T 0426/08 01-12-2008
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Verfahren zum Betreiben eines Koordinatenmessgeräts mit einem Dreh-Schwenk-Gelenk
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der der Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 1 405 036 (basierend auf der europäischen Anmeldung Nr. 02747432.9, veröffentlicht unter der Internationalen Veröffentlichungsnummer WO 03/002938) als unzulässig verworfen wurde. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben, den Einspruch für zulässig zu erklären und "das Verfahren" an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.
II. Der Text der unabhängigen Ansprüche 1 und 7 lautet wie folgt:
a) Anspruch 1
Verfahren zum Betreiben eines Koordinatenmessgeräts mit einem Dreh-Schwenk-Gelenk mit folgenden Schritten:
1a) eine Winkelstellung eines Sensors wird kalibriert; daraus werden mit Hilfe ei nes geometrischen Modells des Dreh-Schwenk-Gelenks die Positionen des Sen sors bestimmt und die erhaltenen Werte werden gespeichert,
1b) alle für die Vermessung eines Werkstücks mit dem Sensor in einem CNC- Ablauf benötigten Positionen und Winkelstellungen werden bestimmt und die erhaltenen Werte werden in einer Liste gespeichert,
1c) alle Winkelstellungen aus der Liste werden automatisch unter Ausnutzung der in Schritt a) erhaltenen Werte kalibriert und die erhaltenen Kalibrierdaten werden gespeichert; und
1d) der für die Vermessung des Werkstücks benötigte CNC-Ablauf wird mit Hilfe der Positionen und Winkelstellungen der Liste und der ermittelten Kalibrierda ten durchgeführt.
b) Anspruch 7
Koordinatenmessgerät mit einem Dreh-Schwenk-Gelenk (22) mit
- [7a)] ersten Mitteln zum Kalibrieren einer Winkelstellung eines Sensors (16);
- [7b)] zweiten Mitteln zum Bestimmen der Positionen des Sensors (16) mit Hilfe eines geometrischen Modells des Dreh-Schwenk-Gelenks (22) aus der Kalibrierung und mit Mitteln zum Speichern der erhaltenen Werte;
- [7c)] dritten Mitteln zum Bestimmen aller für die Vermessung eines Werkstücks mit dem Sensor (16) in einem CNC-Ablauf benötigten Positionen und Winkelstellungen und mit Mitteln zum Speichern der erhaltenen Werte in einer Liste;
- [7d)] vierten Mitteln zum automatischen Kalibrieren aller Winkelstellungen aus der Liste unter Ausnutzung der mit den ersten und zweiten Mitteln erhaltenen Wer te und mit Mitteln zum Speichern der erhaltenen Kalibrierdaten; und
- [7e)] fünften Mitteln zum Durchführen des für die Vermessung des Werkstücks benötigten CNC-Ablaufs mit Hilfe der Positionen und Winkelstellungen der Liste und der ermittelten Kalibrierdaten.
III. Die Einsprechende hatte im Einspruchsformblatt als Einspruchsgründe mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit angekreuzt. Auch in der Einspruchsbegründung heißt es, dass die Voraussetzungen insbesondere von Artikel 54 und 56 EPÜ 1973 nicht erfüllt seien (siehe Seite 3, Absatz 3). In der Einspruchsbegründung machte die Einsprechende geltend, dass zumindest die Gegenstände der unabhängigen Patentansprüche 1 und 7 sowie der Gegenstand des abhängigen Anspruchs 2 durch offenkundige Vorbenutzung vorweggenommen würden. Die Einsprechende legte Beweismittel (von der Einspruchsabteilung als Dokumente E1 bis E9 bezeichnet) vor, insbesondere eine eidesstattliche Versicherung von Herrn Jens Walther (Dokument E1), der u.a. Quellcode (Dokumente E3 bis E5) und eine Bedienungsanleitung zur DMIS-Tasterkalibrierung (E8) beigefügt waren.
Zusammen mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung teilte die Einspruchsabteilung in einem Bescheid ihre vorläufige Meinung mit, wonach der Einspruch als zulässig erscheine. Es scheine aber, dass er in der Sache zurückgewiesen werde. Diesbezüglich führte sie u.a. aus, dass wegen Widersprüchen zwischen der eidesstattlichen Versicherung (E1) und den als Anlagen hierzu vorgelegten Beweismitteln, insbesondere dem Quellcode (E3 bis E5), Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieser eidesstattlichen Versicherung bestünden. So sei dieser Quellcode am 31. Januar 2001 letztmals modifiziert worden, womit nicht nachgewiesen sei, dass er am Tag der geltend gemachten Vorbenutzung, dem 24. Januar 2001, existierte.
Die Einsprechende reichte eine Antwort auf den Bescheid ein, zusammen mit einer korrigierten eidesstattlichen Versicherung von Herrn Jens Walther (Dokument E10), der eine andere Version des Quellcodes (Dokumente E12 bis E18) und eine erklärende Skizze (Dokument E11) beigefügt waren.
IV. Die angefochtene Entscheidung
In der angefochtenen Entscheidung hielt die Einspruchsabteilung die Zulässigkeitserfordernisse von Regel 55 c) EPÜ 1973 aus folgenden Gründen für nicht erfüllt:
a) Die Dokumente E1 und E3 bis E5 würden nicht als Beweismittel anerkannt, da sie in sich widersprüchlich seien. Zum Zeitpunkt des Ablaufs der Einspruchsfrist hätten daher bei der Argumentation ausgehend von diesen Dokumenten die notwendigen Beweismittel gefehlt.
b) Bezüglich der Argumentation in der Einspruchsschrift ausgehend von den Dokumenten E2 und E6 bis E9 habe es zum Zeitpunkt des Ablaufs der Einspruchsfrist an der vollständigen Begründung dafür gemangelt, weshalb sie den beanspruchten Gegenstand vorwegnähmen oder nahelegten.
aa) Die Argumentation bezüglich der Dokumente E2, E6, E7 und E9 stütze sich auf diese nur ausgehend von E1 (das nicht als Beweismittel anerkannt werde).
bb) Die E8 allein betreffende Argumentation gehe nicht auf alle beanspruchten Merkmale der Ansprüche 1 und 7 ein und sei daher unvollständig.
V. Die Beschwerdebegründung
Mit der Beschwerdebegründung wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die von der Einspruchsabteilung oben, unter Punkt IV. a) und IV. b) bb)) wiedergegeben Gründe für die Unzulässigkeit des Einspruchs (siehe dazu unten, unter a) und b)). Darüber hinaus nennt sie einen weiteren Gesichtspunkt, weswegen der Einspruch eine Begründung enthalten habe (siehe unten, unter c)).
a) Im Hinblick auf Punkt IV. a) führt die Beschwerdeführerin aus, dass in der Einspruchsbegründung unter Hinweis auf E1 ausführlich dargelegt worden sei, dass die Merkmale 1a) bis 1d) des Anspruches 1 sowie die Merkmale 7a) bis 7e) des nebengeordneten Anspruches 7 offenkundig vorbenutzt worden seien. Dabei sei klar erkennbar geworden, was, wann, wo, durch wen und gegenüber wem offenkundig vorbenutzt worden sei. Zur Stützung dieses Vorbringens gibt die Beschwerdeführerin bezüglich der Frage nach dem "Was" einen Teil der Einspruchsbegründung (von Punkt II, ab Seite 4, zweiter vollständiger Absatz, bis Ende von Punkt III in der Mitte von Seite 7) vollumfanglich im Wortlaut wieder, bezüglich der übrigen Fragen (wann, wo, durch wen und gegenüber wem) nimmt sie insbesondere auf E1 sowie auf E2 Bezug.
