T 0305/94 20-06-1996
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Copolymere aus Acrylamid und Dimethylaminopropylacrylamid als Flockungsmittel und Verfahren zum Entwässern von Klärschlämmen unter Verwendung dieser Flockungsmittel
Neuheit (ja) - Im Rahmen der Neuheitsprüfung ist eine Entgegenhaltung aus der Sicht des Fachmanns zur Zeit des Veröffentlichungsdatums zu würdigen (Gründe 2.9.3)
Novelty - disclosed content of prior publication - relevant point of time - implicit disclosure
Late filed evidence - justification for late submission (no) - examination as to relevance
Law of evidence - procedure - request
Inventive step (yes)
Sachverhalt und Anträge
I. Die Erteilung des Europäischen Patents Nr. 228 637 der Chemischen Fabrik Stockhausen GmbH, angemeldet am 12. Dezember 1986 unter Beanspruchung einer DE-Priorität vom 19. Dezember 1985, wurde am 13. Juni 1990 auf der Grundlage von fünf Ansprüchen bekanntgemacht.
Die unabhängigen Ansprüche 1, 2 und 5 lauten:
"1. Wasserlösliche kationische Polyelektrolyte aus Copolymeren von Acrylamid und Dimethylaminopropylacrylamid, dadurch gekennzeichnet, daß es sich
a) um Pulverprodukte handelt, daß
b) das Dimethylaminopropylacrylamid mit Mineralsäuren neutralisiert oder quaterniert ist, daß
c) der Quotient aus Grenzviskosität der Copolymeren und dem Molverhältnis von Acrylamid zu Dimethylaminopropylacrylamid mindestens 200 ml/g ist, und
d) der Anteil an kationischen Monomeren im Copolymeren zwischen 4 und 80 Mol-% beträgt."
"2. Verfahren zum Entwässern von Klärschlämmen unter Verwendung von Copolymeren aus Acrylamid und Dimethylaminopropylacrylamid in Form von verdünnten wässrigen Lösungen als Flockungsmittel, dadurch gekennzeichnet, daß Copolymere aus Acrylamid und Dimethylaminopropylacrylamid verwendet werden, bei denen
a) das Dimethylaminopropylacrylamid mit Mineralsäure neutralisiert oder quaternisiert ist,
b) der Quotient aus Grenzviskosität der Copolymeren und dem Molverhältnis von Acrylamid zu Dimethylaminopropylacrylamid mindestens 200 ml/g ist, und
d) der Anteil des kationischen Monomeren im Copolymeren zwischen 4 und 80 Mol-% beträgt."
"5. Verfahren zur Herstellung von wasserlöslichen pulverförmigen kationischen Elektrolyten nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß man das Dimethylaminopropylacrylamid, welches nicht mehr als 30. ppm an bifunktionellen Verbindungen enthält, insbesondere im wesentlichen frei ist von bifunktionellen Verbindungen, zunächst mit Mineralsäuren neutralisiert oder in Quaternisierungsprodukte mit mineralsaurem Anion überführt, danach die so enthaltene wässrige Lösung des kationisierten Monomeren mit anteiligen Mengen Acrylamid vermischt, die erhaltene Monomerenmischung zu Copolymerisaten mit einem Quotienten aus Viskosität und molarem Anteil an kationischer Komponente von mindestens 200 ml/g polymerisiert, trocknet und zerkleinert."
Die restlichen Ansprüche 3 und 4 betreffen besondere Ausführungsformen des Verfahrens nach Anspruch 2.
II. Gegen das Patent wurde, gestützt auf die Bestimmungen des Artikels 100 a) und c) EPÜ, insbesondere wegen fehlender Neuheit und/oder erfinderischer Tätigkeit, gegenüber den Entgegenhaltungen
D1: US-A-3 014 896,
D2: EP-A-113 038,
D3: US-A-3 661 868,
D4: DE-A-3 046 978, und
D5: EP-A-160 527 (nachgenannt)
von der nunmehrigen Beschwerdeführerin SNF Floerger Einspruch erhoben.
III. Mit Ihrer am 30. November 1993 mündlich verkündeten und mit Datum vom 4. Februar 1994 schriftlich begründeten Entscheidung wies die Einspruchsabteilung den Einspruch zurück.
In dieser Entscheidung wurde die Korrektheit des Anspruchs 1 bezüglich Artikel 123 (2) EPÜ festgestellt. Auch die Neuheit des Gegenstands des Streitpatents im Umfang aller Ansprüche wurde anerkannt, weil der zitierte Stand der Technik, insbesondere die Entgegenhaltung D1, zwar kationische Polyelektrolyte aus Copolymeren von Acrylamid (AA) und Dimethylaminopropylacrylamid (DMAPAA) offenbare, jedoch nicht in Pulverform und auch nicht mit einem Quotienten aus Grenzviskosität und Molverhältnis AA : DMAPAA von mindestens 200 ml/g. Gleichfalls anerkannt wurde, daß der Gegenstand des Streitpatents auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, weil durch die beanspruchte Merkmalskombination eine Verbesserung der Flockungsmitteleigenschaften bewirkt werde und für den Fachmann weder in D1 noch einer anderen der zitierten Entgegenhaltungen, einzeln oder in Kombination, eine Anregung für eine solche Merkmalskombination, insbesondere hinsichtlich der Festlegung des genannten Quotienten, erkennbar sei.
IV. Gegen die genannte Entscheidung hat die Einsprechende (Beschwerdeführerin) am 6. April 1994 unter gleichzeitiger Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde eingelegt und dazu am 14. Juni 1994 eine Begründung vorgelegt, der ein "Affidavit" von Herrn Georges mit einer graphischen Viskositätsdarstellung ("viscosity (cps)" gegen "IV (ml/g)") von Trimethylaminopropylacrylamid/Acrylamid- Copolymeren verschiedenen Molekulargewichts angeschlossen war.
Die Beschwerdeführerin ergänzte ihr sachliches Vorbringen in einem Schriftsatz vom 24. November 1995.
