T 0830/90 (Geheimhaltungsvereinbarung) 23-07-1993
Download und weitere Informationen:
Vorrichtung zum Verfahren von Querwänden auf Schiffen
Zum Zustandekommen einer die Offenkundigkeit ausschließenden Geheimhaltungsvereinbarung bedarf es nicht notwendigerweise eines in Schriftform abgeschlossenen Vertrags.
Der Inhalt einer geschäftlichen Besprechung gilt dann nicht als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht im Sinne von Art. 54 (2) EPÜ, wenn zwischen den Beteiligten Einverständnis über dessen Geheimhaltung bestand und ein Bruch der Geheimhaltung nicht erwiesen ist.
Ein solches Einverständnis kann anläßlich einer geschäftlichen Besprechung im Rahmen einer gemeinsamen technischen Entwicklung zustandekommen, wenn gleichlaufende Interessen der Beteiligten anzunehmen sind und ein mündlich geäußerter und sich aus einem Zeichnungsaufdruck ergebender Geheimhaltungsvorbehalt vorliegt.
Neuheit (ja)
Offenkundige Vorbenutzung
Ausschluß der Offenkundigkeit durch Geheimhaltungsvereinbarung zwischen Geschäftspartner (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Begrenzte Ermittlungspflicht der Kammer bei Rückzug eines Verfahrensbeteiligten aus dem Verfahren
I. Auf die am 19. April 1985 angemeldete und am 4. Dezember 1985 veröffentlichte europäische Patentanmeldung Nr. 85 104 769.6 wurde am 22. Juli 1987 das europäische Patent Nr. 0 163 105 erteilt.
II. Der von der Einsprechenden am 19. April 1988 gegen das Patent eingelegte Einspruch war auf den Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 a) EPÜ (fehlende Neuheit bzw. mangelnde erfinderische Tätigkeit) gestützt. Zu seiner Begründung wurden von der Einsprechenden die Druckschriften
D1 DE-U-1 875 033 und
D2 Zeitschrift "Neues aus der Technik", Nr. 4, 16. August 1982, Seite 2
genannt.
Ferner sind zu mehreren von der Einsprechenden geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzungen folgende Dokumente als Beweismittel vorgelegt worden:
D3 Zeichnung Nr. 108/8/83-01 vom 21.1.84 der Firma Kvaerner Brug (Deutschland) GmbH (bezeichnet als "Anlage B"), eingereicht mit der Einspruchsbegründung am 19.4.1988;
D4 Zeichnung Nr. 108/8/83-02 vom 21.1.84 der Firma Kvaerner Brug (Deutschland) GmbH (bezeichnet als "Anlage C"), eingereicht mit der Einspruchsbegründung am 19.4.1988
D5 handschriftliche Gesprächsnotiz des Zeugen Springhorn, datiert 13.4.1984 (bezeichnet als "Anlage A"), der Einspruchsabteilung vorgelegt am 12.6.1990.
Von der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) wurden im Einspruchsverfahren die folgenden weiteren Dokumente vorgelegt:
D6 Schreiben des Herrn R. Hölscher vom 8.9.1986 an die Beschwerdeführerin (bezeichnet als "Anlage P2"), im EPA eingegangen am 18.6.1988
D7 Schreiben des Herrn G. Dingfeld, ohne Datum an die Beschwerdeführerin (bezeichnet als "Anlage P3"), im EPA eingegangen am 18.6.1988,
D8 Zeichnung Nr. 0000971/1 Z der Firma Deutsche MacGregor GmbH vom 27.1.84, Bau-Nr. 160, Schiffswerft Cassens, Faltdeckel und Querschotte; vorgelegt in der mündlichen Verhandlung am 12.6.1990 (von der Beschwerdeführerin als "Anlage B" bezeichnet);
D9 Zeichnung Nr. 0000980/0 B der Firma Deutsche MacGregor GmbH vom 18.1.84, Bau-Nr. 160, Schiffswerft Cassens, Verfahreinrichtung für Getreideschotte, vorgelegt in der mündlichen Verhandlung am 12.6.1990 (von der Beschwerdeführerin als "Anlage C" bezeichnet).
Im Einspruchsverfahren sind im Zuge einer Beweisaufnahme anläßlich der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung am 12. Juni 1990 zwei der von der Einsprechenden angebotenen Zeugen vernommen worden.
