MITTEILUNGEN DES EPA
Mitteilung vom 1. Juli 1999 über die Änderung der Ausführungsordnung zum Europäischen Patentübereinkommen1
Die neuen Vorschriften über biotechnologische Erfindungen
1. Mit Beschluß vom 16. Juni 1999 hat der Verwaltungsrat den zweiten Teil der Ausführungsordnung zum EPÜ um ein neues Kapitel VI "Biotechnologische Erfindungen" ergänzt und Regel 28 (6) EPÜ neu gefaßt. Die neuen Bestimmungen treten am 1. September 1999 in Kraft und setzen die Vorgaben der EU-Biotechnologierichtlinie in das europäische Patentrecht um. Die Einzelheiten dazu und die neuen Vorschriften sind nachstehend erläutert.
Umsetzung der EU-Biotechnologierichtlinie in das europäische Patentrecht
2. Die Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998 (Richtlinie, RiLi)2 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen ist am 30. Juli 1998 in Kraft getreten. Sie ist von den EU-Mitgliedstaaten bis zum 30. Juli 2000 in das nationale Recht umzusetzen.
3. Für die Europäische Patentorganisation (EPO) besteht zwar eine solche förmliche Verpflichtung nicht. Die Notwendigkeit zu einer Anpassung des europäischen Patentrechts an die Richtlinie ergibt sich jedoch vor allem aus dem Gebot, die Einheitlichkeit des harmonisierten europäischen Patentrechts zu wahren.
4. Die sachlichen Vorschriften über den Schutz biotechnologischer Erfindungen sind in den Kapiteln I-IV der Richtlinie niedergelegt. Kapitel V enthält die Schlußbestimmungen und regelt insbesondere Inkrafttreten und Umsetzung der Richtlinie. Der Richtlinie vorangestellt ist ein umfassender Katalog von Erwägungsgründen, der bei Auslegung und Umsetzung der Richtlinie und bei Anwendung der danach erlassenen Bestimmungen zu beachten ist.
5. Auf der Ebene des europäischen Patentrechts konnte und mußte die Richtlinie nur im Rahmen des Regelungsbereichs des EPÜ umgesetzt werden. Soweit die Richtlinie Materien betrifft, die für europäische Patente durch nationales Recht geregelt sind, hat die Umsetzung dort zu erfolgen. Dies gilt insbesondere für die Kapitel II (Umfang des Schutzes) und III (Zwangslizenzen) der Richtlinie. Den Bestimmungen des Kapitels IV (Hinterlegung von biologischem Material) der Richtlinie tragen die geltenden Vorschriften des Übereinkommens (Art. 83, R. 28, 28a) bereits heute voll Rechnung. Eine Anpassung des europäischen Rechts war insoweit nicht erforderlich.
6. Im Hinblick auf Kapitel I (Patentierbarkeit) der Richtlinie galt dies dagegen nur mit gewissen Einschränkungen. Obwohl die dort niedergelegten Grundsätze über die Patentierbarkeit biotechnologischer Erfindungen auf den geltenden Bestimmungen des EPÜ basieren und im wesentlichen die Praxis reflektieren, die das EPA und seine Beschwerdekammern in Anwendung des Übereinkommens entwickelt haben, erscheinen für diesen Bereich einige Ergänzungen und Klarstellungen zweckmäßig, um die richtlinienkonforme Auslegung der Patentierbarkeitsbestimmungen des EPÜ auch weiterhin sicherzustellen.
7. Die Richtlinie stellt ausdrücklich klar, daß der Schutz biotechnologischer Erfindungen im Rahmen und nach Maßgabe der allgemeinen patentrechtlichen Vorschriften zu erfolgen hat. Dabei ist vorausgesetzt, daß lebende Materie nach dem nationalen Patentrecht und dem EPÜ grundsätzlich schützbar ist (Erwägungsgrund (EW) 15). Das EPA hat seit Beginn der 80er Jahre rund 15 000 Patentanmeldungen entgegengenommen, die dem Gebiet der Biotechnologie zuzuordnen sind. Etwa 1500 dieser Anmeldungen betreffen transgene Pflanzen, 600 transgene Tiere und rund 2000 DNA-Sequenzen. Auf der Grundlage des geltenden Rechts hat das EPA bislang etwa 3000 Patente für biotechnologische Erfindungen erteilt, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen.
