BESCHWERDEKAMMERN
Entscheidungen der Technische Beschwerdekammern
Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer 3.5.1 vom 5. Dezember 2003 T 708/00 - 3.5.1
(Übersetzung)
Zusammensetzung der Kammer:
Vorsitzender: | S. V. Steinbrener |
Mitglieder: | R. R. K. Zimmermann |
| E. Lachacinski |
Anmelder: ALCATEL
Stichwort: Übertragungsrahmen/ALCATEL
Artikel: 82, 92 (1), 111 (1), 123 (1), 164 (2) EPÜ
Regel: 30, 44 (1), 45, 46 (1), 64 b), 67, 86 (4) EPÜ
Schlagwort: "Zulässigkeit der Änderungen nach Regel 86 (4) EPÜ (bejaht)" - "Zulässigkeit der Änderungen nach Regel 46 (1) EPÜ (bejaht)" - "Verfahrensmangel (bejaht)"
Leitsätze
I. Geänderte Ansprüche dürfen aufgrund der Regel 86 (4) EPÜ nur dann zurückgewiesen werden, wenn der Gegenstand der ursprünglich eingereichten Ansprüche und derjenige der geänderten Ansprüche so geartet sind, daß im hypothetischen Fall der ursprünglich gleichzeitigen Einreichung all dieser Ansprüche neben einer Recherchengebühr für die ursprünglich tatsächlich eingereichten Ansprüche auch eine weitere Recherchengebühr für die geänderten Ansprüche, die einer weiteren Erfindung im Sinne der Regel 46 (1) EPÜ entsprachen, zu entrichten gewesen wäre (s. Nrn. 3 bis 8 der Entscheidungsgründe).
II. Die Neuheitsschädlichkeit einer Entgegenhaltung für einen bestimmten beanspruchten Gegenstand ist kein hinreichender Grund, um a posteriori auf mangelnde Einheitlichkeit der beanspruchten Gegenstände zu schließen. Für die Feststellung der mangelnden Einheitlichkeit müßten diese Ansprüche eine "Gruppe von Erfindungen" definieren, d. h. verschiedene erfinderische Alternativlösungen oder konkretere erfinderische Ausführungsformen, die ursprünglich Teil derselben bekannten allgemeinen Idee waren. Artikel 82 und Regel 30 EPÜ sind in jedem Fall nur auf "Erfindungen" im Sinne dieser Bestimmungen anwendbar, d. h. Erfindungen, die jeweils einen erfinderischen Beitrag zu dem im Recherchenbericht angeführten Stand der Technik leisten (s. Nr. 16 der Entscheidungsgründe).
III. Eine Änderung, mit der der Gegenstand des Hauptanspruchs durch zusätzliche, in der ursprünglich eingereichten Anmeldung offenbarte Merkmale nachträglich beschränkt werden soll, beeinträchtigt generell weder nach Regel 86 (4) noch nach Regel 46 (1) EPÜ die Einheitlichkeit der Erfindung. Eine derartige Änderung stellt eine normale Reaktion eines Anmelders auf einen Einwand gegen die Patentierbarkeit desselben, nicht beschränkten Gegenstands dar, mit der dieser Anmelder - im Einklang mit Artikel 123 (1) EPÜ - den erhobenen Einwand ausräumen kann (s. Nr. 17 der Entscheidungsgründe).
Sachverhalt und Anträge
I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 94 401 988.4 (Veröffentlichungsnummer: 0 642 242) mit den Prioritätsjahren 1993 und 1994 betrifft eine Erfindung auf dem Gebiet der Telekommunikation.
II. Die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung enthielt drei unabhängige Ansprüche, die auf einen Übertragungsrahmen, einen Empfänger und einen Sender zur Übertragung von Datenrahmen gerichtet waren, und einen abhängigen Anspruch, der eine besondere Ausführungsform des Senders betraf. Die Ansprüche lauten wie folgt:
"1) Übertragungsrahmen mit einer Verriegelungszeile (00...0), Synchronisationsbits (1) und Informationsbits (B1 bis B62), wobei ein Synchronisationsbit der genannten Verriegelungszeile unmittelbar folgt, dadurch gekennzeichnet, daß dieser Rahmen mit einem Synchronisationsbit endet.
2) Empfänger für den Empfang von Datenrahmen, dadurch gekennzeichnet, daß er Synchronisationsmittel für jeden der empfangenen Rahmen umfaßt, wobei diese Rahmen entweder einem Kanal mit voller Übertragungsrate oder mindestens einem Unterkanal mit reduzierter Übertragungsrate mit jeweils eigenem Synchronisationsmuster entsprechen.
3) Sender zur Übertragung von Rahmen, die jeder aus einer Verriegelungszeile (00...0), Synchronisationsbits (1) und Informationsbits (B1 bis B62) bestehen, dadurch gekennzeichnet, daß er Mittel zur Einrahmung der genannten Verriegelungszeile mit zwei Synchronisationsbits umfaßt.
