T 0459/89 29-01-1992
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Verfahren zum Entfernen von Cadmium aus sauren, insbesondere P2O5-haltigen Lösungen
Inventive step (yes) - obvious to try (no)
Erfinderische Tätigkeit (ja) - naheliegende Versuche
(nein)
Sachverhalt und Anträge
I. Auf die europäische Patentanmeldung 83 104 708.9 wurde das europäische Patent 0 094 630 aufgrund von zehn Ansprüchen erteilt.
II. Gegen die Patenterteilung legte die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit (Art. 100 a) EPÜ), nicht ausreichender Offenbarung (Art. 100 b) EPÜ) und Erweiterung über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung (Art. 100 c) EPÜ) Einspruch ein. Zur Stütze ihres Vorbringens hat sie u. a. auf folgende Dokumente verwiesen:
(1) Journal of Radioanalytical Chemistry, 27, 1975, S. 411-20
(3) DE-B-1 188 054
Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat ihrerseits auf Dokument (13), Journal of Radioanalytical Chemistry, 27, 1975, S. 383-399, Bezug genommen.
III. Die Einspruchsabteilung hat das Patent wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit widerrufen. Der Entscheidung lag der am 23. Februar 1989 vorgelegte geänderte Anspruch 1 zugrunde. In der Entscheidung wird ausgeführt, es sei aus dem Dokument (1) ein Verfahren zum Entfernen von Cd-Ionen aus Phosphorsäure bekannt, bei dem eine Flüssig-Flüssig- Extraktion unter Verwendung des gleichen Aminsalzes wie im Anspruch 1 durchgeführt werde. Die Ergebnisse in (1) zeigten, daß Cd "selektiv" aus wäßrigen P2O5-haltigen Lösungen, die auch Zn enthalten, extrahiert werden könne, wenn Halogenidionen zu der Phosphorsäure zugegeben werden. Es bestehe kein Vorurteil, das den Fachmann davon abgehalten hätte, die Wirkungsweise des Verfahrens gemäß (1) bei Rohphosphorsäure nach dem Naßverfahren zu untersuchen. Dokument (3) gebe keinen Anlaß zu der Befürchtung, daß die Anwesenheit von großen Eisenionenmengen in der Rohphosphorsäure die Entfernung des Cadmiums stören könnte, da in (3) die Entfernung des Eisens nur nach Umwandlung des gesamten vorhandenen Eisens in Fe (III) durchgeführt werden könne. Die nachfolgende Trennung und die Rückgewinnung des Cadmiums seien für den Fachmann selbstverständlich.
IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin Beschwerde erhoben und eine Begründung hierzu eingereicht. In einem weiteren Schreiben hat sie auf Dokument (14), Journal of Radioanalytical Chemistry, 27, 1975, S. 559 - 573, verwiesen. Am 29. Januar 1992 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Während der Verhandlung wurden geänderte Ansprüche als Hauptantrag vorgelegt. Der Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"Verfahren zur selektiven Entfernung von Cadmiumionen aus durch Aufschluß von Rohphosphaten mit Schwefelsäure erhaltender Rohphosphorsäure durch Flüssig-Flüssig- Extraktion ohne Zusatz von Halogenwasserstoffsäure und ohne den Gehalt der Säure an anderen Kationen wesentlich zu ändern, bei dem man die Rohphosphorsäure mit einem Chlorwasserstoffsäure-, Bromwasserstoffsäure- oder Jodwasserstoffsäure-Salz eines primären, sekundären oder tertiären Amins, das einen Alkylrest mit 8 bis 30 Kohlenstoffatomen, insbesondere 8 bis 18 Kohlenstoffatomen, hat und in einem mit Wasser, wäßrigen Salzlösungen und wäßrigen Säuren nicht mischbaren organischen Lösungsmittel gelöst ist, in Kontakt bringt, die wäßrige saure P2O5 enthaltende Lösung von der organischen Phase abtrennt und die isolierte, organische, Cadmium-Ionen enthaltende Phase mit einer wäßrigen Lösung so in Kontakt bringt, daß die Cadmium-Ionen von der wäßrigen Phase reextrahiert werden."
Diesem Anspruch folgen fünf abhängige Ansprüche.