V. Die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) widersprach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin in ihrem Schriftsatz vom 26. Oktober 1994, in dem sie auch die Resultate einer Nacharbeitung der Beispielsangaben in D1, Spalte 4, Zeile 46 bis Spalte 5, Tabelle III vortrug.
VI. In dem der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Bescheid vom 7. Februar 1996 faßte der Berichterstatter die strittigen Punkte zusammen und forderte die Beschwerdegegnerin u. a. auf, zu den von D1 abweichenden Viskositätsdaten ihrer Nacharbeitung der Entgegenhaltung D1 Stellung zu nehmen.
Dieser Bescheid sah eine Frist von spätestens 1 Monat vor der mündlichen Verhandlung für weitere Eingaben der Parteien vor.
VII. Mit ihrer Eingabe vom 20. Mai 1996 (am letzten Tage der im Bescheid gesetzten Frist) legte die Beschwerdeführerin einen Bericht von Dr. Wessjohann vor, der dessen Ergebnisse einer Nacharbeitung der Beispielsangaben gemäß Tabelle III und Spalte 4, Zeilen 46 - 55 der Entgegenhaltung D1 (Beispiel P2-A) enthielt und begründete die späte Vorlage dieser Resultate mit einer Kritik im Bescheid der Beschwerdekammer an den Daten im "Affidavit" von Herrn Georges. Ziel des Berichts von Dr. Wessjohann war es, glaubhaft zu machen, daß die gemäß D1 hergestellten DMAPAA/AA Copolymeren Grenzviskositäten aufweisen, die zu einem Wert des Quotienten aus Grenzviskosität und Molverhältnis AA : DMAPAA von mindestens 200 ml/g führen, wie er gemäß Merkmal c) des Anspruchs 1 des Streitpatents verlangt wird.
VIII. In Reaktion auf eine weitere Mitteilung der Kammer vom 3. Juni 1996 nahmen mit Eingaben vom 6. Juni 1996 bzw. 13. Juni 1996 die Beschwerdegegnerin und die Beschwerdeführerin zur Frage der Messung der Grenzviskosität in ihren jeweiligen Nacharbeitungen von D1 Stellung.
IX. Am 20. Juni 1996 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.
X. Die Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefaßt werden:
X.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents sei in der Entgegenhaltung D1 vorbeschrieben. Dies treffe neben den explizit genannten Merkmalen b) und d) auch für die nicht explizit genannten Merkmale a) und c) zu, denn die Bereitstellung von Pulverprodukten aus den in D1 offenbarten Gelen sei für den Fachmann eine Selbstverständlichkeit gewesen, und die von der Beschwerdeführerin vorgelegten experimentellen Daten ("Affidavit" von Herr Georges und Bericht von Dr. Wessjohann) bewiesen, daß gemäß den Angaben in D1, Spalte 4, Zeile 46 bis Spalte 5, Tabelle III hergestellte DMAPAA/AA Copolymere einen Quotienten aus Grenzviskosität und Molverhältnis AA : DMAPAA von weit über 200 ml/g aufwiesen, wenn diese Offenbarung mit dem Wissenstand des Fachmanns vor dem Prioritätstag des Streitpatents realisiert werde, d. h. insbesondere unter Verwendung für die Copolymerherstellung eines der damaligen aktuellen Qualität entsprechenden DMAPAA-Monomeren mit einem Gehalt an bifunktionellen Verunreinigungen (N-Allylacrylamid) von unter 30 ppm, wie ihn auch das Streitpatent gemäß
D6: EP-A-70 425 und
D7: DE-A-2 502 247
als bekannt vorraussetze. Dadurch werde nämlich automatisch ein hohes lineares Molekulargewicht des Copolymeren erzeugt, das die für den gewünschten Quotienten erforderliche hohe Grenzviskosität bedinge.
Somit seien die Polyelektrolyte gemäß Anspruch 1 des Streitpatents gegenüber D1 ebensowenig neu, wie ihre Verwendung zum Entwässern von Klärschlamm gemäß Anspruch 2, denn auch D1 betreffe dieselbe Verwendung. Der Vorwurf mangelnder Neuheit treffe aus denselben Gründen auch auf das Herstellungsverfahren gemäß Anspruch 5 des Streitpatents zu.
X.2 Selbst wenn die Neuheit der Anspruchsgegenstände anerkannt würde, fehle es aber an erfinderischer Tätigkeit, weil die Lösung der diesfalls gegenüber D1 noch bestehenden Aufgabe der Bereitstellung von DMAPAA/AA Copolymeren mit hohem linearen Molekulargewicht deshalb aus der Entgegenhaltung D5 nahegelegt sei, weil dort schon beschrieben sei, daß polymere organische Flockungsmittel zur Erreichung guter Flockungseigenschaften hohes Molekulargewicht aufweisen müßten und daß dazu geeignete Monomerqualitäten erforderlich seien.
XI. Die Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefaßt werden:
XI.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents sei gegenüber D1 schon deshalb neu, weil darin pulverförmige Copolymere (Merkmal a) nicht ausdrücklich offenbart seien und es auch unrichtig sei, daß der Fachmann die dort beschriebenen Gele unbedingt vor der Verwendung in Pulverform übergeführt hätte. Sie wies diesbezüglich u. a. auf die Entgegenhaltungen
D8: US-A-4 391 932 und
D9: Ullmanns Encyklopädie der technischen Chemie, 4. Auflage, Band 11, Seiten 583 und 584
hin. D8 begegne dem Problem einer aus ökonomischen Gründen zu geringen Transportkonzentration von wäßrigen Lösungen von hochmolekularen DMAPAA/AA Copolymeren über die Herstellung polymerreicher, leicht invertierbarer Wasser-in-Öl-Emulsionen und nicht durch Gewinnung eines Pulvers und D9 weise auf die schwierige Handhabung hochviskoser gelartiger Lösungen von polymeren Flockungshilfsmitteln hin.