4) Sender gemäß Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, daß er bei Stopfbits am Ende der genannten Rahmen, die denselben Wert wie die genannten Synchronisationsbits (1) haben, Mittel umfaßt, um das letzte der genannten Stopfbits auf Befehl nur dann zu entfernen, wenn das voranstehende Informationsbit den Wert eines Synchronisationsbits hat."
III. Nach Auffassung der Recherchenabteilung enthielt die Anmeldung zwei Erfindungen, die den Anforderungen an die Einheitlichkeit der Erfindung nicht entsprachen. Die erste, durch die Ansprüche 1, 3 und 4 definierte Erfindung beziehe sich auf ein Übertragungssystem, bei dem ein Rahmen gemäß Anspruch 1 und ein entsprechender Sender verwendet würden, die zweite Erfindung sei der durch den Anspruch 2 definierte Empfänger. Die Recherchenabteilung erstellte für den Gegenstand der Ansprüche 1, 3 und 4 einen teilweisen europäischen Recherchenbericht nach Regel 46 (1) EPÜ und forderte die Anmelderin gemäß dieser Regel auf, eine weitere Recherchengebühr zu entrichten, wenn der europäische Recherchenbericht die zweite Erfindung erfassen sollte.
Die Anmelderin kam dieser Aufforderung nicht nach. Jedoch reichte sie nach Erhalt des europäischen Recherchenberichts und vor Erhalt des Erstbescheids der Prüfungsabteilung am 2. Mai 1995 geänderte Ansprüche 1 und 3 ein, wobei sie im wesentlichen klarstellte, daß die vom Sender übertragenen Rahmen einem Unterkanal zugeordnet seien.
Die Anmelderin bestritt die mangelnde Einheitlichkeit der Erfindung und brachte vor, die allgemeine erfinderische Idee bestehe darin, die Zahl der mehrdeutigen Fälle zu verringern, wenn Rahmen mit voller Übertragungsrate oder mit reduzierter Übertragungsrate unterschiedslos denselben Übertragungskanal passierten. Da der Rahmen mit voller Übertragungsrate und der entsprechende Sender bereits bekannt seien, richteten sich die Ansprüche notwendigerweise auf den Rahmen mit reduzierter Übertragungsrate, einen Empfänger, der diese beiden Arten von Rahmen unterscheiden könne, und einen Sender für Rahmen mit reduzierter Übertragungsrate.
Nach dem Erstbescheid reichte die Anmelderin am 19. Januar 2000 einen neuen Anspruchssatz ein, in dem erneut die Definition der Rahmen und des Senders präzisiert wurde, und der die folgenden unabhängigen Ansprüche umfaßte:
"1) Datenübertragungsrahmen mit einer Verriegelungszeile (00...0), Synchronisationsbits (1) und Informationsbits (B1 bis B62), dadurch gekennzeichnet, daß dieser Rahmen mit einem Synchronisationsbit endet, wobei dieser Rahmen einem Unterkanal mit reduzierter Übertragungsrate entspricht und dafür vorgesehen ist, an einen Empfänger für den Empfang von Rahmen übertragen zu werden, die entweder einem Kanal mit voller Übertragungsrate oder mindestens einem Unterkanal mit reduzierter Übertragungsrate mit jeweils eigenem Synchronisationsmuster entsprechen."
"4) Sender zur Übertragung von Datenrahmen mit jeweils einer Verriegelungszeile (00...0), Synchronisationsbits (1) und Informationsbits (B1 bis B62), dadurch gekennzeichnet, daß er Mittel zum Senden von Rahmen umfaßt, die mit einem Synchronisationsbit enden, wobei diese Rahmen einem Unterkanal mit reduzierter Übertragungsrate entsprechen und dafür vorgesehen sind, an einen Empfänger für den Empfang von Rahmen übertragen zu werden, die entweder einem Kanal mit voller Übertragungsrate oder mindestens einem Unterkanal mit reduzierter Übertragungsrate mit jeweils eigenem Synchronisationsmuster entsprechen."
"7) Empfänger für den Empfang von Datenrahmen mit jeweils einer Verriegelungszeile (00...0), Synchronisationsbits (1) und Informationsbits, dadurch gekennzeichnet, daß er Synchronisationsmittel für jeden der empfangenen Rahmen umfaßt, wobei diese Rahmen entweder einem Kanal mit voller Übertragungsrate oder mindestens einem Unterkanal mit reduzierter Übertragungsrate mit jeweils eigenem Synchronisationsmuster entsprechen und die Rahmen, die einem Unterkanal mit reduzierter Übertragungsrate entsprechen, mit einem Synchronisationsbit enden.
8) Empfänger für den Empfang von Datenrahmen mit jeweils einer Verriegelungszeile (00...0), Synchronisationsbits (1) und Informationsbits, dadurch gekennzeichnet, daß er Synchronisationsmittel für jeden der empfangenen Rahmen umfaßt, wobei diese Rahmen entweder einem Kanal mit voller Übertragungsrate oder mindestens einem Unterkanal mit reduzierter Übertragungsrate mit jeweils eigenem Synchronisationsmuster entsprechen und die Rahmen, die einem Unterkanal mit reduzierter Übertragungsrate entsprechen, mit Stopfbits enden, die denselben Wert wie die genannten Synchronisationsbits haben.