V. Die Beschwerdegegnerin hat vorgetragen, die Änderungen in dem während der mündlichen Verhandlung überreichten Anspruch 1 stellten eine Erweiterung des Gegenstands des Patents dar, da die ursprünglich eingereichte Anmeldung keinen Hinweis enthalte, daß keine Halogenwasserstoffsäure zugesetzt werde.
Die schriftlichen Ausführungen, daß der Anspruch zusammen mit der Beschreibung keine nacharbeitbare Lehre zum technischen Handeln darstelle, wurden in der mündlichen Verhandlung nicht aufrechterhalten.
Zur erfinderischen Tätigkeit hat die Beschwerdegegnerin folgendes geltend gemacht:
Der Fachmann wüßte aus (1), daß er Cadmium aus Phosphorsäure mit einem langkettigen Aminsalz einer Halogenwasserstoffsäure selektiv extrahieren könne. Es sei für den Fachmann einfach im Rahmen von Routineuntersuchungen diese Lehre auf Rohphosphorsäure anzuwenden. Jedem Fachmann auf dem Gebiet der Extraktion sei bekannt, daß die Gegenwart von Anionen und Kationen in der zu extrahierenden Lösung das gewünschte Ergebnis der Extraktion sowohl positiv als auch negativ beeinflussen könne; es sei deshalb für ihn selbstverständlich, die besten Extraktionsbedingungen in einigen wenigen, orientierenden Versuchen zu ermitteln. Die Aussage in (1), S. 413-415, beziehe sich ganz eindeutig auf die selektive Extraktion einzelner Metalle aus einer Mischung mehrerer Metalle (Cd, Zn und Ag) und stehe nicht im Gegensatz zu den Angaben in (13) und (14).
In der mündlichen Verhandlung wurde zusätzlich ausgeführt, es handele sich in (1) um eine wissenschaftliche Untersuchung über die Trennung von Cd und Zn oder Ag, die nicht nur die radioanalytische Analyse betreffe, sondern generell sei. Es gehe aus (1) hervor, daß in 12 N Phosphorsäurelösungen bei einer Chloridkonzentration von 0,112 oder 0,224 oder einer Bromidkonzentration von 0,128 Cd, Zn und Ag selektiv abgetrennt werden können. Der Fachmann würde diese Lehre nicht deswegen unbeachtet lassen, weil dieses Ergebnis mit reinen Phosphorsäurelösungen erzielt worden sei. Im Gegenteil bekomme er aus einer wirtschaftlichen Untersuchung die Anregung, die offenbarte selektive Abtrennung von Cd und Zn in der Praxis, d. h. bei Naßverfahrenphosphorsäuren, zu probieren. Durch solche Versuche gelange der Fachmann ohne jede Schwierigkeiten zu dem beanspruchten Verfahren. Aus dem Vergleich der Figuren 2 und 3 in (1) könne nicht geschlossen werden, daß in 24 N Phosphorsäurelösungen die selektive Trennung von Cd und Zn nicht mehr stattfinden könne, da die Verteilungskoeffizienten von Cd und Zn in Anwesenheit von unterschiedlichen Halogenidsäuren, nämlich HCl und HBr bestimmt wurde und daher nicht vergleichbar seien.
VI. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüche 1-6 und einer noch anzupassenden Beschreibung.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Der geltende Anspruch 1 stützt sich auf den ursprünglichen Anspruch 1 und auf weitere Merkmale aus der ursprünglich eingereichten Beschreibung: siehe Seite 7, Z. 18-19; S. 13, Z. 1-3; S. 14, 3. Absatz; S. 6, Z. 12-19; Beispiele 1 und 2. Die Entfernung von Cadmiumionen aus "durch Aufschluß von Rohphosphaten mit Schwefelsäure erhaltener Rohphosphorsäure" geht eindeutig und unmittelbar aus der Seite 21 (3. Absatz) und dem Beispiel 1 hervor. Das Merkmal "ohne Zusatz von Halogenwasserstoffsäure" ist zwar nicht ausdrücklich in der Beschreibung genannt, jedoch ist gemäß Seite 23 (1. Absatz) das Extraktionsverfahren sowohl auf Phosphorsäure als auch auf Gemische von Phosphorsäure mit Halogenwasserstoffsäure anwendbar und ferner wird in den Beispielen keine Halogenwasserstoffsäure der Naßphosphorsäure zugesetzt. Daher offenbart die Beschreibung zumindest implizit die beiden Alternativen, d. h. Extraktion mit oder ohne Zugabe von Halogenwasserstoffsäure und in Zusammenhang mit einer Naßphosphorsäure die selektiv Entcadmierung ohne Zusatz von Halogenwasserstoffsäure. Somit verstoßen die Änderungen nicht gegen Artikel 123 (2) EPÜ. Dies gilt auch für die abhängigen Ansprüche 2 bis 6, die eine Stütze in den ursprünglich eingereichten Unterlagen, Seite 7, Z. 18 bis 19, Seite 13, Z. 1 bis 3 und Ansprüche 9 bis 12, finden.