Zur Feststellung, welchen Quotienten aus Grenzviskosität und Molverhältnis AA : DMAPAA die gemäß den Beispielsangaben in Spalte 4, Zeile 46 bis Spalte 5, Tabelle III von D1 hergestellten Copolymeren aufwiesen, hat auch die Beschwerdegegnerin diese nachgearbeitet, wobei sie durchwegs zu Werten kommt, die unter 200 ml/g liegen, also das Merkmal c) des Anspruchs 1 des Streitpatents nicht erfüllen.
Hinsichtlich der Ergebnisse im Bericht von Dr. Wessjohann kritisierte die Beschwerdegegnerin unter prozessualen Gesichtspunkten, daß ihre späte Vorlage ihr keine Zeit zur experimentellen Überprüfung gelassen habe, sachlich hielt sie diese Ergebnisse, soweit sie diese derzeit beurteilen konnte, insbesondere wegen der von D1 unterschiedlichen Aufarbeitung durch Trocknung der Copolymeren für nicht relevant.
Somit sei nicht nur die Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 gegenüber der Entgegenhaltung D1 belegt, sondern auch die der Gegenstände der weiteren unabhängigen Ansprüche 2 und 5.
XI.2 Was die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit betreffe, sei diese an der auch gegenüber dem nächsten Stand der Technik in D1 gültigen, im Streitpatent offenbarten Aufgabenformulierung zu messen. Weder D1, noch den weiteren im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen sei ein Hinweis auf die diesbezügliche, durch die Beispiele im Streitpatent belegte Vorteilhaftigkeit des ausgewählten Bereichs des Quotienten aus Grenzviskosität und Molverhältnis AA : DMAPAA zu entnehmen.
XII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde und hilfsweise die Verschiebung bzw. Neuansetzung der mündlichen Verhandlung oder den Übergang ins schriftliche Verfahren, falls die letzteingereichten Versuchsergebnisse von Dr. Wessjohann einer für sie ungünstigen Entscheidung zugrundegelegt werden sollten.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Spät eingereichte Beweismittel
2.1. Der Berichterstatter hat als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung die jeweilige Position der Parteien zur Frage der Offenbarung des Merkmals c) des Anspruchs 1 des Streitpatents resümiert und die Beschwerdegegnerin zu weiteren Erklärungen zu den von ihr vorgelegten Beweismitteln aufgefordert.
Im mit 7. Februar 1996 datierten Ladungsvordruck, dem obige Anlage beilag, war der Satz "Weitere Eingaben zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung müssen spätestens 1 Monat vor der mündlichen Verhandlung eingereicht werden" angekreuzt.
2.2. Erst am letzten Tag der oben genannten Frist hat die Beschwerdeführerin neue Versuchsergebnisse (Bericht von Dr. Wessjohann) eingereicht und auf Seite 1, zweiter Absatz ihres Schriftsatzes vom 20. Mai 1996, dem diese Versuchergebnisse beilagen, festgestellt: "Die Beschwerdekammer hat in ihrer Mitteilung ausgeführt, daß die von der Beschwerdeführerin eingereichten Versuchsergebnisse ... sich nicht auf die patentgemäßen Copolymere ... übertragen lassen."
2.3. Gemäß Artikel 114 (2) EPÜ braucht die Kammer Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten verspätet vorgebracht werden, nicht zu berücksichtigen.
2.4. Die Frage, ob ein spät ins Verfahren eingeführtes Beweismittel noch im Verfahren berücksichtigt werden kann, hängt sowohl von der Verfahrens- als auch von Sachsituation ab.
Stellt die späte Vorlage ein Gegenargument gegen einen Einwand des Gegners oder der Kammer dar, so gilt sie in der Regel nicht als verspätet (T 705/90 vom 15. Juli 1991, Gründe 9, T 238/92 vom 13. Mai 1993, Gründe 2.2).
Ohne ausreichenden Grund spät ins Verfahren eingeführte Beweismittel werden nach ständiger Praxis der Beschwerdekammern in der Regel dann berücksichtigt, wenn sie in dem Sinn relevant sind, daß sie für den Ausgang des Verfahrens bedeutsam scheinen (z. B. T 1002/92, ABl. EPA 1995, 605, Gründe 3.4, achter Absatz).
Ist im zweiseitigen Verfahren eine mündliche Verhandlung angesetzt, müssen experimentelle Ergebnisse überdies rechtzeitig davor eingereicht werden, um der anderen Partei Gelegenheit zu Gegenexperimenten zu geben (z. B. T 270/90 ABl. EPA 1993, 725, Gründe 2.2, letzter Absatz; T 939/90 vom 16. Dezember 1993, Gründe 2; T 375/91 vom 17. November 1994, Gründe 3.2; T 685/91 vom 5. Januar 1993, Gründe 2.2).
2.5. Im vorliegenden Fall war die in obigem Punkt 2.2 referierte Behauptung der Beschwerdeführerin, durch den Bescheid des Berichterstatters vom 7. Februar 1996 zur späten Vorlage des Berichts von Dr. Wessjohann veranlaßt worden zu sein, unzutreffend, denn dieser Bescheid beschränkte sich auf eine für die mündliche Verhandlung dienende Feststellung der wesentlichen Streitpunkte.
Die Kritik der Beschwerdegegnerin an dem "Affidavit" von Herrn Georges, die den eigentlichen Grund für die Vorlage des Berichts von Dr. Wessjohann darstellt, wurde aber bereits im Schriftsatz vom 26. Oktober 1994 geäußert und es bestand schon damals eindeutig Anlaß, dazu mit Versuchsergebnissen Stellung zu nehmen. Tatsächlich erfolgte die Eingabe des Berichts von Dr. Wessjohann aber erst ca. 20. Monate später, 1 Monat vor der mündlichen Verhandlung. Die Beschwerdeführerin hat keine Gründe geltend gemacht, die sie an einer früheren Eingabe gehindert hätten. Ein Zeitraum von 1 Monat ist überdies zu kurz für die Vorlage von Gegenversuchen, wenn, wie hier, relativ aufwendige chemische Reaktionen durchgeführt werden müssen (siehe die im vorstehenden Punkt, letzter Absatz zitierten Entscheidungen).
