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T 0578/88 03-10-1990
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Platte aus Dämmstoffen, insbesondere Mineralfasern
1) M. Faist GmbH & Co.
2) Grünzweig + Hartmann
3) Sager AG
Inventive step (yes)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Sachverhalt und Anträge
I. Gegen das am 30. April 1986 erteilte, acht Ansprüche umfassende Patent Nr. 75 187 sind am 16. Dezember 1986, 27. und 30. Januar 1987 drei Einsprüche eingereicht worden mit dem Antrag, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen. Die Einsprüche stützten sich insbesondere auf die folgenden Dokumente:
(1) JP-U-172 513, mit zwei Seiten einer deutschen Übersetzung, die nur die Ansprüche in 1 bis 4 und eine "kurze Erläuterung der Zeichnung" umfassen;
(2) DE-U-7 806 685,
(4) FR-A-0 336 148,
(5) DE-A-2 018 836.
II. Durch Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 3. Oktober 1988 wurde das Patent widerrufen. Die Entscheidung wurde damit begründet, daß die beanspruchte Lösung für den Fachmann in naheliegender Weise aus den Dokumenten (4) und (5) oder (2) folge.
III. Gegen diese Entscheidung richtet sich die seitens der Beschwerdeführin (Patentinhaberin) am 17. November 1988 unter Bezahlung der Beschwerdegebühr eingereichte Beschwerde. Die Begründung ist am 10. Februar 1989 per Telekopie eingegangen und mit Schreiben vom 13. Februar 1989 bestätigt worden. Gleichzeitig ist ein Satz von geänderten Ansprüchen 1 bis 6 vorgelegt worden.
Auf die in der Anlage zur Ladung für die mündliche Verhandlung enthaltenen Ausführungen der Kammer reichte die Beschwerdeführerin am 6. September 1990 neue Ansprüche 1 - 6 und eine geänderte Beschreibung ein; sie beantragt gleichzeitig, die Figuren 20 bis 23 zu streichen.
IV. Die Beschwerdegegnerin reicht am 27. September 1990 per Telekopie, bestätigt mit Schreiben, eingegangen am 28. September 1990, Seiten 1 - 6 der deutschen Übersetzung der Entgegenhaltung (1) ein, inbesondere mit einer "detaillierten Beschreibung der Neuerung".
V. In der mündlichen Verhandlung vom 3. Oktober 1990 legt die Beschwerdeführerin einen geänderten Anspruchssatz mit 4 Ansprüchen vor. Gegenüber der Fassung vom 6. September 1990 ist Anspruch 1 geändert, die Ansprüche 2 und 3 sind unverändert, und Anspruch 4 stimmt mit dem früheren Anspruch 6 überein. Die früheren Ansprüche 4 und 5 sind gestrichen. Gleichzeitig werden geänderte Zeilen 49-57 in Spalte 3 der Beschreibung vom 6. September 1990 vorgelegt. Der geltende Anspruch 1 lautet:
"1. Platte aus Dämmstoffen, insbesondere Mineralfasern, welche zur Wärme- und/oder Schallisolierung von Gebäuden und zum Einbringen in Zwischen- oder Hohlräume zwischen Widerlagern, wie Trägern oder Dachsparren bestimmt ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Platte (1; 17) einen oder mehrere schräg von einer Plattenaußenkante zur gegenüberliegenden Plattenaußenkante geradlinig durchgehende und senkrecht zu ihren Hauptflächen verlaufende Trennschnitte aufweist, derart, daß die so gebildeten Plattenteile (2, 3; 18, 19) gegeneinander verschiebbar sind und dadurch ein klemmfreies Einbringen sowie ein abschließendes Einklemmen zur Abstützung der Platte in der Endlage zwischen den Widerlagern (5, 6) erreicht wird."
VI. Die Beschwerdeführerin macht in der mündlichen Verhandlung geltend, daß die unter IV. erwähnte Übersetzung erst kurz vor der mündlichen Verhandlung eingegangen sei, und daß das japanische Original dabei fehle. Eine Kontrolle der Übersetzung sei ihr deshalb nicht möglich gewesen.
Nach Zwischenberatung entscheidet die Kammer, diese Übersetzung - da ohne wesentliche Mehrinformation über (1) hinaus - als verspätet gemäß Artikel 114 (2) EPÜ nicht zu berücksichtigen.