8. Dies zeigt, daß die Patentierbarkeitsbestimmungen des EPÜ - insbesondere also die Artikel 52-57- den Anforderungen der modernen Biotechnologie im wesentlichen Rechnung tragen. Die Rechtsprechung der Beschwerdekammern in Biotechnologiefällen bestätigt dies. Die Erwägungen der Kammern und ihre Auslegung der maßgeblichen Bestimmungen des EPÜ sind daher vom Europäischen Parlament und Rat der EU weitgehend zur Grundlage der Vorschriften in Kapitel I der Richtlinie gemacht worden.
9. Bei der Umsetzung der Richtlinie in das europäische Patentrecht ging es damit vor allem um eine richtlinienkonforme Konkretisierung und Auslegung der geltenden Bestimmungen des Übereinkommens. Mit den Vorschriften über die Hinterlegung biologischen Materials (R. 28, 28a) enthält das EPÜ seit langem Regelungen, die die Anwendung der allgemeinen Bestimmungen des EPÜ präzisieren, wenn sich eine Erfindung auf biologisches Material bezieht. Rechtssystematisch war damit der Weg zur Umsetzung der Richtlinie für das europäische Recht bereits vorgezeichnet.
10. Die Ausführungsbestimmungen zu internationalen Verträgen dienen regelmäßig der näheren Bestimmung, Auslegung und Weiterentwicklung der Vorschriften des Vertrags selbst. Die rechtliche Verbindlichkeit dieser vertragsergänzenden Bestimmungen basiert auf den Rechtssetzungskompetenzen, die solche Verträge den jeweils zuständigen Gremien zuweisen. Nach dem EPÜ hat der Verwaltungsrat eine umfassende Kompetenz zum Erlaß und zur Änderung der Ausführungsordnung (Art. 33 (1) b) EPÜ). Es handelt sich dabei nicht um eine bloße Ermächtigung zur näheren Regelung bestimmter Sachverhalte, wie sie in nationalen Rechtsordnungen vorkommt, sondern um eine Generalzuständigkeit zur vertragsergänzenden Rechtssetzung. Vergleichbar breite Kompetenzen sieht der PCT für die PCT-Versammlung vor. Die breite Rechtssetzungsbefugnis von EPO-Verwaltungsrat oder PCT-Versammlung ist gewollt und notwendig, um die rasche Anpassungsfähigkeit und Weiterentwicklung dieser Abkommen sicherzustellen.
11. Die Ausführungsordnung zum EPÜ war daher das geeignete Instrument, um die Vorgaben der Richtlinie rasch und mit verbindlicher Wirkung in das europäische Patentrecht umzusetzen. Nach Artikel 164 (1) EPÜ ist die Ausführungsordnung Bestandteil des Übereinkommens und damit für die Beschwerdekammern des EPA (Art. 23 (3) EPÜ) und die nationalen Gerichte gleichermaßen verbindlich. Für die praktische Anwendung des Übereinkommens ist daher die mit der Ausführungsordnung vorgenommene Auslegung seiner Vorschriften allein verbindlich. Eine davon abweichende Interpretation des Übereinkommens wäre nur möglich, wo konkret nachgewiesen wird, daß eine solche Auslegungsregel dem Übereinkommen selbst widerspricht.
12. Die Konkretisierung der allgemeinen Bestimmungen des Übereinkommens durch Vorschriften der Ausführungsordnung ist als Instrument der Rechtsfortbildung notwendig und anerkannt. So wird z. B. in Regel 30 EPÜ der Begriff der Einheitlichkeit der Erfindung des Artikels 82 EPÜ verbindlich interpretiert. Gleiches gilt für die nähere Bestimmung der Offenbarungserfordernisse nach Artikel 83 EPÜ durch Regel 28 EPÜ.
13. Die Ergänzung der Ausführungsordnung um die für biotechnologische Erfindungen geltenden Auslegungsregeln unterstreicht zugleich, daß die allgemeinen Vorschriften des Übereinkommens auch für diese Erfindungen uneingeschränkt gelten, und wirkt der Schaffung von Sonderrecht entgegen.
DIE NEUEN BESTIMMUNGEN DER AUSFÜHRUNGSORDNUNG
14. In Teil 2 der Ausführungsordnung wurde das nachstehende neue Kapitel VI aufgenommen:
"KAPITEL VI
Biotechnologische Erfindungen
Regel 23b
Allgemeines und Begriffsbestimmungen
(1) Für europäische Patentanmeldungen und Patente, die biotechnologische Erfindungen zum Gegenstand haben, sind die maßgebenden Bestimmungen des Übereinkommens in Übereinstimmung mit den Vorschriften dieses Kapitels anzuwenden und auszulegen. Die Richtlinie 98/44/EG vom 6. Juli 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen ist hierfür ergänzend heranzuziehen.
