T 0647/20 (Produktionsleitsystem/PELZ) 10-06-2022
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PRODUKTIONSLEITSYSTEM
Erfinderische Tätigkeit - eine Ampel zum Signalisieren der Dauer einer Produktionsstörung (nein
Erfinderische Tätigkeit - nichttechnische Anforderung)
Änderung nach Ladung - außergewöhnliche Umstände (nein)
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 17 155 784.6 mangels erfinderischer Tätigkeit zurückgewiesen wurde.
II. Die Prüfungsabteilung stellte fest, dass der Gegenstand von Anspruch 1 nicht erfinderisch war gegenüber der Druckschrift D1 (US 6,128,543). Das Unterscheidungsmerkmal, eine Signaleinrichtung zum Abgeben eines dem Andauern einer Produktionsstörung über eine definierte Zeitspanne zugeordneten Signals, bewirke keinen technischen Effekt. Zudem wurde auf die Druckschrift D4 (DE 10 2007 039 170 A1) verwiesen, welche eine Signaleinrichtung/Ampel in einem ähnlichen Kontext exemplarisch veranschauliche.
III. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf Grundlage des zurückgewiesenen Hauptantrages, oder des ersten oder zweiten Hilfsantrages zu erteilen. Hilfsweise stellte sie einen Antrag auf mündliche Verhandlung.
IV. In der Ladung zur mündlichen Verhandlung legte die Kammer ihre vorläufige Meinung dar, wonach sie mit den von der Prüfungsabteilung in der Zurückweisung dargelegten Gründen im Wesentlichen übereinstimmte und die Zurückweisung als gerechtfertigt ansah.
V. Am 10. Juni 2022 fand eine mündliche Verhandlung in Form einer Videokonferenz statt. Die Beschwerdeführerin bestätigte ihre schriftlich gestellten Anträge, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent zu erteilen auf Grundlage des der angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegenden Patentbegehrens gemäß Hauptantrag, des ersten oder zweiten Hilfsantrags oder des in der mündlichen Verhandlung eingereichten dritten Hilfsantrags. Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete der Vorsitzende die Entscheidung der Kammer.
VI. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hauptantrag (mit der von der Beschwerdeführerin versehenen Merkmalsgliederung) lautet:
"Produktionsleitsystem umfassend
1.1 eine elektronische Datenverarbeitungsanlage (1, 12),
1.2 eine erste Datenschnittstelle (17) der elektronischen Datenverarbeitungsanlage (1,12) zum Übertragen von Produktionssignalen, die mit einer Produktionsanlage (21) verbindbar ist,
1.3 mindestens ein Eingabegerät zur manuellen Dateneingabe (3, 4), das mit der elektronischen Datenverarbeitungsanlage (1, 12) verbunden ist,
1.4 einen Monitor (1.1), der mit der elektronischen Datenverarbeitungsanlage (1, 12) verbunden ist,
1.5 wobei die elektronische Datenverarbeitungsanlage (1, 12) ausgebildet ist, über die erste Datenschnittstelle (17) Produktionssignale zu erfassen, durch Auswerten erfasster Produktionssignale Produktionsdaten insbesondere über Produktionsstörungen zu ermitteln, auf dem Monitor (1.1) Produktionsdaten anzuzeigen und über das Eingabegerät (3, 4) eingegebene Störungsgründe für Produktionsstörungen auf dem Monitor (1.1) anzuzeigen und/oder abzuspeichern und/oder über eine mit der elektronischen Datenverarbeitungsanlage (1, 12) verbundene zweite Datenschnittstelle der elektronischen Datenverarbeitungsanlage einem Rechnernetz (20) zur Verfugung zu stellen, und
1.6 wobei das Eingabegerät (3, 4) und/oder die elektronische Datenverarbeitungsanlage (1, 12) und/oder die elektronischen Datenverarbeitungsanlage (1, 12) ausgebildet ist, verschiedene Eingabebereiche des Eingabegerätes (3, 4) mit unterschiedlichen Störungsgründen für Produktionsstörungen zu belegen, sodass beim Betätigen eines ausgewählten Eingabebereiches der diesem Eingabebereich zugeordnete Störungsgrund an die elektronische Datenverarbeitungsanlage (1, 12) gemeldet wird,
1.7 eine optische oder akustische Signaleinrichtung (5), die mit der elektronischen Datenverarbeitungsanlage (1, 12) verbunden ist, wobei die elektronische Datenverarbeitungsanlage ausgebildet ist, die Signaleinrichtung (5) so zu steuern, dass diese ein dem Andauern einer Produktionsstörung über eine definierte Zeitspanne fest zugeordnetes Signal abgibt, falls eine Produktionsstörung mindestens die definierte Zeitspanne andauert."