Somit seien die Voraussetzungen für eine nachvollziehbare offenkundige Vorbenut zung gegeben. Da durch das Zurverfügungstellen der Software der frei zugängliche Quellcode lesbar gewesen sei, und zwar in dem angeführten Beispiel seit dem 24. Januar 2001, also mehr als fünf Monate vor dem Prioritätsdatum des Streitpatentes, sei es unbeachtlich, ob der eidesstattlichen Versicherung des Herrn Jens Walther (E1) verse hentlich ein Auszug des Quellcodes beigefügt gewesen sei, der ein Datum trage, das nach dem Zeitpunkt der angesprochenen offenkundigen Vorbenutzung liege. Denn die in der ei desstattlichen Versicherung angeführten Dateien in der Software seien für beliebige Dritte frei zugänglich und somit auch nachvollziehbar gewesen. Es habe folglich nicht der konkreten Vorlage eines Quellcodes zu der eidesstattlichen Versicherung bedurft.
Das Datum des Quellcodes sei auch ganz offensichtlich der offenkundi gen Vorbenutzung nicht unmittelbar zuzuordnen gewesen. Dieser offensichtliche Fehler könne jedoch bei Berücksichtigung der Entscheidungen T 328/87 und T 234/86 nicht zur Unzulässigkeit des Einspruches führen. Nach diesen Entscheidungen sei das Erfordernis der Regel 55 c) EPÜ 1973 erfüllt, wenn Beweismittel in einem Einspruchsschriftsatz genau bezeichnet seien und angegeben sei, welche Tatsachenbehauptung hierdurch bewiesen werden solle (siehe Leitsatz zu T 234/86). Die Begründungspflicht werde jedoch nicht dadurch verletzt, dass das im Einspruchsschriftsatz detailliert erläuterte Dokument innerhalb der Einspruchsfrist nicht beigefügt sei, zumal Regel 55 c) EPÜ 1973 nur die Angabe des Beweismittels und nicht seine Vorlage fordere (siehe auch T 328/87). Unter Berücksichtigung dieser Entscheidung und der gesetzlichen Bestimmung könne es nicht zum Nachteil der Einsprechenden führen, wenn dem Einspruchsschriftsatz versehentlich ein Dokument beigefügt gewesen sei, das zeitlich unzutreffend sei, zumal der offensichtliche Fehler nachvollziehbar bezüglich des Aussagegehaltes des Doku mentes korrigiert worden sei. Hätte folglich die Einsprechende den Quellcode bei der Hinterlegung des Ein spruches nicht beigefügt, so wäre die Zulässigkeit des Einspruches nicht in Zwei fel gezogen worden. Das Nachreichen eines unzutreffenden Dokumentes und dessen Austausch durch ein zutreffendes Dokument hätten sodann im Rahmen des Einspruchsverfahrens erfolgen können, ohne dass die Zulässigkeit zum Zeitpunkt des Ablaufes der Einspruchsfrist berührt worden wäre. Somit erfülle der Einspruch die Voraussetzungen gemäß Regel 55 c) EPÜ 1973.
b) Bezüglich Punkt IV. b) bb) äußert sich die Beschwerdeführerin dahingehend, dass es sich bereits aufgrund der Ausführungen zu E8 in der Einspruchsschrift auf Seite 5, letzte beide Absätze, ergebe, dass der Einspruch mit Gründen versehen und zulässig sei. In diesen Passagen würden die Teilmerkmale 1a), 1b) und 1c) des Anspruches 1 mit dem vorbekannten Stand der Technik verglichen. Zwar werde das Teilmerkmal 1d) nicht expres sis verbis im Zusammenhang mit E8 angesprochen. Aus dem Gesamtinhalt des Einspruchsschriftsatzes ergebe sich jedoch, dass der Einwand erhoben werde, dass der Anspruch 1 nicht patentfähig sei. Nach der Entscheidung T 3/95 müsse sich eine Begründung nicht mit jedem einzelnen Merkmal eines Patentanspruches auseinandersetzen, sofern nur verständlich sei, warum dem beanspruchten Gegenstand insgesamt die Patentfähigkeit abgesprochen werden solle. "Dies ergibt sich aus der Einspruchsbegründung."
c) Des Weiteren werde unter Absatz IV der Einspruchsbegründung dargelegt, dass aus E8 sowie E7 die Lehre des Anspruches 2 vorweggenommen sei.
VI. Der Beschwerdegegnerin wurde zusammen mit der Übermittlung einer Kopie der Beschwerdebegründung am 7. Mai 2008 eine Frist von vier Monaten ab deren Zustellung für eine eventuelle Erwiderung gesetzt. In ihrer Mitteilung vom 22. Juli 2008 teilte die Kammer dieser ihre vorläufige Meinung zur Begründetheit der Beschwerde mit und setzte ihr eine Frist von zwei Monaten zur Stellungnahme hierzu. In der Mitteilung brachte die Kammer zum Ausdruck, dass der Einspruch zulässig sei. Sofern die Kammer bei ihrer Ansicht bleibe, werde sie die angefochtene Entscheidung der Einspruchsabteilung aufheben und die Angelegenheit an diese zur weiteren Entscheidung zurückverweisen. Der vorstehend unter Ziffern I - V wiedergegebene Sachverhalt stimmt mit dem Text unter Ziffern 1 bis einschließlich 5 c) der Mitteilung beinahe vollständig wörtlich überein.
VII. Die Beschwerdeerwiderung
a) Die Einspruchserwiderung
Mit der am 29. September 2008 beim Amt eingegangenen Beschwerdeerwiderung macht die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) ihre Einspruchserwiderung vor der Einspruchsabteilung zum "Gegenstand des diesseitigen Vortrags". Die Kammer hatte in ihrer Mitteilung vom 22. Juli 2008 hierzu u.a. das Folgende ausgeführt:
"Die Patentinhaberin hat in ihrer am 18. Mai 2007 eingegangenen Erwiderung auf den Einspruch am Ende von Teil I in einem 'Zwischenergebnis' das Vorliegen einer offenkundigen Vorbenutzung bestritten, da insbesondere unklar bleibe, 'was' der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sein soll. Des Weiteren vertrat sie die Auffassung, der Einspruch sei unzulässig. Ein Einspruch sei nicht im Sinne von Regel 55 c) EPÜ 1973 begründet, wenn 'zum Nachweis einzelner Merkmale z.B. pauschal auf einige Hundert Zeilen Quellcode verwiesen' werde. Der Einspruch sei auch deswegen unzulässig, weil die gegebene Begründung in vielen Punkten nicht nachvollziehbar sei. Dieser Angriff zielt offenbar auf zuvor von ihr im Teil I angesprochene Unklarheiten und Widersprüche in Bezug auf die zusammen mit der Einspruchsbegründung vorgelegten Beweismittel bzw. auf das Fehlen von Beweismitteln ab. Abschließend führte die Patentinhaberin aus, für den Fall, dass die Einspruchsabteilung eine offenkundige Vorbenutzung als nachgewiesen ansehe, werde sie zu Neuheit und erfinderischer Tätigkeit Stellung nehmen.
