T 0495/91 (Oberflächenausrüstung/PEGULAN) 20-07-1993
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Verfahren und Vorrichtung zur kontinuierlichen Beschichtung von Kunststoff-Boden- belägen mit strukturierter Oberfläche
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (verneint)
Naheliegende Alternative
erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (bejaht)
Nicht mehr naheliegende Alternative wegen Verwendung bestimmter Vorrichtungselemente ohne Vorbild
Definition der Aufgabe
Inventive step - problem and solution
I. Auf die am 11. September 1985 eingegangene europäische Patentanmeldung 85 111 462.9 wurde das europäische Patent 0 174 643 mit sieben Ansprüchen erteilt. Die Ansprüche 1 und 3 lauteten:
"1. Verfahren zur kontinuierlichen Beschichtung von Kunststoff-Bodenbelägen mit strukturierter Oberfläche, insbesondere von strukturierten PVC-Bodenbelägen, mit einer Oberflächenausrüstung, dadurch gekennzeichnet, daß die Beschichtung der Oberfläche des Bodenbelages werksseitig anschließend an die Herstellung des Bodenbelages erfolgt, auf den Bodenbelag mittels einer Walze als wässrige Beschichtungsmittel Polymerdispersionen auf der Basis von Reinacrylaten in Verbindung mit einem Weichmacher aufgebracht werden oder als lösungsmittelhaltige Beschichtungsmittel Organosole auf der Basis von Acrylat oder Polyurethan aufgebracht werden, darauf eine Vergleichmäßigung des auf den Bodenbelag aufgetragenen Beschichtungsmittels durch Anblasen mittels eines Gasstromes erfolgt, anschließend die so aufgetragene vergleichmäßigte Beschichtung mittels Wärmestrahlung getrocknet, dabei gehärtet und fixiert wird, worauf der beschichtete Bodenbelag auf eine Vorratsrolle aufgerollt wird.
3. Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß sie besteht aus einer Wanne (2), die das Beschichtungsmittel (3) enthält, einer Walze (4), die aus der Wanne (2) das Beschichtungsmittel (3) aufnimmt, einer Auftragswalze (5), die von Walze (4) das Beschichtungsmittel (3) übernimmt und auf die Oberfläche des Bodenbelages (1) aufbringt, einer Umlenkwalze (6), die den Bodenbelag (1) gegen die Auftragswalze (5) andrückt, einer weiteren Umlenkwalze (8), über die der beschichtete Bodenbelag (7) geführt wird, einer Anblasvorrichtung (9), mittels derer die Oberfläche der Beschichtung auf dem Bodenbelag vergleichmäßigt wird, einer Heizeinrichtung (10), mittels derer die Beschichtung auf dem Bodenbelag getrocknet, gehärtet und fixiert wird und einer Aufrollwalze (11), auf die der beschichtete Bodenbelag aufgerollt wird."
II. In einem frist- und formgerecht gegen die Patenterteilung eingelegten Einspruch wurde der Widerruf des Patents beantragt, da dessen Gegenstand weder neu, noch erfinderisch sei. Im Laufe des Einspruchsverfahrens wurde der Einwand mangelnder Neuheit fallengelassen. Der Einspruch war auf eine Reihe von Druckschriften gestützt, von denen im Beschwerdeverfahren zuletzt nur noch die folgenden eine Rolle spielten:
(1) DD-A-0 152 376
(3) FR-A-2 251 446
(4) US-A-4 008 349.
III. Die Einspruchsabteilung hat den Einspruch durch die Entscheidung vom 25. April 1991, zur Post gegeben am 7. Juni 1991, zurückgewiesen und diese im wesentlichen wie folgt begründet:
Zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit sei von Dokument (4) auszugehen, das ein Verfahren zur Beschichtung strukturierter Bodenbeläge mit einer Oberflächenausrüstung aus Polyurethan unter Erhaltung der Oberflächenstruktur und mit einer Bahndurchlaufgeschwindigkeit von etwa 4,5 bis 6 Meter pro Minute beschreibe.