9) Empfänger für den Empfang von Datenrahmen mit jeweils einer Verriegelungszeile (00...0), Synchronisationsbits (1) und Informationsbits, dadurch gekennzeichnet, daß er Synchronisationsmittel für jeden der empfangenen Rahmen umfaßt, wobei diese Rahmen entweder einem Kanal mit voller Übertragungsrate oder mindestens einem Unterkanal mit reduzierter Übertragungsrate mit jeweils eigenem Synchronisationsmuster entsprechen und die Rahmen, die einem Unterkanal mit reduzierter Übertragungsrate entsprechen, mit Stopfbits enden, die denselben Wert wie die genannten Synchronisationsbits haben, und das letzte der genannten Stopfbits nur dann entfernt wird, wenn das voranstehende Informationsbit den Wert eines Synchronisationsbits hat."
IV. Die Prüfungsabteilung hat die behauptete mangelnde Einheitlichkeit der Erfindung nie ausdrücklich begründet. Im Erstbescheid wurde die Auffassung der Recherchenabteilung pauschal bestätigt und die Anmelderin aufgefordert, aus der Anmeldung die andere, den Empfänger betreffende Erfindung herauszunehmen, die nicht recherchiert worden war. Nur in bezug auf die erste Erfindung, d. h. den Gegenstand der Ansprüche 1, 3 und 4 in der ursprünglich eingereichten Fassung, stellte die Prüfungsabteilung fest, daß diese durch die Entgegenhaltung D1 (US-A-4 651 319, veröffentlicht 1987) vorweggenommen werde. Ferner wurden die geänderten Ansprüche vom 28. April 1995 nach Regel 86 (4) EPÜ zurückgewiesen, weil das Konzept der Zuordnung der Rahmen zu einem Unterkanal nur im ursprünglich eingereichten und nicht recherchierten Anspruch 2 erwähnt worden sei und in Anbetracht der genannten Vorveröffentlichung der Gegenstand dieser Ansprüche mit den recherchierten Teilen keine einzige allgemeine erfinderische Idee verwirkliche.
In einem Telefongespräch mit der Anmelderin wurden die am 19. Januar 2000 mit einem erläuternden Schreiben eingereichten neuen Ansprüche ihrerseits nach Regel 86 (4) EPÜ nicht akzeptiert, und zwar im wesentlichen aus denselben Gründen wie die vorherigen. Die Anmelderin war vorab auf eine mögliche Zurückweisung der Anmeldung hingewiesen worden.
V. Mit Entscheidung vom 27. April 2000 wurde die Anmeldung im wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, daß die neuen Ansprüche nach Regel 86 (4) EPÜ nicht zulässig seien.
In den Entscheidungsgründen wurde die zuvor von der Prüfungsabteilung vertretene Auffassung über die Einheitlichkeit der Erfindung wieder aufgegriffen, wonach keine allgemeine erfinderische Idee vorliege, und lediglich ergänzt, daß die Ansprüche 1, 3 und 4 in der ursprünglich eingereichten Fassung in keiner Weise den Begriff der Kanäle mit voller Übertragungsrate bzw. mit reduzierter Übertragungsrate definierten. Nach Ansicht der Prüfungsabteilung bestand der neue Anspruch 1 vom 19. Januar 2000 aus einer "Kombination des ursprünglich eingereichten Anspruchs 1, in den lediglich Merkmale des ursprünglich eingereichten Anspruchs 2 aufgenommen wurden", der nicht recherchiert worden war. Der angefochtenen Entscheidung zufolge waren die einzigen gemeinsamen Merkmale der ursprünglich recherchierten Ansprüche und des neuen Anspruchs 1 diejenigen des ursprünglich eingereichten Anspruchs 1, die durch den verfügbaren Stand der Technik vollständig vorweggenommen worden seien. Die vier weiteren neuen unabhängigen Ansprüche 4, 7, 8 und 9 vereinten "die Merkmale der ursprünglich eingereichten Ansprüche 1, 3, 4 und 2" und seien damit gleichfalls auf Gegenstände gerichtet, die nicht recherchiert worden seien und auch nicht zusammen mit der ursprünglich beanspruchten Erfindung eine einzige allgemeine erfinderische Idee verwirklichten.
VI. Am 16. Juni 2000 legte die Anmelderin gegen diese Entscheidung Beschwerde ein und entrichtete am selben Tag die Beschwerdegebühr. Das einzige Schreiben zur Einlegung der Beschwerde enthält keinerlei ausdrückliche Beanstandung der angefochtenen Entscheidung, deren Aufhebung beantragt wird. Am 20. Juni 2000 wurde eine Beschwerdebegründung per Telefax übermittelt.
