche Ester limitiert wurde (d.h. Streichung des Merkmals "und/oder (a2) Pantothensäure oder deren physiologisch unbedenkliche Salze"),
- das Merkmal "wobei die Komponente (a) in der pharmazeutischen Zusammensetzung inkorporiert ist, wobei die Zusammensetzung, bezogen auf die Zusammensetzung, die Komponente (a) in einer Menge von 0,01 bis 10 Gew.-% enthält" nach der Definition der Komponente (a) eingeführt wurde, und
- die Merkmale "wobei das imidazolinbasierte alpha-Sympathomimetikum Xylometazolin ist" und "wobei die Komponente (b) in der pharmazeutischen Zusammensetzung inkorporiert ist, wobei die Zusammensetzung, bezogen auf die Zusammensetzung, die Komponente (b) in einer Menge von 0,001 bis 2 Gew.-% enthält" nach der Definition der Komponente (b) eingeführt wurde.
Der Anspruch 1 des Hilfsantrags II basiert auf dem Anspruch 1 des Hilfsantrags I, wobei das Merkmal "wobei die Komponente (a) zusammen und/oder in Kombination mit der Komponente (b) in der pharmazeutischen Zusammensetzung mit einem pH-Wert im Bereich von 5,0 bis 6,0 eingesetzt ist und/oder zur Verabreichung hergerichtet ist" am Ende des Anspruchs eingeführt wurde.
Der Anspruch 1 des Hilfsantrags IIA basiert auf dem Anspruch 1 des Hilfsantrags II, wobei das Merkmal "wobei eine vasokonstriktorische Wirkung nicht auf das Herz-Kreislauf-System ausgeweitet wird und Nebenwirkungen, ausgewählt aus Hypertension, Tachykardie und Minderdurchblutung peripherer Körperteile, vermieden werden" nach der Zweckbestimmung (d.h. nach "zu Zwecken der Verringerung der systemischen Resorption imidazolinbasierter alpha-Sympathomimetika") eingeführt wurde.
Der Anspruch 1 des Hilfsantrags IIB gleicht dem Anspruch 15 des Hauptantrags.
Der Anspruch 1 des Hilfsantrags III basiert auf dem Anspruch 1 des Hilfsantrags II, wobei das Merkmal "wobei zur Einstellung und/oder Konstanthaltung des pH-Werts der pharmazeutischen Zusammensetzung mindestens ein chemisches Puffersystem eingesetzt ist, wobei als chemisches Puffersystem ein Dihydrogenphosphat/Monohydrogenphosphat-Puffersystem eingesetzt ist" am Ende des Anspruchs eingeführt wurde.
Der Anspruch 1 des Hilfsantrags IV basiert auf dem Anspruch 1 des Hilfsantrags III, wobei das Merkmal "und wobei alle Wirk- und/oder Inhaltsstoffe in der pharmazeutischen Zusammensetzung inkorporiert sind, wobei die Zusammensetzung einen Gehalt an Abbauprodukt(en) der Komponente (b) von höchstens 2 Gew.-%, bezogen auf den Wirkstoff (b), und einen Gehalt an Abbauprodukt(en) der Komponente (a) von jeweils höchstens 2 Gew.-%, bezogen auf den Wirkstoff (a), aufweist" am Ende des Anspruchs eingeführt wurde.
Der Anspruch 1 des Hilfsantrags V basiert auf dem Anspruch 1 des Hilfsantrags IV, wobei das Merkmal "und zwar auch nach Lagerung bei Temperaturen im Bereich von 20 °C bis 50 °C, bei einem Druck von 1.013,25 mbar und bei einer relativen Luftfeuchtigkeit im Bereich von 50 % bis 90 % von mindestens 6 Monaten" am Ende des Anspruchs eingeführt wurde.
Der Anspruch 1 des Hilfsantrags VI basiert auf dem Anspruch 1 des Hilfsantrags V, wobei das/die Abbauprodukt(e) der Komponente (b) als "nämlich Verunreinigung A" und das/die Abbauprodukt(e) der Komponente (a) als "nämlich Aminopropanol und/oder D-Pantolacton" spezifiziert wurden.
Der Anspruch 1 der Hilfsanträge VII und VIII kombiniert die Änderungen, die in den Ansprüchen 1 der Hilfsanträge IIA und VI gemacht wurden.
Der Anspruch 1 des Hilfsantrags IX basiert auf dem Anspruch 1 des Hilfsantrags VIII, wobei das Merkmal "wobei die Komponente (a) zusammen und/oder in Kombination mit der Komponente (b) in einem Gewichtsverhältnis von Komponente (a) zu Komponente (b) im Bereich von 45 : 1 bis 125 : 1 eingesetzt ist" eingeführt wurde.
Der Anspruch 1 des Hilfsantrags X basiert auf dem Anspruch 1 des Hilfsantrags IX, wobei das Merkmal "wobei das Dihydrogenphosphat/Monohydrogenphosphat Puffersystem mit einem Dihydrogenphosphat/Monohydrogenphosphat-Molverhältnis im Bereich von 5 : 1 bis 110:1 eingesetzt ist" eingeführt wurde.
VIII. Folgendes für die Entscheidung relevantes Beweismittel wurde von der Beschwerdeführerin mit dem Schreiben vom 22. August 2019 eingereicht:
D87: PRAC-Hinweise zu Xylometazolin
IX. Dem Antrag der Beschwerdegegnerin 4 folgend wurde am 20. August 2020 der für den 21. Juli 2021 anberaumte Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 23. November 2021 verlegt.
Mit Schreiben vom 6. August 2020 und 24. August 2020 bzw. 23. September 2021 gaben die Beschwerdeführerin bzw. die Beschwerdegegnerin 1 bekannt, dass sie beabsichtigen, mit drei bis fünf bzw. drei bis vier Personen an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen.
Mit Mitteilung vom 11. November 2021 informierte die Kammer die Parteien mit Verweis auf die Internet-Mitteilung der Beschwerdekammern vom 22. September 2021, dass auf Grund der Coronavirus-Pandemie und der hiermit verbundenen Hygienemaßnahmen die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung auf zwei Personen pro Partei beschränkt sei und die Verwendung von Gesichtsmasken im Verhandlungsraum während der gesamten Dauer der Verhandlung verlangt sei.
Mit ihren jeweiligen Schreiben vom 11. November 2021 beantragte die Beschwerdegegnerin 4 die Durchführung der mündlichen Verhandlung als Videokonferenz und erklärte sich die Beschwerdegegnerin 1 hiermit einverstanden. Mit Schreiben vom 10. November 2021 beantragte die Beschwerdeführerin in Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdekammer mit Absendedatum 11. November 2021 unter anderem die Verschiebung der mündlichen Verhandlung und hilfsweise im Fall der Beibehaltung des Verhandlungstermins die Durchführung der mündlichen Verhandlung als Videokonferenz.
Mit Mitteilung vom 16. November 2021 informierte die Kammer die Parteien, dass der Termin zur mündlichen Verhandlung beibehalten sei und dass diese als Videokonferenz stattfinde.