Hierüber sind die der angefochtenen Entscheidung als Anlagen I und II beigefügten Zeugenprotokolle
ZP I) Zeugenprotokoll des Herrn Manfred Springhorn, Angesteller der Einsprechenden (Fa. Kvaerner Brug GmbH)
ZP II) Zeugenprotokoll des Herrn Georg Krey, Angestellter der Schiffswerft Cassens GmbH
angefertigt worden.
III. Der Einspruch führte zum Widerruf des Patents mangels Neuheit durch die in der mündlichen Verhandlung vom 12. Juni 1990 verkündete und am 10. September 1990 mit schriftlicher Begründung zur Post gegebene Entscheidung, die im wesentlichen damit begründet wurde, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents von der Patentinhaberin selbst im Rahmen eines Lieferungsangebots an die nicht im erforderlichen Umfang zur Geheimhaltung verpflichtete Schiffswerft Cassens GmbH offenbart und damit der Öffentlichkeit im Sinne von Artikel 54 (2) EPÜ zugänglich gemacht worden sei. Im übrigen sei der Gegenstand des Patents auch vor dem Prioritätstag von der Schiffswerft an einen Wettbewerber der Patentinhaberin bekanntgegeben worden.
IV. Gegen diese Entscheidung der Einspruchsabteilung hat die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) unter gleichzeitiger Bezahlung der Beschwerdegebühr am 30. Oktober 1990 Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 8. Januar 1991 eingegangen.
V. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung.
Der erteilte Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"Vorrichtung zum Verfahren von Querwänden (Schotte) in Laderäumen von Schiffen, mit am Schott (20) befestigten, im Betrieb am Süllrand (14, 15) des Laderaums schienengeführten Laufrollen, und mit einer Einrichtung zum Überführen des Schotts aus einem Ruhezustand, in dem es gegenüber dem Laderaum festgelegt ist, in einen Fahrzustand, in dem es relativ zum Laderaum bewegbar ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Laufrollen (31, 33; 41, 43) an Laufwagen (30, 40) gelagert sind, die am Schott (20) relativ zu diesem beweglich befestigt und im Ruhestand des Schotts außer Eingriff mit dem Süllrand bringbar und in den Laderaum bewegbar sind."
VI. Die zur Stützung ihres Antrags von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Argumente lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Die Auffassung der Einspruchsabteilung bezüglich der Erklärungen D6 und D7 der Herren Hölscher und Dingfeld, wonach diese Mitarbeiter der Schiffswerft Cassens nicht von einer Geheimhaltungsverpflichtung ausgegangen seien, werde nicht vom Zeugenprotokoll ZP II des Herrn Krey gedeckt, der diesbezüglich keine spezifischen und/oder substantiierten Aussagen gemacht habe. Es sei unverständlich, warum die Einspruchsabteilung den Dokumenten D6 und D7 entnehme, daß zwar "durchaus ein Interesse der Auftragnehmerin (Beschwerdeführerin) an einer vertraulichen Behandlung der von ihr erteilten technischen Informationen anzunehmen sei, nicht aber eine inhaltlich über den Wortlaut des Schreibens hinausgehende Festlegung einer präzisen und umfassenden Geheimhaltungsverpflichtung", denn "eine solche wäre für die Firma Cassens als Auftraggeberin schwerlich annehmbar oder... einzuhalten gewesen, weil dadurch die unverzügliche Projektausführung erheblich behindert, wenn nicht gar vereitelt worden wäre". Ganz allgemein gelte vielmehr der Grundsatz, daß eine Information dann nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werde, wenn die entsprechende Offenbarung mit einer Geheimhaltungsverpflichtung verbunden sei. Zu deren Begründung bedürfe es nicht notwendigerweise einer Vereinbarung, vielmehr könne sich diese Verpflichtung auch stillschweigend aus den Umständen des Falls nach Treu und Glauben ergeben. Einen bedeutsamen Unterschied zwischen "vertraulicher Behandlung" und "Geheimhaltung" gebe es nicht. Es bedürfe somit nicht einer umfassenden, nach vertragsrechtlichen Grundsätzen zustande gekommenen, rechtsverbindlichen Verpflichtung zur Geheimhaltung innerhalb eines vom Vertragswillen der Parteien direkt oder indirekt gedeckten inhaltlichen Umfangs.
Es sei nicht ersichtlich und auch dem Zeugenprotokoll ZP II des Herrn Krey nicht zu entnehmen, daß zwischen der Auftragserteilung am 21. Januar 1984 und dem Prioritätstag des Streitpatents (27.4.1984) dessen Gegenstand einem Betriebsfremden mitgeteilt wurde und daß für eine solche Mitteilung eine Notwendigkeit bestand. Auch das Datum der angeblichen Informationsweitergabe an Herrn Springhorn (13.4.1984) sei darin nicht bestätigt worden.