2.6. Die im Ladungsformular der Kammer vom 7. Februar 1996 gesetzte 1-Monatsfrist kann die späte Vorlage auch nicht rechtfertigen, denn diese Frist (Regel 71a (1) EPÜ) bezog sich hier nur auf die Vorbereitung der mündlichen Verhandlung im Rahmen der bestehenden Debatte, soweit diese in der Anlage zur Ladung spezifiziert worden war. Diese Frist eröffnet nicht die Möglichkeit zur Eröffnung einer, bisher versäumten auf neuen Beweismitteln fußenden Debatte (siehe auch T 39/93 vom 14. Februar 1996 (wird veröffentlicht), Gründe 3.3).
2.7. Es liegt somit kein ausreichender Grund zur späten Vorlage des Berichts von Dr. Wessjohann vor.
Auch aus der Anforderung weiterer Erklärungen zu diesem Bericht durch den Berichterstatter kann nicht abgeleitet werden, die Kammer habe die Verspätung für begründet gehalten (vgl. obigen Punkt VIII).
2.8. Nach Prüfung der Vorbringen der Beschwerdeführerin entschied die Kammer, den Bericht von Dr. Wessjohann wegen nicht ausreichender Relevanz nicht zu berücksichtigen.
2.8.1. Dies im wesentlichen deshalb, weil das Wessjohann- Beispiel P2-A zwar dieselben Comonomeren unter gleichen Bedingungen (im Maßstab 1/1,3) wie gemäß den Beispielsangaben in D1, Spalte 4, Zeile 46 bis Spalte 5, Tabelle III polymerisiert, sich aber besonders in einem Aspekt, nämlich der Reinheit des eingesetzten DMAPAA, von diesen Beispielsangaben unterscheidet, der von großer Bedeutung für den Wert der gemessenen Grenzviskosität und somit für die Frage der Erfüllung der Bedingung des Merkmals c) des Anspruchs 1 des Streitpatents durch die gemäß D1 hergestellten DMAPAA/AA Copolymeren ist.
2.8.2. Da beide Parteien darin übereinstimmten, daß die Anwesenheit von bifunktionellen Verunreinigungen einen erheblich vermindernden Einfluß auf das Molekulargewicht und damit die Grenzviskosität der hergestellten Copolymeren hat, ist die Wessjohann- Nacharbeitung P2-A, die diesbezüglich hochgereinigtes DMAPAA einsetzte, deshalb untauglich zu einer verläßlichen Aussage über die Grenzviskosität der gemäß D1 hergestellten Copolymeren und damit das Merkmal c) des vorliegenden Anspruchs 1, weil beide Parteien wegen des weit zurückliegenden Veröffentlichungsdatums von D1 (1961) ebenfalls übereinstimmend der Auffassung waren, daß das gemäß D1 eingesetzte DMAPAA einen relativ hohen Gehalt an bifunktionellen Verunreinigungen aufweisen mußte, der eine Molekulargewichtserniedrigung bewirkt.
2.8.3. Die Meinung der Beschwerdeführerin, dies spiele deshalb keine Rolle, weil Ergebnisse, die unter Verwendung einer zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents aktuellen DMAPAA-Qualität erzielt wurden, Teil der Offenbarung von D1 seien, steht im Widerspruch zur geltenden Auffassung des EPA, wonach der maßgebliche Zeitpunkt zur Beurteilung der Offenbarung einer Entgegenhaltung ("wirksamer Zeitpunkt") ihr Veröffentlichungsdatum sei. Eine Auslegung einer Entgegenhaltung unter Verwendung von Wissen, das der Fachwelt erst zwischen ihrem Veröffentlichungstag und dem Anmeldetag/Prioritätstag einer(s) Streitanmeldung (Streitpatents) zugänglich geworden ist, entspricht daher nicht den Kriterien zur Ermittlung der Offenbarung im Rahmen der Neuheitsprüfung, sondern gehört in den Bereich der Prüfung auf das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit (vgl. T 205/91 vom 16. Juni 1992, Gründe 4; Singer, Kommentar, N8 zu Artikel 54 EPÜ; Richtlinien C-IV, 7.3).
3. Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 gegenüber der Entgegenhaltung D1
3.1. Diese Entgegenhaltung offenbart ein lineares, wasserlösliches kationisches Copolymer von Acrylamid (AA) mit Dimethylaminopropylacrylamid (DMAPAA) oder Diethylaminopropylacrylamid (DEAPAA), das als Flockungsmittel für negativ geladene Kolloide geeignet ist, wobei im Copolymer auf eine DMAPAA- oder DEAPAA-Einheit 1 bis 13 AA-Einheiten kommen (Anspruch 1). Der Anteil an kationischen Monomer (DMAPAA) beträgt somit von 7,1 bis 50 Mol.-% und liegt daher vollständig innerhalb des Bereichs von 4 - 80 Mol.-% gemäß Merkmal d) in Anspruch 1 des Streitpatents.
Gemäß der Beispielsangabe in Spalte 4, Zeile 46 bis Spalte 5, Tabelle III wird die Monomermischung vor der Polymerisation mit Säure, z. B. HCl, H2SO4, zur Erreichung eines höheren Molekulargewichts neutralisiert, was der Maßnahme nach Merkmal b) in Anspruch 1 des Streitpatents entspricht.
Nach der Polymerisation wurde das Copolymer, ohne daß seine vorherige Isolierung offenbart wäre, zur Messung der Viskosität mit Wasser verdünnt (Spalte 4, Zeilen 54 -55). Gemäß Spalte 4, Zeilen 31 - 32 wurden "steife Gele" ("stiff gels") mit einem Gehalt an "aktivem Feststoff" ("active solids") 10 bis 35 % erhalten. Auch an anderer Stelle enthält D1 keinen expliziten Hinweis auf eine Isolierung des Copolymeren in Pulverform (Merkmal a) des Anspruchs 1 des Streitpatents).
