T 1158/01 (Teilung einer Teilanmeldung/TRIDONIC) 13-07-2004
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Zulässigkeit einer Teilanmeldung zu einer Teilanmeldung (grundsätzlich bejaht)
Gültigkeit der Teilanmeldung zweiter Generation (verneint)
Vertrauensschutz (verneint)
Sachverhalt und Anträge
I. Die vorliegende europäische Patentanmeldung Nr. 99 126 075.3 (Veröffentlichungsnummer 0 989 787) wurde als Teilanmeldung (im folgenden "Teilanmeldung zweiter Generation") der europäischen Patentanmeldung Nr. 95 114 340.3 eingereicht, die ihrerseits als Teilanmeldung (im folgenden "Teilanmeldung erster Generation") der europäischen Patentanmeldung Nr. 91 121 150.6 (im folgenden "Stammanmeldung") eingereicht wurde.
Nach Einreichung der Teilanmeldung zweiter Generation wurde die Teilanmeldung erster Generation zurückgenommen. Das auf die Stammanmeldung erteilte Patent wurde im Einspruchsverfahren widerrufen; die Widerrufsentscheidung wurde von dieser Kammer in der Entscheidung T 1086/00 bestätigt.
II. Die vorliegende Teilanmeldung zweiter Generation wurde von der Prüfungsabteilung mit der Begründung zurückgewiesen, ihrem Gegenstand fehle die gemäß Artikel 56 EPÜ erforderliche erfinderische Tätigkeit.
III. Gegen diese Zurückweisung hat die Beschwerdeführerin (Anmelderin) Beschwerde eingelegt und in ihrer Beschwerdeschrift dargelegt, warum der beanspruchte Gegenstand entgegen der Auffassung der Prüfungsabteilung patentfähig sei.
IV. In einer als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung ergangenen Mitteilung gemäß Artikel 11 Absatz 1 der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern teilte die Kammer der Beschwerdeführerin insbesondere mit, daß sie sich darauf vorbereiten solle, zu den folgenden Punkten Stellung zu nehmen, die die Kammer beabsichtige von Amts wegen in das Verfahren einzuführen.
Nach vorläufiger Auffassung der Kammer könne der vorliegenden Teilanmeldung zweiter Generation der Anmeldetag der Stammanmeldung nur dann zuerkannt werden, wenn die Teilanmeldung erster Generation selbst, aus der sie geteilt worden sei, gegenüber der Stammanmeldung das Erfordernis des Artikels 76 (1) EPÜ erfülle und somit eine gültige Teilanmeldung sei.
Dies erscheine jedoch insbesondere deswegen fraglich, weil im Gegensatz zur Stammanmeldung die am 12. September 1995 eingereichte Anmeldung erster Generation ein Verfahren und eine Schaltungsanordnung zur Steuerung der Helligkeit und des Betriebsverhaltens von Gasentladungslampen beanspruche, die eine Regelung bzw. Regeleinrichtung nicht mehr zwingend mitumfasse; vgl. insbesondere die in den einzigen unabhängigen Ansprüchen 1 und 2 verwendeten Begriffe "Steuer- und/oder Regeleinrichtung" bzw. "Steuerung und/oder Regelung", die die Begriffe "Steuer- und Regeleinrichtung" bzw. "Steuerung und Regelung" in den Anmeldungsunterlagen zur Stammanmeldung ersetzen. Eine reine Steuerung ohne Helligkeitsregelung scheine mit der Lehre der Stammanmeldung nicht vereinbar zu sein.
Nachdem die am 12. September 1995 eingereichte Teilanmeldung erster Generation somit das Erfordernis des Artikels 76 (1) EPÜ nicht erfülle, könne sie nach vorläufiger Auffassung der Kammer keine Grundlage für eine gültige Teilanmeldung zweiter Generation bilden.
V. Es wurde am 13. Juli 2004 mündlich verhandelt.
Die Beschwerdeführerin beantragte, die Zurückweisungsentscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag bzw. Hilfsantrag I oder II eingereicht mit Schreiben vom 29. Juni 2004 zu erteilen. Der genaue Wortlaut des Anspruchs 1 ist für die vorliegende Entscheidung nicht von Bedeutung.
