2.7.1 Vom Erzeugnisanspruch zum Anspruch auf Verwendung des Erzeugnisses
In T 912/91 kam die Kammer zu dem Schluss, dass der Wechsel der Anspruchskategorie von den erteilten Erzeugnisansprüchen für Verbundwerkstoffe zu Ansprüchen auf Verwendung von Grafit zur Herstellung eines gesinterten Keramik-Verbundwerkstoffs mit bestimmten Eigenschaften den Schutzbereich der erteilten Ansprüche nicht erweitere. Selbst wenn man davon ausginge, dass der Verwendungsanspruch begrifflich mit einem Anspruch gleichzusetzen sei, der auf ein die Verwendung von Grafit im Sinterwerkstoff umfassendes Verfahren gerichtet sei, und dass infolge des Art. 64 (2) EPÜ 1973 auch dem aus diesem Verfahren hervorgehenden Erzeugnis Schutz verliehen werde, könne man nicht von einer Erweiterung des Schutzbereichs im Sinne des Art. 123 (3) EPÜ 1973 sprechen, da der gesinterte Verbundwerkstoff in dem Verwendungsanspruch enger definiert sei als der Verbundwerkstoff des erteilten Anspruchs (kleinerer Bereich des Grafitgehalts usw.).
In T 37/90 wurde der Wechsel von einem Anspruch auf ein Erzeugnis, das einen bestimmten Werkstoff enthält, zu einem Anspruch auf Verwendung des Werkstoffs zur Herstellung des Erzeugnisses als zulässig angesehen.
In T 282/09 umfassten die geänderten Ansprüche des Hauptantrags nur Verwendungsansprüche, die die auf einen Gegenstand gerichteten Erzeugnisansprüche des erteilten Patents ersetzten. Die Kammer befand, dass nach der Praxis des EPA (s. T 401/95) ein auf "die Verwendung eines Gegenstands zur Herstellung eines Erzeugnisses" gerichteter Anspruch als Verfahrensanspruch gilt, der physische Schritte zur Herstellung des Erzeugnisses unter Verwendung des Gegenstands umfasst, was zur Folge hat, dass diese Art des Verwendungsanspruchs ein Verfahrensanspruch im Sinne des Art. 64 (2) EPÜ ist. Nach diesem Artikel des EPÜ ist auch das durch dieses Verfahren unmittelbar hergestellte Erzeugnis geschützt. Somit fällt das durch dieses Verfahren hergestellte Erzeugnis unter den Schutzumfang eines derartigen Verwendungsanspruchs (s. G 2/88, ABl. 1990, 93, Nr. 5.1 der Gründe). Im vorliegenden Fall ging der Schutzumfang nach der Änderung entgegen den Erfordernissen des Art. 123 (3) EPÜ über den früheren Schutzumfang hinaus, weil das unter Verwendung des Gegenstands hergestellte Erzeugnis vor der Änderung der Ansprüche nicht geschützt, infolge der Änderung aber doch geschützt war. S. auch T 1471/14.
In T 1954/12 bezog sich Anspruch 3 in der erteilten Fassung auf eine Zelle, die durch das Vorhandensein rekombinanter Nukleinsäure zur VKOR-Codierung gekennzeichnet ist. Die Ansprüche 2 und 3 des Hauptantrags waren auf die Verwendung der Zelle aus dem erteilten Anspruch 3 zur Herstellung eines Vitamin-K-abhängigen Proteins gerichtet. Die Kammer wies darauf hin, dass in der Sache G 2/88 (ABl. 1990, 93) zwischen einem "Patent, in dem die Verwendung eines Verfahrens zur Erzielung einer Wirkung beansprucht wird ... [und einem] ... Patent, dessen beanspruchter technischer Gegenstand ein Verfahren zur Herstellung eines Erzeugnisses ist", unterschieden wurde. Hinsichtlich Letzterem wurde mit Verweis auf Art. 64 (2) EPÜ geltend gemacht, dass "nicht nur Schutz für das beanspruchte Herstellungsverfahren, sondern auch für das durch das Verfahren unmittelbar hergestellte Erzeugnis gewährt wird". Die Kammer wies darauf hin, dass die Verfahren der Ansprüche 2 und 3 auf die Herstellung eines bestimmten Erzeugnisses – nämlich eines Vitamin-K-abhängigen Proteins – gerichtet seien, und der Schutzbereich dieser Ansprüche somit nicht auf das beanspruchte Herstellungsverfahren beschränkt sei, sondern sich auch auf dieses Erzeugnis erstrecke. Der Schutzbereich des erteilten Anspruchs 3 erstrecke sich nicht auf dieses Erzeugnis, sodass der Schutzbereich der Ansprüche 2 und 3 in dieser Hinsicht über den Schutzbereich des erteilten Anspruchs 3 hinausgehe. Die Entscheidung G 2/88 erfordere jedoch einen Vergleich der Gesamtheit der Ansprüche vor und nach Änderung. Im vorliegenden Fall werde der Schutzbereich der erteilten Ansprüche 4-7 gemäß Art. 64 (2) EPÜ auf das hergestellte Erzeugnis (ein Vitamin-K-abhängiges Protein) erweitert. Die Kammer kam zu dem Schluss, dass die erteilten Ansprüche 4-7 das durch die Verfahren der Ansprüche 2 und 3 des Hauptantrags hergestellte Erzeugnis – nämlich ein Vitamin-K-abhängiges Protein – schützten. Die Erfordernisse von Art. 123 (3) EPÜ waren erfüllt.