Unterstelle man jedoch, daß die Informationsweitergabe am 13. April 1984 an Herrn Springhorn stattgefunden habe, dann wäre Artikel 55 (1) a) EPÜ heranzuziehen, wobei die darin genannte Frist von sechs Monaten vor Einreichung der europäischen Patentanmeldung nicht vom Anmeldetag, sondern vom Prioritätstag zurückzurechnen sei.
VII. Die Einsprechende hat den Einspruch mit Schreiben vom 18. Oktober 1990, d. h. noch vor dem Eingangstag der Beschwerde, zurückgenommen und hat sich seitdem nicht mehr geäußert.
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 und den Regeln 1 (1) und 64 EPÜ; sie ist zulässig.
2. Verfahrensrechtliche Fragen
Die Einsprechende hat ihren Einspruch zurückgenommen und ist daher am Beschwerdeverfahren nicht mehr beteiligt (T 789/89 - 3.2.1 vom 11. Januar 1993, wird publiziert). Da die Beschwerde von der Patentinhaberin gegen die Widerrufsentscheidung der Einspruchsabteilung eingelegt worden ist, ergeben sich daraus keine weiteren verfahrensrechtlichen Folgen. Vielmehr muß die Beschwerdekammer die Entscheidung der Einspruchsabteilung sachlich überprüfen und kann nur dann diese Entscheidung aufheben, wenn die Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des europäischen Patents nicht entgegenstehen. Dabei können auch Beweismittel, die von der Einsprechenden vor der Zurücknahme des Einspruchs vorgebracht worden sind, herangezogen werden (T 629/90, ABl. EPA 1992, 654).
Die Kammer hat jedoch nur eine begrenzte Verpflichtung zur Ermittlung von Amts wegen (Art. 114 (1) EPÜ) in bezug auf offenkundige Vorbenutzungen (vgl. die Beschwerdekammerentscheidung T 129/88 - 3.3.3, Leitsatz veröffentlicht im ABl. EPA 9/1992), also etwa im Falle eines Zeugenangebots durch die Einsprechende eine weitere Beweisaufnahme zur Klärung von Widersprüchen anzuberaumen, wenn es schwierig ist, die wesentlichen Umstände ohne Mitwirkung der Einsprechenden festzustellen, oder wenn keine Aussicht auf Klärung besteht.
3. Stand der Technik und Neuheit
3.1 Druckschriftlicher Stand der Technik
Die in der Beschreibungseinleitung des angefochtenen Patents gewürdigte Druckschrift D1 offenbart eine Vorrichtung nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1, bei der die schienengeführten Laufrollen unbeweglich an der Querwand gelagert und im Gegensatz zum Streitpatent nicht mit Laufwagen ausgestattet sind, die in den Laderaum bewegt werden können.
Die Druckschrift D2 betrifft keine Vorrichtung zum Verfahren von Querwänden (Schotten) mittels Laufrollen, sondern verschiebbare Hubrollen für faltbare Lukenabdeckungen von Schiffen und unterscheidet sich somit schon gattungsgemäß vom Gegenstand des Streitpatents.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents ist somit im Vergleich zum druckschriftlichen Stand der Technik neu.
3.2 Vorbenutzungshandlungen
Die von der Einsprechenden geltend gemachten und angeblich offenkundig gewordenen Vorbenutzungshandlungen basieren auf Besprechungen zwischen der mit dem Neubau eines Schiffs beauftragten Schiffswerft Cassens GmbH und zwei miteinander konkurrierenden Zulieferfirmen, nämlich der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) und der Einsprechenden. Dabei ging es um die Unterbreitung von Angeboten an die Schiffswerft in Zusammenhang mit verfahrbaren Querwänden (Schotten), die das Abschließen des Laderaums mit Lukendeckeln nicht behindern.
Die Einsprechende erblickt in den folgenden drei Sachverhalten eine offenkundige Vorbenutzung:
Erste angebliche Vorbenutzung
Die Beschwerdeführerin selbst hat nach eigenem Kundtun bei einer Besprechung am 21.1.1984 (und am Vortage telefonisch) den Herren Hölscher und Dingfeld von der Schiffswerft Cassens den dem Streitpatent zugrundeliegenden technischen Gedanken im wesentlichen offenbart. Bei der Besprechung ist es um die Lieferung der Verfahreinrichtung für die Getreideschotte und die Lukendeckel eines Schiffsneubaus gegangen, wobei auch der Auftrag an die Beschwerdeführerin erteilt worden ist. Hierzu liegen die Dokumente D6 und D7, nämlich die schriftlichen Bestätigungen der Herren Hölscher und Dingfeld vor.