In Hinblick auf dieses Dokument sei die zu lösende Aufgabe in der Erhöhung der Durchlaufgeschwindigkeit und Erzielung einer auch bei größeren Bahnbreiten gleichmäßigeren und dünneren Oberflächenausrüstung zu sehen. Diese Aufgabe werde durch den Auftrag des Beschichtungsmaterials mittels einer Walze auf die Bodenbelagsbahn und die Vergleichmäßigung der Beschichtung durch Anblasen erreicht, wobei man, wie die Einspruchsabteilung im Wege der Auslegung des Begriffs Oberflächenausrüstung festgestellt hat, Schichtdicken von 1 bis 50 m erhalte.
Dieser Lösungsvorschlag werde durch Dokument (3) nicht nahegelegt, da dieses nicht die Oberflächenausrüstung eines strukturierten Bodenbelags durch Beschichtung beschreibe, sondern die Herstellung eines solchen Bodenbelags mit strukturierter Oberfläche. Zwar sei die in Dokument (3) beschriebene Kombination einer Auftragswalze mit einem Luftmesser als allgemein üblich anzusehen, da diese Druckschrift aber keine Aussagen zur möglichen Bahngeschwindigkeit mache, habe es für den Fachmann nicht nahegelegen, diese Beschichtungsweise zur Lösung der bestehenden Aufgabe heranzuziehen.
IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende) am 8. Juli 1991 unter gleichzeitiger Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde eingelegt und diese am 7. Oktober 1991 begründet. Sie hat schriftlich im wesentlichen ausgeführt, daß es nach Dokument (3) möglich sei, eine gleichmäßig dicke Oberflächenausrüstung auf einem transparenten, diskontinuierlichen und reliefartigen Plastisol aufzubringen. Bei der nach Dokument (3) aufgetragenen Schicht, obwohl als "couche d'usure" bezeichnet, handle es sich um die im Fabrikationsgang unter Erhaltung der Reliefstruktur zuletzt aufgetragene Schicht und daher gleichfalls um eine Oberflächenausrüstung. Der einzige Unterschied zwischen dem aus Dokument (3) bekannten und dem patentgemäßen Verfahren sei in der Verwendung eines anderen Beschichtungsmaterials als Oberflächenausrüstung zu sehen, eines Beschichtungsmaterials, das aber aus Dokument (4) bekannt gewesen sei. Der Austausch eines Materials gegen ein anderes mit bekannten Eigenschaften, könne aber erfinderische Tätigkeit nicht begründen. Zwar werde in Dokument (3) die Durchlaufgeschwindigkeit nicht genannt, doch handle es sich, wie auch beim Streitpatent, um normale Produktionsgeschwindigkeiten kommerzieller Anlagen von üblicherweise etwa 30 Meter pro Minute. Die patentgemäß gewünschten dünneren Beschichtungen könnten bei dieser Durchlaufgeschwindigkeit ohne weiteres durch einfache Verringerung der Auftragsmengen erzielt werden.
In der mündlichen Verhandlung, die am 20. Juli 1993 vor der Kammer stattfand, hat die Beschwerdeführerin vorgetragen, daß in Dokument (4) ein sehr ähnliches Problem wie im Streitpatent, nämlich die Ausrüstung eines Bodenbelags mit einer Glanzschicht, beschrieben werde. Die dort vorgeschlagene Methode zur Egalisierung der Beschichtung werde nach dem Streitpatent lediglich durch eine andere übliche Methode, nämlich die der Verwendung einer Luftrakel, ersetzt. Zwar habe die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) bestritten, daß das in der Entgegenhaltung als Beschichtungsmittel genannte Polyvinylchlorid den patentgemäßen Beschichtungsmitteln gleichgesetzt werden könne, dennoch verwende man in beiden Fällen Plastisole für die Beschichtung.
Nach Dokument (3) werde ein Bodenbelag mit strukturierter Oberfläche hergestellt, der mit einer einheitlichen und regelmäßigen Endschicht ausgerüstet sei, welche die Funktion einer Verschleißschicht habe. Die Egalisierung dieser dünnen Schicht werde durch den Einsatz eines Luftmessers erzielt (Seite 2, Zeilen 19 bis 20 und Seite 9, Zeilen 6 bis 16). Daher weise Dokument (3) dem Fachmann den Weg einer alternativen Oberflächenbeschichtung. Die Überwindung von eventuell bei der Übertragung der aus Dokument (3) bekannten Egalisierungstechnik auf das Verfahren nach Dokument (4) auftretenden Schwierigkeiten bei der Einstellung geeigneter Viskositäten gehöre zur Routinetätigkeit des Fachmanns und sei nicht erfinderisch. Im übrigen enthalte das Streitpatent keinen Hinweis auf solche Schwierigkeiten. Daß die Verwendung einer Luftrakel eine übliche Technik sei, zeige auch Dokument (1), wonach diese Methode bei der Beschichtung eines gerauhten oder geschmirgelten Schichtträgermaterials mit einer Polyurethanlösung unproblematisch sei (Seite 5, Zeilen 7 bis 12).