VII. Die Beschwerdeführerin macht geltend, daß insbesondere industrielle Gesichtspunkte von Bedeutung seien, da die beanspruchte Platte ihre Form schon in der Fabrik erhalten könne, weshalb eine weitere Bearbeitung am Bau nicht mehr erforderlich sei und schon daher für große Vereinfachung der Einbauarbeiten gesorgt sei. Es sei für das Verständnis der Erfindung auch von Bedeutung, daß im Stand der Technik vor der Erfindung stets von rechteckigen Platten von vorbestimmten standardisierten Abmessungen ausgegangen wurde, daß aber die Anpassung der Platten an die teils erheblichen Distanzunterschiede zwischen Dachsparren zu beträchtlichen Materialverlusten führe. Bei den Trennschnitten komme es darauf an, daß sie derart angebracht werden, daß sie sowohl klemmfreies Einbringen wie auch abschließendes Einklemmen der Platten gewährleisten.
Zu den einzelnen Entgegenhaltungen führt sie aus:
(1): Die Platte bestehe aus Hartschaumstoff und sei nicht senkrecht zur Hauptebene geschnitten. Ein abschließendes Einklemmen sei nicht möglich. Es seien besondere Verbindungsmittel zwischen den Teilen erforderlich. Hartschaumstoff sei praktisch inkompressibel; auch von daher sei Einklemmen nicht möglich.
(2): Hier handle es sich um einen Bauteilesatz aus Hartschaumplatten, Hartschaumleisten, Breitkopfnägel und/oder Klebemittel. Ein Schrägschnitt sei ähnlich wie in (1) angeordnet. Dieser Bauteilesatz sei nur für geringe Distanzabweichungen geeignet. Zur Befestigung der Halteleisten werde verlangt, daß Breitkopfnägel oder Klebemittel vorgesehen seien.
(4): Bei der Kantenausbildung der hier dargestellten Hourdis-Platten, also völlig starrer vorgefertigter Formkörper, könne nicht von einer "Schnittführung" im Sinne des Anspruchs 1 gesprochen werden: Hier handle es sich nicht um durchzutrennende Platten, sondern um einzelne, speziell geformte Körper. Schon die Kantenausbildung mit Verzahnungen erweise die Unmöglichkeit der Herstellung aus einer Platte durch einen Trennschnitt. Darüber hinaus sei jedoch auch die geometrische Form der Schnittlage nicht mit jener gemäß Anspruch 1 zu vergleichen: es seien keine Schnitte vorhanden, die einander gegenüberliegende Plattenaußenkanten verbänden; die Trennfuge werde jeweils aus zwei oder drei Begrenzungsflächen gebildet, wobei keilförmige Eckpartien wegfielen.
Die Unterschiede gemäß diesen Entgegenhaltungen erlaubten demnach aus der Sicht der Beschwerdeführerin nicht, die Vorrichtung nach Anspruch 1 als dem Fachmann aus der Lehre dieser Dokumente, selbst bei gemeinsamer Würdigung, nahegelegtes Resultat herzuleiten.
VIII. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende II) macht folgendes geltend:
Die Platte nach Dokument (1) stimme praktisch überein mit dem Gegenstand nach Anspruch 1, so daß letzterem die Neuheit fehle. Dies insbesondere deshalb, weil nicht immer eindeutig feststehe, was Hauptfläche, beziehungsweise was Stirnfläche sei. Je nach Fall könne es daher, z. B. bei einer kurzen Platte, ohne weiteres zu einer völligen Übereinstimmung mit dem Gegenstand des Anspruchs 1 kommen. Dem Begriff "Widerlager" im Anspruch 1 entsprächen die in den Zeichnungen schraffiert angedeuteten Randbereiche; es sei auch nach Figur 5 klar, daß diese Platte an ihren in der Zeichnung lotrechten keilspitzförmigen Randbereichen gelagert sei. Im Hinblick auf die erfinderische Tätigkeit sei deshalb jedenfalls schon von einer weitgehenden Übereinstimmung auszugehen. Bis auf die nicht zur Hauptebene, sondern zur Stirnfläche vertikale Schnittführung seien die anderen Merkmale des Anspruchs 1, insbesondere auch die abschließende Einklemmung, vorhanden, wozu die in den Zeichnungen mit "5" bezeichneten Klammern dienten. Deshalb sei dem Fachmann - dem schließlich die Kenntnis der selbsthemmenden Keiles, also des fixen Keiles, so geläufig sei wie der Keil zur Maßänderung - klar, daß der Trennschnitt je nach den vorliegenden geometrischen Bedingungen senkrecht zur Hauptfläche anzuordnen und die Einklemmung durch die Selbsthemmung der Keilfläche zu bewerkstelligen sei. Damit sei jedoch der Gegenstand des Anspruchs 1 in naheliegender Weise gefunden.