Zweite angebliche Vorbenutzung
Diese Handlung habe anläßlich eines von der Firma Kvaerner Brug GmbH (Einsprechende) der Schiffswerft Cassens unterbreiteten Angebots stattgefunden. Nach dem Zeugenprotokoll ZP I ist am 20.1.1984 in einem Gespräch, bei dem u. a. der Zeuge Springhorn auf seiten der Firma Kvaerner Brug und zumindest zeitweise Herr Hölscher von der Schiffswerft anwesend waren, die Ausbildung der Getreideschotte und der Lukendeckel erörtert worden. Die Besprechung hat zu dem Ergebnis geführt, daß als einzige brauchbare Lösung das Verrollen der Schotte angesehen wurde. Daraufhin hat der Zeuge Springhorn nach seiner Aussage (Zeugenprotokoll ZP I) am 21.1.1984 die Zeichnungen entsprechend den Dokumenten D3 und D4 angefertigt und am gleichen Tag per Post an die Schiffswerft Cassens geschickt (die Zeichnung nach D3 trägt einen diesbezüglichen handschriftlichen Vermerk).
Dritte angebliche Vorbenutzung
Eine dritte Weitergabe des dem angefochtenen Patent entsprechenden Lösungsgedankens habe nach der Aussage des Zeugen Springhorn (Zeugenprotokoll ZP I) am 13.4.1984 auf der Schiffswerft stattgefunden. Demnach führte der Zeuge Springhorn für die Einsprechenden an diesem Tag u. a. mit Herrn Krey von der Schiffswerft Cassens ein Gespräch über Lukendeckel für weitere Neubauten. Aufgrund einer Nachfrage nach der technischen Ausführung der an die Wettbewerberin (Beschwerdeführerin) vergebenen Schottverfahreinrichtung wurde deren technische Funktion von Herrn Krey detailliert beschrieben, worüber der Zeuge Springhorn gleichzeitig die als Dokument D5 vorgelegte Gesprächsnotiz anfertigte. Gemäß Zeugenprotokoll ZP I hatte der Zeuge danach noch Gelegenheit, in aufliegende Zeichnungen der Beschwerdeführerin über diese Vorrichtung Einsicht zu nehmen, und er hat danach in seiner Firma Kvaerner Brug Entwürfe anfertigen lassen, die eine Druckverringerung auf der Laufrollenbahn zum Ziele hatten und später als Angebot an die Schiffswerft Cassens eingebracht worden sind.
3.2.1 Eine offenkundige Vorbenutzung des Gegenstands eines Patents liegt vor (vgl. T 93/89, ABl. EPA 1992, 718, Punkt 8.1, T 538/89 vom 2.1.1991, Pkt. 2.3.1, nicht veröffentlicht), wenn
A) die Benutzung vor dem Anmelde- bzw. Prioritätstag des Streitpatents erfolgte (Wann fand die Handlung statt, war es eine Vorbenutzung?)
B) der Gegenstand der Benutzung mit dem Gegenstand des Streitpatents übereinstimmt (Was wurde benutzt? Umfang der Benutzung, Wesensgleichheit des benutzten Gegenstands mit dem Gegenstand des Streitpatents) und
C) die Umstände der Benutzung derart sind, daß der benutzte Gegenstand der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und somit offenkundig geworden ist (Wie, wo und durch wen ereignete sich die Vorbenutzung? Art und Umstände der Vorbenutzung).
3.2.2 Erste angebliche Vorbenutzung
Die Beschwerdeführerin hat in ihrer Einspruchserwiderung vom 16.6.1988 (Seite 11, Pkt. 2) ausdrücklich erklärt, daß sie am 21.1.1984 die dem Streitpatent zugrundeliegende Erfindung im wesentlichen der Schiffswerft Cassens offenbart hat. Dies wird auch von dem Inhalt der Dokumente D6 und D7 bestätigt. Demzufolge sieht es die Kammer als erwiesen an, daß die erste Vorbenutzungshandlung vor dem Prioritätstag stattfand und daß Wesensgleichheit zwischen dem Gegenstand der Vorbenutzung und dem Gegenstand des Streitpatents vorliegt und somit die vorstehend genannten Kriterien A und B erfüllt sind.