Die Beschwerdeführerin räumte ein, daß in Dokument (3) nicht deutlich angegeben sei, wie der Substanzauftrag erfolge. Sie trug aber, unter Verweis auf das Dokument
(9) A. M. WITTFOHT, Kunststofftechnisches Wörterbuch, Bd. 4, 1962, Abbildung "Beschichten 3e"
vor, der Fachmann wisse, auf Grund des ihm zuzurechnenden allgemeinen Fachwissens, daß die Beschichtung auch mittels einer Tauchwalze erfolgen könne. Demnach sei die Verwendung einer Tauchwalze in Kombination mit einer Luftrakel zur Erzeugung einer egalisierten Deckschicht auf einem Bodenbelag mit strukturierter Oberfläche unter Erhaltung der Reliefstruktur aus Dokument (3) bekannt, wobei der Luftrakel des Dokuments (3) dieselbe Funktion zukomme wie der Anblasvorrichtung des Streitpatents.
V. Die Beschwerdegegnerin erwiderte, daß sich die in den Dokumenten (3) und (4) beschriebenen Beschichtungsmaterialien hinsichtlich ihrer Viskosität wesentlich unterschieden und nicht miteinander vergleichbar seien. Sie bestritt weiters, daß gleichmäßig dünne Beschichtungen nach der in Dokument (3) beschriebenen Vorhangbeschichtung durch bloße Verringerung der aufgetragenen Plastisolmenge hergestellt werden könnten; sie räumte aber ein, daß das in Dokument (9) beschriebene Verfahren mittels einer Tauchwalze und Luftbürste zum allgemeinen Fachwissen gehöre und daher das in Dokument (3) lückenhaft beschriebene alternative Beschichtungsverfahren vom Fachmann in diesem Sinne verstanden werde. Schichtdickeschwankungen von einigen m könnten zwar bei den in (3) angestrebten Schichtdicken von 200 m toleriert werden, nicht aber bei den patentgemäßen Schichtdicken von nur bis zu 50 m, da sie dort zu unbrauchbaren Produkten führten. Daher lege auch eine Kombination der Dokumente (3) und (4) die Lehre des Streitpatents nicht nahe.
Die Beschwerdegegnerin bestritt des weiteren, daß die Luftrakel des Dokuments (3) und die patentgemäße Anblasvorrichtung die gleiche Funktion hätten. Während nach dem Verfahren des Dokuments (3) mittels der Luftrakel sowohl die Schichtdicke durch Abstreifen überschüssigen Beschichtungsmaterials eingestellt als auch eine Vergleichmäßigung des Reliefüberzugs (unter Strukturerhaltung) erreicht werde, bewirke die Anblasvorrichtung lediglich die Schichtegalisierung, da nach dem Streitpatent die Schichtdicke bereits durch den Auftrag des Beschichtungsmaterials geeigneter Viskosität mittels der Tauchwalze festgelegt werde.
VI. Die Beschwerdegegnerin reichte in der mündlichen Verhandlung zwei neue Sätze von jeweils sieben Ansprüchen sowie eine entsprechend angepaßte Beschreibung und Zeichnung ein. Der neue Anspruch 1 des ersten Anspruchssatzes (Hauptantrag) unterscheidet sich vom erteilten Anspruch 1 durch die Einfügung von "von 1 - 50 m Dicke" nach "Oberflächenausrüstung". Der neue Anspruch 1 des zweiten Anspruchssatzes (Hilfsantrag) unterscheidet sich von diesem neuen Anspruch 1 des ersten Anspruchssatzes durch die zusätzliche Änderung von "mittels einer Walze" in "mittels eines Walzensystems gemäß Anspruch 3"; die Ansprüche 2 bis 7 nach Haupt- und Hilfsantrag sind unverändert.
VII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 174 643.
Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß das Patent mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen - 7 Patentansprüche, Beschreibung und 1 Blatt Zeichnung - aufrechterhalten wird; hilfsweise, daß das Patent mit den als Hilfsantrag bezeichneten Unterlagen - 7 Patentansprüche, Beschreibung und 1 Blatt Zeichnung - aufrecht erhalten wird. Die Beschwerdeführerin hat zu diesem Hilfsantrag sachlich nicht Stellung genommen.
Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete der Vorsitzende die Entscheidung der Kammer, dem Hilfsantrag der Beschwerdegegnerin stattzugeben.
1. Die Beschwerde entspricht den Erfordernissen der Artikel 106 bis 108 EPÜ sowie der Regel 64 EPÜ; sie ist daher zulässig.
2. Änderungen
2.1. Anspruch 1 des Hauptantrags unterscheidet sich vom erteilten Anspruch 1 lediglich durch Spezifizierung der Schichtdicke der Oberflächenausrüstung. Diese Schichtdicke findet sich in Spalte 2, Zeilen 56 bis 58 des erteilten Patents (Seite 3, Zeilen 3 bis 5 der ursprünglich eingereichten Unterlagen). Die weitere Änderung im Anspruch 1 des Hilfsantrags besteht im Ersatz der als Auftragsmittel genannten Walze durch das im Anspruch 3 des Hilfsantrags definierte Walzensystem; dieser Anspruch 3 ist identisch mit dem erteilten Anspruch 3, der sich seinerseits vom ursprünglich eingereichten Anspruch 8 nur durch eine redaktionelle Änderung unterscheidet. Die Änderungen in den jeweiligen Beschreibungen sind erforderliche Anpassungen an die entsprechenden Anspruchssätze. Die vorgenommenen Änderungen sowohl des Haupt- als auch des Hilfsantrags entsprechen daher den Bestimmungen nach Artikel 123 EPÜ.
2.2. Diese Änderungen sind auch erforderlich. Hierzu ist anzumerken, daß die Kammer die Auslegung des Worts "Oberflächenausrüstung" im Anspruch 1 durch die Vorinstanz im Sinne der jetzt in den jeweiligen Anspruch 1 numerisch eingefügten Schichtdicke nicht billigt. Die Beschwerdegegnerin hat in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer selbst eingeräumt, daß auch das Aufbringen der in Dokument (3) beschriebenen Verschleißschicht vom Fachmann als Oberflächenausrüstung des Bodenbelags angesehen wird.
3. Neuheit
Der Gegenstand des Anspruchs 1, in der Fassung des Hauptantrags und des Hilfsantrags, ist in keiner Entgegenhaltung vorbeschrieben und daher neu. Dies erfordert, da unbestritten, keine weitere Begründung. Gleiches gilt für den Gegenstand des Anspruchs 3.
4. Technische Aufgabe und Lösung
4.1. Die Einspruchsabteilung ist zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht von der im Streitpatent genannten, sondern von einer geänderten Aufgabe ausgegangen, die sie in der Bereitstellung eines Beschichtungsverfahrens mit einer gegenüber Dokument (4) erhöhten Bahndurchlaufgeschwindigkeit gesehen hat. Sie hat keine Gründe dafür angegeben, warum die im Streitpatent ausdrücklich beschriebene Aufgabe nicht als die objektiv gelöste Aufgabe anzusehen sei.
4.2. Nach Regel 27 c) EPÜ ist eine Erfindung so zu beschreiben, daß danach die technische Aufgabe und deren Lösung verstanden werden kann. Aufgabe und Lösung sind somit Bestandteile jeder technischen Erfindung. Aufbauend auf diesem Erfordernis hat sich die Rechtsprechung (vgl. z. B. T 1/80, ABl. EPA 1981, 206) entwickelt, daß die Aufgabe gegenüber dem nächsten Stand der Technik objektiv, d. h. unter Berücksichtigung des demgegenüber erreichten technischen Erfolgs ermittelt werden soll. Wie sich aus Regel 27 c) ergibt, ist dabei regelmäßig von der im Streitpatent formulierten Aufgabe auszugehen. Erst wenn die Prüfung ergibt, daß dort von einem unzutreffenden Stand der Technik ausgegangen wurde oder daß die dort dargestellte Aufgabe nicht gelöst ist, muß untersucht werden, welche andere Aufgabe objektiv bestand. Hierbei soll vermieden werden, künstliche und technisch unrealistische Aufgaben zu definieren.