In Tabelle III, in Spalte 5 von D1 sind für einige Copolymere Viskositätswerte in "centistokes", jedoch keine Grenzviskositäten angegeben. Somit fehlt in D1 eine positive Offenbarung dieses zur Bestimmung des Merkmal c) des Anspruchs 1 des Streitpatents wesentlichen Elements.
3.1.1. Merkmal a) des Anspruchs 1 des Streitpatents
Dieses Merkmal, das entsprechend den obigen Ausführungen in D1 nicht explizit genannt ist, kann auch nicht als in D1 implizit offenbart gelten, weil die Behauptung der Beschwerdeführerin, die Überführung des Copolymergels in die Pulverform sei für den Fachmann die einzige mögliche Endzubereitung, durch den verfügbaren Stand der Technik nicht gestützt ist.
Vielmehr beschreibt die Entgegenhaltung D5 mit Bezug auf den dortigen Stand der Technik, daß die Copolymeren dem Verbraucher in drei Formen zu Verfügung gestellt wurden: als konzentrierte wäßrige Lösung, als Dispersion oder als Pulver (überleitender Absatz der Seiten 2/3). Ähnlich offenbart die Entgegenhaltung D8, daß es notwendig war, hochmolekulare Copolymere der vorliegenden Art in verdünnter Lösung zu transportieren (Spalte 1, Zeilen 46 - 53).
Auch die Entgegenhaltung D9, Seite 583, rechte Spalte, vorletzter Absatz, betont die schwierige Handhabbarkeit derartiger gelartiger polymerer Flockungsmittel hohen Molekulargewichts und weist auf Seite 584, linke Spalte, 1. Absatz, letzter Satz auf die Möglichkeit hin, auf eine Trocknung zur verzichten und stark verdünnte wäßrige Lösungen zu verwenden.
Dieser Sachverhalt wird schließlich noch durch die Entgegenhaltung D4, Seite 14, 3. Absatz bestätigt, wo offenbart ist, daß die dort beschriebenen Polyelektrolyte aus AA und Dimethylaminoäthylacrylat auch in geringer Konzentration als Gele anfallen, "deren Überführung in Pulverform fast unmöglich ist".
Das Merkmal a) des Anspruchs 1 des Streitpatents (Vorliegen als Pulverprodukt) war für den Fachmann somit keine für die Copolymeren von D1 typische, implizite Selbstverständlichkeit und ist daher auch nicht Bestandteil seiner Offenbarung.
3.1.2. Merkmal c) des Anspruchs 1 des Streitpatents
3.1.2.1. Wie oben (Punkt 3.1) ausgeführt, offenbart D1 keine Grenzviskositäten für die gemäß Tabelle III hergestellten Copolymeren, weshalb es zur Berechnung des Quotienten aus der Grenzviskosität und dem Molverhältnis AA : DMAPAA an einer expliziten Offenbarung fehlt.
Als Beweismittel dafür, daß der genannte Quotient in D1 implizit offenbart sei, weil die gemäß den Beispielsangaben in Spalte 4, Zeile 46 bis Spalte 5, Tabelle III hergestellten Copolymeren Grenzviskositäten aufwiesen, die Werten des genannten Quotienten von über 200 ml/g (Untergrenze des Merkmals c) des Anspruchs 1 des Streitpatents), entsprechen müßten, legte die Beschwerdeführerin das "Affidavit" von Herrn Georges vor.
Wie folgend erläutert, ist dieses "Affidavit" allerdings nicht dazu geeignet, die implizite Offenbarung des Merkmals c) gemäß Anspruch 1 des Streitpatens zu beweisen.
3.1.2.2. Zur Ermittlung der Grenzviskosität der in D1 offenbarten Copolymeren legte Georges eine Kurve "Viskosität, gemessen in cps, gegen Grenzvikosität (= IV), gemessen in ml/g" vor, die auf experimentellen Messungen dieser Viskositäten von vier, unterschiedliche Molekulargewichte aufweisenden Copolymeren von Acrylamid (AA) und Acrylamidopropyl- Trimethylammoniumchlorid (TMAPAA) (mit Methylchlorid quaterniertes DMAPAA) im Monomerenverhältnis 1:1 beruht.
Diese Kurve wollte die Beschwerdeführerin dazu benützen, um den in Tabelle III von D1 in "centistokes" angegebenen Viskositäten dort nicht angegebene Grenzviskositäten zuzuordnen.
3.1.2.3. Diese Argumentation ist nicht überzeugend, weil aus folgenden Gründen erhebliche Zweifel bestehen, daß die gemessenen Copolymeren bezüglich ihrer Viskositätseigenschaften ausreichend vergleichbar mit den in Tabelle III von D1 offenbarten Copolymeren sind:
a) Die Kurve beruht auf Messungen eines anderen Copolymeren als des gemäß Tabelle III von D1 offenbarten, und zwar verwendete Herr Georges als Comonomer für AA nicht das Hydrochlorid von DMAPAA, sondern ein mit Methylchlorid quaterniertes DMAPAA. Zwar sind diese beiden Comonomeren strukturell sehr ähnlich, sie unterscheiden sich aber gerade in einem sowohl für die Polymerisationsreaktion, als auch für die Viskosität des hergestellten Copolymeren möglicherweise wichtigen Parameter, nämlich der Basizität des Amid-Stickstoffs (Bestandteil einmal der Dimethylammoniumhydrochlorid- und das andere Mal der Trimethylammoniumchlorid-Gruppe). Dadurch kann nicht nur der Reaktionsablauf beeinflußt werden, sondern die andere Ladungsqualität des Polyelektrolyts wirkt sich vermutlich auch auf die intermolekularen Kräfte und somit auf die Viskosität aus.