Die Umstände und die Art der Vorbenutzung (Kriterium C) stehen unbestritten insoweit fest, als es sich um den Ort (Schiffswerft Cassens) und die Beteiligten der Handlung (Beschwerdeführerin als Zulieferer und Geschäftsführer bzw. Angestellte der Auftraggeberfirma Schiffswerft Cassens) handelt.
Strittig ist, ob die Offenbarung des Gegenstands des Streitpatents bei der Auftragsvergabe mit einer Geheimhaltungsvereinbarung verbunden war und ob die dabei anwesenden Angestellten der Schiffswerft Cassens daher der Öffentlichkeit zuzurechnen sind oder nicht.
In Übereinstimmung mit den Richtlinien für die Prüfung im EPA, D-V, 3.1.3.2 ist die Kammer der Auffassung, daß eine solche Offenbarung dann nicht offenkundig, d. h. der Öffentlichkeit zugänglich gemacht ist, wenn dabei eine Geheimhaltung
a) ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart und
b) nicht gebrochen worden ist.
Nach Ansicht der Kammer hängt es dabei vom Einzelfall ab, ob ein bei einem Angebot bzw. bei einer Auftragsvergabe zum Ausdruck kommender technischer Gedanke der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.
Im vorliegenden Fall wird in den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Schreiben gemäß D6 und D7 von dem Geschäftsführer (Herr Hölscher) und dem Leiter des Schiffbaubüros (Herr Dingfeld) der Schiffswerft Cassens, die beide bei der Auftragsvergabe am 21.1.1984 anwesend waren, folgendes dargelegt:
"Die Herren von MacGREGOR hatten ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die von der Deutschen MacGREGOR empfangenen Informationen, insbesondere bei Gesprächen mit Mitwettbewerbern, vertraulich zu behandeln seien. Bei Vorstellung neuartiger technischer Konzeptionen eine Selbstverständlichkeit" (so Herr Hölscher in D6).
"Für mich war es selbstverständlich, daß die von der Deutschen MacGREGOR empfangenen Informationen, insbesondere im Falle eines Gespräches mit Mitbewerbern, vertraulich zu behandeln waren. Hierauf hatten die Herren von MacGREGOR auch ausdrücklich hingewiesen" (so Herr Dingfeld in D7).
Damit wird bestätigt, daß Vertraulichkeit für die Herren Hölscher und Dingfeld und damit für die Firma Cassens selbstverständlich gewesen sei, d. h. daß sie ihre Zustimmung gefunden habe.
Dieser Inhalt der Dokumente D6 und D7 ist weder von der Einspruchsabteilung noch von der Einsprechenden in Frage gestellt worden. Die Kammer sieht auch keinen Grund an dessen Richtigkeit zu zweifeln. Es wurde insbesondere auch nicht vorgebracht, dem Hinweis der Beschwerdeführerin sei damals widersprochen worden. Die Zustimmung zum Vertraulichkeitsvorbehalt muß somit damals, wenn nicht mündlich, so, angesichts der vergleichbaren Interessen der an einer gemeinsamen technischen Entwicklung beteiligten Parteien, doch schlüssig (konkludent) erfolgt sein. Die weiteren Beweismittel stehen dem auch nicht entgegen. Im Zeugenprotokoll ZP II des Zeugen Krey, Angestellter der Schiffswerft, sind lediglich Ausführungen im Hinblick auf die Vertraulichkeit der zweiten "Vorbenutzung" gemacht worden. Die vernommenen Zeugen Krey und Springhorn haben an den in den Dokumenten D6 und D7 erwähnten Verhandlungen nicht persönlich teilgenommen, so daß sie bezüglich einer dort vereinbarten Vertraulichkeit naturgemäß keine Aussagen machen konnten.