Dementsprechend äußerte sie sich unter Punkt II zu Anspruch 1 in der Sache. Am Ende ihrer Darlegungen zu diesem Punkt erhob sie den Einwand der Unzulässigkeit erneut: 'Nachdem die Ausführungen der Einsprechenden viele wichtige Fragen unbeantwortet lassen, sehen wir die offenkundige Vorbenutzung als unsubstantiiert und den Einspruch damit als unzulässig an' (siehe Seite 5 unten).
In ihrer Stellungnahme zu Anspruch 7 unter Punkt III (siehe Seite 6 f.) trat die Patentinhaberin der Auffassung entgegen ..., dass bestimmte Merkmale von Anspruch 7 nahegelegt seien. Sie machte den Unzulässigkeitseinwand zwar nicht ausdrücklich geltend, verwies jedoch mehrfach auf die Ausführungen zu Anspruch 1."
b) Die Ergänzung durch die Beschwerdeerwiderung
Mit der Beschwerdeerwiderung ergänzt die Beschwerdegegnerin ihre Einspruchserwiderung im Wesentlichen wie folgt (die Gliederung entspricht derjenigen der Erwiderung, in der die Überschriften mit römischen Ziffern nummeriert sind):
1. Vorlage von Beweismitteln
Die Beschwerdegegnerin kann sich der Aussage anschließen, dass die Einsprechende die Beweismittel nicht bei Ablauf der Einspruchsfrist hatte vorlegen müssen und dass es ihr nicht zum Nachteil gereichen darf, dass sie dies getan hat. Es genüge, wenn die Beweismittel angegeben seien. Daraus folge jedoch nicht, dass sich die Zulässigkeit des Einspruchs allein aus der Einspruchsschrift beurteile. Eine solche formale Position könnte vertretbar sein. Dagegen sprächen jedoch einige gewichtige Argumente.
- In einem extremen Fall könnte ein Einspruch durch vollständig beliebige Aussagen seine Zulässigkeit erlangen. Es würde genügen, insbesondere alle Merkmale eines unabhängigen Anspruchs mit willkürlichen Zitaten vollständig anzugreifen. Auf der Basis einer solchen Position wäre so gut wie jeder Einspruch zulässig.
- Die genannte Position entspreche auch nicht der herrschenden Meinung in der Rechtsprechung des EPA zur Frage der Zulässigkeit eines Einspruchs. Diesbezüglich führt die Beschwerdegegnerin wörtlich aus:
"Herrschende Meinung in der Rechtsprechung ist es zum Beispiel, dass Zitate, die auf den Stand der Technik verweisen, hinreichend konkret sein müssen, um den Einspruch mit vertretbarem Aufwand nachvollziehen zu können (siehe z. B. Günzel in Singer/Stauder, EPÜ, 4. Auflage, Artikel 99, Rdnr. 86, 92; T 222/85, T 448/89, T 204/91, T 545/91). Ob ein Zitat im Einspruchsschriftsatz hinreichend konkret ist oder nicht, lässt sich erst an Hand des zitierten und damit (ggf. nachträglich) vorgelegten Beweismittels feststellen. Wird zum Beispiel aus einem Buch zitiert (siehe T 204/91), so lässt sich die Anzahl der Seiten, die ein bestimmtes Kapitel hat und die darüber entscheidet, ob das Zitat konkret genug war oder nicht, nur durch Analysieren des vorlie genden Buchs beantworten.
Auch ist es herrschende Meinung, dass die Patentinhaberin und die Einspruchsabteilung bzw. die Be schwerdekammer in der Lage sein müssen, den Einspruch so weit zu verstehen, dass sie die Argumentation nachvollziehen und überprüfen können (Benkard/Rogge, EPÜ, Artikel 100, Rdnr. 20; Günzel in Sin ger/Stauder, EPÜ, Artikel 99, Rdnr. 83, 93, 96). Klarerweise ist auch dies nur möglich, wenn die vorgelegten Beweismittel herangezogen werden. Auf der Basis des Einspruchsschriftsatzes allein lässt sich ein Ein spruch fast nie nachvollziehen. Es bedarf der Überprüfung der Zitate.
Die Frage der Zulässigkeit eines Einspruchs wird also nicht allein auf der Basis des Einspruchsschriftsatzes ent schieden, sondern auf der Basis dessen, was im Einspruchsschriftsatz vorgetragen und angegeben ist. Das heißt auf der Basis des Einspruchsschriftsatzes zusammen mit den im Einspruchsschriftsatz zitierten Beweismitteln.
Damit erweist sich als unerheblich, wann diese Beweismittel vorgelegt werden. Sie werden bei der Frage, ob ein Einspruch zulässig ist oder nicht, berücksichtigt. ..."
2. Konkretes Zitieren
Ein Studium des vorgelegten Quellcodes zeige, dass es nicht mit vertretbarem Aufwand möglich sei, das jeweils angeblich zitierte Merkmal in teilweise Hunderten von Zeilen Quellcode aufzufinden. Wegen nicht hinreichend konkreter Zitate sei der Einspruch daher nach der oben zitierten Rechtsprechung unzulässig.
3. Nachvollziehbarkeit des Einspruchs
Insoweit führt die Beschwerdegegnerin aus: "Um zulässig zu sein, muss der Einspruch für die Einspruchsabteilung bzw. die Beschwerdekammer und die Pa tentinhaberin ohne weitere Ermittlungen und ohne unzumutbaren Aufwand nachvollziehbar sein (u.a. Ben kard/Rogge, EPÜ, Artikel 100, Rd. 20; Günzel in Singer/Stauder, EPÜ, 4. Auflage, Artikel 99, Rdnr. 83; T 2/89; siehe auch z. B. "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 5. Auflage, VII.C.4.5.1, Seite 639, letzter Absatz)." Daran fehle es im vorliegenden Fall aus folgenden Gründen:
Im Einspruchsschriftsatz werde auf eine eidesstattliche Versicherung Bezug genommen, die auf einen Quellcode Bezug nehme. Dieser sei in einer Programmiersprache verfasst. Weder im Einspruchsschriftsatz noch in der eidesstattlichen Versicherung werde erwähnt, wie die Programmiersprache heiße, geschweige denn, dass es sich um eine proprietäre Modifikation handele. Entsprechend sei die Sprache auch nicht erklärt, es sei kein erklärendes Handbuch vorgelegt oder auf sonstige Weise Beweis angeboten worden.
Die Beschwerdegegnerin sei in der Lage gewesen, nach intensiver Recherche die Programmiersprache als eine proprietä re, modifizierte Form der Programmiersprache DMIS zu identifizieren. In Anlage KP1 zur Beschwerdeerwiderung seien nähere Ausführungen darüber gemacht, inwiefern der vorgelegte Quellcode von der Programmierspra che DMIS abweiche. Es handele sich bei den Abweichungen um firmeninterne Weiterentwicklungen der Pro grammiersprache DMIS durch die Beschwerdeführerin. Diese seien nur der Beschwerdeführerin, nicht aber der Beschwerdegegnerin bekannt. Gleiches gelte höchstwahrscheinlich für die Einspruchsabteilung bzw. die Be schwerdekammer.