b) Welche Folgen auf die physikalischen Eigenschaften der kleine Strukturunterschied Dimethylammoniumhydrochlorid/Trimethylammoniumchlo rid haben kann, illustrieren deren unterschiedlichen Schmelzpunkte von 171 °C bzw. 277-8 °C (J. D'Ans und E. Lax, Taschenbuch für Chemiker und Physiker, Springer-Verlag, 1943, Seiten 445 und 599). Entsprechend muß vermutet werden, daß dieser Strukturunterschied auch Auswirkungen auf die Eigenschaften der Comonomeren TMAPAA und DMAPAA und in der Folge auch auf die daraus hergestellten Copolymeren mit AA hat.
c) Die von Herrn Georges für die Herstellung seiner (unterschiedlichen) Copolymeren gewählten Polymerisationsbedingungen weichen in zwei wesentlichen Parametern von den in D1, Spalte 4, Zeilen 46 bis Spalte 5, Tabelle III, offenbarten ab. Dies betrifft die Polymerisationstemperatur (0 °C gegenüber 60 °C in D1) und das katalytische System (Persulfat, Metabisulfit und NaH2PO2 gegenüber nur Kaliumpersulfat in D1). Diese nicht nachvollziehbaren Änderungen könnten die Struktur des resultierenden Copolymeren in einer Weise beeinflussen, die ihre Viskosität verändert.
d) Daß die oben diskutierten Unterschiede einen erheblichen Einfluß auf die gemessene Viskosität des Copolymeren haben können, zeigt auch die von der Beschwerdeführerin im Bericht von Dr. Wessjohann vorgelegte Nacharbeitung des Herstellungsbeispiels 1 des Streitpatents im Maßstab 1/50 (Wessjohann-Beispiel P-5), demzufolge die Copolymeren eine Viskosität von 58,0 mPa.s (= cps) und eine Grenzviskosität von 12300 ml/g aufweisen, während letztere nach den Angaben im "Affidavit" von Herrn Georges nur bei etwa 400 ml/g liegen dürfte.
3.1.2.4. Das "Affidavit" von Herrn Georges vermag daher nicht darzutun, daß die in D1, Spalte 4, Zeile 46 bis Spalte 5, Tabelle III, offenbarte Methode der Herstellung von AA/DMAPAA Copolymeren zu einem Wert des Quotienten aus Grenzviskosität und Molverhältnis AA : DMAPAA führt, der mindestens 200 ml/g ist (Merkmal c) des Anspruchs 1 des Streitpatents).
3.1.2.5. Dies um so mehr, als die Beschwerdegegnerin mit ihrer Eingabe vom 28. Oktober 1994 Resultate eigener Nacharbeitungen der Versuche gemäß D1, Spalte 4, Zeile 46 bis Spalte 5, Tabelle III, vorgelegt hat, die für das mit HCl neutralisierte AA/DMAPAA Copolymer (auch gemäß dem "Affidavit" von Herrn Georges wurden Ammoniumchloride hergestellt) eine Grenzviskosität von 600 ml/g und einen Quotienten aus Grenzviskosität und Molverhältnis AA : DMAPAA von nur 121 ml/g, also unterhalb dem Wert von 200 ml/g gemäß Merkmal c) des vorliegenden Anspruchs 1, zeigen.
3.1.2.6. Die Beschwerdeführerin hatte mit der Beschwerdebegründung sinngemäß die Einvernahme von Herrn Georges als Zeuge beantragt, "für den Fall, daß sein Affidavit nicht als genügend erachtet werde". Diese unbestimmte Begründung stellt keinen Beweisantrag nach Artikel 117 (3) EPÜ dar, da ein solcher erfordert, daß der Gegenstand bestimmt wird, zu dem Beweis geleistet werden soll. Da auch die Kammer angesichts der vorliegenden Beweislage eine Einvernahme von Herrn Georges als Zeuge nicht für erforderlich hielt, sah sie davon ab.
3.1.2.7. Bei dieser Sachlage muß geschlossen werden, daß das Merkmal c) des Anspruchs 1 des Streitpatents in der Entgegenhaltung D1 auch nicht implizit offenbart ist.
3.2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 erfüllt somit gegenüber der Entgegenhaltung D1 aufgrund des dortigen Fehlens der Merkmale a) und c) die Bedingung der Neuheit gemäß Artikel 54 EPÜ.
4. Neuheit der Gegenstände der unabhängigen Ansprüche 2 und 5 gegenüber der Entgegenhaltung D1
Da diese beiden Ansprüche das Merkmal c) des Anspruchs 1 ebenfalls enthalten, dessen Neuheit gegenüber der Entgegenhaltung D1 oben anerkannt wurde, folgt daraus auch die Neuheit der Gegenstände dieser Ansprüche 2 und 5.
5. Neuheit der Gegenstände aller unabhängigen Ansprüche gegenüber den weiteren im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen
Diesbezüglich wurden von der Beschwerdeführerin keine Argumente vorgetragen und auch die Kammer sieht keinen Anlaß zu einem auf einer derartigen Entgegenhaltung beruhenden Einwand fehlender Neuheit.
Die von der Beschwerdeführerin zitierten Entgegenhaltungen D2 bis D5 betreffen zwar kationische Polyelektrolyte, einschließlich Copolymere von Acrylamid mit Dimethylaminoalkylacrylsäure-Derivaten, und ihren Einsatz als Flockungsmittel; in keiner dieser Entgegenhaltungen findet sich aber ein Hinweis auf den in Merkmal c) des Anspruchs 1 des Streitpatents definierten Quotienten.
6. Erfinderische Tätigkeit
Es herrscht Einvernehmen zwischen den Parteien und auch die Kammer schließt sich dieser Auffassung an, daß die Entgegenhaltung D1 den nächstliegenden Stand der Technik darstellt.
Wie aus der obigen Diskussion der Neuheit (Punkt 3) hervorgeht, unterscheidet sich die Offenbarung von D1 vom Gegenstand des Streitpatents nach Anspruch 1 durch die fehlende Pulverzubereitung der Copolymeren und durch die Festlegung des Quotienten aus der Grenzviskosität des Copolymeren und dem Molverhältnis AA : DMAPAA, das gemäß vorliegendem Anspruch 1 mindestens 200 ml/g betragen muß.