(2) "Biotechnologische Erfindungen" sind Erfindungen, die ein Erzeugnis, das aus biologischem Material besteht oder dieses enthält, oder ein Verfahren, mit dem biologisches Material hergestellt, bearbeitet oder verwendet wird, zum Gegenstand haben.
(3) "Biologisches Material" ist jedes Material, das genetische Informationen enthält und sich selbst reproduzieren oder in einem biologischen System reproduziert werden kann.
(4) "Pflanzensorte" ist jede pflanzliche Gesamtheit innerhalb eines einzigen botanischen Taxons der untersten bekannten Rangstufe, die unabhängig davon, ob die Bedingungen für die Erteilung des Sortenschutzes vollständig erfüllt sind,
a) durch die sich aus einem bestimmten Genotyp oder einer bestimmten Kombination von Genotypen ergebende Ausprägung der Merkmale definiert,
b) zumindest durch die Ausprägung eines der erwähnten Merkmale von jeder anderen pflanzlichen Gesamtheit unterschieden und
c) in Anbetracht ihrer Eignung, unverändert vermehrt zu werden, als Einheit angesehen werden kann.
(5) Ein Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren ist im wesentlichen biologisch, wenn es vollständig auf natürlichen Phänomenen wie Kreuzung oder Selektion beruht.
(6) "Mikrobiologisches Verfahren" ist jedes Verfahren, bei dem mikrobiologisches Material verwendet, ein Eingriff in mikrobiologisches Material durchgeführt oder mikrobiologisches Material hervorgebracht wird.
Regel 23c
Patentierbare biotechnologische Erfindungen
Biotechnologische Erfindungen sind auch dann patentierbar, wenn sie zum Gegenstand haben:
a) biologisches Material, das mit Hilfe eines technischen Verfahrens aus seiner natürlichen Umgebung isoliert oder hergestellt wird, auch wenn es in der Natur schon vorhanden war;
b) Pflanzen oder Tiere, wenn die Ausführung der Erfindung technisch nicht auf eine bestimmte Pflanzensorte oder Tierrasse beschränkt ist;
c) ein mikrobiologisches oder sonstiges technisches Verfahren oder ein durch diese Verfahren gewonnenes Erzeugnis, sofern es sich dabei nicht um eine Pflanzensorte oder Tierrasse handelt.
Regel 23d
Ausnahmen von der Patentierbarkeit
Nach Artikel 53 Buchstabe a werden europäische Patente insbesondere nicht erteilt für biotechnologische Erfindungen, die zum Gegenstand haben:
a) Verfahren zum Klonen von menschlichen Lebewesen;
b) Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität der Keimbahn des menschlichen Lebewesens;
c) die Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken;
d) Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität von Tieren, die geeignet sind, Leiden dieser Tiere ohne wesentlichen medizinischen Nutzen für den Menschen oder das Tier zu verursachen, sowie die mit Hilfe solcher Verfahren erzeugten Tiere.
Regel 23e
Der menschliche Körper und seine Bestandteile
(1) Der menschliche Körper in den einzelnen Phasen seiner Entstehung und Entwicklung sowie die bloße Entdeckung eines seiner Bestandteile, einschließlich der Sequenz oder Teilsequenz eines Gens, können keine patentierbaren Erfindungen darstellen.
(2) Ein isolierter Bestandteil des menschlichen Körpers oder ein auf andere Weise durch ein technisches Verfahren gewonnener Bestandteil, einschließlich der Sequenz oder Teilsequenz eines Gens, kann eine patentierbare Erfindung sein, selbst wenn der Aufbau dieses Bestandteils mit dem Aufbau eines natürlichen Bestandteils identisch ist.
(3) Die gewerbliche Anwendbarkeit einer Sequenz oder Teilsequenz eines Gens muß in der Patentanmeldung konkret beschrieben werden."
ERLÄUTERUNGEN
Regel 23b Allgemeines und Begriffsbestimmungen
15. Regel 23b bekräftigt den Grundsatz, daß Erfindungen auf dem Gebiet der Biotechnologie bereits nach geltendem Recht patentierbar sind (vgl. auch RiLi EW 15), legt den Geltungsbereich der in Kapitel VI zusammengefaßten Vorschriften fest und enthält die grundlegenden Begriffsbestimmungen. Absatz 1 stellt klar, daß es sich dabei um Anwendungs- und Auslegungsvorschriften zum Übereinkommen handelt und sieht darüber hinaus vor, daß auch die Richtlinie selbst zu deren Auslegung ergänzend heranzuziehen ist. Damit soll im besonderen erreicht werden, daß auch die den Vorschriften der Richtlinie vorangestellten Erwägungsgründe Berücksichtigung finden und eine europaweit einheitliche Auslegung der einschlägigen Bestimmungen gefördert wird.