VII. Anspruch 1 des ersten Hilfsantrages ist eine Kombination der Ansprüche 1 und 4 des Hauptantrages.
Das zusätzliche Merkmal lautet wie folgt (Nummerierung durch die Kammer):
" 1.8 wobei die elektronische Datenverarbeitungsanlage (1, 12) ausgebildet ist, die Signaleinrichtung so zu steuern, dass diese mehrere verschiedene Signale abgibt, um mit einem ersten Signal das Vorliegen einer Produktionsstörung und mit einem zweiten Signal das Vorliegen einer Produktionsstörung anzuzeigen, die über eine definierte Zeitspanne andauert".
VIII. Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrages ist eine Kombination der Ansprüche 1, 4 und 5 des Hauptantrages. Das zusätzliche Merkmal lautet wie folgt (Nummerierung durch die Kammer):
" 1.9 die optische oder akustische Signaleinrichtung eine Ampel ist, die bei Nichtvorliegen einer Produktionsstörung ein ganzes [sic] Signal, beim Andauern der Produktionsstörung über eine kürzere als die definierte Zeitspanne ein gelbes Signal und ab Erreichen der definierten Zeitspanne ein rotes Signal abgibt".
IX. Die wesentlichen Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:
Das Unterscheidungsmerkmal 1.7 stelle einen Filter, basierend auf der Dauer einer Produktionsstörung, zur Unterscheidung zwischen wichtigen und unwichtigen Produktionsstörungen dar. Ein solcher Filter habe den Vorteil, dass nur lohnenswerte Fehler dokumentiert und analysiert würden. Dies führe zu einer Effizienzsteigerung der Produktionsanlage.
Aus Erfahrung sei die Dauer von Produktionsstörungen ein zuverlässiger Indikator für die Fehlerkategorisierung. Dies sei weder aus der D1 bekannt noch sei die Auffassung der Kammer, dass eine Kategorisierung der Produktionsstörungen anhand ihrer Dauer auch Ausdruck einer vorgegebenen Qualitätsnorm sein könnte, realistisch. Qualitätsnormen bezögen sich auf Produkte, nicht Produktionsverfahren. Dies könne nicht herangezogen werden, um eine technische Wirkung in Frage zu stellen.
Die objektive technische Aufgabe sei, ein Produktionsleitsystem zur Verfügung zu stellen, welches das Erfassen und Auswerten von Fehlern erleichtert, die maßgeblich für die Effizienz der Vorrichtung sind.
Die hinzugefügten Merkmale der Hilfsanträge, nämlich die Abgabe von Warnsignalen durch eine Ampel, erhöhten die Sicherheit und unterstützten den Maschinenführer zusätzlich bei der Kontrolle des Produktionssystems. D4 zeige zwar eine Ampel, jedoch weder eine Filterung noch das Erkennen von wichtigen und unwichtigen Produktionsstörungen.
Der dritte Hilfsantrag sei eine Reaktion auf von der Kammer erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Argumente, die darauf zielten, das Merkmal 1.7 als untechnisch anzusehen. Der Antrag überwinde die von der Kammer aufgeworfenen Einwände und sei konvergent. Die Änderungen seien nicht komplex und würden auch auch nicht den zeitlichen Rahmen der Verhandlung sprengen.
Entscheidungsgründe
Hintergrund der Erfindung
1. Die Erfindung betrifft ein Produktionsleitsystem, welches insbesondere die Erfassung und Auswertung von Produktionsstörungen erleichtern soll. Bei herkömmlichen Systemen werden Produktionsstörungen von Benutzern individuell beschrieben und bewertet. Dies erschwert die Erfassung und Auswertung - siehe Paragraph [0002] der veröffentlichten Anmeldung.
2. Das erfindungsgemäße Produktionsleitsystem weist ein Eingabegerät auf, etwa ein Tastenpanel, dessen Tasten mit den häufigsten Stillstands- oder anderen Störungsgründen vorbelegt sind - siehe Paragraph [0036] der Anmeldung. Dadurch wird eine einfache Eingabe von (häufigen) Störungsgründen ermöglicht.
3. Ferner umfasst das Produktionsleitsystem eine Signaleinrichtung, zum Beispiel eine Ampel, welche unwichtige (gelbes Licht) und wichtige (rotes Licht) Produktionsstörungen anzeigt. Wichtig bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Störung über eine vordefinierte Zeitspanne andauert - siehe Paragraph [0023] der Anmeldung.