6.1. Aufgabe und Lösung
6.1.1. Gemäß Seite 2, Zeilen 61 - 65 des Streitpatents (Erstunterlagen Seite 4, 3. Absatz) bestand die Aufgabe der Erfindung darin, die bekannten Flockungsmittel derart weiterzuentwickeln, daß ein von den Konditionier- und Entwässerungsbedingungen unabhängiges, d. h. bei unterschiedlichen Konditionier- und Entwässerungsbedingungen gleich gut wirksames Produkt erreicht wird, das hydrolysestabil und daher ausreichend lagerstabil ist und sich auch zur Flockung von alkalischen Schlämmen eignet.
6.1.2. Durch die Ergebnisse der im Streitpatent referierten Beispiele und Vergleichsbeispiele ist glaubhaft gemacht, daß der untere Grenzwert des Quotienten (Merkmal c) des Anspruchs 1) von kritischer Bedeutung für die Leistung des patentgemäßen Polyelektrolyts als Flockungsmittel bei unterschiedlichen Konditionierbedingungen (= Leistungsentrag beim Rühren) ist (Streitpatent, Seite 5, Erfindung 1 und 2; Seite 9, Vergleich 19 und 20; Seite 10, Zeilen 1 - 4. und 13 - 14).
6.1.3. Weitere Beispiele und Vergleichsbeispiele machen auch glaubhaft, daß die Wahl als Comonomer von Dimethylaminopropylacrylamid gegenüber Dimethylaminoethylacrylamid bezüglich der Unabhängigkeit von den Konditionierbedingungen (Seiten 8 und 9, Vergleich 15 - 18), der Hydrolysestabilität (und damit Lagerfähigkeit) (Seite 7, Erfindung 9 und 10; Vergleich 11 und 12) und der Flockungswirksamkeit gegenüber alkalischen Schlämmen (Seite 8, Erfindung 13 und Vergleich 14) vorteilhaft ist (siehe auch Seite 10, Zeilen 5 - 12 und 24 - 31).
6.1.4. Da die Offenbarung der Entgegenhaltung D1 sich bereits auf die Wahl als Comonomer von Dialkylaminopropylacrylamid beschränkt, können die in obigem Punkt 6.1.3 angeführten Vorteile gegenüber der Ethyl-Variante nicht mehr der gegenüber D1 zu lösenden Aufgabe zugerechnet werden.
Vielmehr kann die objektive Aufgabe gegenüber D1 nur in der gemäß 6.1.2 glaubhaft gemachten Verbesserung der Konditionier- und Entwässerungsbedingungen gesehen werden, die gemäß Streitpatent durch die geeignete Festlegung des im Merkmal c) des Anspruchs 1 definierten Quotienten aus Grenzviskosität und Molverhältnis AA : DMAPAA erreicht wird.
Was die Frage des Beitrags der Pulverzubereitung (Merkmal a) des Anspruchs 1) zur Aufgabenstellung betrifft, so weist das Streitpatent diesbezüglich auf Seite 1, Zeilen 26 - 30 nur auf das Problem der mangelnden Lagerstabilität von verdünnten wäßrigen Lösungen aus (Meth)acrylsäureester-Copolymeren hin und es wurde auch im Verlauf des Einspruchs- und Beschwerdeverfahrens nichts dazu ausgeführt, ob dasselbe Problem auch gegenüber den, den nächstliegenden Stand der Technik darstellenden, Acrylamid-Copolymeren gemäß D1 besteht. Die Vorteile der Pulverform können somit nur insoweit im Zusammenhang mit der Aufgabe berücksichtigt werden, als es den offensichtlichen Handhabungsvorteil von Pulvern gegenüber den in D1 offenbarten Lösungen betrifft.
6.2. Naheliegen
6.2.1. Die Frage, ob der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents auf erfinderischer Tätigkeit beruht, hängt somit zunächst davon ab, welche Anregungen der Fachmann aus dem zitierten Stand der Technik entnehmen kann, die ihn dazu führen, beim Einsatz der beanspruchten Polyelektrolyte als Flockungsmittel, die hier gestellte Aufgabe der verbesserten Unabhängigkeit von den Konditionier- und Entwässerungsbedingungen durch Festlegung eines bestimmten Quotienten aus Grenzviskosität des Copolymeren und Molverhältnis AA : DMAPAA (Merkmal c) des Anspruchs 1) zu lösen.
6.2.2. Wie oben ausgeführt (Punkt 3.1.2), ist in der Entgegenhaltung D1 weder eine explizite, noch eine implizite Information zu diesem Merkmal enthalten und entsprechend kann D1 auch keinen Hinweis zu einer diesen Parameter spezifizierenden Maßnahme enthalten, zumal D1 auch die hier gestellte Aufgabe nicht anspricht.
6.2.3. Da sich in keiner der von der Beschwerdeführerin zitierten Entgegenhaltungen D2 bis D5 ein Hinweis auf die vorliegende Aufgabe, noch auf den in Merkmal c) des Anspruchs 1 des Streitpatents definierten Quotienten (siehe obiger Punkt 5) findet, kann auch keine dieser Entgegenhaltungen einen Beitrag zur in Anspruch 1 spezifizierten Lösung der vorliegenden Aufgabe leisten.
6.2.4. Die Gültigkeit dieser Feststellung wird nicht dadurch beeinträchtigt, daß, wie die Beschwerdeführerin geltend gemacht hat, die Entgegenhaltung D5 im überleitenden Absatz der Seiten 1 und 2 schon darauf hinweise, daß es bekannt war, möglichst hochmolekulare polymere Flockungsmittel mit Grenzviskositäten bei kationischen Polymeren von bis zu 15 dl/g anzustreben (D5, Seite 2, Zeilen 12 - 16; dort "Intrinsic Viscosity IV"), und daß dort auch schon darauf hingewiesen werde, daß eine geeignete Monomerqualität für das Erreichen hoher Molekulargewichte wichtig sei (D5, überleitender Satz der Seiten 1 und 2).