4.3. Nach dem Streitpatent, das ein Verfahren und eine Vorrichtung zur kontinuierlichen Beschichtung von Kunststoff-Bodenbelägen mit strukturierter Oberfläche betrifft (Spalte 1, Zeilen 1 bis 4), war die Aufgabe zu lösen, "... ein Verfahren und eine Vorrichtung ... zu schaffen, mit denen es auf einfache und kostengünstige Weise möglich ist, einen Bodenbelag herzustellen, der bereits fachgerecht mit einer gleichmäßigen Antischmutzausrüstung an der Oberfläche versehen ist ..." (vgl. Spalte 2, Zeilen 9 bis 15 des Streitpatents), "... wobei eine gute Haftung zwischen Bodenbelag und Beschichtung erreicht wird" und "... auch die tieferliegenden Bereiche der Strukturierung mit dem Beschichtungsmittel versehen werden" (Spalte 4, Zeilen 33 bis 38).
Aus Entgegenhaltung (4) ist bereits ein Verfahren bekannt, nach dem Bodenbeläge mit reliefartiger Oberfläche mit einer Oberflächenausrüstung versehen werden, die 0,001 bis 0,005 inch (ca. 25 bis 125 m), vorzugsweise etwa 0,002 inch (ca. 50 m) dick ist (Spalte 3, Zeilen 15 bis 18). Wie auch von der Beschwerdegegnerin eingeräumt wurde, hat diese Oberflächenausrüstung, infolge der Verwendung gleichartiger Beschichtungsmaterialien (Polyurethan, das als Organosol aufgebracht werden kann; Spalte 3, Zeilen 34 bis 38), ebenso eine Antischmutzwirkung wie die patentgemäße Oberflächenausrüstung. Die Kammer geht daher, wie auch die Einspruchsabteilung, zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit von dem in Dokument (4) beschriebenen Stand der Technik aus, da dieser eine technische Aufgabe betrifft, die der des Streitpatents jedenfalls sehr nahe kommt.
4.4. Nach dieser Entgegenhaltung wird das flüssige Beschichtungsmaterial auf die Oberseite einer durchhängenden Bodenbelagsbahn mittels eines oder mehrerer Zufuhrrohre in einer Menge aufgebracht, die eine gleichmäßige Verteilung des Beschichtungsmittels über die gesamte Bahnbreite sicherstellt (Spalte 2, Zeilen 44 bis 58). Die Bahn wird dann nahezu senkrecht hochgezogen bis überschüssiges Beschichtungsmaterial abgelaufen ist und kann anschließend durch einen Trockenofen geführt werden (Spalte 2, Zeilen 59 bis 68). Etwa 15 bis 25 feet per minute (etwa 4,5 bis 7,5 m/min) werden als bevorzugte Durchlaufgeschwindigkeiten offenbart, die aber durch Anpassung der Verfahrensparameter geändert werden können (Spalte 2, Zeilen 44 - 47). Da die Lehre des Dokuments (4) also keine Beschränkung auf ein Beschichtungsverfahren mit (den bevorzugten) Bahndurchlaufgeschwindigkeiten von etwa 4,5 bis 7,5 m/min enthält, kann die zu lösende Aufgabe nicht - wie die Vorinstanz angenommen hat - in der Bereitstellung eines Verfahrens mit einer gegenüber Dokument (4) erhöhten Bahndurchlaufgeschwindigkeit gesehen werden. Die Feststellung der Einspruchsabteilung, es sei glaubhaft, daß mit dem patentgemäßen Verfahren bei großen Bahnbreiten eine gleichmäßigere und dünnere Beschichtung als mit dem Verfahren nach der Entgegenhaltung (4) möglich sei, beruht offensichtlich nur auf einer entsprechenden, erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung aufgestellten Behauptung der Beschwerdegegnerin (vgl. das am 7. Juli 1991 zur Post gegebene Protokoll, Seite 2, Punkt 4, Zeilen 11 bis 17). Einen solchen Effekt hätte die Einspruchsabteilung aber nur dann bei der Definition der zu lösenden Aufgabe berücksichtigen dürfen, wenn er durch geeignete Beweismittel gestützt gewesen wäre.