X. Am 23. November 2021 ging die mündliche Verhandlung vor der Kammer als Videokonferenz vonstatten. Diese fand in Abwesenheit der Beschwerdegegnerin 3, die die Kammer im Voraus entsprechend informiert hatte, statt.
XI. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung d. h. die Aufrechterhaltung des Patents in erteilter Fassung (Hauptantrag) und hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage eines der mit der Beschwerdebegründung vom 31. Juli 2018 eingereichten Hilfsanträge I, II, IIA, IIB und III-X.
Ferner beantragte die Beschwerdeführerin:
- die Verlegung der mündlichen Verhandlung auf einen späteren Zeitpunkt, um diese als "Live-Verhandlung" halten zu können,
- die Rückzahlung der Beschwerdegebühr und gegebenenfalls die Zurückverweisung der vorliegenden Angelegenheit an die Einspruchsabteilung aufgrund wesentlicher Verfahrensfehler im Einspruchsverfahren,
- das Dokument D48 nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen, und
- das Dokument D87 in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.
XII. Die Beschwerdegegnerinnen (Einsprechenden) 1-4 beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.
Ferner beantragte die Beschwerdegegnerin 1 den Hilfsantrag IIB sowie das Dokument D87 nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.
Die Beschwerdegegnerin 2 beantragte hilfsweise, das Verfahren nicht an die erste Instanz zurückzuverweisen.
Die Beschwerdegegnerin 3 beantragte schriftlich die Zurückverweisung der vorliegenden Angelegenheit an die Einspruchsabteilung für den Fall, dass die Beschwerdekammer den Gegenstand des Streitpatents als neu betrachten würde.
XIII. Die Beschwerdeführerin und die Beschwerdegegnerinnen 1 und 4 beantragten darüber hinaus, eine gewisse Anzahl von Dokumenten bzw. Argumenten nicht ins Verfahren zuzulassen. Da diese sich für die vorliegende Entscheidung als nicht relevant erwiesen haben, werden die entsprechenden Anträge in der vorliegenden Entscheidung nicht weiter berücksichtigt.
XIV. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
a) Die Durchführung der mündlichen Verhandlung als Videokonferenz könne im vorliegenden Fall kein faires Verfahren für die Beschwerdeführerin gewähren, da die Gefahr eines Austauschs zwischen den Beschwerdegegnerinnen während der Besprechungen bestehe. Der vorliegende Fall unterscheide sich ferner von dem der Entscheidung G 1/21 zugrundeliegenden Fall, so dass letztere nicht anwendbar sei. Insbesondere kämmen im vorliegenden Fall die Parteien alle aus dem Inland und eine Verlegung wäre auf befristete Zeit vorsehbar, da die COVID-19 Infektion sich als saisonal erwiesen habe. Dem Antrag auf Verlegung der mündlichen Verhandlung solle demnach stattgegeben werden.
b) Die Einspruchsabteilung hätte wesentliche Verfahrensfehler begangen, die die Beschwerdeführerin ungebührlich benachteiligen würden, nämlich:
- die Änderung der Besetzung der Einspruchsabteilung kurz vor der mündlichen Verhandlung,
- die seitens der Einspruchsabteilung fehlende Erläuterung während der mündlichen Verhandlung, warum sie das Merkmal der Verringerung der systemischen Resorption nicht als neu betrachte, und
- die Nicht-Berücksichtigung des unabhängigen Anspruchs 15 des Streitpatents während der Neuheitsdiskussion bzw. die Nicht-Zulassung des Hilfsantrags IIB im Einspruchsverfahren.
c) D48 sei ein Parteigutachten, das früher hätte eingereicht werden sollen. Insbesondere hätte die späte Einreichung dieses Dokuments im Einspruchsverfahren der Beschwerdeführerin die Möglichkeit entzogen, ein Gegengutachten anzufertigen. D48 sei dementsprechend aus dem Beschwerdeverfahren auszuschließen. D87 sei ins Beschwerdeverfahren zuzulassen, weil es prima facie hochrelevant und unmittelbar zum Beleg der Patentfähigkeit heranzuziehen sei.
d) Der Hauptantrag erfülle die Erfordernisse des Artikels 54 EPÜ. Der beanspruchte Effekt der systemischen Resorptionsverringerung des alpha-Sympathomimetikums und die damit einhergehende Verringerung der systemischen Nebenwirkungen führe zu einer neuen Anwendung. Die Nutzen-Risiko-Abwägung und somit die Behandlung mit dem beanspruchten Kombinationstherapeutikum könnten tatsächlich unter Erkenntnis des beanspruchten Effekts anders durchgeführt werden (Dauer der Therapie, verabreichte Menge, ...). Außerdem könnten Risikopatienten, die bisher auf Grund der systemischen Nebenwirkungen von der Behandlung ausgeschlossen waren, nunmehr behandelt werden.
e) Die Hilfsanträge I, II und III bis VI erfüllen die Erfordernisse des Artikels 54 EPÜ. In den Ansprüchen 1 dieser Hilfsanträge wurden weitere Merkmale eingeführt, die den beanspruchten Gegenstand an die Ausführungsbeispielen annähern. Die Merkmalkombination dieser Ansprüche sei im Stand der Technik nicht offenbart.
f) Das im Anspruch 1 der Hilfsanträge IIA und VI bis X eingeführte Merkmal betreffe keine absolute Vermeidung der Ausweitung der vasokonstriktorischen Wirkung auf das Herz-Kreislaufsystem und der Nebenwirkungen, sondern lediglich eine Verringerung dieser. Diese Interpretation sei durch die Beschreibung des Streitpatents gestützt. Diese Zweckbestimmung stehe somit im Einklang mit der bereits beanspruchten Verringerung der systemischen Resorption des alpha-Sympathomimetikums. Die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ seien somit erfüllt.
g) Der mit der Beschwerdebegründung eingereichte Hilfsantrag IIB enthalte lediglich den unabhängigen Anspruch 15 des Streitpatents und sei somit ins Beschwerdeverfahren zuzulassen. Der Hilfsantrag IIB erfülle ferner die Erfordernisse des Artikels 54 EPÜ. In dem Anspruch des Hilfsantrags IIB werde die Zweckbestimmung spezifisch auf Pantothenol und/oder Pantothensäure zurückgeführt, was dem Stand der Technik nicht zu entnehmen sei.