2.1. Nach Auffassung der Kammer wurde der Schutzbereich des Patents auch nicht erweitert. Der geltende Anspruch 1 unterscheidet sich von dem erteilten Anspruch 1 im wesentlichen durch a) die Einschränkung auf die "selektive" Entfernung von Cadmiumionen "aus durch Aufschluß von Rohphosphaten mit Schwefelsäure erhaltener Rohphosphorsäure, ohne den Gehalt der Säure an anderen Kationen wesentlich zu ändern" b) die Streichung des Ausdrucks "dadurch gekennzeichnet" und c) den Ersatz des Merkmals "in Abwesenheit von Halogenwasserstoffsäure" durch "ohne Zusatz von Halogenwasserstoffsäure". Die Änderung a) stellt eindeutig eine Einschränkung des Schutzbereichs dar, während b) den Schutzbereich nicht berührt. Das Merkmal "in Abwesenheit von Halogenwasserstoffsäure" in der erteilten Fassung des Anspruchs 1 bezieht sich auf die Behandlung von P2O5 enthaltenden Lösungen und schließt sowohl die Zugabe von Halogenwasserstoffsäure als auch deren Anwesenheit in den Lösungen aus. Jedoch steht dieses Merkmal im Zusammenhang mit der Beschränkung auf durch Aufschluß mit H2SO4 hergestellte Naßphosphorsäure weder in Übereinstimmung mit dem allgemeinen Fachwissen, wonach solche Naßphosphorsäuren zwangsläufig Fluor- und Chlorwasserstoffsäure zumindest in Spurenmengen enthalten (siehe "Phosphoric acid" A.V. Slack, Band 1, 1968, S. 792 - 793) noch in Einklang mit der Patentbeschreibung, die zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen ist (Art. 69 (1) EPÜ). Aus den die Behandlung von Naßphosphorsäure betreffenden Beispielen geht hervor, daß in diesen Säuren zumindest Fluorwasserstoffsäure vorhanden ist und daß keine Maßnahmen ergriffen werden, um diese vor der Cadmiumextraktion zu entfernen. Infolgedessen hat das Merkmal "in Abwesenheit von Halogenwasserstoffsäure" im Rahmen der erwähnten Beschränkung nur einen technischen Sinn, wenn es so ausgelegt wird, daß die Entfernung der Cd-Ionen ohne Zugabe von Halogenwasserstoffsäure zu der Naßphosphorsäure durchgeführt wird, wie dies aus der Beschreibung eindeutig zu entnehmen ist (siehe vorstehender Punkt 2). Unter diesen Umständen kommt die Kammer zu dem Schluß, daß die Änderung c) den Erfordernissen des Artikels 123 (3) EPÜ entspricht.
3. Keines der im Prüfungs-, Einspruchs- oder Beschwerdeverfahren zitierten Dokumente betrifft ein Verfahren zur selektiven Entfernung von Cadmiumionen aus Naßphosphorsäuren durch Flüssig-Flüssig-Extraktion, wobei die Cadmiumionen entfernt werden, ohne den Gehalt der Säure an anderen Kationen wesentlich zu ändern. Unter diesen Umständen nimmt die Kammer Dokument (1) als Ausgangspunkt für die Bestimmung der dem Patent zugrundeliegenden Aufgabe, obwohl es in diesem Dokument nicht um die Abtrennung von Cd-Ionen aus Naßphosphorsäure geht, sondern aus reinen Phosphorsäurelösungen, denen HCl, HBr oder KI und Cd-Ionen zugesetzt werden.