4.5. Daraus folgt aber auch, daß die in der Patentschrift genannte Aufgabe bereits gelöst wurde und die objektiv zu lösende Aufgabe in der Schaffung eines alternativen Verfahrens und einer Vorrichtung besteht, die es auf einfache und kostengünstige Weise ermöglichen, einen Bodenbelag herzustellen, der bereits fachgerecht mit einer gleichmäßigen Antischmutzausrüstung an der Oberfläche versehen ist, wobei eine gute Haftung zwischen Bodenbelag und Beschichtung erreicht wird und auch die tieferliegenden Bereiche der Strukturierung mit dem Beschichtungsmittel versehen werden.
Im Hinblick auf das Beispiel der Patentschrift ist glaubhaft, daß diese Aufgabe durch den Gegenstand der jeweiligen Ansprüche des Haupt- und des Hilfsantrags gelöst wird.
5. Erfinderische Tätigkeit
Es bleibt zu entscheiden, ob der Vorschlag, die bestehende technische Aufgabe mit den technischen Mitteln zu lösen, die in den jeweiligen Ansprüchen 1 der Anträge angegeben werden, auf erfinderischer Tätigkeit beruht.
Hauptantrag
5.1. Die Beschwerdegegnerin hat geltend gemacht, daß die aus Dokument (4) bekannte Oberflächenausrüstung eines Bodenbelags mit einer sehr dünnen schmutzabstoßenden Schicht nicht mit Hilfe des aus Entgegenhaltung (3) bekannten Beschichtungsverfahrens erfolgen könne, da dieses nur für um eine Größenordnung dickere Schichten geeignet sei. Die patentgemäßen dünnen Schichten könne man nach Dokument (3) nicht in gleichmäßiger Form erhalten, vielmehr habe der Fachmann erwarten müssen, daß so beschichtete Bodenbelagsbahnen, neben unregelmäßig beschichteten Arealen, auch völlig unbeschichtete Zonen aufweisen würden. Die nach Dokument (3) vorgesehene Luftrakel, die dort der Festlegung der Menge des aufgetragenen Beschichtungsmaterials und damit der Schichtdicke diene, könne diesen Mangel ebensowenig beheben wie eine Änderung der Viskosität des Beschichtungsmaterials.
5.1.1. Dies mag für eine Vorhangbeschichtung zutreffen wie sie in Dokument (3) auf Seite 2, Zeile 21 ausdrücklich beschrieben wird. Darüberhinaus ist aber in dieser Entgegenhaltung davon die Rede, daß die "couche d'usure" genannte Schicht, die die Kammer als Verschleißschicht interpretiert, durch Aufbringen einer gleichmäßigen und dünnen, geschlossenen Plastisolschicht mit Hilfe eines Luftmessers hergestellt werden kann (Seite 2, Zeilen 15 bis 16 und 19 bis 20). Es ist unbestritten (vgl. Punkt V, oben), daß der Fachmann darunter einen Schichtauftrag mittels einer Tauchwalze versteht, die, wie die Abbildung 3e in Dokument (9) zeigt, in Kombination mit einer Luftrakel (dort Luftbürste genannt) zum Einsatz kommt. Eine solche Auftragsweise unterscheidet sich aber von jener des vorliegenden Anspruchs 1 lediglich durch die erreichte Schichtdicke. Diese kann jedoch, wie die Beschwerdeführerin glaubhaft vortrug, weitestgehend frei variiert werden, wobei gegebenenfalls eine routinemäßige Anpassung der Viskosität vorgenommen werden muß. Auch die Beschwerdegegnerin hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, daß die Schichtdicke in dem Verfahren nach Anspruch 1 durch Einstellung einer geeigneten Viskosität festgelegt wird. In der Tatsache, daß das Streitpatent keine näheren Angaben zur Viskositätseinstellung enthält, sieht die Kammer eine Bestätigung, daß der Fachmann solcher Informationen nicht bedurfte, um das gewünschte Ergebnis zu erreichen, sondern geeignete Viskositäten routinemäßig ermitteln konnte. Aus dem gleichen Grund geht das Argument der Beschwerdegegnerin fehl, der Fachmann hätte die Lehren der Druckschriften (3) und (4), wegen der Viskositätsunterschiede der jeweils benutzten Beschichtungsmittel, nicht kombiniert.
