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Die Sammlung

Die Kunstsammlung des EPA umfasst rund 1 000 Werke zeitgenössischer Kunst, darunter 40 ortsspezifische Auftragswerke. Vertreten sind Kunstschaffende aus fast allen 39 EPO-Mitgliedstaaten, ein Beleg für die Vielfalt und den Reichtum der zeitgenössischen europäischen Kultur. Die 1980 initiierte Kunstsammlung des EPA wird durch den Erwerb zeitgenössischer Werke ständig erweitert; darunter sind auch Arbeiten von Künstlern und Künstlerinnen der nächsten Generation, die mit ihrem visionären Geist und ihren Ideen dazu beitragen können, die Welt intelligenter und nachhaltiger zu machen. 

Avantgarde und Fortschrittsidee in Kunst und Wissenschaft

Aufgabe des EPA ist es, Patente zu erteilen und damit Erfindungen zu schützen. Die Behörde erfüllt somit eine eminent wichtige politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Funktion für Innovation, Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftswachstum in Europa. Die Technikeuphorie der Industriegesellschaft ist dabei längst von der Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts abgelöst, in der sich die technologische Entwicklung in immer rasanteren Innovationszyklen niederschlägt. Digitalisierung und Globalisierung sind entscheidende Faktoren für wirtschaftlichen Erfolg geworden. Patente reflektieren dieses Bewusstsein, stellen sie doch für die Wirtschaft intangible assets dar. 

Die Patentdatenbanken machen dabei die rapide Entwicklung technologischen Weltwissens greifbar und zeigen auf die Innovationen von morgen. Offenheit gegenüber dem Neuen, der Wille zu Risikobereitschaft und die Beharrlichkeit bei Forschungsinvestitionen sind die Faktoren, die sich in der Höhe der Patentanmeldungen niederschlagen und die Innovationskraft einer Volkswirtschaft bemessen. Der Zeit voraus zu sein und dies durch das Sammeln von Gegenwartskunst zu reflektieren – das ist der Grundgedanke, der die Kunstförderung bis heute antreibt. 

Naturwissenschaft, Technologie, Umwelt als Schlüsselthemen

Der Avantgarde-Gedanke von Gegenwartskunst und die Fortschrittsidee von technischen Erfindungen bereichern einander und führen zu neuen Erkenntnissen. In der Sammlung finden sich über die Jahrzehnte nicht wenige Künstler, die sich mit Referenzen zum EPA, mit Fragen aus Naturwissenschaft, Umwelt und Technologien aller Art auseinandersetzen oder sich Methoden wissenschaftlichen Arbeitens angeeignet haben. Fragen stellen, analysieren, diskutieren – die explodierende Vielfalt des technologischen Weltwissens bietet genügend Anhaltspunkte für die Positionierung der Sammlung an der Schnittstelle von Kunst und Wissenschaft, ganz gleich, ob diese nun assoziativ, ironisch, spielerisch, konsumistisch, pop-kulturell oder einfach nur ästhetisch sind. 

Die Maschinenästhetik der 1960er-Jahre, die Lichtkinetik, Op-Art und konstruktive Arbeiten internationaler Künstler bilden den Grundstock der Sammlung. Dass konkrete, kinetische und konstruktive Positionen und ihre Weiterentwicklung in die Gegenwart im Programm vorherrschend sind, ist kein Zufall. Seit Theo van Doesburg und Max Bill sollte die ungegenständliche Kunst die Vision einer neuen verwissenschaftlichten Weltordnung versinnbildlichen und in einer exakten, kalkulierbaren Technik gestaltet sein: Dies geschieht durch einfache Bildkompositionen, die auf geometrischer Konstruktion beruhen, Formen wie Kreis, Dreieck, Quader oder orthogonale Raster aufgreifen und durch wohlkalkulierte Farbklänge illustrieren. Der fortschrittliche Geist definiert demnach seine Welt mit Zahlen und mathematischen Proportionen und braucht daher auch eine "verwissenschaftlichte" Kunst, die diese Fortschrittsidee darstellt. Die Wissenschafts- und Technikaffinität spiegelt sich auch in den konzeptuellen und postminimalistischen Kunstrichtungen der Gegenwart wider, die den Avantgarde-Gedanken der "Vergeistigung" des bildnerischen Denkens aufgreifen und in unterschiedlichster Form ausdrücken.  