Dokument (2) würde im übrigen alle weiteren Informationen enthalten, wenn Dokument (1) dem Fachmann noch nicht genügt hätte. Die Grundlehre in (2) beziehe sich auf das Problem der Abstände der Widerlager und es werde vorgeschlagen, mit Keilen am Rand der Platte und unter Kraftanwendung zu arbeiten. Hier sei auch der Trennschnitt senkrecht zur Hauptfläche, wie nach Anspruch 1.
Die Beschwerdegegnerin bezieht sich insbesondere auf den letzten Absatz auf Seite 5 der Beschreibung in (2): "Schließlich können nicht allzu große Unterschiede in den Abständen der Dachsparren ohne erhebliche Nachschneide-Arbeiten dadurch beseitigt werden, daß die Wärmedämmplatten und/oder mindestens ein Teil der Halteleisten an mindestens einer Längsseite in der Plattenebene keilförmig ausgebildet sind". Daraus gehe klar hervor, daß eine solche Platte, wie nach Anspruch 1, auch einen schrägen Trennschnitt aufweisen könne, wodurch sich dessen Keilwirkung und die abschließende Einklemmung ebenfalls ergeben würden. Es sei klar, daß die nur "vorzugsweise profilierten Halteleisten" auch ohne Nuten und deshalb auch ohne Lagerungsfunktion gedacht waren, weshalb sich auch Varianten ohne solche Halteleisten angeboten hätten.
IX. Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
Ansprüche 1-4, wie in der mündlichen Verhandlung vom 3. Oktober 1990 überreicht; Beschreibung gemäß Eingabe vom 6. September 1990, Figuren 20-23 gestrichen; Änderung zur Beschreibung wie anläßlich der mündlichen Verhandlung vorgelegt.
Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde der Patentinhaberin zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Änderungen
2.1. Die Änderungen gehen nicht über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus. Die geänderten Patentansprüche erweitern auch nicht den Schutzbereich der Patentansprüche in der erteilten Fassung. Die Anforderungen des Artikels 123 EPÜ Absätze (2) und (3) sind somit erfüllt. Dies wurde von der Beschwerdegegnerin auch nicht bestritten, so daß sich nähere Begründungen erübrigen.
3. Neuheit Dokument (2) schlägt Dämmplatten vor, die beidseits in üblicher Weise an den Rändern auf besonderen Lagerkonstruktionen (Nuten in den Leisten) aufliegen. Nach Anspruch 1 dieses Dokuments gehört zur Definition des hier dargestellten Gegenstandes: "c) eine beliebige Menge von Breitkopfnägeln (4) und/oder Klebemitteln zur Befestigung der Halteleisten (2, 2a, 2b) an den Dachsparren".
Ein Wegfall der "Befestigungsleisten" ist deshalb hier nicht vorgesehen, da dieselben in jedem Fall "an den Dachsparren" mit einem üblichen speziellen Befestigungsmittel befestigt sein müssen.
Dokument (1) enthält keine Informationen darüber, daß die in allen Ausführungsbeispielen schräg zu ihrer Hauptfläche dargestellten "Gegenflächen" auch senkrecht dazu vorgesehen sind. Gegenteilige Behauptungen müssen daher als unerwiesene Spekulationen außer acht gelassen werden.
Keines der entgegengehaltenen Dokumente beschreibt eine Dämmplatte mit der implizierten Zusammendrückbarkeit und der Fähigkeit, sich selber durch die Keilwirkung an den Widerlagern abzustützen. Somit vereinigt keines dieser Dokumente alle Merkmale des angefochtenen Anspruchs 1, so daß die Neuheit dessen Gegenstands gegeben ist.