XV. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerinnen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
a) In Anbetracht der epidemischen Lage im Zusammenhang mit der COVID-19 Infektion sei die Durchführung der mündlichen Verhandlung als Videokonferenz angemessen. Augrund der hohen Inzidenzzahlen und Krankenhauseinweisungen sei die Situation bezüglich der Pandemie mindestens so schwerwiegend wie in dem der G 1/21 zugrundeliegenden Fall. Die G 1/21 sei voll einschlägig. Ferner ergebe sich durch die Durchführung der mündlichen Verhandlung als Videokonferenz keine Benachteiligung der Beschwerdeführerin, da ein Austausch zwischen den Beschwerdegegnerinnen nicht stattfinde. Die theoretische Möglichkeit eines solchen Austausches bestehe bei einer Präsenzverhandlung ebenso wie bei einer Videokonferenz. Der Zeitrahmen einer Verlegung könne nicht mit Sicherheit festgestellt werden, da die Kenntnisse bezüglich eines möglichen saisonalen Charakters der COVID-19 Infektion noch zu limitiert seien. Der Antrag auf Verlegung der mündlichen Verhandlung sei abzulehnen.
b) Die von der Beschwerdeführerin erwähnten Tatsachen stellten keine wesentlichen Verfahrensfehler dar.
c) D48 sei Teil des Beschwerdeverfahrens. D87 sei nachveröffentlicht und somit nicht relevant für die Frage der Neuheit. Ferner sei dieses Dokument nicht geeignet, um die bezüglich der Neuheit relevanten Fragen auszuräumen. Demnach sei D87 nicht ins Verfahren zuzulassen.
d) Der Gegenstand vom Anspruch 1 des Hauptantrags sei gegenüber der im Stand der Technik, insbesondere D13, beschriebenen Verwendung des beanspruchten Kombinationstherapeutikums nicht neu. Die Verringerung der systemischen Resorption des alpha-Sympathomimetikums führe nicht zu einer neuen klinischen Situation.
e) Die Hilfsanträge I, II und III bis VI erfüllen die Erfordernisse des Artikels 54 EPÜ nicht. Die in diesen Hilfsanträgen zusätzlich eingeführten Merkmale und deren Kombination seien in D15/D24 bereits offenbart.
f) Das in den Hilfsanträgen IIA und VII bis X eingeführte Merkmal ergibt einen Klarheitsmangel. Es sei unklar, ob die beanspruchte Nichtausweitung bzw. Vermeidung als absolut oder teilweise auftretend zu betrachten ist.
g) Die Einspruchsabteilung habe ihr Ermessen den Hilfsantrag IIB nicht ins Verfahren zuzulassen korrekt ausgeübt. Dieser Hilfsantrag räume keine Einwände aus und gebe Anlass zu neuen Einwänden. Dieser Hilfsantrag sei nicht ins Beschwerdeverfahren zuzulassen. Ferner unterscheide sich der Anspruch des Hilfsantrags IIB sinngemäß nicht vom Anspruch 1 des Hauptantrags und definiere ebenfalls keine neue Anwendung. Der Hilfsantrag IIB genüge somit nicht den Erfordernissen des Artikels 54 EPÜ.
Entscheidungsgründe
1. Antrag auf Verlegung der mündlichen Verhandlung
Die Beschwerdeführerin beantragt, die mündliche Verhandlung auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, bei dem sich die epidemische Lage wieder entspannt hat, sowie hilfsweise im Fall der Beibehaltung des Verhandlungstermins, die mündliche Verhandlung als Videokonferenz durchzuführen.
Den Antrag auf Verlegung begründet die Beschwerdeführerin damit, dass die mündliche Verhandlung als Verhandlung mit persönlicher Anwesenheit ("Präsenzverhandlung") stattfinden solle, denn eine Verhandlung als Videokonferenz garantiere ihr kein faires Verfahren. Auch müsse eine Verlegung nicht auf unbestimmte Zeit erfolgen.
In ihrer Entscheidung G 1/21 hat die Große Beschwerdekammer entschieden, dass mündliche Verhandlungen unter bestimmten Umständen auch dann als Videokonferenz abgehalten werden können, wenn nicht alle Parteien damit einverstanden sind. Dies ist dann erlaubt, wenn ein allgemeiner Notstand vorliegt, der die Möglichkeit der Parteien beeinträchtigt, an einer Präsenzverhandlung teilzunehmen (siehe Entscheidungsformel, sowie Gründe 48-51).
Es ist unbestritten, dass seit März 2020 ein auch im November 2021 noch andauernder allgemeiner Notstand aufgrund der Covid-19 Pandemie vorliegt. Im Fall einer Präsenzverhandlung müssten die zahlreichen Teilnehmer aus verschiedenen Teilen Deutschlands anreisen und wären dabei, als auch bei der Verhandlung selber, einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin die von der Kammer für die zunächst anvisierte Präsenzverhandlung angekündigten Vorsichtsmassnahmen in Form von einer Beschränkung der Teilnehmerzahl und dem Tragen von Masken (siehe Bescheid mit Datum 11. November 2021) vehement abgelehnt hat (siehe Eingabe mit Datum 10. November 2021). Vor diesem Hintergrund erschien eine Durchführung der mündlichen Verhandlung als Präsenzverhandlung am 23. November 2021 nicht angemessen.
Es war unter den Parteien auch unumstritten, dass eine Verlegung nur auf einen Zeitpunkt erfolgen sollte, an dem sich die epidemische Lage entspannt hat - diesbezüglich argumentierte die Beschwerdeführerin, dass die COVID-19 Situation saisonal und eine Verlegung daher zeitlich befristet sei.
Die Kammer teilt die Ansicht der Beschwerdegegnerinnen, dass der Zeitrahmen für eine Verlegung nicht mit Sicherheit festgestellt werden kann, da es unklar ist, wie sich die Pandemie weiter entwickelt. Eine Verlegung ist somit zeitlich nicht eingrenzbar. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Verhandlung bereits schon einmal verschoben wurde. Dass der Grund dafür nicht die Pandemie, sondern die Verhinderung einer Partei war, ist für die Überlegung, ob die Verhandlung noch einmal verlegt werden soll, unerheblich, denn ausschlaggebend ist, dass sich das Verfahren weiter verlängert. Dies aber steht dem legitimen Interesse von Parteien und Öffentlichkeit nach einem möglichst zügigen Verfahrensabschluss entgegen.
Auch teilt die Kammer nicht die Sorge der Beschwerdeführerin, dass das Format der Verhandlung ihr zum Nachteil sei und die Beschwerdegegnerinnen begünstige. Dies begründet sie mit der Möglichkeit, dass sich die Beschwerdegegnerinnen während der Verhandlungsunterbrechungen sowie während der Verhandlung per Videolink bzw. Chat austauschen könnten. Die Kammer stimmt dem Argument der Beschwerdegegnerinnen zu, dass sich Parteien auch im Falle einer Präsenzverhandlung per Chat während der Debatte oder in Person während Unterbrechungen austauschen können, wenn sie dies wünschen. Das Format der Verhandlung spielt diesbezüglich keine Rolle. Darüber hinaus haben die Beschwerdegegnerinnen versichert, dass sie keinen Austausch vornehmen, so dass das Argument der Beschwerdeführerin eher spekulativ ist.