Die Kammer sieht schon aus vorstehenden Gründen keinen Anlaß zu bezweifeln, daß bei der ersten Vorbenutzung eine Vertraulichkeitsvereinbarung zustande gekommen ist, des Inhalts, daß der Gesprächs- bzw. Zeichnungsinhalt nicht weiterzugeben und daher geheimzuhalten ist. Dies gilt umso mehr, als die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Zeichnungen (D8 und D9) gut ersichtliche Stempelaufdrucke mit Verweisung auf §§ 18 - 20 UWG und § 823 BGB enthalten, aus denen ein Geheimhaltungsvorbehalt hervorgeht, der von den Beteiligten zweifellos zur Kenntnis genommen worden und unwidersprochen geblieben ist. Daß diese Stempelaufdrucke auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (Deutschland) betreffend die Wahrung der guten Sitten im Wettbewerb und auf § 823 BGB (Deutschland) betreffend die Schadensersatzpflicht aus unerlaubter Handlung Bezug nehmen, ist entgegen der Auffassung der Vorinstanz (vgl. Punkt 11.5 und 11.6 der angefochtenen Entscheidung) patentrechtlich nicht unerheblich (vgl. hierzu Singer R., Europäisches Patentübereinkommen, Randnote 6 zu Art. 54, wonach sich die Geheimhaltungspflicht aus den Umständen des Falles nach dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben ergeben kann). Die Stempelaufdrucke stellen hier einen eindeutigen Hinweis darauf dar, daß die Beschwerdeführerin den Zeichnungsinhalt nicht voraussetzungslos zur Kenntnis bringen wollte.
Eine derartige, bei geschäftlichen Handlungen zwischen den beteiligten Geschäftspartnern wenn nicht mündlich, so doch konkludent vereinbarte Geheimhaltung ist als hinreichend zum Ausschluß der Offenkundigkeit einer Offenbarung anzusehen. Hierzu bedarf es entgegen der Auffassung der Vorinstanz in den Punkten 11.2 und 11.4 der angefochtenen Entscheidung nicht notwendigerweise des Beweises "einer ausdrücklichen und spezifischen (auf eine Anmeldung zum Patent bezogenen) Vereinbarung". Es genügt dafür schon der Beweis einer schlüssig, d. h. konkludent geäußerten Zustimmung. Diese ist dann genügend spezifiziert, wenn sie sich, wie hier, auf die wesentlichen Merkmale einer Erfindung bezieht.
In der angefochtenen Entscheidung ist ferner die Auffassung vertreten worden, daß eine mit einer Geheimhaltungsverpflichtung verbundene Vertraulichkeit im vorliegenden Fall aufgrund der gegebenen Situation, nämlich der geplanten Ausführung auf einer Werft "tatsächlich kaum möglich und mit dem Vertragszweck und der Interessenlage der Vertragsteile nicht vereinbar ist".
Über einen faktischen Ausschluß der Möglichkeit, die Vertraulichkeit zu wahren, geben die Akten keinen Aufschluß und die Kammer vermag diese auch nicht aufgrund eigener Feststellung auszuschließen. Es muß nämlich nach der allgemeinen Erfahrung davon ausgegangen werden, daß eine solche Vereinbarung zumindest solange eingehalten wird, wie ein gemeinsames Interesse an einer Geheimhaltung besteht. Ein solches Interesse wird sich zumindest über den Zeitraum erstrecken, der zur Absicherung der Interessen der Geschäftspartner dient. Zu diesen Interessen kann z. B. die Phase der Zusammenarbeit gehören, in der noch ein gesetzlicher Schutz z. B. durch Patentierung fehlt oder in der noch eine gemeinsame Weiterentwicklung der neuen Vorrichtung stattfindet. Nach der Aussage des Zeugen Krey im Zeugenprotokoll ZP II (Seite 4, 2. und 3. Absatz) war an der gegenständlichen Problemlösung auch die Schiffswerft Cassens mitbeteiligt und es wurden von ihr noch technische Kenntnisse eingebracht. Somit ist der Werft nicht nur eine Rücksichtnahme auf die Interessen des Geschäftspartners, sondern auch ein eigenes Interesse an einer Geheimhaltung über die Auftragsvergabe hinaus zumindest noch in der Weiterentwicklungs-Phase bis zum Einbaubeginn der Vorrichtung in das Schiff zu unterstellen. Demnach kann, entgegen der Auffassung der Vorinstanz, auch kein der Geheimhaltungspflicht entgegenstehender Vertragszweck gesehen werden.
In der Zeugenaussage ZP II des Herrn Krey fehlt jegliche Zeitangabe für den tatsächlichen Baubeginn der beanspruchten Vorrichtung und deren Einbau auf der Schiffswerft. Es kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß die betreffenden Arbeiten in der relativ kurzen Zeit zwischen der Auftragsvergabe (21. Januar 1984) und dem Prioritätstag des Streitpatents (27. April 1984) tatsächlich schon ausgeführt waren. Es kann auch aus diesem Grund nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß die Umstände, die die Beteiligten zur vertraulichen Behandlung des Angebots veranlaßt haben, vor dem Prioritätstag des Streitpatents entfallen sind und daß im Zuge der Erfüllung des Vertrags mit einer Weitergabe der wesentlichen Kenntnis über das Streitpatent an Dritte gerechnet werden mußte.