4. Technische Unterschiede des Erfindungsgegenstandes zum Stand der Technik
4.1. Das technische Verständnis einer Erfindung setzt eine ausreichende Würdigung der technischen Differenz zwischen Erfindung und Stand der Technik voraus. Dokument (5) liegt der Erfindung insofern am nächsten, als es von einer Platte ausgeht, die - was der in Frage stehende Anspruch 1 implizierend definiert - vergleichsweise leicht verformbar ist. Die übrigen entgegengehaltenen Dokumente setzen keine derartige Verformungsfähigkeit voraus (Hartschaumstoff, Gips). Wird von Dokument (5), das dem Oberbegriff des Anspruchs 1 zugrunde liegt, ausgegangen, so ergeben sich folgende Feststellungen: Hier werden Dämmplatten zwischen Träger von spezieller Form eingebracht. Der vertikale Abstand zwischen dem unterem und einem besonderen mittleren Flansch der die Widerlager bildenden Träger ist geringer ist als die Plattenstärke, so daß durch Zusammendrücken der Plattenrandzone eine besonders gute Abdichtung, insbesondere der Dampfsperre, erreicht wird. Damit sind allerdings Einbauprobleme in Kauf zu nehmen, da das beidseitige vertikale Einklemmen (Zusammendrücken) schwierig ist. Insesondere ist eine Anpassung an veränderliche Sparrenabstände nur in geringem Ausmass möglich, wobei Fugen gegenüber dem Trägersteg nicht immer zu vermeiden sind.
Demgegenüber schlägt die Erfindung vor, die industriell hergestellte und rechteckige Dämmplatte - welche Eigenschaften dem Begriff der Dämmplatte in aller Regel zugerechnet werden müssen - durch einen Schrägschnitt senkrecht zur Plattenhauptebene zwischen einander gegenüberliegenden Plattenau-ßenkanten in zwei Teile aufzuteilen und so auf die Baustelle zu liefern. Damit erreicht sie folgendes:
4.2. Die Ausnützung der geometrisch-kinematischen Eigenschaften des Keils führt zu einer einfachen Anpassung an variable Sparrenabstände in einem größeren Ausmaß. Längsstauchung und Querverschiebung sind dabei von vergleichbarer Größe.
4.3. Damit verbunden führt die Ausnützung der mechanisch- statischen Eigenschaften des Keils dazu, daß infolge des Keil-Querdrucks gegen die Widerlager Reaktions-Reibungskräfte entstehen, die in der Lage sind, die Abstützung der Platte allein zu übernehmen, ohne daß besondere Lagerelemente oder Lagermittel nötig sind.
4.4. Also Folge des Keildrucks in Querrichtung wird die Platte unter eine Quervorspannung in der Plattenebene gebracht, so daß die Trennfuge statisch überdrückt wird. Deshalb sind auch keine besonderen Konstruktionselemente zur Übertragung der Querkräfte und Biegemomente in der Trennfuge erforderlich. Die resultierende Platte hat somit die Fuge überdrückt und daher geschlossen, wirkt also praktisch wie die ungetrennte, homogene Platte vor dem Schnitt.
4.5. Die Einfachheit der hierfür erforderlichen Mittel - ein einfacher Schrägschnitt - bietet Gewähr dafür, eine neue Standardplatte von einfachster Form ohne besondere Umstellungen herstellen zu können, die gewissermaßen bereits alle Montage-Mittel integriert. Damit sind die sonst üblichen erst bei der Montage anzuordnenden zusätzlichen Einbaumittel überflüssig geworden. Dies erlaubt auch dem Nichtfachmann einen sehr einfachen Einbau der Platten mit "automatischer" Anpassung an die lokale Situation.
5. Technische Aufgabe und Lösung Aus den Ausführungen unter 4. ergibt sich, daß, ausgehend von Dokument (5), der Gegenstand des Anspruchs 1 als Lösung der Aufgabe zu verstehen ist, die Einbaubedingungen zu verbessern, insbesondere derart, daß möglichst auch Nicht-Spezialisten den Einbau problemlos durchführen können, und außerdem eine Anpassung an größere Abstandsabweichungen zwischen den Sparren zu erleichtern.
Die Auffassung der Beschwerdegegnerin, wonach zur Aufgabe gehöre, für selbsttätige Klemmwirkung der Platten zu sorgen, enthält nach Ansicht der Kammer eine unzulässige Vorwegnahme der Erfindung und gehört nicht zur objektiv feststellbaren Aufgabe.