16. Regel 23b (2) definiert den Begriff der "biotechnologischen Erfindung" auf der Grundlage von Regel 28 (1) EPÜ und unter Heranziehung von Artikel 3 (1) der Richtlinie. Als biotechnologisch sind danach alle Erfindungen zu qualifizieren, die sich auf biologisches Material beziehen oder bei denen solches verwendet wird.
17. Regel 23b (3) enthält die Definition des "biologischen Materials", die bislang in Regel 28 (6) a) EPÜ enthalten war und bereits 1996, wie jetzt in Artikel 2 (1) a) der Richtlinie formuliert, in die Ausführungsordnung aufgenommen wurde (vgl. Beschluß des Verwaltungsrats vom 14.6.1996 - ABl. EPA 1996, 390). Aus Gründen der Übersichtlichkeit und Systematik wurde die Definition nun in die neue Regel 23b vorgezogen. Regel 28 EPÜ war entsprechend anzupassen (s. unten Nr. 28).
18. Regel 23b (4) übernimmt die Definition des Begriffs "Pflanzensorte" aus Artikel 5 (2) der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 über den Sortenschutz, die nach Artikel 2 (3) der Richtlinie verbindlich ist. Die Definition entspricht wörtlich dem Sortenbegriff, den das UPOV-Übereinkommen von 1991 in Artikel 1 vi) festlegt. Die Beschwerdekammern des EPA haben sich bei der Auslegung von Artikel 53 b) EPÜ bislang stets am Sortenbegriff des UPOV-Übereinkommens orientiert (vgl. T 49/83, T320/87, und zuletzt T356/93). Nicht übernommen wurden die Absätze 1, 3 und 4 des Artikels 5 der EU-Sortenschutzverordnung, da diese spezifisch sortenschutzrechtliche Fragen betreffen und für die Definition der nach Artikel 53 b) EPÜ nicht patentierbaren "Pflanzensorte" nicht benötigt werden.
19. Regel 23b (5) legt entsprechend Artikel 2 (2) der Richtlinie näher fest, wann ein Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren "im wesentlichen biologisch" ist. Damit wird insbesondere Artikel 53 b) EPÜ näher konkretisiert und klargestellt, daß nur Züchtungsverfahren, die vollständig auf natürlichen Phänomenen beruhen, von der Patentierung ausgeschlossen sind. Auch wenn die Beschwerdekammern des EPA dies bislang so noch nicht explizit entschieden haben (vgl. T 320/87, T 19/90, T 356/93), liegt die von den Kammern entwickelte Auslegung im Rahmen der mit der neuen Regel gegebenen Definition.
20. Regel 23b (6) faßt den Begriff des mikrobiologischen Verfahrens im Sinne von Artikel 53 b) EPÜ etwas weiter als dies der bisherigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern (T 356/93) zu entnehmen ist. In Übereinstimmung mit Artikel 2 (1) b) der Richtlinie fallen danach insbesondere auch Verfahren unter die Definition, die neben mikrobiologischen Schritten erfindungsgemäß auch nicht-mikrobiologische Verfahrensstufen umfassen.
Regel 23c Patentierbare biotechnologische Erfindungen
21. Regel 23c stellt klar, daß biotechnologische Erfindungen nach dem EPÜ grundsätzlich patentierbar sind. Die Vorschrift enthält dazu eine nicht abschließende Aufzählung von Gegenständen, deren Patentfähigkeit ausdrücklich festgestellt wird.
22. Regel 23c Buchstabe a) betrifft die patentrechtliche Abgrenzung von Erfindung und Entdeckung sowie den Neuheitsbegriff. In Übereinstimmung mit den geltenden Bestimmungen des Übereinkommens und der bisherigen Praxis des Amts sowie Artikel 3 (2) der Richtlinie wird ausdrücklich klargestellt, daß biotechnologisches Material auch dann patentfähig sein kann, wenn es in der Natur bereits vorkommt. Dies gilt insbesondere für Gene, die durch technische Verfahren aus ihrer natürlichen Umgebung herausgelöst und für die industrielle Produktion zur Verfügung gestellt werden. Solche Gene sind auch neu, weil sie bis dahin der Öffentlichkeit technisch nicht zur Verfügung standen.