Die Beschwerdeführerin führte ferner an, dass ein Unterschied zu dem der G 1/21 zugrundeliegenden Fall darin bestehe, dass alle Parteien aus Deutschland, und nicht aus dem Ausland anreisen müssten und kein genereller Lockdown herrsche. Dies sieht die Kammer im vorliegenden Fall nicht als gewichtige Unterschiede an. Die Beschwerdegegnerinnen haben während der mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gebracht, dass sie eine Präsenzverhandlung zum derzeitigen Zeitpunkt aufgrund der zum Teil weiten Anreise sowie der großen Anzahl von Teilnehmern ablehnen. Die Kammer sieht die Ablehnung einer Präsenzverhandlung zum derzeitigen Zeitpunkt als gerechtfertigt an und ist der Auffassung, dass die Möglichkeit der Beschwerdegegnerinnen, an der Präsenzverhandlung teilzunehmen, im vorliegenden Fall beeinträchtigt ist.
Aus den oben angeführten Gründen sieht die Kammer die in der G 1/21 angeführten Voraussetzungen für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als Videokonferenz als erfüllt an. Insbesondere kann sie keinen Grund erkennen, warum diese Form der Verhandlung im vorliegenden Fall keine geeignete Alternative zu einer Präsenzverhandlung darstellt. Der Antrag auf Verlegung der mündlichen Verhandlung wird daher abgelehnt.
2. Vermeintliche wesentliche Verfahrensmängel
2.1 Die Beschwerdeführerin beantragt die Rückerstattung der Beschwerdegebühr auf Grund vermeintlicher wesentlicher Verfahrensfehler in dem erstinstanzlichen Verfahren. Die Beschwerdeführerin wurde angeblich ungebührlich benachteiligt, so dass dementsprechend Verstöße gegen den Rechtsgrundsatz des Anspruchs auf rechtliches Gehör vorlagen.
2.2 Bezüglich der Änderung der Besetzung der Einspruchsabteilung kurz vor der mündlichen Verhandlung bemerkt die Kammer, dass das Einspruchsverfahren bis zur mündlichen Verhandlung schriftlich verlief. Die neue Vorsitzende hatte somit die Gelegenheit, das gesamte vor ihrer Einsetzung vorgelegte Vorbringen aller Parteien zur Kenntnis zu nehmen. Die Besetzung wurde anschließend nicht mehr geändert. Die Änderung der Besetzung vor der mündlichen Verhandlung stellt folglich keinen Verstoß gegen den Rechtsgrundsatz des Anspruchs auf rechtliches Gehör dar.
2.3 Laut Protokoll der mündlichen Verhandlung (s. Seite 3) hat die Beschwerdeführerin nach der Bekanntmachung der Meinung der Einspruchsabteilung zur Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 des Hauptantrags nach einer Begründung gefragt. Auf diese Frage wurde seitens der Einspruchsabteilung mitgeteilt, dass "das Merkmal der Resorptionsminderung die Neuheit gegenüber dem Stand der Technik nicht herstellen würde". Wie aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung ersichtlich (s. Seiten 2-3) war dieses Merkmal das zentrale Thema der Diskussion, so dass diese Entscheidung nicht überraschend gewesen sein kann. Die schriftliche Entscheidung der Einspruchsabteilung enthält ferner eine ausführliche Begründung zur Entscheidung bezüglich der Neuheit des Hauptantrags. Diese beruht außerdem ausschließlich auf Tatsachen, Beweismitteln und Argumenten, die im Einspruchsverfahren besprochen wurden. Die Kammer bemerkt schließlich, dass eine Partei keinen Anspruch auf eine ausführliche Erläuterung der Entscheidungsgründe während der mündlichen Verhandlung hat. Die Kammer sieht folglich keinen Anlass darauf zu schließen, dass es hierbei einen Verstoß gegen den Rechtsgrundsatz des Anspruchs auf rechtliches Gehör gab.
2.4 Laut der Beschwerdeführerin wurde ihr die Möglichkeit genommen, sich zum Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 15 des Hauptantrags zu äußern, weil dieser Anspruch während der Neuheitsdiskussion bezüglich des Hauptantrags außer Acht gelassen wurde und der Hilfsantrag IIB, dessen Gegenstand auf den besagten Anspruch eingeschränkt wurde, nicht im Einspruchsverfahren zugelassen wurde.
Während der Umfang des Einspruchs gemäß Regeln 76 (2) c) und 81 (1) EPÜ definiert wird, legt Artikel 101 (2) EPÜ fest, dass das Entgegenstehen eines Einspruchsgrunds genügt, um ein Patent zu widerrufen. Gemäß der gängigen Rechtsprechung ist es ferner ein übliches Vorgehen, einen Antrag nur als Ganzes zu beurteilen. Da die Einspruchsabteilung zu dem Schluss kam, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags 1 nicht neu war, gab es keinen Anlass die weiteren Ansprüche, seien sie abhängig oder unabhängig, zu besprechen. Ferner hat die Einspruchsabteilung ihr Ermessen, den Hilfsantrag IIB nicht in das Verfahren zuzulassen, unter Anwendung des korrekten Kriteriums, d.h. die augenscheinliche Nichtausräumung des vorliegenden Einwands, ausgeübt. Die Kammer ist demzufolge der Meinung, dass auch hier kein Verstoß gegen den Rechtsgrundsatz des Anspruchs auf rechtliches Gehör vorliegt.
2.5 Die Kammer kommt somit zum Schluss, dass kein wesentlicher Verfahrensmangel vorliegt. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird daher abgelehnt (Regel 103(1)(a) EPÜ).
3. Zulassung von Beweismitteln
3.1 Das seitens der Beschwerdegegnerin 1 im Einspruchsverfahren nach Ablauf der Einspruchsfrist eingereichte Dokument D48 wurde während der Frist gemäß Regel 116 (1) EPÜ eingereicht. Die Zulassung des Dokuments D48 wurde im Einspruchsverfahren spezifisch diskutiert. Unter Anwendung des Kriteriums der augenscheinlichen Relevanz wurde das Dokument D48 in das Einspruchsverfahren zugelassen. Die Kammer bemerkt, dass die Einspruchsabteilung ihr Ermessen unter Anwendung des korrekten Kriteriums ausgeübt hat. Es gibt ferner keinen Anhaltspunkt dafür, dass diese Ausübung in einer unvernünftigen Weise erfolgt ist. Insbesondere bezieht sich das Dokument D48 auf die Frage des Vorhandenseins einer neuen Patientengruppe bzw. einer neuen klinischen Situation und ist folglich prima facie relevant für die Frage der Neuheit. Die Kammer bemerkt schließlich, dass die tatsächliche Überzeugungskraft des Gutachtens für die Zulassungsfrage im vorliegenden Fall nicht entscheidend ist. Das Dokument D48 ist dementsprechend Teil des Beschwerdeverfahrens.
3.2 Das Dokument D87 wurde nach der Beschwerdebegründung aber vor der Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung eingereicht. Die Zulassung dieses Dokuments ist folglich gemäß Artikel 13 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) 2020 zu beurteilen.