Der Schluß der Beschwerdeführerin, daß es bei Berücksichtigung der Tatsache, daß die in Anspruch 1 des Streitpatents geforderte Untergrenze des Quotienten von 200 ml/g ein hohes Molekulargewicht des Copolymeren vorraussetze, naheliegend gewesen sei, solche DMAPAA-Monomere einzusetzen, die wenig bifunktionelle Verunreinigungen enthielten (wie sie z. B. aus D6 und D7 bekannt waren), um damit automatisch die nötigen hohen Molekulargewichte zu erhalten, die ebenso automatisch zu verbesserten Flockungsmitteleigenschaften führen müßten, überzeugt nämlich deshalb nicht, weil er einer rückschauenden Betrachtungsweise entspringt. Dieser Schluß beruht nämlich auf der falschen Annahme, die Entgegenhaltung D5 offenbare einen Zusammenhang zwischen der dort beschriebenen Vorteilhaftigkeit hoher Molekulargewichte für die Eigenschaften als Flockungsmittel und der hier bestehenden Aufgabe einer verbesserten Konditionier- und Entwässerungs- Versatilität.
Diese Annahme ist aber deshalb nicht gerechtfertigt, da D5 über diesen Aspekt der Flockungscharakteristik eines Polyelektrolyts schweigt. Vielmehr beschreibt D5 (Seite 12, Zeile 33 bis Seite 13, Zeile 27) die Flockungseffektivität ("flocculation performance") über den Feststoffanteil des Filterkuchens bzw. die "capillary suction time", welche auch auf die Eignung für Niedrig- oder Hochdruckfiltration hinweist (Seite 13, Zeilen 1 - 5). Diese letzgenannte Unterscheidung geht sogar, ebenso wie der Hinweis auf Seite 13, Zeilen 23 - 24, daß es notwendig ist, das Polymer der zu entwässernden Suspension anzupassen, in die Richtung einer gewissen Spezialisierung, die der patentgemäß angestrebten Entwicklung einer möglichst universellen Anwendungsmöglichkeit zuwiderläuft.
Darüber hinaus fällt auch auf, daß die in D5 empfohlene Lösung zur Verbesserung der Flockungseigenschaften ja gerade in einer Limitierung des Molekulargewichts nach oben, beginnend mit einer Untergrenze einer Grenzviskosität (IV) von 4 dl/g, durch kontrollierten Polymerabbau ist (Ansprüche 1 und 7; Seite 6, Zeilen 22 - 32) und den Fachmann daher in eine andere Entwicklungsrichtung zur Beeinflussung der Flockungseigenschaften führt.
6.2.5. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents beruht daher schon deshalb gegenüber dem zitierten Stand der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit, weil aus diesem das Merkmal c) (Quotient aus Grenzviskosität des Copolymeren und Molverhältnis AA : DMMPAA) nicht nahegelegt war.
Ein eventuelles Naheliegen des Merkmals a) (Pulverform) könnte daher die obige Anerkennung der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 1 nicht mehr beeinträchtigen. Es erübrigt sich somit ein weiteres Eingehen auf diese Frage.
6.2.6. Da auch die unabhängigen Ansprüche 2 und 5 das Merkmal c) des Anspruchs 1 als Bestandteil ihrer Definition enthalten, ist festzustellen, daß auch diese auf erfinderischer Tätigkeit beruhen. Anspruch 2 ist nämlich auf die Verwendung von Copolymeren gerichtet, die u. a. einen Quotienten aus Grenzviskosität und Molverhältnis AA : DMAPAA von mindestens 200 ml/g aufweisen (Merkmal b) dieses Anspruchs 2) und Anspruch 5 betrifft ein Verfahren zur Herstellung der pulverförmigen kationischen Elektrolyte nach Anspruch 1.
7. Die restlichen Ansprüche sind abhängig von Anspruch 2 und sind daher aus denselben Gründen neu und erfinderisch wie Anspruch 2.
8. In der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin erstmals Zweifel an der Ausführbarkeit des Patentgegenstandes (Artikel 100 b) in Verbindung mit Artikel 83 EPÜ) geäußert, und zwar speziell hinsichtlich der ausreichenden Offenbarung im Streitpatent des zu verwendenden gereinigten DMAPAA-Monomeren. Diese Beanstandung ergab sich aus der Äußerung der Beschwerdegegnerin, es bedürfe zur Herstellung der für den Erfolg des Streitpatents ausschlaggebenden besonders reinen (insbesondere mit Bezug auf bifunktionelle Verunreinigungen: Streitpatent, Seite 3, Zeilen 9 - 17) DMAPAA- Monomeren noch weiterer Reinigungsschritte, die in den Dokumenten D6 und D7, auf die das Streitpatent ausdrücklich verweist (Seite 3, Zeilen 34 - 36), nicht beschrieben seien.
Es wird hier offengelassen, ob dieser Angriff der Beschwerdeführerin nicht unberechtigterweise verspätet erfolgt ist, da er ohnehin materiell unbegründet ist, weil die Reinigung von Stoffen zur Routinearbeit eines Chemieingenieurs gehört, und somit selbst dann, wenn in D6 und D7 tatsächlich die gemäß Streitpatent benötigten besonders reinen DMAPAA-Monomeren nicht offenbart wären, eine weitere Reinigung vom Fachmann ohne weiteres aufgrund seines allgemeinen Fachwissens bewerkstelligt werden könnte.
9. Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Argumente, Fakten und Beweismittel stehen daher der Aufrechterhaltung des Streitpatents nicht entgegen.
Dem Hauptantrag der Beschwerdegegnerin, die Beschwerde zurückzuweisen, kann daher stattgegeben werden und ihre weiteren Anträge auf Verschiebung bzw. Neuansetzung der mündlichen Verhandlung oder Übergang ins schriftliche Verfahren (siehe obigen Punkt XII) fallen dahin.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.