VII. Die Beschwerdeführerin machte insbesondere geltend, daß die der Erfindung zugrunde liegende technische Aufgabe darin bestanden habe, einen Empfänger für den Empfang von Datenrahmen, die entweder einem Kanal mit voller Übertragungsrate oder mindestens einem Unterkanal mit reduzierter Übertragungsrate mit jeweils eigenem Synchronisationsmuster entsprechen, zu befähigen, ohne vorherige Kenntnis des empfangenen Kanaltyps diesen Kanal ohne Gefahr der Verwechslung zwischen beiden Kanaltypen zu erkennen. Zur Lösung dieser Aufgabe ist für Rahmen, die einem Unterkanal mit reduzierter Übertragungsrate entsprechen, das Merkmal des mit einem Synchronisationsbit endenden Rahmens erforderlich.
Entscheidungsgründe
Zulässigkeit
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Die Beschwerde entspricht nämlich den Zulässigkeitserfordernissen der Artikel 106 bis 108 EPÜ sowie der Regeln 1 (1), 64 a) und auch 64 b) EPÜ nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern, derzufolge die Gesamtumstände, unter denen die angefochtene Entscheidung erlassen wurde, und der objektive Erklärungsinhalt der Beschwerdeschrift in Betracht zu ziehen sind, um den objektiven Willen der Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Stellung des der Beschwerde zugrunde liegenden Antrags zu ermitteln (vgl. "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts", 4. Auflage 2001, EPA 2002, S. 594 ff.)
Begründetheit
2. Der Beschwerde ist auch in der Sache stattzugeben, da die Prüfungsabteilung der Beschwerdeführerin zu Unrecht die geänderten Ansprüche versagt hat.
Zulässigkeit der Änderungen nach Regel 86 (4) EPÜ
3. Die Prüfungsabteilung begründete die Zurückweisung der Anmeldung mit Regel 86 (4) EPÜ. Diese Regel, die 1995 durch Beschluß des Verwaltungsrats vom 13. Dezember 1994 in das Übereinkommen eingefügt wurde, lautet wie folgt:
"Geänderte Patentansprüche dürfen sich nicht auf nicht recherchierte Gegenstände beziehen, die mit der ursprünglich beanspruchten Erfindung oder Gruppe von Erfindungen nicht durch eine einzige allgemeine erfinderische Idee verbunden sind."
4. In den drei Sprachfassungen dieser Regel ergeben sich Probleme der rechtlichen Auslegung insbesondere der Formulierung "nicht recherchierte Gegenstände". Tatsächlich wird nämlich dem Anmelder nur das Ergebnis der Recherche in Form eines Recherchenberichts mit den im Übereinkommen vorgeschriebenen Angaben mitgeteilt. Sieht man von dem in Regel 45 EPÜ geregelten Sonderfall der unvollständigen Recherche ab, so lassen sich aus den Angaben des Recherchenberichts keine vollständigen Informationen über den Umfang der recherchierten bzw. nicht recherchierten Gegenstände herleiten. Nach Regel 44 (2) EPÜ sind zwar im Recherchenbericht die maßgeblichen Teile jeder Entgegenhaltung im Zusammenhang mit den jeweiligen Patentansprüchen aufzuführen, doch weisen diese Angaben nur darauf hin, auf welche Ansprüche sich die recherchierten Schriftstücke beziehen.
Zum anderen dürfen die Bestimmungen des Artikels 92 (1) EPÜ, wonach "die Recherchenabteilung den europäischen Recherchenbericht auf der Grundlage der Patentansprüche unter angemessener Berücksichtigung der Beschreibung und der vorhandenen Zeichnungen [erstellt]", nicht dazu führen, daß die Recherche auf den Gegenstand der Ansprüche allein beschränkt wird, auch wenn ein solches Vorgehen für die Recherchenabteilungen die einfachste Lösung wäre.
Das heißt auch nicht, daß die Beschreibung und die Zeichnungen nur zur Auslegung der Ansprüche dienen sollten. Vielmehr bedeutet es, daß die Recherchenabteilung über einen Ermessensspielraum verfügt, der mit Bedacht genutzt werden soll, damit sich die Recherche genau auf den Gegenstand der Patentanmeldung (vgl. R. 44 (1) EPÜ), das heißt die Erfindung, bezieht, auch wenn die wesentlichen Merkmale zum Zeitpunkt der Recherche noch nicht sämtlich in den Ansprüchen definiert, sondern beispielsweise in der Beschreibung oder den Zeichnungen offenbart wären. In den Richtlinien für die Prüfung im EPA (s. Teil B, Kapitel III, 3.2 u. 3.6) heißt es denn auch ausdrücklich, daß sich die Recherche auf das erstrecken muß, was augenscheinlich die wesentlichen Merkmale der Erfindung sind, und den gesamten Gegenstand erfassen sollte, auf den die Ansprüche gerichtet sind, oder auf den sie, wie vernünftigerweise erwartet werden kann, nach einer Anspruchsänderung gerichtet werden könnten.
Der Gegenstand der Erfindung, auf den sich die Recherche tatsächlich erstreckt, wird allerdings dem Anmelder nicht mitgeteilt, und so verfügt weder die Prüfungsabteilung noch die Beschwerdekammer über irgendwelche Auskünfte hierzu. Folglich ist es unmöglich nachzuprüfen - da kein negativer Beweis erbracht werden kann -, welche Gegenstände nach Regel 86 (4) EPÜ "nicht recherchiert" worden sind.