3.1. Dokument (1) betrifft die Extraktion und Abtrennung von Mikromengen von Cadmiumhalogeniden in Anwesenheit oder Abwesenheit von Phosphorsäure durch Flüssig-Flüssig- Extraktion. Für die Extraktion wird entweder ein im Benzol gelöstes langkettiges Amin, Amberlite LA-2, oder der im Benzol gelöste Tributylphosphat als Extraktionsmittel verwendet (vgl. S. 411). Das Extraktionsverhalten von Cd-, Zn- und Ag-Halogeniden gegenüber diesen Extraktionsmitteln wird in Phosphorsäurelösungen, die außer Cd-Ionen keine anderen Metallkationen enthalten, untersucht (siehe nachstehender Punkt 5.2).
3.2. Demgegenüber kann die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabe darin gesehen werden, ein Verfahren zur selektiven Entfernung von Cd-Ionen aus durch Aufschluß von Rohphosphaten mit Schwefelsäure hergestellter Rohphosphorsäure bereitzustellen, das die selektive Entfernung der Cd-Ionen ohne wesentliche Änderung des Gehalts an anderen Metallkationen ermöglicht.
Diese Aufgabe wird gemäß Anspruch 1 dadurch gelöst, daß man a) die Naßphosphorsäure mit einem in einem organischen Lösungsmittel gelösten HCl-, HBr- oder HI-Salz eines Amins in Kontakt bringt, wobei das Amin und das Lösungsmittel die im Anspruch 1 angegebenen Bedingungen erfüllen, b) die wäßrige saure P2O5 enthaltende Lösung von der organischen Phase abtrennt und c) die Cd-Ionen aus der organischen Phase mit Hilfe einer wäßrigen Lösung reextrahiert. Aufgrund der Analysendaten insbesondere in Beispiel 1 des Streitpatents ist glaubhaft, daß durch die beanspruchten Maßnahmen die bestehende Aufgabe tatsächlich gelöst worden ist.
4. Schon aus der Feststellung im vorstehenden Punkt 3 ist offensichtlich, daß das Verfahren gemäß Anspruch 1 neu ist. Da dies nicht bestritten wurde, erübrigen sich nähere Ausführungen hierzu.
5. Zu untersuchen bleibt somit, ob die beanspruchte Lösung auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
5.1. Dokument (1) ist eine wissenschaftliche Studie über die Flüssig-Flüssig-Extraktion von Cd zwecks der Trennung von Cd und Zn oder Cd und Ag in chemischen oder radiochemischen Analysen (siehe S. 411). In der Tabelle 2 werden die Verteilungskoeffizienten der Cd-, Zn- und Ag- Ionen bei unterschiedlichen Halogenidkonzentrationen in den Phosphorsäurelösungen genannt. Die Verteilungskoeffizienten in der Tabelle 1 beziehen sich auf die Extraktion von Cd, Zn und Ag aus HCl und HBr- Lösungen. Bezüglich der Durchführung der Versuche, die zu den angegebenen Ergebnissen führten, wird in (1) auf den ersten Teil der Studie, d. h. auf Dokument (13) verwiesen (vgl. (1), S. 412, 1. Absatz). Aus (1) und (13) geht eindeutig hervor, daß für die Extraktionsversuche analysenreine wäßrige Phosphorsäure verwendet wurde, zu der HCl, HBr oder KI zugesetzt wurde (vgl. (13), S. 385 "Other reagents") und daß die Untersuchungen mit radioaktiven Isotopen unter Anwendung von radiochemischen Arbeitstechniken durchgeführt wurden (vgl. (1), S. 412, 1. Absatz; (13) S. 385 "Radioactive tracers", "Procedures"). Aus der in (13) beschriebenen radioanalytischen Messung mit Hilfe eines Gammaspektrometers läßt sich entnehmen, daß die Konzentrationen der einzelnen Kationen in den organischen und wäßrigen Phasen und somit die Verteilungskoeffizienten durch Untersuchung von Lösungen, die nur das zu extrahierende Kation enthielten, ermittelt wurden. Die diesbezüglich ausführlichen Argumente der Beschwerdeführerin in ihrer Eingabe vom 12. März 1990 hat die Beschwerdegegnerin nicht bestritten. Ferner bezieht sich (13) auf Dokument (14) für die Extraktionsversuche zwecks der Bestimmung der Verteilungskoeffizienten (siehe (13), S. 386, 1. Absatz) und es geht aus (14) eindeutig hervor, daß in den Lösungen nur das zu untersuchende Metallkation vorhanden war (siehe (14), S. 560, letzter Absatz). Da die in der Tabelle 1 von (1) angegebenen Verteilungskoeffizienten für Zn aus (14) genommen wurden, handelt es sich zweifellos um Angaben, die durch Untersuchung einer nur Zn enthaltenden Lösung ermittelt wurden (vgl. Fußvermerk unter Tabelle 1 in (1)).