Die Beschwerdegegnerin könne aufgrund der unbekannten Befehle über deren Funktionalität nur spekulieren. Da auch fast keine Kommentierungen vorlägen, sei es nicht möglich, anhand der eingereichten Unterlagen herauszufin den, was in den Programmen tatsächlich ablaufe.
Es sei daher von vornherein ausgeschlossen, dass die Einspruchsabteilung bzw. die Beschwerdekammer und die Beschwerdegegnerin die angegebenen Tatsachen und Begründungen ohne weitere Ermittlungen und ohne unzu mutbaren Aufwand nachvollziehen könnten.
Es reiche auch nicht, wenn Quellcode offen liege (was bestritten werde) und "gelesen" werden könne. Vielmehr müsse er für die Einspruchsabteilung bzw. die Beschwerdekammer und die Beschwerdegegnerin "verstehbar" sein.
Damit sei der Einspruch auch aus diesem Grund unzulässig.
4. Begründetheit und Zulässigkeit
Die Beschwerdegegnerin trägt vor, es gebe einen nicht scharf getrennten Übergang zwischen der Prüfung der Zulässigkeit und der Begründetheit. Die oben zitierten Entscheidungen hätten allerdings die Frage der grundsätzlichen Nachvollzieh barkeit bzw. des dafür nötigen Aufwands dem Bereich der Zulässigkeitsprüfung zugeordnet. Gleiches gelte für die Art des Zitierens.
5. Vollständiger Angriff
Da die meisten Angriffe auf Teilmerkmale der Ansprüche 1 und 7 sich auf den Quellcode stützten, der nicht nach vollziehbar und nur in unzulässiger Weise zitiert worden sei, fehle es an einem gemäß Regel 55 c) EPÜ 1973 nöti gen zulässigen und vollständigen Angriff auf zumindest einen unabhängigen Patentanspruch.
Im Übrigen könne nicht mit Hilfe der Entscheidung T 3/95 begründet werden, dass sich der Einspruch nicht mit jedem einzelnen Merkmal eines unabhängigen Patentanspruchs auseinandersetzen müsse. Gemäß der zitierten Entscheidung T 3/95 könne darauf nur dann verzichtet werden, wenn "verständlich" sei, warum dem beanspruch ten Gegenstand insgesamt die Patentfähigkeit abgesprochen werden solle. An eben dieser Verständlichkeit fehle es dem vorliegenden Einspruch.
6. Die Begründung der angefochtenen Entscheidung
Die Beschwerdegegnerin schließt sich im Übrigen der Begründung der angefochtenen Entscheidung an.
Insbesondere könnten im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung nicht widersprüchliche Beweismittel durch weniger widersprüchliche Beweismittel ausgetauscht werden. Die in der Einspruchsschrift zitierten Beweismittel seien die bei der Prüfung der Zulässigkeit zu berücksichtigenden Beweismittel. Ob Beweismittel, z. B. die eidesstattliche Versicherung oder Quellcode, später ausgetauscht werden könnten, richte sich nach den Bestimmungen für das Nachreichen von Dokumenten im Einspruchsverfahren.
Hinzu komme, dass die Vorlage eines nicht nur im Erstellungsdatum, sondern wie üblich auch in einzelnen Codezeilen geänderten Quellcodes nicht unter die Korrektur eines "offensichtlichen Fehlers" subsumiert werden könne. Bei dem nachgereichten Quellcode handele es sich um ein vollständig anderes Dokument. Zum Zeitpunkt des Einspruchs sei ein unbrauchbares Dokument eingereicht worden. Damit würden die darauf gestützten Angrif fe unzulässig.
Die Frage der Zulässigkeit entscheide sich nicht nach dem, was ggf. später ins Verfahren eingeführt werden könne. Vielmehr werde die Zulässigkeit des Einspruchs an dem gemessen, was im Einspruchsschriftsatz angegeben sei. Und das sei im vorliegenden Fall unbrauchbar gewesen (um die Patentfähigkeit auch nur eines unabhängigen Anspruchs des angegriffenen Patents in Frage zu stellen).
Eine später eingereichte, korrigierte eidesstattliche Versicherung könne das nicht mehr retten. Auch aus diesem Grund sei der Einspruch unzulässig.
7. Anträge
Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen und den Einspruch als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise die Große Beschwerdekammer mit den "hier aufgeworfenen Fragen" zu befassen. Für den Fall, dass die Beschwerdekammer den Einspruch für zulässig erachtet und die Angelegenheit nicht an die Einspruchsabteilung zurückverweist, sondern in der Sache selbst über die Begründetheit zu entscheiden beabsichtigt, bittet die Beschwerdegegnerin darum, dass die Kammer einen entsprechenden Hinweis gibt, damit die Beschwerdegegnerin zur Begründetheit Stellung nehmen kann. Andernfalls beabsichtige sie, dies nach Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung zu tun.
VIII. Keine der Beteiligten hat eine mündliche Verhandlung beantragt.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist auch begründet, da der Einspruch zulässig ist.
Bei der Prüfung der Begründetheit wird die Einspruchserwiderung der Beschwerdegegnerin vor der Einspruchsabteilung berücksichtigt, obwohl sie diese in der Beschwerdebegründung nur mittels eines pauschalen Verweises zum "Gegenstand des diesseitigen Vortrags" gemacht hat. Vorliegend hatte die Kammer die Einspruchserwiderung aber von sich aus in ihre Erörterung in der Mitteilung vom 22. Juli 2008 einbezogen, die zur Verfahrensbeschleunigung vor Eingang der Beschwerdeerwiderung ergangen war, und die Einspruchserwiderung damit von sich aus zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Die Frage, ob mit dem pauschalen Verweis Artikel 12 (2) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern Genüge getan ist, wonach die Beschwerdeerwiderung "ausdrücklich und spezifisch alle Tatsachen, Argumente und Beweismittel anführen" soll, stellt sich damit nicht.
2. In der angefochtenen Entscheidung hat die Einspruchsabteilung den Einspruch gemäß Regel 56 (1) EPÜ 1973 als unzulässig verworfen, da er Regel 55 c) EPÜ 1973 nicht entspreche. Im Verfahren vor der Einspruchsabteilung und im Beschwerdeverfahren ist die Zulässigkeit des Einspruchs nach keiner anderen Rechtsvorschrift in Zweifel gezogen worden, und die Beschwerdekammer hat ebenfalls keine Bedenken hinsichtlich der Erfüllung der sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen des Einspruchs. Die nachfolgende Erörterung beschränkt sich daher auf die Frage, ob der Einspruch den Voraussetzungen der Regel 55 c) EPÜ 1973 genügt.
3. Gemäß Regel 55 c) EPÜ 1973 muss die Einspruchsschrift eine Erklärung darüber enthalten,
(a) in welchem Umfang gegen das europäische Patent Einspruch eingelegt und
(b) auf welche Einspruchsgründe der Einspruch gestützt wird, sowie
(c) die Angabe der zur Begründung vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel.
4. In der am 27. September 2006 eingegangen Einspruchsschrift wurde unter Punkt V des Formblatts durch Ankreuzen bestimmt, dass sich der Einspruch gegen das erteilte Patent "im gesamten Umfang" richtet. Als Einspruchsgründe wurden unter Punkt VI mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit angekreuzt. Damit liegen die hier mit (a) und (b) bezeichneten Voraussetzungen von Regel 55 c) EPÜ 1973 vor.