Eine weitere Schwierigkeit bei der Auslegung der Regel 86 (4) EPÜ rührt von der Häufung der Verneinungen im Wortlaut dieser Regel her. Dies führt dazu, daß ein geänderter Anspruch auch bei nicht recherchiertem Anspruchsgegenstand dann als zulässig gelten muß, wenn die Änderungen mit der ursprünglich beanspruchten Erfindung oder Gruppe von Erfindungen in der Weise verbunden sind, daß Einheitlichkeit besteht.
5. Die genannten Auslegungsschwierigkeiten lassen sich weder durch den Kontext noch durch den Wortlaut der Regel 86 (4) EPÜ ausräumen, zumal das Übereinkommen keine direkte Aussage über den Zweck dieser Regel enthält. Es müssen demzufolge ergänzende Auslegungsmittel wie die vorbereitenden Dokumente oder die anläßlich der Einführung der genannten Regel veröffentlichten Dokumente herangezogen werden. Diesem Erfordernis, auf sekundäre Auslegungsmittel zurückzugreifen, wurde bereits in Entscheidungen der Beschwerdekammern zur Regel 86 (4) EPÜ Rechnung getragen, z. B. T 613/99, Nummer 2.1 der Entscheidungsgründe, und T 443/97, Nummer 2.3 der Entscheidungsgründe (beide Entscheidungen nicht im ABl. EPA veröffentlicht), die sich dabei auf eine Mitteilung des Europäischen Patentamts vom 1. Juni 1995 (ABl. EPA 1995, 409) sowie das Dokument CA/12/94 stützen, das sich u. a. an den Verwaltungsrat richtete, der den Beschluß zur Aufnahme der Regel 86 (4) EPÜ in die Ausführungsordnung zum Übereinkommen fassen sollte.
Diesen Dokumenten zufolge war im Übereinkommen eine Lücke in bezug auf das Wechseln auf nicht recherchierte Teile in der Antwort auf den ersten Prüfungsbescheid zu schließen. In diesem Zusammenhang verweisen die genannten Dokumente auf die Praxis des Amts und die Rechtsprechung der Großen Beschwerdekammer, die zu Änderungen im Rahmen der ursprünglichen Ansprüche die Auffassung vertrat, daß ein Anmelder, der es unterläßt, auf eine Aufforderung der Recherchenabteilung nach Regel 46 (1) EPÜ weitere Recherchengebühren zu entrichten, diese Anmeldung nicht für einen Gegenstand weiterverfolgen kann, für den keine Recherchengebühren entrichtet wurden (Stellungnahme G 2/92 - Nichtzahlung weiterer Recherchengebühren, ABl. EPA 1993, 591). Eine entsprechende Handhabe fehlte, wenn uneinheitliche Gegenstände im Zeitpunkt der Recherche noch nicht beansprucht waren. Regel 86 (4) EPÜ stellte also klar, daß Änderungen der Anmeldung ausgeschlossen sind, wenn sie zur Umgehung des Grundsatzes führen würden, daß eine Erfindung nur geprüft wird, wenn eine Recherchengebühr entrichtet wurde.
6. Wie dies auch für das allgemeine Erfordernis der Einheitlichkeit der Erfindung gilt, hat das Schließen dieser Lücke durch die Regelung nur den Wert einer Verwaltungsbestimmung im Rahmen des Recherchen- und des Erteilungsverfahrens. In jedem Fall ist die Regel 86 (4) EPÜ ebenso wie die Bestimmungen über die Einheitlichkeit der Erfindung oder die Entrichtung einer weiteren Recherchengebühr nach Regel 46 (1) EPÜ zugunsten des Anmelders auszulegen (vgl. z. B. Richtlinien für die Prüfung im EPA, Teil C, Kapitel III, 7.7).
7. Bei der Auslegung der Regel 86 (4) EPÜ ist sorgfältig abzuwägen zwischen dem Zweck dieser Regel, nämlich dem Interesse des Amts, für seine Leistungen Recherchen- und Prüfungsgebühren zu erheben, und dem vom Übereinkommen dem Anmelder zuerkannten Grundrecht, zumindest einmal Änderungen der Beschreibung, der Patentansprüche und der Zeichnungen vorzunehmen, die sich im Erteilungsverfahren als notwendig erweisen. Dieses Recht wird durch Artikel 123 (1) Satz 2 EPÜ bestimmt, so daß es angesichts von Artikel 164 (2) EPÜ nicht denkbar ist, dieses Recht durch eine Auslegung von Bestimmungen, die nur in der Ausführungsordnung verankert sind, zu beeinträchtigen. So würde das Recht des Anmelders verletzt, wenn ihm, wie es im vorliegenden Fall tatsächlich geschah, nicht gestattet würde, einen Einwand mangelnder Neuheit oder erfinderischer Tätigkeit durch Konkretisierung der beanspruchten Erfindung auszuräumen.