5.2. In (1) ist offenbart, daß Cd aus einer 12 N Phosphorsäurelösung in hohem Grad extrahiert wird, wenn die Chloridkonzentration 0,112 N HCl entspricht, während die Extraktion von Zn unter gleichen Bedingungen ziemlich niedrig ist (vgl. Tabelle 2 und S. 415, 1. Absatz). Die Ergebnisse bezüglich Ag sind insofern nicht relevant als die Naßphosphorsäure keine Ag-Kationen enthält. In Gegenwart von Bromidionen anstatt Chloridionen kann gemäß (1) Cd in 0,128 N HBr- 12 N H3PO4 unter Anwendung von Amberlite LA-2 leicht von Zn getrennt werden (vgl. S. 415, 2. Absatz). Die Autoren gehen davon aus, daß das Amin ein Salz mit HCl, HBr oder HI bildet. Da die Verteilungskoeffizienten von Cd und Zn und alle daraus gezogenen Schlußfolgerungen in bezug auf die Trennungsmöglichkeiten dieser Elemente sich auf Extraktionsversuche stützen, bei denen nur das zu extrahierende Metallkation vorhanden war (siehe Punkt 5.1), wurden offensichtlich die Wechselwirkungen zwischen den unterschiedlichen Metallkationen nicht berücksichtigt. Wie beide Parteien vorgetragen haben, kann aber die Gegenwart von weiteren Kationen oder Anionen in der zu extrahierenden Lösung das Ergebnis der Extraktion sowohl positiv als negativ beeinflussen. Wird jedoch zugunsten der Beschwerdegegnerin unterstellt, daß der Fachmann aus (1) die Schlußfolgerung ziehen würde, daß Cd mit Amberlite LA-2 aus einer Cd- und Zn-Ionen enthaltenden 12 N Phosphorsäurelösung in Gegenwart von 0,112 N HCl oder 0,128 HBr "selektiv" getrennt werden könnte, obwohl von einer "selektiven" Trennung von Cd und Zn mit Amberlite LA-2 auf den Seiten 413 und 415 nicht gesprochen wird, dann stellt sich die Frage, ob der Fachmann diese Lehre ohne weiteres in der Praxis, d. h. bei Naßphosphorsäure, ausprobieren würde, um die gestellte Aufgabe zu lösen.
5.3. Die Untersuchungen wurden in (1) mit 12 N Phosphorsäurelösungen durchgeführt, d. h. mit einer Säurekonzentration von ca. 23 % P2O5, während die Konzentration einer Naßphosphorsäure mindestens 30 % P2O5 (16 N) beträgt und bis über 50 % liegen kann. Der Fachmann erfährt aber aus (1), daß die Verteilungskoeffizienten von Cd und Zn erheblich steigen, wenn die Konzentration der Phosphorsäure bei gleichbleibender Halogenidkonzentration bis 24 N (ca. 40 % P2O5) erhöht wird (vgl. S. 418 letzter Absatz, S. 419 zwei erste Zeilen, Fig. 2 und 3). Unter diesen Umständen kann er aus (1) sogar nicht entnehmen, ob bei Phosphorsäurekonzentrationen entsprechend denjenigen der Naßphosphorsäuren die angenommene selektive Trennung von Cd und Zn noch möglich wäre.