Weiter beantragte die Beschwerdeführerin hilfsweise, der Großen Beschwerdekammer folgende Rechtsfrage vorzulegen:
"1. Darf bei der Prüfung einer europäischen Teilanmeldung zweiter Generation, d. h. einer Teilanmeldung, die ihrerseits aus einer Teilanmeldung entstanden ist, überprüft werden, ob die Teilanmeldung erster Generation gegenüber der Stammanmeldung nicht im Sinne von Artikel 76 (1) hinausgeht?
2. Falls ja, welche Konsequenz hat es, wenn die Teilanmeldung erster Generation über den Inhalt der Stammanmeldung der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht?"
VI. Die Argumente der Beschwerdeführerin zur Frage der Prüfung der Gültigkeit der Teilanmeldung erster Generation in Hinblick auf die Erfordernisse des Artikels 76 EPÜ und zur Frage der Konsequenz des Ergebnisses dieser Prüfung für den Status der vorliegenden Teilanmeldung zweiter Generation können wie folgt zusammengefaßt werden:
Bei der Prüfung von Artikel 76 (1) EPÜ sei einzig und allein ein Vergleich der vorliegenden Teilanmeldung, hier der Teilanmeldung zweiter Generation, mit dem Offenbarungsgehalt der Stammanmeldung, hier der Nr. 91 121 150.6 zulässig. Dementsprechend habe auch die Beschwerdekammer zutreffend allein die Anmeldung Nr. 91 121 150.6 als "Stammanmeldung" bezeichnet.
Artikel 76 (1) EPÜ regele, daß der Gegenstand einer Teilanmeldung nicht über den Gegenstand derjenigen Anmeldung hinausgehen dürfe, deren Anmeldetag und Priorität beansprucht werde. Im vorliegenden Fall würden in der Teilanmeldung der Anmeldetag und die Priorität der Stammanmeldung Nr. 91 121 150.6 beansprucht, so daß allein diese Stammanmeldung Vergleichsgrundlage für die Prüfung gemäß Artikel 76 (1) EPÜ sein könne.
Dagegen werde der Anmeldetag der Teilanmeldung erster Generation nicht beansprucht.
Bei einer Prüfung gemäß Artikel 76 (1) EPÜ sei es somit einerseits unzulässig, das Verhältnis früherer Anmeldungen zur Stammanmeldung zu prüfen.
Andererseits sei es auch unzulässig, den Gegenstand der vorliegenden Teilanmeldung zweiter Generation mit dem der Teilanmeldung erster Generation zu vergleichen. Die Teilanmeldung erster Generation sei lediglich im Rahmen der Anwendung der Regel 25 EPÜ zu berücksichtigen, nämlich zur Bestimmung, ob die Teilanmeldung zweiter Generation rechtzeitig - d. h. solange die Teilanmeldung erster Generation noch anhängig war - eingereicht worden sei. Wenn diese rein administrative Bedingung erfüllt sei, gebe es keinen Grund, dem Anmelder die ihm von der Institution der Teilanmeldung grundsätzlich eröffnete Möglichkeit zu verwehren, die Prüfung eines Teils der in der Stammanmeldung ursprünglich offenbarten Erfindung in einem gesonderten Verfahren fortzusetzen.
Zutreffend führten die einschlägigen Entscheidungen der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts und die einschlägigen Kommentare zum EPÜ aus, daß die Prüfung gemäß Artikel 76 (1) EPÜ analog zu Artikel 123 (2) EPÜ zu erfolgen habe. Sinngehalt des Artikels 123 (2) EPÜ sei es indessen, daß in einer Anmeldung nur dem der Anmeldetag oder die Priorität zugesprochen werden könne, was ursprünglich offenbart sei. Auch hier gelte also der Grundsatz des Vergleichs der zu prüfenden Ansprüche und sonstigen Beschreibungsunterlagen mit den den Anmeldetag begründenden Unterlagen. In diesem Zusammenhang werde auch auf die Kommentierung in Benkard, Europäisches Patentübereinkommen, 2002, Randnummer 73 zu Artikel 123 EPÜ verwiesen.
Ebenso entspreche dem Sinngehalt des Artikels 76 (1) EPÜ ein Vergleich der zu prüfenden Unterlagen (hier: Unterlagen mit zur Zeit anhängigen Ansprüchen der vorliegenden Teilanmeldung zweiter Generation) mit den den Anmeldetag begründenden und die Priorität genießenden Unterlagen (hier: Unterlagen der Stammanmeldung).