Es stellt sich noch die Frage, ob durch die Aussage des Zeugen Krey ein Bruch der Vertraulichkeit als erwiesen anzusehen ist.
Der als Zeuge aussagende Angestellte der Schiffswerft, Herr Krey, hat gemäß Zeugenprotokoll ZP II bezüglich einer Weiterverbreitung der in Rede stehenden Lösung ausgesagt, daß er Dritten gegenüber darüber sicher gesprochen habe, und er erwähnte dabei namentlich die Charterfirma des in Rede stehenden Schiffes. Auch sei der Reeder über vergebene Aufträge laufend informiert worden, etwa in einem Abstand von einer Woche bis zehn Tage nach Vergabe oder auch vorher.
Die Zeugenaussage ist in diesem Punkt jedoch derart unbestimmt und lückenhaft abgefaßt, daß davon nicht auf eine erwiesene Weitergabe der in Rede stehenden technischen Information geschlossen werden kann (vgl. oben Punkt 3.2.1).
3.2.3 Zweite angebliche Vorbenutzung
Die vorstehenden Betrachtungen gelten sinngemäß auch für die zweite geltend gemachte Vorbenutzung. Die Zeichnungen D3 und D4 enthalten einen klar ersichtlichen Geheimhaltungsvorbehalt, worin eindeutig auf das Betriebsgeheimnis und Art. 17 ff. UWG hingewiesen wird. Angesichts der technischen Zusammenarbeit bestanden gleichlaufende Interessen bei der Einsprechenden und der Schiffswerft Cassens im Hinblick auf einen künftigen Auftrag. Auch hier wurde nicht dargetan, die Leute von Cassens hätten dem Geheimhaltungsvorbehalt widersprochen. Das hätte jedoch vorliegendenfalls geschehen müssen, falls Cassens dadurch nicht hätte gebunden sein wollen. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß schon die Besprechung vom 20. Januar 1984 unter einem solchen Vorbehalt stattfand. Für diesen Schluß spricht überdies die Tatsache, daß Cassens im Zusammenhang mit der ersten angeblichen Vorbenutzungshandlung unter vergleichbaren Umständen "selbstverständlicherweise" von einer Geheimhaltungspflicht ausgegangen war.
Nach Auffassung der Kammer reichen auch die zur zweiten angeblichen Vorbenutzung vorgelegten Beweismittel nicht aus, um mit Gewißheit das für das Vorliegen einer offenkundigen Vorbenutzung aufgestellte Kriterium C (vgl. vorstehenden Punkt 3.2.1) zu erfüllen.
3.2.4 Dritte angebliche Vorbenutzung
Das auf der Gesprächsnotiz D5 des Zeugen Springhorn angegebene Datum (13.4.1984) konnte von seinem Gesprächspartner, dem Zeugen Krey (siehe Zeugenprotokoll ZP II), der hierzu lediglich sehr vage Angaben machte, nicht bestätigt werden. Aus diesem Grunde bilden die Zeugenaussagen zu diesem Punkt noch keine ausreichende Basis dafür, daß der Gegenstand des Streitpatents noch kurz vor dem Prioritätstag (27.4.1984) Gegenstand des Gesprächs zwischen den beiden Zeugen war (Kriterium A).
Hinzu kommt, daß die Offenkundigkeit dieses Gesprächs nicht feststeht. Aus dem Zeugenprotokoll ZP I (Seite 6) geht hervor, daß der Zeuge Springhorn die Informationen aus dem Gespräch dazu benutzt hat, in seiner Firma (Einsprechende Kvaerner Brug) noch Entwürfe anfertigen zu lassen, um diese einem späteren Angebot an die Schiffswerft Cassens für ein anderes Projekt zugrundezulegen. Es erscheint daher unwahrscheinlich, daß auf seiten der Einsprechenden ein Interesse vorhanden war, innerhalb der noch andauernden Entwicklungsphase dieser Vorrichtungen darüber Informationen an Dritte und damit möglicherweise Mitbewerber weiterzugeben.
Die Kammer stellt fest, daß auch die zur dritten geltend gemachten Vorbenutzung vorgelegten Beweismittel nicht ausreichen, um eine offenkundige Vorbenutzung nachzuweisen.