Zukunftsorientierung, Weiterentwicklung, Blick nach vorne 

Künstler antizipieren seismografisch Veränderungen der Gesellschaft und entwickeln neue Sichtweisen auf die Welt. Infolge der Auseinandersetzung mit der Welt der Wirtschaft zeigen Künstler gern industrielle Verfahren bei der Produktion ihrer Werke. Ganze Teams treten an die Stelle des künstlerischen Genies, und die so entstandenen Objekte spielen mit Bezügen zur Warenästhetik, zum Konsum, zum Design oder zur Architektur. Die Ambivalenzen, die sich daraus im jeweiligen räumlichen Kontext der Werke ergeben können, sind aus kuratorischer Perspektive gewollt und ergeben bisweilen ganz neue Semantiken für die Arbeiten. Aus dieser Präsentation am Arbeitsplatz entsteht ein ganz eigener Reiz. Neben etablierten Positionen, die repräsentative Bedürfnisse im Unternehmen erfüllen, werden auch aufstrebende Künstler gefördert, da sie den Gedanken der Avantgarde, der Zukunftsorientierung, der Neugier gegenüber dem Kommenden und Offenheit für Wandel und Veränderung besonders gut ausdrücken. Spannend ist, dass das kuratorische Handeln dabei wesentlich von der vorgegebenen Architektur und ihren Nutzungskonzepten geprägt ist und aus diesen Bedingungen seine kreative Anregung bezieht. 

Die Anfänge der Sammlung 

Die Sammlung des EPA hat ihren Ursprung in der Verbindung von zeitgenössischer Kunst und Arbeitswelt. Seit Beginn der Sammlungstätigkeit im Jahr 1978 liegt der Schwerpunkt auf internationaler Gegenwartskunst. Es ist dabei im Interesse des EPA, dessen Mitarbeiter aus mittlerweile 39 Ländern Europas stammen, auf ein über Jahrzehnte gewachsenes politisches Europa mit einer internationalen Kunstsammlung zu antworten. Anders als bei so manchen in Deutschland beheimateten Unternehmen, die begannen, in den 1960er- und 1970er-Jahren Kunst zu sammeln, gab es dabei nie die mit einer Globalisierung der Geschäfte einhergehende Entwicklung von einer regionalen zu einer internationalen Sammlung. Schon in der Auslobung des allerersten Kunst-am-Bau-Wettbewerbs des EPA für den Hauptsitz in München, initiiert vom Bundesministerium für Bauwesen, Raumordnung und Städtebau und durchgeführt vom Freistaat Bayern und der Oberfinanzdirektion München, war die Auswahl der Künstler stark international. So ist es bis heute geblieben. 

Auf diese Weise ist Kunst im Laufe der Jahrzehnte ein relevanter Faktor in der Ausgestaltung der Repräsentations- und Kommunikationsräume des EPA geworden, und zwar an allen Dienstorten, an denen das EPA zu Hause ist. Insgesamt 7 Gebäude mit angrenzenden Grünflächen in vier europäischen Städten (München, Den Haag, Wien und Berlin) werden von der Kunst des EPA geprägt und definieren den kulturellen Anspruch des Hauses. Begegnung mit Kunst findet überall statt und schafft eine anregende Arbeitsumgebung für Besucher und Mitarbeiter. Sie findet sich in repräsentativen Foyers und Konferenzräumen, in Cafeterien und Managementbüros, in ehemaligen Telefonzellen und in Patios, in Treppenhäusern und sogar in der Sporthalle. Durch Rotation von Werken und aktualisierte kuratorische Konzepte soll die Wahrnehmung des Arbeitsplatzes immer wieder frisch gehalten werden. 

Die Maschinenästhetik der 1960er-Jahre, die Lichtkinetik, Op-Art und konstruktive Arbeiten internationaler Künstler bildeten den Grundstock der Sammlung. Dabei wurden alle damaligen Mitgliedstaaten der Europäischen Patentorganisation um Einreichung von geeigneten Vorschlägen für den Ankauf gebeten. So kam es, dass mit schon damals bekannten Künstlern wie Nicolas Schöffer, Bernhard Luginbühl (CH), Bridget Riley (GB), André Volten (NL), Philip King (GB), Fausto Melotti (IT), Günther Haese (DE) oder Panamarenko (BE) bedeutende Werke in die Sammlung gelangten. Diese Künstler haben nicht nur kunsthistorische Bedeutung, weil sie den Kunstbegriff ihrer Zeit erweitert hatten. Sie stehen auch für ganz bestimmte konzeptuelle Positionen der Kunstgeschichte, die geeignet sind, die intellektuelle Auseinandersetzung mit Kunst auf ein hohes Niveau zu heben und die seit jeher mit Avantgarde verknüpfte Bedeutung dieser Kunstrichtungen im Rahmen einer firmeneigenen Kunstsammlung zu illustrieren. 