In Anbetracht des Zwecks der Regel 86 (4) EPÜ und des Eingriffs in das Grundrecht des Anmelders, die Anmeldung zumindest einmal zu ändern, ist diese Regel 86 (4) EPÜ eng auszulegen und ihre Anwendung auf das erwähnte Umgehen der Verpflichtung zur Entrichtung ausreichender Recherchen- und Prüfungsgebühren zu begrenzen, d. h. auf die Fälle, in denen die vorgenannte Rechtsprechung der Großen Beschwerdekammer in bezug auf Regel 46 (1) EPÜ nicht anwendbar ist. Diese Rechtsprechung und die Regel 86 (4) EPÜ sind mithin von streng komplementärer Natur.
Dementsprechend ist die Regel 86 (4) EPÜ nicht auf den Fall anwendbar, daß der Anmelder ungeachtet der Aufforderung nach Regel 46 (1) EPÜ keine Recherchengebühr für eine uneinheitliche Erfindung entrichtet hat, auf die die ursprünglich eingereichten Ansprüche gerichtet waren. Für eine solche Erfindung kann er seine Anmeldung nicht weiterverfolgen, sondern muß eine Teilanmeldung einreichen, wenn er dafür Schutz begehrt (s. obengenannte Stellungnahme G 2/92). Im selben Zusammenhang haben die Kammern in den Entscheidungen T 319/96 (nicht im ABl. EPA veröffentlicht), Nummer 8 der Entscheidungsgründe, und T 631/97 - Dotierte Gebiete/TOSHIBA (ABl. EPA 2001, 13), Nummer 3.9.1 der Entscheidungsgründe, klar unterschieden zwischen der Anwendung der Regel 86 (4) EPÜ und der Sachlage bei unterlassener Entrichtung der Recherchengebühr nach Aufforderung gemäß Regel 46 (1) EPÜ.
8. In Anbetracht der in Regel 86 (4) EPÜ enthaltenen Einschränkung, mit der verhindert werden soll, daß die Verpflichtung zur Entrichtung von Recherchen- und Prüfungsgebühren für nacheinander beanspruchte uneinheitliche Erfindungen umgangen wird, dürfen geänderte Ansprüche aufgrund dieser Regel nur dann zurückgewiesen werden, wenn der Gegenstand der ursprünglich eingereichten Ansprüche und derjenige der geänderten Ansprüche so geartet sind, daß im hypothetischen Fall der ursprünglich gleichzeitigen Einreichung all dieser Ansprüche neben einer Recherchengebühr für die ursprünglich tatsächlich eingereichten Ansprüche auch eine weitere Recherchengebühr für die geänderten Ansprüche, die einer weiteren Erfindung im Sinne der Regel 46 (1) EPÜ entsprachen, zu entrichten gewesen wäre.
9. Im vorliegenden Fall zeigt sich, daß nach der vorstehenden Analyse die Regel 86 (4) EPÜ nicht hätte angewandt werden dürfen, da der unabhängige Anspruch 2 in der ursprünglichen Fassung und die unabhängigen Ansprüche in der Fassung vom 19. Januar 2000 auf eine Gruppe von Erfindungen gerichtet waren, die untereinander in der Weise verbunden waren, daß sie dem Erfordernis der Einheitlichkeit der Erfindung genügten und nur eine einzige Recherchengebühr zu entrichten gewesen wäre.
Das erklärte Ziel der Erfindung bestand nämlich darin, einen Datenübertragungskanal mit voller Übertragungsrate oder nach Unterteilung des Kanals einen oder mehrere Unterkanäle mit reduzierter Übertragungsrate mit einem unveränderten und an sich bekannten Rahmen von Datenpaketen zur Informationsübertragung effizient nutzen zu können (s. veröffentlichtes Dokument, Spalte 1, Z. 26 bis Spalte 2, Z. 24 der Beschreibung).
Die allgemeine erfinderische Idee besteht darin, daß die vom Empfänger benötigten Informationen über den Übertragungsmodus, d. h. die Informationen, anhand deren festgestellt werden kann, ob das Datenpaket aus einer Übertragung mit voller Übertragungsrate oder einer Multiplex-Übertragung mit reduzierter Übertragungsrate herrührt, durch eine geeignete Veränderung eines an sich bekannten Datenformats (z. B. V.110, vgl. Spalte 2, Z. 34 ff. und Spalte 8, Z. 6 ff. der Offenlegungsschrift) zusammen mit dem Datenpaket kodiert und an den Empfänger übertragen werden müssen. Die beanspruchten Merkmale des Datenformats stehen also in engem technischem Zusammenhang mit den Funktionsmerkmalen des Senders, die diesen befähigen, Datenpakete im gewünschten Format zu erzeugen und zu senden, und denjenigen des Empfängers dieser Datenpakete, der entsprechende technische Merkmale aufweisen muß, damit diese Datenpakete korrekt erkannt werden.
In ihrer Entscheidung zieht die Prüfungsabteilung weder einen Stand der Technik an, der diese allgemeine erfinderische Idee nahelegen oder ihre Neuheit zerstören würde, noch entsprechende Merkmale, die offensichtlich einen technischen Zusammenhang im Sinne der Regel 30 EPÜ zwischen dem Datenpaket, dem Sender und dem Empfänger herstellen würden, die im unabhängigen Anspruch 2 (ursprüngliche Fassung) und in den unabhängigen Ansprüchen der geänderten Fassung beansprucht werden.