5. Die Angabe der zur Begründung vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel (Voraussetzung (c))
5.1 Der rechtliche Rahmen
5.1.1 Angaben bezüglich eines Einspruchsgrundes und eines Anspruches
Im Einspruchsformblatt sind als Einspruchsgründe mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit angekreuzt. Auch laut Einspruchsbegründung sollen die Voraussetzungen insbesondere von Artikel 54 und 56 EPÜ 1973 nicht erfüllt sein. Im Einzelnen wird mit der Einspruchsbegründung jedoch (lediglich) das Ziel verfolgt aufzuzeigen, dass zumindest die Lehren der nebengeordneten Ansprüche 1 und 7 sowie des abhängigen Anspruchs 2 durch offenkundige Vorbenutzungshandlungen vorweggenommen sind (siehe die Zusammenfassung unter Punkt IV auf Seite 8). Die Angaben von Tatsachen und Beweismitteln in der Einspruchsbegründung beschränken sich demnach auf den Einspruchsgrund der mangelnden Neuheit; hinsichtlich des Einspruchsgrunds der mangelnden erfinderischen Tätigkeit liegen keine ausdrücklichen Angaben vor. Das hat jedoch auf die Zulässigkeit des Einspruchs keinen Einfluss. Denn der Begriff der Unzulässigkeit nach Regel 56 EPÜ 1973 bezieht sich ausschließlich auf den Einspruch als Ganzes. Das EPÜ enthält keine Grundlage dafür, einen einzelnen Einspruchsgrund als nicht zulässig zu verwerfen. Sind die Zulässigkeitsvoraussetzungen zumindest für einen Einspruchsgrund erfüllt, ist der Einspruch als Ganzes zulässig (siehe T 212/97, Nr. 3.1.)
Dabei genügt es auch, wenn eine ausreichende Angabe der zur Begründung vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel bezüglich des Gegenstands eines Anspruchs eines Antrags vorliegt (siehe T 926/93, ABl. 1997, 447, Nr. 3, und T 114/95, Nr. 1.2 - 1.4 ). Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Wenn nach Artikel 102 (1) EPÜ 1973 die Einspruchsabteilung der Auffassung ist, dass einer der in Artikel 100 EPÜ 1973 genannten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des europäischen Patents entgegensteht, so widerruft sie das Patent in seiner Gesamtheit (vgl. T 926/93, ebenda). Dabei besteht für das Amt aber keine Verpflichtung, alle Ansprüche eines Antrags zu prüfen, wenn schon ein Anspruch den Erfordernissen des EPÜ nicht entspricht (vgl. T 228/89, Nr. 4.2.) Das folgt aus Artikel 113 (2) EPÜ 1973, wonach sich das Amt bei der Prüfung des europäischen Patents und bei Entscheidungen darüber an die vom Patentinhaber vorgelegte oder gebilligte Fassung zu halten hat und daher nur über einen Antrag als Ganzes entscheiden kann (vgl. T 961/98, Nr. 8.2.). Daher reichen Angaben zur Nichtgewährbarkeit eines Anspruchs eines Antrags aus.
5.1.2 Die anzugebenden Tatsachen und Beweismittel
Die Frage, ob eine Einspruchsschrift die Angabe der Tatsachen und Beweismittel im Sinne von Regel 55 c) EPÜ 1973 (im Hinblick auf mindestens einen Anspruch) enthält, lässt sich nur aus dem Gesamtzusammenhang des betreffenden Falles heraus entscheiden. Denn einige relevante Faktoren, wie z. B. der Schwierigkeitsgrad der zu entscheidenden Fragen, sind von Fall zu Fall verschieden (siehe T 538/89, Nr. 2.3.). Die zur Begründung eines Einspruchs vorgebrachten Tatsachen müssen so ausreichend angegeben sein, dass EPA und Patentinhaber das Vorbringen ohne weitere Ermittlungen verstehen können (T 2/89, ABl. 1991, 51, Leitsatz 1). Dabei ist das Verständnis des Durchschnittsfachmanns zu Grunde zu legen, welches soweit gehen muss, dass eine Prüfung der materiellrechtlichen Begründetheit eingeleitet werden kann (vgl. T 538/89, Nr. 2.6.).
Wird ein Einspruch - wie hier - auf eine Vorbenutzung gestützt, so müssen innerhalb der Einspruchsfrist alle zur Ermittlung
- des Zeitpunkts,
- des Gegenstands und
- der Umstände
der Vorbenutzung dienlichen Tatsachen sowie die zur Begründung vorgebrachten Beweismittel angegeben werden, damit Regel 55 c) EPÜ 1973 erfüllt ist. Es muss mit anderen Worten angegeben werden, wann die Vorbenutzung stattgefunden hat, was benutzt worden ist und wo, wie und durch wen die Benutzung erfolgt ist.
Den Gegenstand der Benutzung muss die Einspruchsabteilung ermitteln können, "damit festgestellt werden kann, ob die Vorrichtung, die Gegenstand der Vorbenutzung war, mit dem patentgemäßen Gegenstand identisch oder vergleichbar ist" (siehe T 328/87, Nr. 3.3 b)). Eine abstrakte Umschreibung der behaupteten Vorbenutzung, z. B. durch bloße Wiederholung oder Bezugnahme auf den Wortlaut des Patentanspruchs (oder von Teilen davon), reicht demnach nicht aus (vgl. T 28/93, Nr. 5). Vielmehr müssen die Merkmale des betreffenden Anspruchs mit den Merkmalen des Gegenstands der Benutzung verglichen und technische Zusammenhänge aufgezeigt werden (vgl. ebenda, Nr. 4.1.). Solche Angaben können jedoch bei einfach gelagertem Sachverhalt unterbleiben, wenn dieser für den Durchschnittsfachmann aus sich heraus unmittelbar verständlich ist (siehe T 1069/96, Nr. 2.3.3).
5.1.3 Kein Erfordernis des Nachweises der behaupteten Tatsachen für die Zulässigkeit eines Einspruchs
Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist es für die Zulässigkeit des Einspruchs nicht erforderlich, dass das Einspruchsvorbringen "in sich schlüssig" ist. Regel 55 c) EPÜ 1973 schreibt nicht vor, dass die angegebenen Beweismittel innerhalb der Einspruchsfrist zur Akte gegeben werden. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die Entscheidungen T 234/86 (ABl. 1989, 79) und T 538/89 von Bedeutung.
Im Fall T 234/86 (unter Nr. 2.1 bis 2.4) hatte die Beschwerdeführerin bestritten, dass der Einspruch alle Bedingungen der Regel 55 c) erfülle, weil die zur Begründung des Einspruchs angegebenen Tatsachen und Beweismittel insofern nicht "schlüssig" seien, als Beweismittel für behauptete Tatsachen angegeben worden seien, die für den geforderten Beweis ungeeignet bzw. nicht ohne weiteres als geeignet erkennbar seien. Nach Feststellung, dass das Einspruchsvorbringen für die Bejahung der Zulässigkeit nicht "insofern in sich schlüssig" sein müsse, erläuterte die Kammer, dass die Einsprechende auf das allgemeine Fachwissen verwiesen und zusätzlich drei Dokumente genau bezeichnet habe. Ferner habe sie angegeben, was jeweils aus welchem Dokument bekannt sein solle. Die Kammer kam zu dem Ergebnis, dass im betreffenden Fall Regel 55 c) genügt worden sei. Die Beweiswürdigung, d. h. hier die Feststellung, ob die angezogenen Dokumente die behaupteten Tatsachen auch wirklich beweisen könnten, sei der Prüfung der sachlichen Begründetheit des Einspruchs vorbehalten, die gemäß Artikel 101 (1) EPÜ 1973 erst dann erfolgen dürfe, wenn feststehe, dass der Einspruch zulässig sei. Im vorliegenden Fall sei also erst nach Feststellung der Zulässigkeit des Einspruchs insbesondere zu prüfen gewesen, ob die genannten Dokumente das von der Einsprechenden Behauptete offenbarten.