5.4. Wie die Beschwerdeführerin vorgetragen hat, enthält bekanntlich die durch Aufschluß von Rohphosphaten mit H2SO4 gewonnene Rohphosphorsäure neben höchstens 100 ppm Cd zwangsläufig u. a. Eisen- und Aluminiumionen, deren Gesamtgehalt bei über dem 100-fachen des Cadmiumgehaltes liegt, während Zn (wenn überhaupt vorhanden) in einer Menge von bis 400 ppm vorliegt. Diese Gehaltsangaben wurden von der Beschwerdegegnerin nicht bestritten. Daraus ergibt sich, daß die selektive Trennung von Cd und Zn im Vergleich zu der selektiven Trennung von Cd und Fe oder Cd und Al eine untergeordnete Rolle spielt. Es ist jedoch in (1) keinerlei Hinweis zu finden über die Verteilungs- koeffizienten von Fe- und Al-Ionen oder über die Trennungsmöglichkeiten von Cd und Fe oder Cd und Al in HCl oder HBr enthaltenden Phosphorsäurelösungen, geschweige denn über die selektive Entfernung von Cd aus einer Phosphorsäurelösung, die gleichzeitig Cd, Zn und, in großen Überschuß, Fe und Al enthalten würde.
Der Fachmann konnte daher im Lichte der Lehre von (1) nicht erwarten, daß bei Naßphosphorsäuren deren P2O5- Konzentration mindestens 30 % beträgt und in denen, neben Cd-Ionen, Fe-und Al-Kationen in erheblich höheren Mengen und noch andere Metallkationen sowie viele unterschiedliche Sorten von Anionen vorliegen, die Extraktion mit Amberlite LA-2 zu einer selektiven Entfernung der Cd-Ionen hätte führen können.
5.5. Darüber hinaus hatte der Fachmann nicht nur (1) zur Verfügung, sondern auch Dokument (3), das ein Verfahren zur Entfernung von Eisen aus einer Phosphorsäurelösung, insbesondere aus einer durch Aufschluß von Rohphosphaten mit HCl erhaltenen Rohphosphorsäure, betrifft. Aus (3) entnimmt der Fachmann, daß Fe III-Ionen aus Phosphorsäurelösungen in Gegenwart von genügend Chlorwasserstoffsäure mit einer Lösung eines organischen langkettigen primären, sekundären oder tertiären Amins in einem flüssigen Kohlenwasserstofflösungsmittel extrahiert werden (vgl. Anspruch 1, der Beispiel, Spalte 4, Z. 54 bis Spalte 5, Z. 7). Im Lichte dieser Lehre war für den Fachmann zu befürchten, daß bei der Verwendung des langkettigen Amins Amberlite LA-2 für die Entfernung von Cd aus einer Naßphosphorsäure die darin vorhandenen Fe III-Ionen ein potentieller Störfaktor bei der Extraktion darstellen und eine selektive Extraktion von Cd verhindern.
5.6. Aus den vorstehenden Ausführungen geht hervor, daß die Dokumente (1) und (3) keinerlei Hinweise enthalten, die dem Fachmann eine Übertragung der Lehre aus (1) auf eine Naßphosphorsäure als erfolgsversprechend für die Lösung der gestellten Aufgabe hätte erscheinen lassen. Entsprechend der Rechtsprechung der Kammern konnten daher diese Druckschriften den Fachmann nicht anregen, das im Benzol gelöste Amberlite LA-2 bei der Flüssig-Flüssig- Extraktion von Naßphosphorsäuren zu probieren, um Cd selektiv zu entfernen ohne den Gehalt an den anderen vorhandenen Metallkationen zu ändern (T 2/83, ABl. EPA 1984, 265). Die Tatsache, daß (1) eine wissenschaftliche Studie von generellem Charakter darstellt ändert nichts an dieser Sachlage.
Infolgedessen erübrigt sich zu prüfen, ob die Verwendung des HCl-, HBr-oder HI-Salzes des Amins in der organischen Phase anstelle des Amins und die Stufen b) und c) selbstverständlich waren.
5.7. Aus alledem folgt, daß das Verfahren gemäß Anspruch 1 auf erfinderischer Tätigkeit beruht.
6. In Verbindung mit dem gewährbaren Anspruch 1 sind die abhängigen Ansprüche 2 bis 6 ebenfalls gewährbar.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die Einspruchsabteilung mit der Auflage zurückverwiesen, das Patent mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüchen 1 bis 6 und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.