Dieses Dokument wurde seitens der Beschwerdeführerin zur Untermauerung ihrer Argumentation bezüglich eines bisherigen Ausschlusses von Risikopatienten aus der Behandlung mittels imidazolinbasierter alpha-Sympathomimetika eingereicht. Das Dokument D87 offenbart den aktualisierten Warnhinweis in Bezug auf die mit Xylometazolin einhergehenden Nebenwirkungen insbesondere für kardiovaskuläre Risikopatienten. Das Dokument D87 bezieht sich somit auf das Kernthema bezüglich der Neuheit.
Laut der Beschwerdeführerin soll dieses Dokument belegen, dass die erfindungsgemäße Resorptionsverringerung bisher - und somit ebenfalls zum Prioritätstag - im Stand der Technik nicht erkannt wurde. Die Nachveröffentlichung des Dokuments legt daher im vorliegenden Fall seiner Zulassung kein Hindernis im Weg.
Schließlich bemerkt die Kammer, dass die in D87 ausgesprochene Empfehlung erst am 31. Oktober 2018 verabschiedet wurde, so dass eine Einreichung von diesem Dokument mit der Beschwerdebegründung am 31. Juli 2018 nicht möglich war. Seine Einreichung am 22. August 2019 verstößt daher nicht gegen das Prinzip der Verfahrensökonomie.
Das Dokument D87 wird dementsprechend in das Beschwerdeverfahren zugelassen (Artikel 13(1) VOBK 2020).
Hauptantrag - erteiltes Patent
4. Neuheit
4.1 Das Dokument D13 offenbart die Verwendung von Xylometazolin (d.h. einem imidazolinbasierten alpha-Sympathomimetikum) zusammen mit Dexpanthenol zur intranasalen Behandlung von Rhinitis (s. D13, Punkte 1., 2. und 4.1). Der vorliegende Anspruch 1 betrifft somit die gleiche Wirkstoffkombination zur Verwendung bei der Behandlung der gleichen Krankheit über die gleiche Verabreichungsroute wie im Dokument D13 beschrieben. Dies wurde nicht bestritten.
4.2 Artikel 54 (5) EPÜ sieht die Patentierbarkeit bekannter Wirkstoffkombinationen zur "spezifischen Anwendung" vor, wenn diese Anwendung nicht zum Stand der Technik gehört. Gemäß G 2/08 kann eine neue spezifische Anwendung nicht nur in Form einer neuen Krankheit, sondern auch in folgender Form vorhanden sein:
a) eine neue Verabreichungsart (Verabreichungsroute, Dosis, Dosierungsanleitung,...)
b) eine neue Patientengruppe oder
c) ein unterschiedlicher Effekt, der zu einer wirklich neuen Anwendung führt, wie in T 1020/03 definiert.
4.3 Im vorliegenden Fall trifft keine der vorgenannten Situationen zu.
a) Es ist unbestritten, dass die Verabreichungsart die gleiche ist, wie in der Verwendung gemäß dem Dokument D13.
b) Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin definiert der beanspruchte Effekt der Resorptionsverringerung nicht zwangsläufig eine neue Patientengruppe.
Die Kammer stimmt der Beschwerdeführerin zwar zu, dass eine Verringerung der Resorption in fine zu einer Verringerung der mit der systemischen Resorption alpha-Sympathomimetika einhergehenden Nebenwirkungen führen sollte. Es wurde jedoch kein Zusammenhang zwischen der Höhe der Verringerung der Resorption und der Höhe der Verringerung der besagten klinischen Nebenwirkungen nachgewiesen. Die Resorptionsverringerung im Beispiel 3 ist tatsächlich gering (4 bis 17% Verringerung des Cmax und 8 bis 33% Verringerung der AUC). Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass eine 17%ige bzw. 33%ige Verringerung signifikant sei, so dass eine Verringerung der systemischen Nebenwirkungen glaubhaft sei. Die Kammer bemerkt, dass diese Werte nicht immer und allgemein erreicht wurden, sondern die unter bestimmten Bedingungen maximal erreichten Werte darstellen. Es gibt ferner keinen Hinweis dafür, dass die Höhe der Resorptionsverringerungen auf die der Verringerung der systemischen Nebenwirkungen direkt übertragbar sei. In Abwesenheit eines bestimmten anhand experimenteller Daten oder Stand der Technik Dokumente belegten Verhältnisses zwischen beiden Verringerungen kann nicht schlussgefolgert werden, dass eine therapeutisch relevante Verringerung der Nebenwirkungen mit der beanspruchten Kombination stattfindet. Das Argument der Beschwerdeführerin, dass die hierzu erforderlichen Tests ethisch nicht durchführbar gewesen seien, ist nicht überzeugend. Klinische Versuche werden während des Entwicklungsprozesses von Arzneimitteln üblicherweise durchgeführt und können den Anforderungen einer Ethik-Kommission angepasst werden. Ferner wurde nicht belegt, ob die möglicherweise erzielte Verringerung der systemischen Nebenwirkungen ausreicht, um kardiovaskuläre Risikopatienten, die zuvor nach Nutzen-Risiko-Abwägung eventuell aus der Behandlung ausgeschlossen gewesen wären, nunmehr risikofrei zu behandeln. In diesem Zusammenhang wird bemerkt, dass das Streitpatent keine solche Patientengruppe identifiziert und dass die Ansprüche auch nicht auf eine bestimmte Patientengruppe eingeschränkt sind. Im Gegenteil wird die Behandlung aller Patienten in Betracht gezogen und beansprucht. Gleichzeitig werden kardiovaskuläre Risikopatienten im Dokument D13 nicht von einer Behandlung absolut ausgeschlossen, da lediglich ein Warnhinweis besteht. Dieser Warnhinweis macht eine Nutzen-Risiko-Abwägung in bestimmten Fällen nötig. Eine klar definierte Patientengruppe wird jedoch dadurch nicht ausgeschlossen. Auch das seitens der Beschwerdeführerin zitierte Dokument D87 enthält lediglich einen Warnhinweis und keinen Ausschluss einer spezifischen Patientengruppe. Auch wenn einzelne zusätzliche Patienten nun behandelt werden könnten, würde sich zumindest eine Überschneidung der Patientengruppen, die im Stand der Technik und gemäß den vorliegenden Ansprüchen behandelt werden, ergeben. Eine solche Überschneidung würde keine Neuheit verleihen.
c) Der neu beanspruchte Effekt führt auch nicht zu einer wirklich neuen Anwendung.
Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass die Zielmaßnahme der systemischen Resorption im Stand der Technik nicht offenbart sei, so dass Neuheit auf Basis dieses neuen Effekts anerkannt werden sollte. Die Erkenntnis einer Resorptionsverringerung ist jedoch alleine nicht ausreichend, um eine neue klinische Anwendung zu begründen. Wie bereits unter 4.3 b) erklärt, wurde nämlich nicht belegt, dass die identifizierte Resorptionsverringerung zwangsläufig zu einer klinisch feststellbaren und therapeutisch relevanten Verringerung der Nebenwirkungen führen würde. Auch wenn dies belegt wäre, wäre darüber hinaus immer noch fraglich, ob sich eine neue therapeutische Anwendung tatsächlich ergeben würde. Das Auftreten systemischer Nebenwirkungen aufgrund der geringen systemischen Resorption Xylometazolins war bereits bekannt und daher zu vermeiden (s. D13 Punkt 5.2 aber auch z. B. D3). Folglich ist die Kammer der Meinung, dass ein praktizierender Arzt die Art seiner Behandlung nach Kenntnisnahme des im Streitpatent beanspruchten Effekts nicht geändert hätte. Insbesondere, da der Fachmann sich bei der Behandlung von kardiovaskulären Risikopatienten mit Nasic**(®) über die Notwendigkeit einer Nutzen-Risiko-Abwägung (s. D13, Punkt 4.4) bewusst war, hätte letzterer bei solchen Patienten das Auftreten von systemischen Nebenwirkungen beobachtet. Der im Dokument D13 ausgegebene Warnhinweis betrifft tatsächlich das Kombinationspräparat, auch wenn es wegen der Nebenwirkungen von Xylometazolin ausgegeben wurde. Der Fachmann hätte folglich bereits ohne die Kenntnis des Streitpatents ein Nichtauftreten oder geringes Auftreten solcher Nebenwirkungen unter Verwendung der im Stand der Technik beschriebenen Kombinationen feststellen können. Die Kammer kann folglich die Auffassung der Beschwerdeführerin nicht teilen, dass der vorliegende Fall sich von dem Fall in T 254/93 unterscheidet, weil im vorliegenden Fall die beanspruchte Indikation im Stand der Technik nicht visuell erkennbar war, da die Nebenwirkungen systemisch statt topisch und außerdem sehr komplex seien. Die Kammer bemerkt insbesondere, dass das Streitpatent als systemische Nebenwirkungen Hypertension, Tachykardie oder eine Minderdurchblutung peripherer Körperteile nennt (s. z. B. Absatz [0031]). Diese sind alle für den Fachmann leicht zu überwachen und zu erkennen. Das während der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Argument der Beschwerdeführerin, dass in Kenntnis des im Streitpatent beschriebenen Effekts eine Verschiebung der Nutzen-Risiko-Abwägung stattfinden würde (z. B. höhere Tendenz, Risikopatienten zu behandeln, sowie längere Behandlungszeit oder höhere Dosis), ist schließlich nicht überzeugend. Eine solche Verschiebung wurde aus den oben angegebenen Gründen nicht belegt und die daraus entstehende nicht klar begrenzbare Überschneidung der Anwendungen könnte keine wirklich neue Anwendung definieren.
4.4 Die Beschwerdeführerin argumentierte ferner, dass die Therapie von Nebenwirkungen faktisch eine eigenständige therapeutische Anwendung darstellte und nahm als Beispiel die Verabreichung von Probiotika unter antibiotischer Behandlung. Die Beschwerdeführerin erklärte, dass das Ziel des vorliegenden Anspruchs 1 nicht die Behandlung von Rhinitidis als solche sondern die direkte Therapie von systemischen Nebenwirkungen sei. Die Kammer sieht nicht, inwiefern dieses Argument im vorliegenden Fall zutreffend sein sollte, da im vorliegenden Fall keine Therapie der Nebenwirkungen mit einem neuen Wirkstoff sondern lediglich deren angebliche Verringerung unter Verwendung der bekannten Wirkstoffkombination stattfindet. Ferner bemerkt die Kammer, dass die Therapie von Nebenwirkungen nicht beansprucht wird. Auch wurde nicht experimentell belegt, dass eine Verringerung der systemischen Resorption zwangsläufig zu einer Behandlung von Nebenwirkungen führen würde.
4.5 Die Argumente der Beschwerdeführerin bezüglich des Effekts von Pantothenol als Penetrationsverstärker (s. D70-D78 und D44-D47) sind nicht überzeugend, da dieser Effekt nicht in Zusammenhang mit einem imidazolinbasierten alpha-Sympathomimetikum beschrieben wurde. Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin wird in den obigen Dokumenten kein abstrahierbares Prinzip der grundsätzlichen Wirkung von Pantothenol aufgezeigt.
4.6 Bezüglich der seitens aller Parteien zitierten vorherigen Entscheidungen der Beschwerdekammern merkt die Kammer folgendes an:
In den Entscheidungen T 290/86, T 836/01, T 1955/09, T 19/86 und T 893/90 wurde die Anwesenheit einer neuen Anwendung entweder auf Basis
- eines klar identifizierbaren neuen Targets oder therapeutischen Effekts (T 290/86, T 836/01, T 1955/09) oder
- einer neuen vom Stand der Technik eindeutig abgrenzbaren und in den Ansprüchen definierten Patientengruppe (s. T 19/86, T 893/90) anerkannt.
Aus den oben angegebenen Gründen entspricht der vorliegende Fall diesen Fällen nicht.
Im Gegenteil wurde in den Entscheidungen T 233/96, T 486/01 und T 254/93 eine neue Anwendung verneint, weil entweder keine neue Patientengruppe oder keine neue therapeutische Verwendung gegenüber den bekannten Anwendungen eindeutig identifiziert werden konnte. Insbesondere unterscheidet sich der Fall T 254/93 im Wesentlichen vom vorliegenden Fall nicht, da in beiden Fällen der beanspruchte Effekt und die bekannte therapeutische Verwendung untrennbar miteinander verbunden erscheinen und der Fachmann vom beanspruchten Effekt Kenntnis nehmen konnte.
4.7 Die Kammer kommt somit zum Schluss, dass der Anspruch 1 des Hauptantrags keine neue spezifische Anwendung gegenüber der in dem Dokument D13 offenbarten Verwendung definiert. Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags ist folglich nicht neu gegenüber dem Dokument D13 (Artikel 100(a) EPÜ in Kombination mit Artikel 54 EPÜ).
Hilfsanträge
5. Hilfsanträge I und II
5.1 Der jeweilige Anspruch 1 der Hilfsanträge I und II unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hauptantrags indem:
- die Komponente (a) auf Pantothenol (Dexpanthenol) und die Komponente (b) auf Xylometazolin limitiert wurden, und
- spezifische Mengen an Komponenten (a) und (b) in der Zusammensetzung definiert wurden (nämlich 0,01 bis 10 Gew.-% an Komponente (a) und 0,001 bis 2 Gew.-% an Komponente (b)).
Der Anspruch 1 des Hilfsantrags II unterscheidet sich ferner vom Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass ein spezifischer pH-Wert (von 5,0 bis 6,0) definiert wurde.