Auch im Fall T 538/89 vertrat die Kammer die Auffassung, dass Überlegungen der Einspruchsabteilung betreffend Beweismittel zum Beleg bestimmter Merkmale nicht für die Beurteilung der Zulässigkeit des Einspruchs, sondern erst für die Überprüfung seiner Begründetheit heranzuziehen seien. Die Argumentation der Einspruchsabteilung, wonach die zum Nachweis der Offenkundigkeit angebotenen Mittel nicht als Beweismittel angesehen werden könnten, resultiere schon aus einer materiellrechtlichen Prüfung des Einspruchs, nämlich ob die vorgelegten Beweismittel zur Anerkennung einer offenkundigen Vorbenutzung ausreichten. (Siehe Nr. 2.5.) Unter Hinweis auf T 234/86 wurde auch in dieser Entscheidung festgestellt, dass keine Vorschrift des EPÜ verlangt, dass das Einspruchsvorbringen in sich "schlüssig" sein muss, um die Zulässigkeit des Einspruchs zu garantieren. Nach Auffassung der Kammer genügt es, dass die innerhalb der Einspruchsfrist gemachten Angaben zur behaupteten offenkundigen Vorbenutzung für jedes der Kriterien Zeitpunkt, Gegenstand und Umstände der Benutzung aus der Sicht des Durchschnittsfachmannes soweit verständlich ist, dass eine Prüfung ihrer materiellrechtlichen Begründetheit eingeleitet werden kann. Die angegebenen Beweismittel können dabei noch nach Ablauf der Einspruchsfrist vorgelegt werden. (Siehe unter Nr. 2.6. sowie T 328/87, ABl. 1992, 701, Nr. 3.3.2.) Sie können auch ergänzt werden (siehe T 1069/96, Nr. 2.3.4.4).
Die Beschwerdegegnerin ist zwar ebenfalls der Meinung, dass die Beweismittel nicht bei Ablauf der Einspruchsfrist eingereicht sein müssen, sondern es ausreicht, wenn sie angegeben sind. Sie vertritt jedoch die Auffassung, die Zulässigkeit eines Einspruchs werde nicht allein auf der Basis des Einspruchsschriftsatzes ent schieden, sondern auf der Basis des Einspruchsschriftsatzes zusammen mit den im Einspruchsschriftsatz zitierten und den - vor oder nach Ablauf der Einspruchsfrist - vorgelegten Beweismitteln. (Siehe Punkt I der Beschwerdeerwiderung.)
Insofern ist zwischen Beweismitteln, die vor Fristablauf vorgelegt wurden, und solchen, die nach Fristablauf eingereicht wurden, zu unterscheiden:
- Beweismittel, die vor Ablauf der Einspruchsfrist vorgelegt wurden
Es trifft zwar zu, dass solche Beweismittel im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung der Angabe, insbesondere Konkretisierung, von Tatsachen - oder/und Beweismitteln (hierzu siehe etwa unten, unter Punkt 5.2.1 a.E.) - dienen können. So wurden anscheinend in dem von der Beschwerdegegnerin zitierten Fall T 204/91 bestimmte Auszüge aus einem Dokument zur Angabe von Tatsachen herangezogen, aufgrund deren sich die Einspruchsabteilung eine klar umrissene Meinung über zumindest einen Einspruchsgrund zu bilden in der Lage war, ohne weitere Untersuchungen durchführen zu müssen. Der Beschwerdegegnerin ist insoweit zuzustimmen, dass das Zitat derartiger Auszüge hinreichend konkret sein muss - was sich auch aus den Umständen ergeben kann - und dass diese Auszüge verständlich sein müssen.
Auf den Inhalt der Beweismittel zum Nachweis von Tatsachen kommt es demgegenüber für die Zulässigkeit - wie ausgeführt - nicht an. Hinzu kommt, dass es grundsätzlich unbillig wäre, wenn einem Einsprechenden die Vorlage der Beweismittel vor Ablauf der Einspruchsfrist, zu der er nicht verpflichtet ist, zum Nachteil gereichen könnte, etwa deswegen, weil die Beweismittel in sich widersprüchlich wären.
- Beweismittel, die nach Ablauf der Einspruchsfrist vorgelegt wurden
Der Inhalt von Beweismitteln, die innerhalb der Einspruchsfrist bezeichnet, aber erst nach Ablauf der Einspruchsfrist zur Akte gegeben werden, kann im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung weder zur Angabe von Tatsachen oder Beweismitteln noch als Nachweis von Tatsachen berücksichtigt werden. Denn das wäre mit dem Wortlaut der maßgeblichen Bestimmungen des EPÜ 1973 betreffend das Einspruchsverfahren nicht vereinbar. So heißt es in der bereits zitierten Entscheidung T 328/87, unter Punkt 2: "Artikel 99 (1) EPÜ [1973] besagt, dass der Einspruch 'innerhalb von neun Monaten nach der Bekanntmachung des Hinweises auf die Erteilung' eingelegt werden muss. Daraus folgt, dass die in Regel 55 c) EPÜ [1973] aufgeführten Bedingungen vor Ablauf der Frist von 9 Monaten erfüllt sein müssen. Dieses Erfordernis ergibt sich ganz offensichtlich aus Regel 56 (1) EPÜ [1973], die die Verwerfung des Einspruchs als unzulässig insbesondere dann vorsieht, wenn die Einspruchsschrift nicht innerhalb der Frist von neun Monaten mit Regel 55 c) EPÜ [1973] in Einklang gebracht wird". (Siehe auch T 538/89, Nr. 2, letzter Absatz.)
Die von der Beschwerdegegnerin genannte Gefahr, bei Außerachtlassung der Beweismittel könnte in einem extremen Fall ein Einspruch durch vollständig beliebige Aussagen seine Zulässigkeit erlangen, erscheint demgegenüber vernachlässigbar. Würde ein Einsprechender tatsächlich alle Merkmale eines unabhängigen Anspruchs mit willkürlichen Zitaten vollständig angreifen und damit einen zulässigen Einspruch herbeiführen, so wäre zu erwarten, dass er hieraus in aller Regel keinen nennenswerten Nutzen ziehen könnte. Denn dann müsste der Einsprechende nach Ablauf der Einspruchsfrist sein Vorbringen wesentlich ändern. Mit der Zulassung eines derart geänderten Vorbringens durch die Einspruchsabteilung wäre aber kaum zu rechnen. Denn Regel 55 c) EPÜ 1973 (ebenso wie Regel 76 (2) c) EPÜ 2000) regelt (zusammen mit anderen Bestimmungen) nicht nur die Zulässigkeit des Einspruchs, sondern legt auch den rechtlichen und faktischen Rahmen fest, innerhalb dessen die materiellrechtliche Prüfung des Einspruchs grundsätzlich durchzuführen ist (siehe G 9/91, ABl. 1993, 408, Nr. 6). Ein völlig neues Vorbringen nach Ablauf der Einspruchsfrist könnte daher als rechtsmissbräuchlich und als Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben gemäß Artikel 114 (2) EPÜ zurückgewiesen werden (siehe z.B. T 17/91, Nr. 5). In diesem Fall wäre der Einspruch mangels Nachweises des Vorliegens eines Einspruchsgrundes als unbegründet zurückzuweisen.