6. Erfinderische Tätigkeit
6.1. Bei der Suche nach einer Lösung des mit Dokument (5) gegebenen Problems wird den Fachmann insbesondere Dokument (2) interessieren. Es bezieht sich auf Platten aus Hartschaumstoff, die - wie auch schon in Dokument (5) - als Tragelemente in üblicher Weise auf besonderen Lagerkonstruktionen aufliegen. Dazu dienen hier sogenannte "Halteleisten". Sowohl die Plattenränder wie auch diese Halteleisten werden (Anspruch 2) als besonders ausgebildet beansprucht: sie sollen "eine Profilierung in Form einer Nut, Feder, Falz oder dergleichen aufweisen." In der Beschreibung wird zudem noch eine Vereinfachung erwähnt: "Wenn Dachlatten oder die Dachhaut als äußeres Widerlager für die Wärmedämmplatten dienen soll, so ist eine Nutung der Halteleisten nicht erforderlich". Besonders interessant sind im gegebenen Zusammenhang die Vorschläge nach Anspruch 3, wonach "die Wärmedämmplatten und/oder mindestens ein Teil der Halteleisten an mindestens einer Längsseite der Plattenebene keilförmig ausgebildet sind." Damit soll eine einfache Anpassung der Dämmplatten an die ungenaue Sparrengeometrie und ein einfacher Einbauvorgang erreicht werden.
Im Vergleich mit Dokument (5) scheint hier mit (2) zunächst bereits eine günstigere Situation vorzuliegen. Weitere Verbesserungen sind hier schon angedeutet; dies dürfte sich zunächst auf die Ausbildung der Abstützung der Platten beziehen, um die aufwendigen "Halteleisten" samt der entsprechenden besonderen Ausbildung des Plattenrandes zu vereinfachen.
6.2. Nimmt nun der Fachmann auch noch Dokument (4) zur Kenntnis, so hat er allen Anlaß, sich über die mögliche und nützliche Neigung der auch in (2) vorgeschlagenen Keilfläche Gedanken zu machen: In (4) werden im wesentlichen diagonal begrenzte Hourdis-Platten vorgeschlagen zum Zwecke einer möglichst weitgehenden Anpassung an divergierende Auflager für die Platten. Angewendet auf (2) ergibt sich demnach die Anregung, die dortigen mit sehr flachem Winkel ausgebildeten Keilflächen zu ersetzen durch Neigungen mit größerem Winkel, die etwa diagonal zum Grundrechteck einer Normalplatte verlaufen. Solche Überlegungen könnten den Fachmann dazu führen, den Plattenrand nach (2) wesentlich steiler anzuordnen, und die Halteleiste dann entsprechend breiter auszubilden. Es mag auch noch die Idee anklingen, die Platten selber aufzuteilen, ähnlich wie in (4), und dieselben dann allerdings ebenfalls wieder durch besondere Vorkehrungen miteinander zu verbinden ("embrèvements": Fig. 4, 5, 9, 10, 11, 14, 15, 16, 17, 18).
Was jedoch in keinem der genannten Dokumente (2) und (4) jedoch zum Ausdruck kommt, ist die mechanische Wirkung eines Keiles. In (2) wird zwar vorgeschlagen, die keilförmigen Halteleisten mittels eines Klebers am Dachsparren zu befestigen, so daß bis zum Aushärten desselben ein nachträgliches Verschieben der verbundenen Teile ermöglicht werde. Es ist deshalb festzustellen, daß der Fachmann hier verschiedentlich die einwandfreie Auflagerung der Dämmplatten sicherstellt, und daß er zwar die Verschieblichkeit der Keilform ausnutzt, jedoch die damit an sich implizierte mechanischen Wirkungen offenbar gar nicht wahrnimmt. Wenn es jedoch damals nicht nahelag, die damit zu erreichende verspannenden Effekte auch nur zu erwähnen, kann daraus auch nicht für die vorliegende Erfindung ein solches "Naheliegen" begründet werden.
6.3. Auch Dokument (1) kann keine darüber hinausgehende Anstöße vermitteln. Ganz im Gegenteil wird hier die lediglich lineare Verschiebung gezeigt, die durch die Keilform möglich wird, jedoch selbst ohne den Zusammenhang zwischen Längs- und Querverschiebung des Keils zu nutzen. Hier werden infolge der schräg zur Hauptfläche verlaufenden "Gegenflächen" unübliche Querschnittformen vorgeführt, die es zum vornhinein unwahrscheinlich machen, daß der Fachmann diese Vorschläge mit der Situation zwischen den Sparren ernsthaft in Beziehung bringen würde. Da sich diese Vorschläge überdies auf vertikal verlaufende Platten beziehen (Figuren 5 und 6) und sich in keiner Weise über die Lagerungsbedingungen aussprechen, sind auch keine Anregungen dazu ableitbar.