Im übrigen sei im vorliegenden Verfahren ein Vergleich der Unterlagen der Teilanmeldung erster Generation mit der Stammanmeldung unter dem Gesichtspunkt des Artikels 76 (1) EPÜ allein schon deshalb unzulässig, weil die Beschwerdeführerin diesbezüglich einen Vertrauensschutz gemäß Artikel 125 EPÜ genieße. Zuständig für die Prüfung gemäß Artikel 76 (1) EPÜ bzgl. der Teilanmeldung erster Generation sei die Prüfungsabteilung des Europäischen Patentamts gewesen. Diese habe niemals einen Einwand gemäß Artikel 76 (1) EPÜ vorgebracht, vielmehr allein Einwände bezüglich der Neuheit und der Erfindungshöhe angeführt. Die Beschwerdeführerin habe also darauf vertrauen dürfen, daß der Teilanmeldung erster Generation auf jeden Fall der Anmeldetag und die Priorität der Stammanmeldung zukämen.
Eine analoge Entscheidung bezüglich der Zuerkennung des Anmeldetags sei bereits unter dem Aktenzeichen J 18/96, ABl. EPA 1998, 403, ergangen.
Die Prüfungsabteilung und die nun befaßte Beschwerdekammer seien verfahrensrechtlich auf die vorliegende europäische Patentanmeldung beschränkt. Es könne nicht angehen, daß im Zuge der zulässigen Prüfung der vorliegenden Anmeldung "en passant" der Anmeldetag der Teilanmeldung erster Generation mitbeurteilt würde.
Insofern würde die verfahrensrechtliche Stellung der Beschwerdeführerin in unzulässiger Weise verschlechtert werden, wenn eine Teilanmeldung zu einer Teilanmeldung eingereicht werde.
Im vorliegenden Fall sei die Teilanmeldung erster Generation auch nicht mehr anhängig. Falls sie aber noch anhängig wäre, könnte die Beschwerdeführerin eine evtl. bestehende Problematik gemäß Artikel 76 (1) EPÜ durch entsprechende Änderung ausräumen. Es könne indessen nicht angehen, daß im vorliegenden Fall die Beschwerdeführerin nur deswegen benachteiligt werde, weil die Teilanmeldung erster Generation zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in der vorliegenden Anmeldung (3 Jahre nach Einlegen der Beschwerde) nicht mehr anhängig sei.
Im übrigen fordere auch die Entscheidung T 555/00 vom 11. März 2003 nicht den Vergleich der Teilanmeldung erster Generation mit der Stammanmeldung. Die angeführte Entscheidung fordere alleine (vgl. Leitsatz 2) einen Vergleich der zu untersuchenden Teilanmeldung zweiter Generation mit der Stammanmeldung sowie einen Vergleich der zu untersuchenden Teilanmeldung zweiter Generation mit der Teilanmeldung erster Generation. Zwar sei auf Seite 13 und 14 der englischsprachigen Begründung (Punkt 1.5) ausgeführt, daß nicht nur die zu untersuchende Teilanmeldung zweiter Generation, sondern auch die Teilanmeldung erster Generation den Erfordernissen des Artikels 76 (1) EPÜ Genüge leisten müsse. Diese Auffassung sei falsch und in der angeführten Entscheidung sei auch nichts über die Konsequenz ausgesagt, falls die Teilanmeldung erster Generation gegenüber der Stammanmeldung erweitert worden sei.
Richtigerweise könne die Konsequenz nur sein, daß die Teilanmeldung zweiter Generation auch bei Vorliegen einer Teilanmeldung erster Generation dann als Teilanmeldung im Sinne von Artikel 76 (1) EPÜ behandelt werden müsse, wenn diese Teilanmeldung zweiter Generation sowohl gegenüber der Stammanmeldung als auch gegenüber der Teilanmeldung erster Generation nicht erweitert sei.
In Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der hier aufgeworfenen Fragen sei der Antrag, diese der Großen Beschwerdekammer vorzulegen, gerechtfertigt.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Untersuchung von Amts wegen
Die Prüfungsabteilung hat die vorliegende Anmeldung wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit ihres Gegenstandes zurückgewiesen, ohne sich jemals zu ihrer grundsätzlichen Zulässigkeit als Teilanmeldung zweiter Generation zu äußern.