5.2 Die Anwendung des rechtlichen Rahmens auf den vorliegenden Fall
5.2.1 Berücksichtigung der Angabe der Dokumente E1 und E3 bis E5
Die Einspruchsabteilung hat die Dokumente E1 (eidesstattliche Versicherung) und E3 bis E5 (Quellcode) nicht als Beweismittel anerkannt, da sie in sich widersprüchlich seien: Aus E1 gehe als Datum der Installation einer Software mit dem Quellcode der Dokumente E3 bis E5 der 24. Januar 2001 hervor, während auf diesen Dokumenten als Datum der letzen Modifikation des Quellcodes der 31. Januar 2001 angegeben sei.
Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, brauchen die Beweismittel aber die Tatsachenbehauptungen für Zwecke der Zulässigkeit nicht zu belegen. Die Beweiswürdigung - und dabei insbesondere die Frage, ob wegen des genannten Widerspruchs sowohl E1 als auch E3 bis E5 als Beweismittel hier wertlos sind - gehört zur Prüfung der sachlichen Begründetheit. Das hat zur Folge, dass die Feststellung der Einspruchsabteilung, die Dokumente E1 und E3 bis E5 würden nicht als Beweismittel anerkannt, da sie in sich widersprüchlich seien, keinen Bestand haben kann.
Auf die rechtliche Bedeutung der Einreichung der korrigierten eidesstattlichen Versicherung (E10), zusammen mit einer anderen Version des Quellcodes (E12 bis E18) und einer erklärenden Skizze (E11) nach Ablauf der Einspruchsfrist und dabei insbesondere auf die Frage, ob es sich bei der Vorlage der ursprünglichen eidesstattlichen Versicherung (E1) und des ursprünglichen Codes (E3 bis E5) um einen "offensichtlichen Fehler" handelte, kommt es demnach für die Zulässigkeit des Einspruchs nicht an.
Im Ergebnis ist daher die Angabe von E1 und von E3 bis E5 im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit zu berücksichtigen. Nachdem der Inhalt von E1 in der Einspruchsbegründung im Wesentlichen übernommen wurde, ist darüber hinaus davon auszugehen, dass E1 auch für die damit übereinstimmenden Teile der Einspruchsbegründung als Beweismittel angegeben ist, selbst wenn eine derartige Angabe bei einzelnen Merkmalen nicht ausdrücklich erfolgte.
5.2.2 Das Vorhandensein von Angaben zu Zeitpunkt und Umständen der Vorbenutzung
Zu Zeitpunkt und Umständen heißt es in der Einspruchsbegründung, zumindest am 24. Januar 2001 sei von Seiten der Einsprechenden bei der Robert Bosch GmbH in Reutlingen ein Kalibrierverfahren an einem Koordinatenmessgerät mit einem Dreh-Schwenk-Gelenk offenkundig vorbenutzt worden. Das Kalibrierverfahren nehme Anspruch 1 neuheitsschädlich vorweg. Das Koordinatenmessgerät habe Mittel entsprechend Anspruch 7 umfasst, so dass auch die diesbezügliche Lehre keinen patentbegründenden Überschuss aufweise. Ein Kalibrierverfahren sei aufgespielt worden, dessen Quellcode nicht codiert gewesen sei und vom Nutzer habe gelesen werden können. Als Beweismittel wurden in diesem Zusammenhang u.a. die eidesstattliche Versicherung E1, der Servicebericht E2 sowie der fragliche Quellcode E3 bis E5 genannt.
Wie soeben festgestellt, ist die Angabe von E1 und von E3 bis E5 im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit - entgegen der Auffassung der Einspruchsabteilung - zu berücksichtigen. Damit liegen ausreichende Angaben zu Zeitpunkt und Umständen der Vorbenutzung vor, d.h. zu den Fragen wann die Vorbenutzung stattgefunden hat und wo, wie und durch wen die Benutzung angeblich erfolgt ist:
Zeitpunkt ist der 24. Januar 2001. Die Benutzung erfolgte bei der Robert Bosch GmbH in Reutlingen ("wo"), und zwar durch einen Herrn Steinmetz ("durch wen"). Letzteres ergibt sich aus dem Hinweis auf den Servicebericht in der Einspruchsbegründung auf Seite 3 unten, zusammen mit der korrespondierenden Stelle der eidesstattlichen Versicherung E1, wo Herr Steinmetz als Autor des Serviceberichts ausdrücklich genannt ist (siehe dort, Seite 1, dritter Absatz). Die Benutzung vollzog sich, indem ein Kalibrierverfahren an einem Koordinatenmessgerät mit einem Dreh-Schwenk-Gelenk aufgespielt wurde, dessen Quellcode nicht codiert war und vom Nutzer gelesen werden konnte ("wie"). Insoweit wurden auch insbesondere die vorgenannten Beweismittel E1 bis E5 angegeben, auf deren Beweiswert es für die Zulässigkeit - wie ausgeführt - nicht ankommt.
5.2.3 Das Vorhandensein von Angaben zum Gegenstand der Vorbenutzung
a) Zusammenfassung
Streitig zwischen den Beteiligten ist vor allem die Angabe von Tatsachen und Beweismitteln bezüglich des Gegenstands der Vorbenutzung, d.h. die Frage, "was" der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sein soll.
Die unabhängigen Ansprüche 1 (Verfahrensanspruch) und 7 (Vorrichtungsanspruch) entsprechen einander. Anspruch 1 umfasst ein Verfahren zum Betreiben eines Koordinatenmessgeräts mit einem Dreh-Schwenk-Gelenk mit den Schritten 1a) bis 1d), Anspruch 7 ein Koordinatenmessgerät mit einem Dreh-Schwenk-Gelenk mit ersten bis fünften Mitteln. Die ersten bis fünften Mittel des Anspruchs 7 (von den Beteiligten auch (Teil-) Merkmale 7a) - e) genannt) dienen der Durchführung der Verfahrensschritte der Merkmale 1a) - 1d); die ersten und zweiten Mittel von Anspruch 7 sind zur Durchführung von Merkmal 1a) bestimmt. Dementsprechend beschränkt sich auch die Beschreibung in der Patentschrift hinsichtlich des Koordinatenmessgeräts auf folgende Feststellung: "Grundsätzlich können alle Verfahrensschritte von einem geeigneten Koordinatenmessgerät mit einem angeschlossenen Rechner durchgeführt werden" (siehe Absatz [0040] der veröffentlichten Fassung).