Hauptantrag, erster und zweiter Hilfsantrag, erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
4. Bereits der am engsten gefasste Gegenstand des zweiten Hilfsantrages ist nicht erfinderisch.
5. Es ist unstrittig, dass sich Anspruch 1 von D1 durch die Merkmale 1.7 bis 1.9 unterscheidet. Diese können zusammengefasst werden als Ampel/Signaleinrichtung, welche ein der Zeitspanne einer Produktionsstörung zugeordnetes Licht/Signal abgibt. In anderen Worten, während in D1 jeder Produktionsstillstand angezeigt wird (siehe Spalte 7, Zeilen 49 bis 56), gibt die Ampel erfindungsgemäß ein gelbes Licht ab, wenn eine Produktionsstörung kürzer als eine vordefinierte Zeitspanne andauert, und ein rotes Licht, wenn sie länger als diese Zeitspanne andauert. Wenn keine Produktionsstörung vorliegt, leuchtet die Ampel grün ("ganzes Signal" in Anspruch 1).
6. Das Kernargument der Beschwerdeführerin ist, dass die vordefinierte Zeitspanne ein Kriterium beziehungsweise einen Filter für die Wichtigkeit einer Produktionsstörung darstelle. Dies ermögliche das Erkennen, Dokumentieren und Analysieren von nur solchen Produktionsstörungen, die maßgeblich für die Effizienzsteigerung der Produktionsanlage seien, und stelle deshalb einen technischen Sachverhalt dar.
7. Die Kammer kann dem nicht zustimmen.
Laut Beschwerdeführerin liegt eine unwichtige Störung zum Beispiel dann vor, wenn die Düsen oder andere einstellbare Elemente der Produktionsanlage nicht korrekt eingestellt sind. In diesem Falle schaltet die Ampel zunächst auf gelb. Falls es, trotz ordnungsgemäß betriebener Produktionsanlage, der Maschinenführer oder das Servicepersonal in der vordefinierten Zeitspanne nicht schaffen, die Störung zu beheben, schaltet die Ampel auf rot - dieselbe (ehemals unwichtige) Störung wird somit als wichtige Produktionsstörung angezeigt. Umgekehrt wird auch eine tatsächlich vorliegende wichtige Störung zunächst, bis die vordefinierte Zeitspanne um ist, mit gelb signalisiert und somit als unwichtig gekennzeichnet.
Allein schon aus diesem Grund scheint es fraglich, ob die Ampel überhaupt eine Aussage über die Schwere der tatsächlich vorliegenden Störung ermöglicht. Vielmehr ordnet die Ampel einer vorliegenden Störung, abhängig unter anderem von organisatorischen Faktoren, eine nicht notwendigerweise technische Bedeutung für den Benutzer, z.B. einem Maschinenführer, zu.
Diese Einschätzung wird zudem dadurch gestützt, dass die Anmeldung keinerlei technischen Erwägungen, zum Beispiel in Zusammenhang mit dem Produktionsprozess oder den Produktionsmaschinen, zur Bestimmung der vordefinierten Zeitspanne offenbart. Die Kammer stimmt deshalb der Schlussfolgerung der Prüfungsabteilung zu, wonach die Kategorisierung von Störungen unter Verwendung der Zeitspanne als Kriterium willkürlich ist (siehe Ziffer 14.3.1 der Entscheidung) und allein schon deshalb keinen technischen Effekt bewirken kann.
8. Vor diesem Hintergrund kann die Zeitspanne auch als organisatorische Anforderung angesehen werden, z.B. als Qualitätsnorm für die Fehlerdokumentation im Rahmen einer ISO-Zertifizierung. Diese könnte lauten, dass nur Produktionsstörungen, die über eine vordefinierte Zeitspanne andauern und deshalb für die Fehlerdokumentation von Bedeutung sind, protokolliert werden sollen, nicht aber jede (bekannte) "Macke" einer Produktionsmaschine.
Die Beschwerdegegnerin führte aus, dass eine derartige Auslegung willkürlich und unrealistisch sei und zu Lasten der Patentinhaberin ginge. Qualitätsnormen bezögen sich auf Produkte, die für den Endkunden bestimmt sind, nicht auf ein Produktionsleitsystem.
Die Kammer stimmt dieser Auffassung aus oben genannten Gründen nicht zu. Nach ständiger Rechtsprechung reicht es aus, dass ein Teilmerkmal eine nichttechnische Auslegung erlaubt, um es als nichttechnisches Merkmal anzusehen (siehe T 930/05 - Modellieren eines Prozessnetzwerks/XPERT, Ziffer 4.5).