10. Demzufolge durfte die (hypothetische) Verbindung der Ansprüche vom 19. Januar 2000 und der ursprünglich eingereichten Ansprüche die Prüfungsabteilung nicht veranlassen, die Anmelderin nach Regel 46 (1) EPÜ zur Entrichtung einer weiteren Gebühr aufzufordern. Somit war die Nichtzulassung der geänderten Ansprüche nach Regel 86 (4) EPÜ unbegründet.
Zulässigkeit der Änderungen nach Regel 46 (1) EPÜ
11. Aufgrund der komplementären Natur der Regel 86 (4) EPÜ und der Regel 46 (1) EPÜ, wie letztere nach der Rechtsprechung der Großen Beschwerdekammer auszulegen ist, hätten die geänderten Ansprüche für unzulässig erklärt werden müssen, da die von der Recherchenabteilung geforderte weitere Recherchengebühr für den Gegenstand des Anspruchs 2 nicht entrichtet und das Verfahren nur auf der Grundlage der "ersten Erfindung", d. h. für den Gegenstand der Ansprüche 1, 3 und 4, weiterverfolgt wurde.
Es ist festzuhalten, daß im vorliegenden Fall der neue beanspruchte Gegenstand inhaltlich durch die wesentlichen Bestandteile der beiden von der ersten Instanz als uneinheitlich erachteten Erfindungen bestimmt wird. Die Überprüfung dieser Behauptung ist daher von übergeordneter Bedeutung für die Beantwortung der Frage nach der Zulässigkeit der geänderten Ansprüche nach Regel 46 (1) EPÜ.
Verpflichtung zur Entrichtung einer weiteren Recherchengebühr
12. Die Kammer wird im Rahmen der Zuständigkeit der Prüfungsabteilung tätig und hat in diesem Sinne die Begründetheit der Mitteilung nach Regel 46 (1) EPÜ vom 29. Dezember 1994 zu überprüfen.
13. Die Prüfungsabteilung (und damit die Kammer) ist zu dieser Überprüfung befugt, auch wenn - wie im vorliegenden Fall - die Anmelderin der Aufforderung zur Entrichtung einer weiteren Recherchengebühr nicht gefolgt ist. Die Kammer macht sich in dieser Frage die in der Entscheidung T 631/97 - Dotierte Gebiete/TOSHIBA (ABl. EPA 2001, 13), Nummern 3.5 ff. der Entscheidungsgründe vertretene Rechtsauffassung zu eigen.
Die Recherchenabteilung war der Ansicht, daß sich die Anmeldung (in der ursprünglichen Fassung) auf zwei Erfindungen beziehe, die nicht dem Erfordernis der Einheitlichkeit der Erfindung genügten, nämlich zum einen auf den Gegenstand der Ansprüche 1, 3 und 4 und zum anderen auf den Gegenstand des Anspruchs 2. Diese Beurteilung wurde von der Prüfungsabteilung geteilt.
14. Die ursprünglichen Ansprüche 1 und 3 enthalten Merkmale, die mit den vorgenannten besonderen technischen Merkmalen des Anspruchs 2 in Zusammenhang stehen, tatsächlich jedoch nicht ausdrücklich genannt sind. Umgekehrt wird in den Ansprüchen 1 und 3 eine bestimmte Anordnung der beiden Synchronisationsbits definiert, während diese Definition im unabhängigen Anspruch 2 wiederum fehlt.
Diese Unterschiede in den Ansprüchen führen jedoch nicht dazu, daß die jeweils beanspruchten Erfindungen uneinheitlich sind.
15. Wie anhand der Zeichnungen 1 und 2 der Beschreibung erläutert wird, dienen diese Synchronisationsbits nämlich dazu, mehrdeutige Signale zu vermeiden, die auftreten können, wenn der Empfänger Datenpakete nach einem unterschiedlichen Übertragungsmodus empfangen muß. Durch die Vermeidung dieser Mehrdeutigkeiten kann der allgemeine Zweck der Erfindung erfüllt werden, nämlich einen Datenübertragungskanal mit voller Übertragungsrate nach Unterteilung dieses Kanals in einen oder mehrere Unterkanäle effizient nutzen zu können. Aus diesem einfachen, allein ausschlaggebenden Grund läßt sich nicht mit Sicherheit schließen, daß es an Einheitlichkeit mangelt. Im Zweifelsfall sind Fragen der Einheitlichkeit jedoch zugunsten des Anmelders zu entscheiden (s. o. Nr. 6). Deshalb war der von der Recherchenabteilung a priori erhobene und von der Prüfungsabteilung bestätigte Einwand gegen die ursprünglichen Ansprüche nicht gerechtfertigt.