23. Regel 23c Buchstabe b) berührt nicht den Patentierungsausschluß für Pflanzensorten und Tierrassen (bzw. Tierarten in der deutschen Terminologie des EPÜ) nach Artikel 53 b) EPÜ. Hier wird vielmehr klargestellt, daß eine Pflanzengesamtheit, die nur durch ein bestimmtes Gen - nicht aber durch ihr gesamtes Genom - gekennzeichnet ist, nicht dem Sortenschutz unterliegt und damit grundsätzlich patentfähig ist. Dies gilt auch, wenn eine solche Pflanzengesamtheit Pflanzensorten umfaßt. Die Vorschrift entspricht Artikel 4 (2) der Richtlinie und konkretisiert den Anwendungsbereich von Artikel 53 b) EPÜ (vgl. auch EW 29-31 der RiLi).
24. Regel 23c Buchstabe c) bekräftigt den Grundsatz des Artikels 53 b) EPÜ, wonach mikrobiologische oder sonstige technische Verfahren und die damit gewonnenen Erzeugnisse grundsätzlich patentfähig sind. Ausdrücklich klargestellt wird aber, daß Sachansprüche auf Pflanzensorten oder Tierrassen auch dann nicht gewährbar sind, wenn die Sorte oder Rasse mikrobiologisch erzeugt wird. Davon unberührt bleibt der abgeleitete Schutz einer solchen Sorte bzw. Rasse als unmittelbares Verfahrensprodukt. Die Regelung entspricht allgemein anerkannten Grundsätzen über die Wirkung von Sach- und Verfahrensschutz, die insbesondere im Zusammenhang mit den sog. Stoffschutzverboten entwickelt worden sind. Die Richtlinie enthält eine entsprechende Bestimmung in Artikel 4 (3).
Regel 23d Ausnahmen von der Patentierbarkeit
25. Regel 23d zählt eine Reihe von Gegenständen auf, die nach Artikel 53 a) EPÜ von der Patentierung ausgeschlossen sind. Die Aufzählung ist exemplarisch und als eine Konkretisierung der Begriffe "öffentliche Ordnung" und "gute Sitten" zu verstehen. Die Buchstaben a) -d) entsprechen wörtlich Artikel 6 (2) der Richtlinie und bedürfen keiner weiteren Erläuterung.
Regel 23e Der menschliche Körper und seine Bestandteile
26. Regel 23e stimmt wörtlich mit Artikel 5 der Richtlinie überein. Absatz 1 schließt den menschlichen Körper in allen Phasen seiner Entstehung und Entwicklung, insbesondere aber auch die menschlichen Keimzellen, von der Patentierung aus. Wie Absatz 2 klarstellt, gilt der Ausschluß aber nicht für isolierte oder durch technische Verfahren gewonnene Bestandteile des menschlichen Körpers. Diese, insbesondere Sequenzen oder Teilsequenzen von Genen sind danach auch dann patentfähig, wenn sie in ihrem Aufbau natürlich vorkommenden Bestandteilen entsprechen.
27. Mit Absatz 3 wird das in Regel 27 (1) f) EPÜ bereits enthaltene allgemeine Erfordernis, daß in der Beschreibung gegebenenfalls anzugeben ist, wie der Gegenstand einer Erfindung gewerblich anwendbar ist, für Sequenzen oder Teilsequenzen von Genen konkretisiert. Soweit solche Sequenzen Gegenstand einer Erfindung sind, muß daher insbesondere angegeben werden, welche Funktion die Sequenz und das damit hergestellte Protein haben.
ÄNDERUNG VON REGEL 28 ABSATZ 6 EPÜ
28. Regel 28 Absatz 6 erhielt folgende Fassung:
"(6) Abgeleitetes biologisches Material im Sinne des Absatzes 3 ist jedes Material, das noch die für die Ausführung der Erfindung wesentlichen Merkmale des hinterlegten Materials aufweist. Die in Absatz 3 vorgesehenen Verpflichtungen stehen einer für die Zwecke von Patentverfahren erforderlichen Hinterlegung eines abgeleiteten biologischen Materials nicht entgegen."
29. Die Streichung von Regel 28 (6) Buchstabe (a) ist eine Folgeänderung der inhaltlichen Übernahme der Definition des biologischen Materials in die neue Regel 23b (3) (vgl. oben Nr. 14). Da der Begriff des biologischen Materials für das Übereinkommen dort verbindlich festgelegt wird, muß in den Regeln 28 und 28a EPÜ nicht ausdrücklich auf Regel 23b (3) EPÜ Bezug genommen werden.
1 Vgl. ABl. EPA 1999, 437.
2 Richtlinie 98/44/EG - ABl. EPA 1999, 101; ABl. EG L 213 vom 30.7.1998, S. 13 ff.