3.2.5 Nach Rückzug der Einsprechenden aus dem Verfahren ist die Kammer in Anbetracht ihrer begrenzten Verpflichtung zur Ermittlung von Amts wegen bei offenkundigen Vorbenutzungen (vgl. vorstehenden Pkt. 2) der Auffassung, daß angesichts des nunmehr großen zeitlichen Abstands zu den fraglichen Sachverhalten und der Tatsache, daß bereits ein Beweisverfahren stattgefunden hat, wenig Aussicht besteht, eventuell verbleibende Fragen in einem erneuten Beweisverfahren zu klären, und zwar umso weniger, als die Einsprechende in dem parallel laufenden Verfahren vor dem deutschen Bundespatentgericht (Beschluß 7W (pat) 112/87 vom 16. November 1990) zusammen mit der Zurücknahme des Einspruchs erklärt hat, die Zeugen sähen sich außerstande, die im dortigen Beweisbeschluß genannten Fragen "im Sinne der Einsprechenden" zu beantworten.
4. Nachdem der Beweis der offenkundigen Vorbenutzung der Vorrichtung nach dem Anspruch 1 des Streitpatents nicht lückenlos erbracht ist und diese daher als Stand der Technik außer Betracht bleiben muß, erübrigt es sich, auf die Frage der von der Beschwerdeführerin im Hinblick auf die dritte angebliche Vorbenutzung geltend gemachten Unschädlichkeit der Offenbarung wegen eines offensichtlichen Mißbrauchs gemäß Artikel 55 (1) a) EPÜ und die damit verbundene Frage des maßgebenden Zeitpunkts für die Berechnung der 6-Monatsfrist einzugehen.
5. Erfinderische Tätigkeit
Die gattungsgemäße Druckschrift D1 beschreibt eine Schottverfahreinrichtung mit nicht beweglichen Rollen. Aus der Druckschrift D2 sind verschiebbare Hubrollen für faltbare Lukenabdeckungen von Seeschiffen bekannt, die jedoch nichts mit dem eigentlichen Verfahren des Lukendeckels auf dem Süllrand zu tun haben, sondern "nur in einer ganz bestimmten Operationsphase der Lukenabdeckung benötigt werden." Die Beschwerdeführerin beschreibt in ihrer Einspruchserwiderung vom 16. Juni 1988 unter den Punkten 3 und 4 die in der D2 nur mit dem Wortteil "Hub-" angedeutete Funktion der Hubrollen dahingehend, daß die Hubrolle "auf eine im Bereich der Längsenden des Laderaums vorgesehene Rampe aufläuft und dadurch ein Drehmoment auf den Lukendeckel ausgeübt wird, welches das Falten (der Luke) bewirkt". Diese Funktionsweise der Hubrollen ist auch von der Beschwerdegegnerin in ihren Schriftsätzen vom 10. Oktober 1988 (S. 2, Pkt. 3) und 13. Dezember 1988 (S. 2, Pkt. 2) nicht ernsthaft in Frage gestellt worden, sondern es wird anerkannt, daß nach der D2 "ein Laufrollenaggregat durch Verschiebung in den Laderaumbereich außer Eingriff mit einer Schiene" gebracht wird. Die aus D2 bekannte Hubrolle wird also offensichtlich gar nicht zum Verfahren, sondern nur zum Falten des Lukendeckels benutzt. Die bekannten verschiebbaren Rollen dienen somit einem anderen Zweck und üben eine andere Funktion aus als die zum Verfahren der Querwände dienenden Laufrollen beim Gegenstand des angefochtenen Patents. Die D2 vermag somit dem Fachmann keinen Hinweis in Richtung der beanspruchten Lösung zu geben.
Die Kammer kommt somit zu dem Schluß, daß sich der Gegenstand des Anspruchs 1 dem Stand der Technik nicht in naheliegender Weise entnehmen läßt. Die erfinderische Tätigkeit gemäß Artikel 56 EPÜ ist daher ebenfalls gegeben und der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Artikel 52 (1) patentfähig.
6. Die abhängigen Ansprüche 2 bis 12 sind formal nicht zu beanstanden; sie enthalten vorteilhafte Weiterbildungen der Erfindung nach dem Anspruch 1 und sind deshalb ebenfalls patentfähig.
Das Patent hat daher im Umfang der erteilten Unterlagen Bestand.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird in der erteilten Fassung aufrechterhalten.