5.2 Das Dokument D15 (auch als D24 gekennzeichnet) offenbart die Verwendung von Xylometazolin zusammen mit Dexpanthenol zur intranasalen Behandlung von Rhinitis (s. D15/D24, Ansprüche 1 und 6). Ferner beschreibt das Dokument D15/D24 Mengen und pH-Werte, die den vorliegenden beanspruchten Bereichen entsprechen oder davon umfasst werden (s. D15/D24, Ansprüche 1 und 7-8, Seite 12 Zeile 18 und Rezeptur 1). In diesem Zusammenhang bemerkt die Kammer, dass die Ansprüche im Dokument D15/D24 von einander abhängig formuliert sind. Folglich wird die Kombination der Merkmale (Anspruch 1 unterer pH-Wert von 5.0; Anspruch 6, Kombination von Xylometazolin und Dexpanthenol; Ansprüche 7-8, Gewichtsmengenbereiche für jede Komponente) eindeutig und unmittelbar offenbart. Der jeweilige Anspruch 1 der Hilfsanträge I und II betrifft somit die gleiche Wirkstoffkombination zur Verwendung bei der Behandlung der gleichen Krankheit über die gleiche Verabreichungsroute wie im Dokument D15/D24 beschrieben.
5.3 Wie bereits für den Hauptantrag erklärt, betrachtet die Kammer das Auftreten systemischer Nebenwirkungen aufgrund der geringen systemischen Resorption Xylometazolins als für den Fachmann bereits allgemein bekannt und daher zu vermeiden (s. z.B. D3 und D13). Dieselbe Argumentation bezüglich des Nichtvorhandenseins einer wirklich neuen Anwendung wie für den Hauptantrag (s. Punkte 4.3 bis 4.6) trifft im Fall der Hilfsanträge I und II folglich ebenfalls zu.
5.4 In diesem Zusammenhang argumentierte die Beschwerdeführerin, dass durch die Definition spezifischer Eigenschaften der Zusammensetzung in den Ansprüchen 1 der vorliegenden Hilfsanträge eine weiterführende Optimierung der Verringerung der systemischen Resorption des Xylometazolins und somit der Verringerung der korrelierenden systemischen Nebenwirkungen erzielt wurde. Unabhängig von der Frage, ob eine solche Optimierung tatsächlich belegt wurde, ändert es nichts an der Argumentation bezüglich der Neuheit der Anwendung, die bereits die Ausführungsbeispiele gemäß den vorliegenden Ansprüchen 1 der Hilfsanträge I und II berücksichtigt.
5.5 Der Gegenstand von Anspruch 1 der Hilfsanträge I und II ist dementsprechend gegenüber dem Dokument D15/D24 nicht neu (Artikel 54 EPÜ).
6. Hilfsantrag IIA
6.1 Der Anspruch 1 des Hilfsantrags IIA unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hilfsantrags II, indem das Merkmal "wobei eine vasokonstriktorische Wirkung nicht auf das Herz-Kreislauf-System ausgeweitet wird und Nebenwirkungen, ausgewählt aus Hypertension, Tachykardie und Minderdurchblutung peripherer Körperteile, vermieden werden" aus der Beschreibung hinzugefügt wurde. Dieser Anspruch enthält nunmehr als Zweckbestimmung:
(i) eine Verringerung der systemischen Resorption imidazolinbasierter alpha-Sympathomimetika, und
(ii) die Nichtausweitung der vasokonstriktorischen Wirkung auf das Herz-Kreislaufsystem zusammen mit der Vermeidung von Nebenwirkungen.
6.2 Die Kammer ist der Auffassung, dass der Fachmann eine Nichtausweitung bzw. Vermeidung als absolut und nicht als teilweise auftretend verstehen würde. Ferner ist es im Lichte des Streitpatents eindeutig, dass eine Verringerung der besagten systemischen Resorption lediglich zu einer Verringerung des Auftretens der Nebenwirkungen führen kann (s. z.B. Absatz [0081]). Demzufolge ergibt sich ein Widerspruch zwischen beiden Zweckbestimmungen (Verringerung in (i) gegen Aufhebung in (ii)), der es dem Fachmann nicht erlaubt, den Schutzbereich des vorliegenden Anspruchs 1 eindeutig zu bestimmen.
6.3 Während der mündlichen Verhandlung erklärte die Beschwerdeführerin diesbezüglich, dass die Zweckbestimmung (ii) keine absolute Vermeidung der Ausweitung der vasokonstriktorischen Wirkung auf das Herz-Kreislaufsystem und der Nebenwirkungen betreffe, sondern lediglich eine Verringerung dieser. Die Kammer kann diese Interpretation nicht teilen. Die seitens der Beschwerdeführerin zitierten Absätze des Streitpatents, die diese Auslegung angeblich stützen sollen, sind nicht überzeugend. Die Absätze [0026], [0028], [0038] und [0083] beziehen sich ausschließlich auf die Verringerung der systemischen Resorption und erwähnen nicht einmal die Ausweitung auf das Herz-Kreislaufsystem sowie Nebenwirkungen. Die Absätze [0030] und [0088] erwähnen zusätzlich zur Verringerung der systemischen Resorption sogar ihre Verhinderung, so dass eine absolute Vermeidung der systemischen Resorption eigentlich auch in Betracht gezogen wird. Die Absätze [0081] und [0118] erwähnen die "Senkung des Auftretens" von Nebenwirkungen sowie die "Eingrenzung bzw. Linderung" der Nebenwirkung im Zusammenhang mit der Verringerung der systemischen Resorption. Der Absatz [0031] entspricht dem Wortlaut des vorliegenden Anspruchs und enthält somit den gleichen Widerspruch. Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin deuten diese Absätze folglich nicht darauf hin, dass ausschließlich eine Verringerung der Nebenwirkungen offenbart wurde. Im Gegenteil werden die Verringerung ("Senkung des Auftretens", "Eingrenzung", "Linderung") sowie die Aufhebung ("Verhinderung") der Nebenwirkungen beschrieben. Diese Schlussfolgerung ist im Einklang mit den Ausführungen der Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerdebegründung und ihrem Schreiben vom 22. August 2019 (s. Beschwerdebegründung, Seite 131, Absatz a), 2. Satz; Schreiben vom 22. August 2019, Seite 44, Punkt 2.a)). Folglich würde der Fachmann die Zweckbestimmung (ii) angesichts ihres Wortlauts ("nicht [...] ausgeweitet" und "vermieden") als auf eine absolute Vermeidung des unerwünschten Effekts gerichtet betrachten.
6.4 Die Kammer kommt somit zum Schluss, dass der Anspruch 1 des Hilfsantrags IIA die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ nicht erfüllt.
7. Hilfsantrag IIB
7.1 Zulassung
7.1.1 Der Hilfsantrag IIB wurde von der Beschwerdeführerin mit ihrer Beschwerdebegründung am 31. Juli 2018 eingereicht. Seine Zulassung ist folglich gemäß Artikel 12 (4) VOBK 2007 zu beurteilen (Artikel 25 (2) VOBK 2020).
7.1.2 Dieser Hilfsantrag entspricht dem während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung am zweiten Tag der Verhandlung eingereichten Hilfsantrag IIB. Im erstinstanzlichen Verfahren wurde er als verspätet eingereicht und nicht prima facie relevant nicht ins Verfahren zugelassen. Im Beschwerdeverfahren wurde dieser Hilfsantrag aber zu Beginn des Verfahrens eingereicht. Ferner enthält er einen einzelnen Anspruch, der dem unabhängigen Anspruch 15 des Streitpatents entspricht. Dieser unabhängige Anspruch wurde von den Parteien im Beschwerdeverfahren diskutiert und die Streichung der weiteren Ansprüche im Vergleich zum Hauptantrag ändert die Sachlage bezüglich dieses unabhängigen Anspruchs nicht.