5.1.2. Auch das Argument der Beschwerdegegnerin, gerade durch die Verwendung der anspruchsgemäßen wässrigen Polymerdispersionen werde die erforderliche Viskosität des Beschichtungsmaterials sichergestellt, überzeugt nicht, da Anspruch 1 nicht auf solche Dispersionen beschränkt ist, sondern auch die Verwendung lösungsmittelhaltiger Organosole auf der Basis von Acrylat oder Polyurethan umfaßt. Die Herstellung dünner Schichten aus Polyurethanlösungen mit einer Untergrenze der Schichtdicke von 50 m unter Verwendung einer Luftrakel wird, wie die Beschwerdegegnerin eingeräumt hat, auch in Dokument (1) beschrieben (Seite 5, Zeilen 7 bis 12 in Verbindung mit Patentanspruch 1). Zwar betrifft diese Entgegenhaltung die Herstellung von Kunstleder, sie zeigt aber, daß bei der Anwendung einer Luftrakel beim Auftrag von Polyurethanlösungen keine besonderen Probleme auftreten, sondern daß dies eine übliche Technik zur Erzeugung dünner Beschichtungen ist.
5.1.3. Das werksseitige Aufbringen der Antischmutzbeschichtung anschließend an die Herstellung des Bodenbelags ist von der Beschwerdegegnerin nicht als eigenes erfinderisches Merkmal herausgestellt worden. Die Kammer läßt diese offensichtlich durch ökonomische Gründe diktierte Maßnahme gleichfalls bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit außer Betracht.
5.1.4. Schließlich kann die Kammer auch keinen grundsätzlichen Unterschied in der Funktion der Luftrakel nach Dokument (3) und der patentgemäßen Anblasvorrichtung erkennen. In beiden Fällen bewirken diese Vorrichtungen, daß das Beschichtungsmaterial die Vertiefungen der strukturierten Oberfläche ebenso gleichmäßig überzieht, wie die erhabenen Partien. Selbst wenn das Luftmesser der Entgegenhaltung (3) darüber hinaus noch die Menge des aufgetragenen Beschichtungsmittels und damit die Schichtdicke steuert wie die Beschwerdegegnerin angenommen hat, was aber dieser Druckschrift nicht unmittelbar zu entnehmen ist, haben diese Vorrichtungen in beiden Fällen den Zweck, eine Vergleichmäßigung der Beschichtung zu erreichen.
5.1.5. Es folgt, daß sich das Verfahren des Anspruchs 1 in naheliegender Weise aus der Übertragung eines aus Dokument (3) - unter Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissens des Fachmanns - bekannten Beschichtungsverfahrens auf die Herstellung der aus Dokument (4) bekannten, mit einer Oberflächenausrüstung versehenen Bodenbeläge ergibt.
Daher kann dem Hauptantrag der Beschwerdegegnerin, mangels erfinderischer Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1, nicht stattgegeben werden.
Hilfsantrag
5.2. Nach dem Verfahren des Anspruchs 1 wird zum Auftrag des Beschichtungsmittels das in Anspruch 3 definierte Walzensystem mit vier Walzen verwendet. Dabei legt der Abstand zwischen der Tauchwalze (4) und der Auftragswalze (5), die Menge des aufzutragenden Beschichtungsmittels und damit die Schichtdicke fest. Die Verwendung eines solchen Walzensystems zur Beschichtung von Bodenbelägen ist in keiner der Entgegenhaltungen beschrieben oder auch nur angedeutet. Die Beschwerdeführerin hat sich trotz Befragen durch die Kammer jeder Stellungnahme zum Hilfsantrag enthalten. Auch die Kammer verfügt über kein diesbezügliches eigenes Fachwissen.
Die Kammer kommt daher zu dem Ergebnis, daß der angezogene Stand der Technik dem Fachman keine Anregung zur Lösung der bestehenden Aufgabe bot, und daß der Gegenstand des Anspruchs 1 auf erfinderischer Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ beruht. Der von Anspruch 1 abhängige Anspruch 2 betrifft eine besondere Ausführungsform des Verfahrens nach Anspruch 1 und wird von dessen Patentfähigkeit getragen.
5.3. Anspruch 3 betrifft eine Vorrichtung, die zur Durchührung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 oder 2 spezifisch ausgestaltet und hierfür unabdingbar ist. Mangels entgegenstehenden Materials haben auch dieser Anspruch und die darauf rückbezogenen Ansprüche 4 bis 7 Bestand.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Vorinstanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent mit 7 Patentansprüchen, Beschreibung und einem Blatt Zeichnung gemäß Hilfsantrag aufrechtzuerhalten.