In Hinblick auf ihre Bedeutung, insbesondere auch für die Zuerkennung des eigentlichen Anmeldetags dieser Teilanmeldung wird diese Frage von der Kammer von Amts wegen untersucht. Die Befugnis der Beschwerdekammer, im ex-parte-Verfahren zu prüfen, ob eine Anmeldung auch Erfordernissen des EPÜ genügt, die von der Prüfungsabteilung nicht untersucht wurden, ergibt sich aus der Entscheidung G 10/93, ABl. EPA 1995, 172, der Großen Beschwerdekammer und wurde von der Beschwerdeführerin auch nicht bestritten.
3. Teilanmeldungen zu Teilanmeldungen
3.1 Grundsätzliche Zulässigkeit
In ihrer Entscheidung T 904/97 vom 21. Oktober 1999 hatte diese Kammer (in anderer Besetzung) insbesondere in Hinblick auf die Materialien (Travaux préparatoires) zum EPÜ Zweifel an der Zulässigkeit von Teilanmeldungen zu Teilanmeldungen geäußert, diese Frage jedoch nicht abschließend entschieden (vgl. Punkt 2 der Entscheidungsgründe).
In der am 29. November 2000 von einer Diplomatischen Konferenz verabschiedeten, noch nicht in Kraft getretenen revidierten Fassung des EPÜ 2000 wurde der französische Text des Artikels 76 EPÜ dahingehend geändert, daß der Begriff "demande initiale" (anfängliche Anmeldung) zur Anpassung an die Fassungen auf Deutsch und Englisch durch "demande antérieure" (frühere Anmeldung) ersetzt wurde. Diese Änderung wurde in den Erläuterungen zum Basisvorschlag für die Revision des EPÜ ausdrücklich damit begründet, daß klargestellt werden sollte, daß das Übereinkommen auch eine Teilanmeldung auf der Grundlage einer früheren Teilanmeldung gestattet, was sich aus dem Hinweis lediglich auf die anfängliche Anmeldung offenbar nicht eindeutig ergab (vgl. Dok. MR/2/00 d, Seite 65). Aus dieser Änderung kann geschlossen werden, daß die Vertragsstaaten nunmehr die Möglichkeit von Teilanmeldungen zu Teilanmeldungen akzeptiert haben.
Ferner hat die Technische Beschwerdekammer 3.2.5 in ihrer Entscheidung T 555/00 vom 11. März 2003 aus der Tatsache, daß Artikel 76 EPÜ nicht ausschließe, daß die frühere Anmeldung selbst eine europäische Teilanmeldung sei, den Schluß hergeleitet, daß eine Teilanmeldung, die zu einer früheren Teilanmeldung eingereicht werde, als solche nicht gegen die Vorschriften des Artikels 76 EPÜ verstoße (vgl. Punkt 1.2 der Entscheidungsgründe).
Nachdem somit die grundsätzliche Zulässigkeit von Teilanmeldungen zu Teilanmeldungen bereits von einer Beschwerdekammer entschieden und von den Vertragsstaaten im Rahmen der Vorbereitungen zum EPÜ 2000 ausdrücklich befürwortet wurde, sieht auch diese Kammer keinen Grund mehr, sie weiter anzuzweifeln, was auch der gängigen Praxis der Prüfungsabteilungen widerspräche (vgl. Richtlinien für die Prüfung im EPA, Dezember 2003, Teil C, Kap. VI, 9.1.1, letzter Satz).
3.2 Prüfung von Teilanmeldungen zu Teilanmeldungen
3.2.1 Die von einer Teilanmeldung zu erfüllenden materiell-rechtlichen Bedingungen ergeben sich zunächst aus Artikel 76 EPÜ: "Sie kann nur für einen Gegenstand eingereicht werden, der nicht über den Inhalt der früheren Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht; soweit diesem Erfordernis entsprochen wird, gilt die Teilanmeldung als am Anmeldetag der früheren Anmeldung eingereicht und genießt deren Prioritätsrecht." Wenn die Teilanmeldung selbst eine Teilanmeldung zweiter Generation ist, bereitet die sinngemäße Anwendung des Artikels 76 EPÜ im Prinzip keinerlei Schwierigkeiten, weil die frühere Anmeldung, aus der die Teilanmeldung zweiter Generation geteilt wurde, dann die Teilanmeldung erster Generation ist. Ist die Teilanmeldung erster Generation selbst eine gültige Teilanmeldung der Stammanmeldung, erhält sie deren Anmeldetag, und dieser Anmeldetag gilt dann nach Artikel 76 (1) EPÜ auch für die Teilanmeldung zweiter Generation.