6.4. Insbesondere bestand deshalb für den Fachmann kein durch die entgegengehaltenen Dokumente angeregter Anlaß, die schon für die steifen Hartschaumplatten erforderlichen Auflagerbedingungen grundsätzlich zu verändern: Er hätte zwar die Form und Ausbildung der in (2) vorgeschlagenen Leisten modifiziert, also etwa durch einfache Winkel oder Coulissenprofile ersetzt. Er hätte aber keine Veranlassung, die bei den Hourdis nach (4) vorgeschlagenen Tragverhältnisse zu verschlechtern, da sein Material eher geringere Tragfähigkeit hat als jenes der Hourdis. Dort ist eine Scherverbindung zwischen den schrägen Kontaktflächen erforderlich, sofern dies in jenen Fällen nicht überflüssig ist, wo der Trennschnitt zu Formen führt, die noch eine ausreichende Auflagerung auf beiden Längsträgern sicherstellt, also dort, wo beide benachbarte Platten noch praktisch als einfache Balken auf beiden benachbarten Sparren aufliegen.
6.5. Die Erfindung wendet das altbekannte Prinzip des Keiles auf einem modernen Einsatzgebiet in überraschender Weise mit einem überraschenden Minimum an Aufwand an. In sämtlichen entgegengehaltenen Dokumenten, die den Keil erwähnen, wird derselbe lediglich in seiner geometrisch- kinematischen Bedeutung verwendet; nirgends jedoch wird dessen mechanisch-statische Bedeutung beachtet und ein so erreichbarer Kraftschluß erwähnt oder angesprochen. Es ist auch auffallend, daß die Dämmplatten in sämtlichen Entgegenhaltungen in üblicher Weise einwandfreie Abstützungskonstruktionen aufweisen. Die Kammer stellt daher fest, daß verschiedene auf die Keilgeometrie beschränkte Vorschläge zusammen mit einer üblichen Lagerung der Platten dargestellt werden. Sie kommt zum Schluß, daß in der Sicht der Fachwelt die Lagerung offenbar als selbstverständliche und notwendige Teilkonstruktion stillschweigend vorausgesetzt wurde. Da andererseits die im entgegengehaltenen Stand der Technik vorgeschlagenen Keile nur in ihrer geometrischen Eigenschaft zur Querverschiebung des Plattenrandes zur Anwendung kommen, gehen davon keine Impulse aus, die mechanisch-statischen Eigenschaften zu nutzen, und noch weniger, auf die Lagerungskonstruktion zu verzichten.
Platten nach Anspruch 1 stellen somit ein ganz anderes Tragsystem dar, als es nach den Entgegenhaltungen üblich war: es kann mit einer vorgespannten Konstruktion verglichen werden, die eine horizontale Vorspannkraft als Reibungslagerkraft einerseits und als Überdrückung einer komplett durchgehenden Fuge andererseits nutzt. (vgl. oben unter 4.).
Im übrigen darf festgehalten werden, daß es im Bauwesen - abgesehen von dem Erfindungsgegenstand fern liegenden Konstruktionen des Spannbetons - kaum bekannt ist, Bauteile nur durch Reibungskräfte zu lagern. Der Fachmann hatte also weder im entgegengehaltenen Stand der Technik noch in seinen praktischen Fachkenntnissen ein Vorbild, das ihm die erfundene Lösung hätte empfehlen können.
Die Kammer kommt daher zum Schluß, daß sich der Fachmann über ihm als notwendig erscheinende Regeln der Fachkunde hinweggesetzt hat, um zur Erfindung zu gelangen, und damit einen beachtlichen qualitativen Sprung über den vorbekannten Stand der Technik hinaus getan hat.
6.6. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gilt daher als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend und ist gemäß Artikel 52 (1) patentierbar.
7. Mit Anspruch 1 bleiben auch die abhängigen Ansprüche 2 bis 4 bestehen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird mit der Auflage an die erste Instanz zurückverwiesen, das europäische Patent auf der Grundlage des Antrags der Beschwerdeführerin (gemäß Ziffer IX. oben) aufrechtzuerhalten.