Ein bedeutendes Projekt der jüngeren Zeit ist die Realisierung eines neuen kuratorischen Konzepts im Zuge der 2008–2012 erfolgten Sanierung des Hauptgebäudes in München, wo Kunstwerke aus den Beständen der Sammlung etlichen Neuerwerbungen gegenübergestellt wurden. So sollte die gewachsene Verbindung zwischen der Anfangszeit und der Gegenwart sichtbar gemacht und gezeigt werden, wie lebendig sich die Sammlung entwickelt hat. Hier, im zehngeschossigen Stahlskelettbau der Architekten von Gerkan, Marg und Partner aus den späten 1970er-Jahren, wurden seit 2013 etlichen Künstlern ganze Etagen gewidmet, zum Beispiel Jan van der Ploeg (NL), José Loureiro (PT), Ekrem Yalçindağ (TK), Heimo Zobernig (AT), Malene Landgreen (DK), Esther Stocker (IT), Jaroslaw Fliciński (PL) oder Yves Oppenheim (FR). Die Präsentation zeigt auf eindrückliche Weise, wie Kunst und Architektur eine Symbiose eingehen und zugleich auch der räumlichen Orientierung der Mitarbeiter dienen können.  

In den letzten Jahren lag der Fokus auf dem Erwerb der Werke junger Nachwuchskünstler, die sich mit hochaktuellen Themen unserer Zeit auseinandersetzen, einschließlich Themen rund um künstliche Intelligenz, Internetkunst, Nachhaltigkeit und datengesteuerte Wirtschaft. Aufgrund dessen wurden Werke folgender Künstler in die Sammlung aufgenommen: Afra Eisma (NL), Klemens Schillinger (AT), Superflux (GB), Lilly Lulay (DE), Rozbeh Asmani (IR), Harm van den Dorpel (NL), Gardar Eide Einarsson (NO), Kristi Kongi (EE), Rafaël Rozendaal (NL) und Arjan Shehaj (AL). Ihre Werke sind am Hauptsitz des EPA im Isargebäude und im PschorrHöfe-Komplex in München ausgestellt. Auf diese Weise verleiht das kuratorische Handeln der Sammlung soziale Bedeutung, da eigenständige Werke zu einer einzigartigen ästhetischen Erfahrung werden. Dadurch entstehen Räume, in denen die Mitarbeiter gerne arbeiten. Gerade im digitalen Zeitalter zeichnet sich immer deutlicher ab, wie sehr Arbeitsplätze durch originelle Ideen gewinnen. 

Kunstförderung als hoheitliche Aufgabe 

Die Aufnahme der Sammlungstätigkeit war eine ursprünglich von den Mitgliedstaaten der Europäischen Patentorganisation bewusst getroffene Entscheidung, einer neu gegründeten europäischen Institution auch ein kulturelles Gesicht zu geben. Seit der Ratifizierung des Europäischen Patentübereinkommens 1973 waren die Vertragsstaaten wesentlich am Aufbau einer zu diesem Zeitpunkt in Deutschland einmaligen zwischenstaatlichen Organisation beteiligt gewesen. Diesem außerordentlichen Engagement verdankt sich auch die Initiative zur Kunstförderung im EPA. Entschieden vorangetrieben wurde diese Initiative vom niederländischen Gründungspräsidenten Johannes Bob van Benthem (1921–2006). Er begriff Kunstförderung als eine hoheitliche Aufgabe der Mitgliedstaaten und legte damit den Grundstein für die Sammlungstätigkeit des Amtes. Bis heute ist es eine der vornehmsten Aufgaben der Kulturarbeit, diese Tätigkeit im Geiste der Pionierjahre des EPA fortzuführen und die gewachsene Sammlung der Öffentlichkeit vorzustellen. 

Gerade heutzutage, wo diese symbolische Bedeutungsebene der europäischen Idee in letzter Zeit vielen Menschen abstrakt erscheint, gilt es, die Errungenschaften der europäischen Einigung in Bezug auf Fortschritt, Wirtschaftswachstum, Prosperität und Frieden wieder stärker ins Bewusstsein zu rufen. Die Gründung des EPA ist Bestandteil dieses Prozesses. Daher ist es Teil der sozialen Verantwortung des EPA, über die Förderung der Gegenwartskunst an die ungemein reichen kulturellen Wurzeln des Kontinents zu erinnern und wieder stärker ins Bewusstsein zu rufen, wieso die Gesellschaft in Europa heute mehr denn je Kunst und Kultur braucht.