9. Da das Ampelsignal keinen Aufschluss auf die zugrunde liegende technische Störung gibt, kann die Kammer auch nicht erkennen, dass etwa der Maschinenführer durch eine ständige und/oder geführte Mensch-Maschine-Interaktion glaubhaft bei der Ausführung einer technischen Aufgabe unterstützt wird (vgl. dazu auch: T 772/18 - Erfassen einer Bewegungscharakteristik eines Fahrzeugs/TELEKOM, Ziffer 2.6).
Eine gelbe oder rote Ampel zeigt zwar an, dass eine Produktionsstörung kürzer oder länger als eine vordefinierte Zeitspanne andauert, dies liefert jedoch weder einen Hinweis auf die tatsächliche Schwere der Störung noch darauf, wie die Störung zu beheben ist. Es ist zum Beispiel denkbar, dass der Maschinenführer lediglich einen Servicetechniker anruft, den Fehler meldet und entsprechend der Vorschriften (einer Qualitätsnorm) dokumentiert. Dies stellt keine technische Aufgabe dar.
10. Aus diesen Gründen kann die Kammer der von der Beschwerdeführerin genannten Aufgabenstellung, nämlich das Erfassen von Fehlern, welche wichtig beziehungsweise maßgeblich für die Effizienz der Vorrichtung sind, nicht zustimmen.
Wie weiter oben dargelegt, kann das Anzeigen von kurzen und langen Produktionsstörungen auf einen rein nichttechnischen Zweck gerichtet sein, der nach gängiger Praxis entsprechend dem COMVIK-Ansatz (siehe T 641/00 - Zwei Kennungen/COMVIK) in die Formulierung der technischen Aufgabe mit aufgenommen werden kann.
Ausgehend von D1 und unter der Annahme, dass der Anspruch das Eingeben eines Störgrundes nur bei roter Ampel beinhaltet (siehe Paragraph [0009] der Beschreibung), kann die Aufgabe der Erfindung darin gesehen werden, es dem Benutzer zu erleichtern, nur diejenigen Produktionsstörungen zu dokumentieren, die über eine vordefinierte Zeitspanne andauern.
11. Diese Aufgabe wird auf eine für den Fachmann naheliegenden Weise gelöst.
Das Produktionsleitsystem der D1 umfasst eine Leuchtanzeige/einen Monitor zum Anzeigen eines Zustandes der Produktionsanlage, zum Beispiel dass alle Störung behoben worden sind (siehe Spalte 7, Zeilen 49 bis 56). Diese Leuchtanzeige und die Datenerfassung so zu programmieren, dass ein Produktionsstillstand, der über eine vordefinierte Zeitspanne andauert, entsprechend signalisiert wird und nur Störungsgründe für einen derartigen Produktionsstillstand eingegeben und abgespeichert werden (müssen), erfordert lediglich allgemeine Programmierkenntnisse und kann keinen erfinderischen Schritt begründen.
Das Ausgestalten der Leuchtanzeige als Ampel, welche (interne) Zustände eines Systems filtert und für den Benutzer veranschaulicht, ist naheliegend und allgemein bekannt. Dokument D4 etwa zeigt eine derartige Ampel, die als Kontrollleuchte dient und einen regulären Betrieb (grün), einen Warnzustand (gelb) oder einen Störzustand (rot) anzeigt (siehe Paragraph [0022]).
12. Die Beschwerdeführerin wies darauf hin, dass D1 das Protokollieren aller Produktionsstillstände, unabhängig von deren Dauer, vorschreibe. In D1 könne das Produktionssystem nur nach Eingabe eines Störungsgrundes wieder gestartet werden (siehe Spalte 1, Zeilen 33 bis 38 und Zeilen 47 bis 49). Auch wenn der Fachmann in D1 die Verwendung einer Ampel in Betracht ziehen würde, sei es für ihn dennoch abwegig, das Produktionsleitsystem der D1 gemäß der Erfindung abzuwandeln.
13. Die Kammer stimmt der Beschwerdeführerin zu, das das Ziel der D1 ist, zur Effizienzsteigerung sämtliche Produktionsstillstände zu erfassen. Um dies zu gewährleisten, muss der Benutzer zum Starten der Produktionsanlage nach einem Stillstand einen (gültigen) Störungsgrund eingeben (siehe Spalte 10, Zeilen 1 bis 10).
Dies stellt allerdings kein Unterscheidungsmerkmal dar und ist deshalb nicht relevant für die Beurteilung der Erfindungshöhe. Zudem ist das erfindungsgemäße Dokumentieren von Störungsgründen von der Entscheidung des Benutzers abhängig (siehe Paragraph [0009]). Auch deshalb löst dieses Merkmal keine objektive technische Aufgabe.
