4.3.4 Ermessen nach Artikel 12 (4) VOBK 2020
(i) Neues Vorbringen nicht zugelassen
In J 3/20 legte der Beschwerdeführer (Anmelder) mit der Beschwerdebegründung ein völlig neues Vorbringen hinsichtlich R. 139 EPÜ vor. Die Juristische Beschwerdekammer gelangte zu der Auffassung, dass dieses Vorbringen komplexe Rechts- und Sachfragen aufwerfen würde, die in der angefochtenen Entscheidung nicht behandelt worden seien und somit der Verfahrensökonomie zuwiderlaufen würden. Deshalb ließ die Juristische Beschwerdekammer dieses Vorbringen in Ausübung ihres Ermessens nicht für das Beschwerdeverfahren zu.
(ii) Neues Vorbringen zugelassen
In der Sache T 3272/19 vom 11. Februar 2021 date: 2021-02-11 bestand D14, das mit der Beschwerdebegründung vorgelegt wurde, aus einer einzelnen Tabelle mit einer Liste von Molekulargewichten, die einem im operativen Anspruch 1 spezifizierten Merkmal entsprachen. Die Kammer stellte fest, dass D14 nicht nur leicht verständlich war, sondern auch ein Merkmal betraf, das für den Ausgang der angefochtenen Entscheidung wesentlich war. Die Kammer führte weiter aus, dass die auf D14 basierenden Argumente des Beschwerdeführers (Einsprechenden) dieselbe Angriffslinie stützten, die schon während des Einspruchsverfahrens verfolgt wurde. Die Kammer betonte, dass D14 zwar früher hätte eingereicht werden können (da das Merkmal, auf das sich die Liste bezog, bereits im erteilten Anspruch 1 enthalten war), jedoch bei der ersten sich bietenden Gelegenheit in Reaktion auf die angefochtene Entscheidung eingereicht wurde. In Anbetracht dieser Umstände wurde D14 gemäß Art. 12 (4) VOBK 2020 zugelassen.
Für ein weiteres Beispiel, bei dem die Änderung nicht zu einem komplexen Gegenstand führte, siehe z. B. T 1655/20 (Ex-parte).