16. Hinzu kommt, daß die Prüfungsabteilung außerdem die Entgegenhaltung D1 im Hinblick auf den Gegenstand der Ansprüche 1 und 3 für neuheitsschädlich erachtete. Doch wäre auch dies kein hinreichender Grund, um (a posteriori) auf mangelnde Einheitlichkeit der beanspruchten Gegenstände zu schließen. Für die Feststellung der mangelnden Einheitlichkeit hätten diese Ansprüche eine "Gruppe von Erfindungen" definieren müssen, d. h. verschiedene erfinderische Alternativlösungen oder konkretere erfinderische Ausführungsformen, die ursprünglich Teil derselben bekannten allgemeinen Idee waren. Artikel 82 und Regel 30 EPÜ sind in jedem Fall nur auf "Erfindungen" im Sinne dieser Bestimmungen anwendbar, d. h. Erfindungen, die jeweils einen erfinderischen Beitrag zu dem im Recherchenbericht angeführten Stand der Technik leisten (die Rechtslage ist dieselbe für den PCT, vgl. W 11/99 - Percarbonat (ABl. EPA 2000, 186), Nr. 4 der Entscheidungsgründe, letzter Satz, und W 13/02, nicht im ABl. EPA veröffentlicht, Nr. 6 der Entscheidungsgründe).
Nachdem die Prüfungsabteilung festgestellt hatte, daß der Gegenstand der Ansprüche 1 und 3 (in der ursprünglichen Fassung) nicht neu war, hätte sie diese Ansprüche bei der Prüfung der mangelnden Einheitlichkeit nicht berücksichtigen dürfen.
Daß auch die zusätzlichen Merkmale des abhängigen Anspruchs 4 (ursprüngliche Fassung) zum Stand der Technik gehören (vgl. Entscheidung der Prüfungsabteilung, insbesondere Nr. 2 der Entscheidungsgründe), hätte Anlaß zum Zweifel geben sollen, ob Anspruch 4 eine "Erfindung" im Sinne des Artikels 82 EPÜ oder "besondere technische Merkmale" im Sinne der Regel 30 EPÜ definiert. Die Prüfungsabteilung hätte aber auch hier die Frage der Einheitlichkeit zugunsten der Anmelderin entscheiden müssen.
17. Nach Auffassung der Kammer führen die vorstehenden Überlegungen zu der Schlußfolgerung, daß eine Änderung, mit der der Gegenstand des Hauptanspruchs durch zusätzliche, in der ursprünglich eingereichten Anmeldung offenbarte Merkmale nachträglich beschränkt werden soll, generell weder nach Regel 86 (4) noch nach Regel 46 (1) EPÜ die Einheitlichkeit der Erfindung beeinträchtigt. Eine derartige Änderung stellt eine normale Reaktion eines Anmelders auf einen Einwand gegen die Patentierbarkeit desselben, nicht beschränkten Gegenstands dar, mit der dieser Anmelder - im Einklang mit Artikel 123 (1) EPÜ - den erhobenen Einwand ausräumen kann.
18. Die Aufforderung zur Entrichtung einer weiteren Recherchengebühr nach Regel 46 (1) EPÜ war daher nicht gerechtfertigt. Die Recherchenabteilung hätte den Gegenstand des Anspruchs 2 in die Recherche einbeziehen und einen vollständigen Recherchenbericht erstellen müssen. Die Prüfungsabteilung hätte auf Einheitlichkeit der Erfindung erkennen müssen und somit nicht die Fortsetzung des Verfahrens für den Gegenstand des Anspruchs 2 mit dem Hinweis versagen dürfen, daß die weitere Recherchengebühr für die angebliche zweite Erfindung nicht entrichtet worden sei.
Zurückverweisung der Angelegenheit an die Prüfungsabteilung
19. Die geänderten Ansprüche wurden noch keiner Sachprüfung unterzogen. Es ist daher zweckmäßig, die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen (Art. 111 (1) EPÜ).
Verfahrensmängel und Rückzahlung der Beschwerdegebühr
20. Die Prüfungsabteilung war verpflichtet, die Feststellungen der Recherchenabteilung über die mangelnde Einheitlichkeit der Erfindungen zu überprüfen und, falls sich diese mangelnde Einheitlichkeit bestätigt, der Beschwerdeführerin die Gründe für diese Feststellung mitzuteilen, um ihr die Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben.
Weder die Bescheide noch die Entscheidung der Prüfungsabteilung gehen über eine Aufzählung der Merkmale hinaus, die in den angeblichen Erfindungen vorliegen bzw. nicht vorliegen (vgl. insbesondere die Entscheidung der Prüfungsabteilung, Nr. 1 der Entscheidungsgründe), was offenkundig keine geeignete Begründung für die mangelnde Einheitlichkeit der Erfindung darstellt.
Da die Frage der mangelnden Einheitlichkeit für das Verfahren von entscheidender Bedeutung und zudem ein wichtiger Punkt bei der Zurückweisung der Anmeldung war, hat diese fehlende Begründung als wesentlicher Verfahrensmangel zu gelten, so daß die Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach Regel 67 EPÜ aus Gründen der Billigkeit gerechtfertigt ist.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird zur weiteren Entscheidung an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen.
3. Die Beschwerdegebühr wird zurückgezahlt.