Ist die Teilanmeldung erster Generation jedoch keine gültige Teilanmeldung der Stammanmeldung im Sinne von Artikel 76 EPÜ, kann sie selbst nicht als am Anmeldetag der Stammanmeldung eingereicht gelten. Es ist im EPÜ auch nicht vorgesehen, daß ihr irgendein anderer Anmeldetag, insbesondere der Tag, an dem sie tatsächlich eingereicht wurde, zukommen könnte (vgl. T 555/00, Punkt 1.6 der Entscheidungsgründe) und folglich kann sie die Zuerkennung eines Anmeldetags auch nicht auf die Teilanmeldung zweiter Generation übertragen. Somit ist auch die Teilanmeldung zweiter Generation in diesem Fall keine gültige Teilanmeldung.
Aus diesen Gründen ist nach Auffassung der Kammer bei der Prüfung der Gültigkeit einer Teilanmeldung zweiter Generation auch die Gültigkeit der Teilanmeldung erster Generation zu prüfen. Dies wurde übrigens bereits in den zwei einzigen der Kammer bekannten früheren Entscheidungen, die sich mit Teilanmeldungen zu Teilanmeldungen befaßt haben, festgestellt (vgl. T 904/97, Punkt 4.1.2 der Entscheidungsgründe: "The parent application thus never met the requirement of Article 76 (1) EPC with respect to the grandparent application, and it therefore never validly benefited from the latter's filing and priority dates. Neither could it have transferred any such inexistent benefits to any subsequent divisional application." und T 555/00, Punkt 1.5 der Entscheidungsgründe: "... not only the patent in suit but also the parent application must comply with Article 76 (1) EPC.").
3.2.2 Die von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Argumente gegen die Zulässigkeit einer Prüfung der Gültigkeit der Teilanmeldung erster Generation durch die Kammer konnten diese nicht überzeugen.
Aus den oben dargelegten Gründen steht insbesondere die Auffassung der Beschwerdeführerin, bei der Prüfung von Artikel 76 (1) EPÜ sei lediglich ein Vergleich zwischen der Teilanmeldung zweiter Generation und der Stammanmeldung zulässig, im Widerspruch zum Wortlaut des Artikels 76 EPÜ und der Rechtsprechung der Beschwerdekammern. Der von der Beschwerdeführerin zitierte Kommentar aus Benkard, Europäisches Patentübereinkommen, 2002, Randnummer 73 zu Artikel 123 EPÜ bezieht sich primär auf die Anwendung von Artikel 123 EPÜ bei weiteren Änderungen einer Teilanmeldung und scheint hier die persönliche Meinung des Verfassers wiederzugeben.
Auch der von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Vertrauensschutz kann im vorliegenden Fall schon deswegen nicht zu einem anderen Schluß führen, weil die Teilanmeldung erster Generation von ihr zurückgenommen wurde, so daß die Prüfungsabteilung, die stets die Patentfähigkeit des beanspruchten Gegenstandes angezweifelt hatte, weder abschließend über die Gültigkeit dieser Teilanmeldung zu entscheiden hatte, noch sich zwingend dazu äußern mußte. Weil die Teilanmeldung erster Generation zurückgenommen wurde, kann die Kammer entgegen der Argumentation der Beschwerdeführerin bei der vorliegenden Untersuchung der Teilanmeldung zweiter Generation auch gar nicht "en passant" in den Status der nicht zur Debatte stehenden Teilanmeldung erster Generation eingreifen.
Aber auch wenn die Teilanmeldung erster Generation rechtskräftig erteilt worden wäre, würde sich die Kammer dadurch in keiner Weise an der Beurteilung von substantiellen, im Laufe der Prüfung der Teilanmeldung zweiter Generation auftretenden Fragen gehindert fühlen; denn das Einreichen einer Teilanmeldung eröffnet ein eigenständiges Prüfungsverfahren, das von dem Prüfungsverfahren der früheren Anmeldung völlig unabhängig ist.