7.1.3 Die Kammer sieht daher keinen Grund, ihr Ermessen gemäß Artikel 12(4) VOBK 2007, den Hilfsantrag IIB aus dem Beschwerdeverfahren auszuschließen, auszuüben. Der Hilfsantrag IIB ist daher Teil des Beschwerdeverfahrens.
7.2 Neuheit
7.2.1 Der Anspruch des Hilfsantrags IIB unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hauptantrags hauptsächlich dadurch, dass er auf die Verwendung von Pantothenol und/oder Pantothensäure zum beanspruchten Zweck zusammen und/oder in Kombination mit einem imidazolinbasierten alpha-Sympathomimetikum gerichtet ist, statt auf die Verwendung eines Kombinationstherapeutikums, das beide Komponenten enthält. Wie seitens der Beschwerdeführerin betont, verdeutlicht dieser Anspruch somit, dass die Verringerung der systemischen Resorption imidazolinbasierter alpha-Sympathomimetika dank der Pantothenol und/oder Pantothensäure Komponente erzielt wird. Die Kammer bemerkt jedoch, dass dies bereits aus dem Anspruch 1 des Hauptantrags unmittelbar und eindeutig ableitbar ist. Neben dem imidazolinbasierten alpha-Sympathomimetikum wird tatsächlich in letzterem ausschließlich Pantothenol und/oder Pantothensäure als weitere Komponente des Kombinationstherapeutikums offenbart. Da die imidazolinbasierte alpha-Sympathomimetikum Komponente offensichtlich nicht selbst ihre systemische Resorption verringert, kann lediglich die Pantothenol und/oder Pantothensäure Komponente den beanspruchten Zweck erfüllen. Die Kammer bemerkt außerdem, dass der Anspruch des Hilfsantrags IIB das in Anspruch 1 des Hauptantrags definierte Kombinationstherapeutikum und die ebenfalls dort definierte Behandlung weiterhin umfasst.
7.2.2 Die Kammer ist folglich der Meinung, dass sinngemäß kein grundlegender Unterschied zwischen den jeweiligen Gegenständen beider Ansprüche besteht. Die für den Anspruch 1 des Hauptantrags vorgelegte Argumentation bezüglich der Neuheit (s. Punkt 4.) gilt demnach mutatis mutandis für den vorliegenden Anspruch.
7.2.3 Schließlich bemerkt die Kammer, dass, auch wenn der Fokus auf der Pantothenol und/oder Pantothensäure Komponente einen Unterschied zum Anspruch 1 des Hauptantrags darstellen würde, dieser Unterschied trotzdem zu einer neuen Patientengruppe und/oder einer wirklich neuen Anwendung führen müsste, um Neuheit anerkennen zu können. Aus den unter Punkten 4.3 bis 4.6 angegebenen Gründen ist die Kammer der Auffassung, dass dies nicht der Fall ist, hauptsächlich weil die Verwendung beider Wirkstoffe und die mit der systemischen Resorption verbundenen möglichen Nebenwirkungen bereits bekannt waren. Die Fokussierung der Zweckbestimmung auf Pantothenol und/oder Pantothensäure ändert diese Sachlage nicht.
7.2.4 Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags IIB ist dementsprechend gegenüber D13 nicht neu (Artikel 54 EPÜ).
8. Hilfsanträge III bis VI
8.1 Die Ansprüche 1 der Hilfsanträge III bis VI unterscheiden sich vom Anspruch 1 des Hilfsantrags II dadurch, dass verschiedene Merkmale hinzugefügt wurden, die in D15/D24 offenbart sind.
8.1.1 Das Merkmal "wobei zur Einstellung und/oder Konstanthaltung des pH-Werts der pharmazeutischen Zusammensetzung mindestens ein chemisches Puffersystem eingesetzt ist, wobei als chemisches Puffersystem ein Dihydrogenphosphat/Monohydrogenphosphat-Puffersystem eingesetzt ist", das in den Ansprüchen 1 der Hilfsanträge III bis VI eingeführt wurde, ist auf Seite 13 (1. Absatz) sowie im Anspruch 13 von D15/D24 offenbart.
8.1.2 Das Merkmal "und wobei alle Wirk- und/oder Inhaltsstoffe in der pharmazeutischen Zusammensetzung inkorporiert sind, wobei die Zusammensetzung einen Gehalt an Abbauprodukt(en) der Komponente (b) von höchstens 2 Gew.-%, bezogen auf den Wirkstoff (b), und einen Gehalt an Abbauprodukt(en) der Komponente (a) von jeweils höchstens 2 Gew.-%, bezogen auf den Wirkstoff (a), aufweist", das in den Ansprüchen 1 der Hilfsanträge IV bis VI eingeführt wurde, ist auf Seite 17 sowie im Anspruch 23 von D15/D24 offenbart.
8.1.3 Das Merkmal "und zwar auch nach Lagerung bei Temperaturen im Bereich von 20 °C bis 50 °C, bei einem Druck von 1.013,25 mbar und bei einer relativen Luftfeuchtigkeit im Bereich von 50 % bis 90 % von mindestens 6 Monaten", das in den Ansprüchen 1 der Hilfsanträge V und VI eingeführt wurde, ist auf Seite 17 sowie im Anspruch 23 von D15/D24 offenbart.
8.1.4 Die Spezifizierung der Abbauprodukte der Komponenten (a) bzw. (b) als "nämlich Verunreinigung A" bzw. "nämlich Aminopropanol und/oder D-Pantolacton" im Anspruch 1 des Hilfsantrags VI ist ebenfalls auf Seite 17 sowie im Anspruch 23 von D15/D24 offenbart.
8.2 In diesem Zusammenhang bemerkt die Kammer, dass die Ansprüche im Dokument D15/D24 von einander abhängig formuliert sind. Die entsprechenden Merkmale in der Beschreibung sind ferner als individuelle (bevorzugte) Ausführungsformen offenbart und somit mit weiteren Ausführungsformen kombinierbar. Folglich wird die Kombination der Merkmale eindeutig und unmittelbar offenbart. Der Gegenstand des jeweiligen Anspruchs 1 der Hilfsanträge III bis VI ist folglich gegenüber D15/D24 aus denselben Gründen wie für den Hilfsantrag II angegeben (s. Punkt 5.) nicht neu (Artikel 54 EPÜ).
9. Hilfsanträge VII bis X
Der jeweilige Anspruch 1 der Hilfsanträge VII bis X enthält das gleiche Merkmal wie der Anspruch 1 des Hilfsantrags IIA. Die Hilfsanträge VII bis X erfüllen folglich aus den selben Gründen wie für den Hilfsantrag IIA angegeben (s. Punkt 6.) nicht die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.