Der Fachmann wird daher das aus D1 bekannte Produktionsleitsystem entsprechend der oben genannten (nichttechnischen) Anforderung modifizieren und ohne erfinderisches Zutun zur beanspruchten Lösung gelangen.
14. Damit beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 52(1) und 56 EPÜ).
15. Aus den gleichen Gründen ist auch der Anspruch 1 des Hauptantrages und des ersten Hilfsantrages nicht gewährbar.
Dritter Hilfsantrag, Zulässigkeit (Artikel 13(2) VOBK 2020)
16. Der dritte Hilfsantrag wurde erst während der mündlichen Verhandlung eingereicht und stellt somit eine Änderung des Beschwerdevorbringens dar. Nach Artikel 13(2) VOBK 2020 bleiben solche Änderungen grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, es liegen außergewöhnliche Umstände vor.
17. Solche außergewöhnlichen Umstände liegen hier nicht vor.
Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Gründe für das Einreichen des Hilfsantrages erst in dieser Phase des Beschwerdeverfahrens, nämlich als Reaktion auf "neue" Argumente von Seiten der Kammer, stellen keine außergewöhnlichen Umstände im Sinne des Artikel 13(2) VOBK 2020 dar.
Laut Beschwerdeführerin waren die folgenden Argumente der Kammer neu:
(A) Das Protokollieren von Störungsgründen ab einer bestimmten Dauer könne eine Anforderung einer ISO-Zertifizierung darstellen.
(B) Die definierte Zeitspanne sei willkürlich/beinhalte keinerlei technische Überlegungen.
(C) Anspruch 1 gebe die Erfindung nicht umfassend wieder, z.B. fehlten Details des Produktionsprozesses/der Produktionsanlage oder etwa die Verknüpfung zwischen Ampelanzeige und Eingabe von Störungsgründen.
Zum einen stellt die Kammer fest, dass Argumente (A) und (B) der Beschwerdeführerin bereits bekannt waren. So kam die Prüfungsabteilung in etwas anderen Worten zum Schluss, dass die erfindungsgemäße Kategorisierung der Wichtigkeit von Produktionsstörungen, somit auch die zugrundeliegende Zeitspanne, arbiträr sei und eine nichttechnische Entscheidung darstelle (Ziffer 14.3.1 der Entscheidung). Auch hat die Kammer in ihrer vorläufigen Meinung bereits darauf hingewiesen, dass diese Kategorisierung eine Qualitätsnorm darstellen könne, welche das Protokollieren von Störungen ab einer vordefinierten Zeitspanne vorschreibt (siehe zweiten Absatz in der Ladung zur mündlichen Verhandlung). Diese Argumente wurden in der mündlichen Verhandlung lediglich weiter vertieft, zum Beispiel dahingehend dass die Qualitätsnorm auch eine ISO Zertifizierung der Produktionsanlage oder des Produktionsprozesses sein könnte. Dies kann für die Beschwerdeführerin nicht überraschend sein.
Zum andern ist das Argument (C), dass etwa der Produktionsprozess und die Produktionsanlage in Anspruch 1 nicht spezifiziert sind und deshalb breit ausgelegt werde müssen, kein (neuer) Einwand im Sinne des EPÜ. Dies wurde lediglich im Zusammenhang mit der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit vorgetragen, da einige der von der Beschwerdeführerin genannten Argumente auf solche im Anspruch fehlenden Details abzielten und deshalb nicht berücksichtigt werden konnten. Die Verknüpfung zwischen Ampelanzeige und Eingabe von Störungsgründen hat die Kammer ohnehin bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit berücksichtigt (siehe Ziffern 10 und 11 supra).
Die Änderungen räumen auch den wesentlichen Einwand der Prüfungsabteilung, welcher auch von der Kammer bestätigt wird, nämlich dass die Zeitspanne und die darauf basierende Störungskategorisierung keine technische Bedeutung haben, nicht aus.
Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass der dritte Hilfsantrag schon in der ersten Instanz, spätestens in der dort anberaumten mündlichen Verhandlung vorzubringen gewesen wäre. Die Beschwerdeführerin zog es allerdings vor, den Antrag auf mündliche Verhandlung zurückzunehmen und stattdessen erst am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Kammer Änderungen einzureichen. Dies steht der in Artikel 13(1) VOBK 2020 geforderten Verfahrensökonomie entgegen.
18. Die Kammer lässt diesen Antrag daher nicht in das Verfahren zu.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.