In der von der Beschwerdeführerin herangezogenen Entscheidung J 18/96 wurde dem Anmelder zwar ein Anmeldetag trotz Einreichung von einer Beschreibung und Patentansprüchen in zwei verschiedenen Amtssprachen unter Berufung auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes zuerkannt, weil er von der Eingangsstelle während längerer Zeit in dem begründeten Glauben gelassen worden war, die Anmeldung sei rechtswirksam eingereicht worden. In diesem Fall lag die Ursache für das Nicht-Zuerkennen eines Anmeldetags jedoch in einem formalen Fehler, der von der Eingangsstelle hätte erkannt werden können bzw. müssen und vom Anmelder bei einem entsprechenden Hinweis behebbar gewesen wäre. Im Gegensatz dazu liegt im vorliegenden Fall die Ursache für das Nicht-Zuerkennen eines Anmeldetags in dem Verstoß gegen eine materiell-rechtliche Bedingung, nämlich das Nicht-Erfüllen der Bedingungen nach Artikel 76 (1) EPÜ durch die Teilanmeldung erster Generation. Das Erfüllen von materiell-rechtlichen Bedingungen obliegt jedoch primär der Verantwortung des Anmelders selbst. Abgesehen davon hatte die Prüfungsabteilung bei der Prüfung der Teilanmeldung erster Generation auch keine Veranlassung, den Verstoß gegen Artikel 76 (1) EPÜ festzustellen, da sie aus anderen Gründen zu dem Schluß gekommen war, daß kein Patent auf den Gegenstand der Teilanmeldung erster Generation erteilt werden konnte. Nachdem die Bedingungen des Artikels 76 (1) EPÜ ausdrücklich beim Einreichen der Teilanmeldung erfüllt sein müssen und der Inhalt der früheren Anmeldung auch ausdrücklich in der eingereichten Fassung berücksichtigt werden muß, ist es entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin zumindest fraglich, ob der festgestellte Mangel bei frühzeitiger Feststellung und entsprechender Änderung der Teilanmeldung erster Generation noch hätte behoben werden können.
3.2.3 Nachdem aus den oben dargelegten Gründen sowohl der Wortlaut des Artikels 76 EPÜ als auch die Rechtsprechung der Beschwerdekammern zu dem Schluß führen, daß eine Teilanmeldung zweiter Generation auf einer Teilanmeldung erster Generation beruhen muß, deren Gegenstand nicht über den Inhalt der Stammanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht, braucht die von der Beschwerdeführerin formulierte Frage der Großen Beschwerdekammer nicht vorgelegt zu werden.
4. Hauptantrag und Hilfsanträge
Von der Beschwerdeführerin wurde nicht bestritten, daß die Teilanmeldung erster Generation gegen das Erfordernis des Artikels 76 (1) EPÜ verstößt, weil sie ein Verfahren und eine Schaltungsanordnung zur Steuerung der Helligkeit und des Betriebsverhaltens von Gasentladungslampen beansprucht, die im Gegensatz zur Stammanmeldung eine Regelung bzw. eine Regeleinrichtung nicht mehr zwingend mitumfassen (vgl. Punkt IV oben).
Folglich kann der Teilanmeldung erster Generation kein Anmeldetag zuerkannt werden, und die daraus entstandene Teilanmeldung zweiter Generation stellt auch keine gültige Teilanmeldung dar.
Dem Hauptantrag und den zwei Hilfsanträgen der Beschwerdeführerin, die alle die Erteilung eines Patents aufgrund der eingereichten Teilanmeldung zweiter Generation zum Gegenstand haben, kann daher nicht stattgegeben werden.
5. Sonstiges
In ihrer als Anlage zur Ladung für die mündliche Verhandlung ergangenen Mitteilung gemäß Artikel 11, Absatz 1 der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern hatte die Kammer auch Zweifel geäußert, daß die vorliegende Teilanmeldung zweiter Generation in Hinblick auf die Teilanmeldung erster Generation das Erfordernis des Artikels 76 (1) EPÜ erfüllt, weil ihr Gegenstand - trotz weitgehender Übereinstimmung der Beschreibungen der Stammanmeldung und der Teilanmeldungen erster und zweiter Generation - von dem Teil der Stammanmeldung nicht mitumfaßt ist, der Gegenstand der Teilanmeldung erster Generation war.
Nachdem den Anträgen der Beschwerdeführerin aus anderen Gründen nicht stattgegeben werden kann, braucht diese Frage nicht weiter untersucht zu werden.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.