Was den Vergleich zwischen dem Gegenstand der Vorbenutzung und den Merkmalen der beiden Ansprüche betrifft, so umfassen die Angaben zur Vorbenutzung des Gegenstands von Anspruch 1 in größerem Umfang als zu Anspruch 7 Bezeichnungen von Quellcode der Kalibriersoftware TCalib 1.014 (Anlage 2 zu der eidesstattlichen Versicherung E1, siehe Einspruchsbegründung, Seite 4, zweiter voller Abschnitt; diese Anlage 2 wurde von der Einspruchsabteilung in drei Dokumente, nämlich E3 bis E5, aufgegliedert). Das gilt insbesondere für Merkmale 1b) und 1c), bezüglich derer lediglich der Anspruchswortlaut und ein Hinweis auf bestimmte Zeilen Quellcode bestimmter Dateien der Kalibriersoftware TCalib 1.0.14 genannt wurden. Demgegenüber werden mit den Ausführungen zu den entsprechenden Merkmalen 7c) und 7d) ausführlichere Erläuterungen gegeben.
Nach Auffassung der Kammer enthält die Einspruchsschrift, insbesondere in ihrem Teil III auf S. 6 - 7, der im Wesentlichen von der eidesstattlichen Versicherung (E1) übernommen wurde, die von Regel 55 c) EPÜ 1973 geforderte Angabe der zur Begründung des Einspruchs vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel betreffend die Vorbenutzung des Gegenstands des unabhängigen Vorrichtungsanspruchs 7 im Einklang mit den oben (unter Punkt 5.1.2) zu dieser Rechtsvorschrift dargestellten Grundsätzen. Aus den zur Begründung vorgebrachten Tatsachen, mit denen ein Vergleich zwischen den Merkmalen von Anspruch 7 und den Merkmalen des Gegenstands der Benutzung, dem "Koordinatenmessgerät Video-Check IP mit Dreh-Schwenk-Gelenk des Typs Renishaw PH10M", vorgenommen wird, sind technische Zusammenhänge zwischen diesen beiden Gegenständen erkennbar, und Beweismittel, welche die zur Begründung vorgebrachten Tatsachen stützen sollen, sind angegeben.
Nachfolgend wird dies im Einzelnen dargelegt. Dabei werden die Ausführungen in der Mitteilung der Kammer vom 22. Juli 2008 einbezogen. Darin hat die Kammer begründet, warum die Angaben zu Anspruch 7 ausreichend seien. Sie hat sich dabei auf eine ausführliche Erörterung der Merkmale 7 b), c) und f) beschränkt, da die Beschwerdegegnerin in ihrer Einspruchserwiderung bei ihren Ausführungen zu Anspruch 7 lediglich auf diese Merkmale eingegangen ist. In der Beschwerdeerwiderung, mit der sie u.a. die Verständlichkeit des Quellcodes (E3 bis E5) bestritten hat, hat sie nichts vorgebracht, was die Kammer dazu veranlassen würde, von ihrer Bewertung abzurücken. Nach ihrer Auffassung sind insbesondere die Merkmale 7b) und c) auch ohne Zuhilfenahme des diesbezüglich genannten Quellcodes verständlich. Die hinsichtlich Merkmalen 7b), c) und f) in der Mitteilung zum Ausdruck gebrachte vorläufige Meinung wird damit endgültig.
b) Merkmal "Koordinatenmessgerät mit einem Dreh-Schwenk-Gelenk" des Anspruchs 7
Insoweit ist in der Einspruchsbegründung von einem "Koordinatenmessgerät Video-Check IP mit Dreh-Schwenk-Gelenk des Typs Renishaw PH10M" die Rede (siehe Seite 3, unter Punkt II, 2. Absatz), versehen mit einem Taster des Typs TP 200 der Firma Renishaw (siehe Seite 4, erster voller Absatz). Als Beweismittel für den prinzipiellen Aufbau des Koordinatenmessgeräts wurde die Anlage B (E9), für den Taster die Anlage 3 (E6) genannt, im Übrigen wurde auch Anlage A (E1) als Beweismittel bezeichnet. Ein Bezug zwischen dem Gegenstand der Vorbenutzung und Anspruch 7 wurde daher bezüglich dieses Merkmals hergestellt.
c) Erste Mittel des Anspruchs 7 ("Merkmal 7a)")
Gleiches gilt hier: Unter Punkt III, erster Absatz, der Einspruchsbegründung sind die als benutzt behaupteten Mittel zum Kalibrieren einer Winkelstellung eines Sensors näher bezeichnet, nämlich ein Lehrring und eine Kalibrierkugel mit einem Durchmesser von 40 bzw. 25 mm. Als Beweismittel ist E1 genannt.
d) Zweite Mittel des Anspruchs 7 ("Merkmal 7b)") [Text aus Mitteilung]
"Bezüglich der zweiten Mittel des Anspruchs 7 meinte die Patentinhaberin [in ihrer Einspruchserwiderung] unter Bezugnahme auf ihre Ausführungen zu Anspruch 1, es fehle an einer Offenbarung dazu, 'dass bei der Kalibrierung tatsächlich eine Datei 'Tk_tgeo.dms' und eine Datei 'Tk_tastw.dms' abgearbeitet werden, und hierdurch ein geometrisches Modell erstellt wird, welches nachträglich zum Bestimmen der Positionen des Sensors aus der Kalibrierung des Sensors verwendet wird ...' . Zu Merkmal 1a) hat die Patentinhaberin insoweit ausgeführt: 'In der gesamten Bedienungsanleitung findet der Anwender keinen konkreten Hinweis darauf, was im Hintergrund bei der 'Referenzkalibrierung', der 'Folgekalibrierung' und der 'Schnellkalibrierung' genau passiert. Dass bei der Kalibrierung tatsächlich eine Datei 'Tk_tgeo.dms' und eine Datei 'Tk_tastw.dms' abgearbeitet werden, und hierdurch ein geometrisches Modell erstellt wird, das nachträglich zum Bestimmen der Positionen des Sensors aus der Kalibrierung verwendet wird, war für den Anwender aus den ihm zugänglichen Informationen nicht ohne weiteres zu entnehmen.'
Diesbezüglich ist von Bedeutung, dass die Einsprechende in ihrer Einspruchsbegründung ... zu dem mit Merkmal 7b) korrespondierenden Merkmal 1a) ausgeführt hat, dass eine Tasterkonfiguration für eine Winkelstellung kalibriert und ein geometrisches Modell bestimmt wurde. Wörtlich heißt es weiter: 'Die Ermittlung des geometrischen Modells des Sensors ist der Datei Tk_tgeo.dms komplett und Tk_tastw.dms, Zeilen 63 bis 148, zu entnehmen.' (Siehe S. 4, zweiter und vierter voller Absatz.) ... Darüber hinaus hat sie weitere Ausführungen unmittelbar zu Merkmal 7b) unterbreitet (siehe Seite 6, zweiter Absatz).
Selbst wenn die Abarbeitung der beiden Dateien zur Erstellung eines geometrischen Modells für den Anwender aus den ihm zugänglichen Informationen nicht ohne Weiteres zu entnehmen sein sollte, wie die Patentinhaberin meint, so hat die Einsprechende doch diesen Sachverhalt wenigstens dargelegt und als Beweismittel hierfür neben den Dateien selbst auch eine eidesstattliche Versicherung (E1) [zu Merkmal 1a)] bezeichnet. Die genannten Dateien können nicht von vornherein ihrer Art nach als ungeeignete Beweismittel angesehen werden. Die Frage, ob mit diesen Beweismitteln der Beweis erbracht werden könnte, ist aber keine Frage der Zulässigkeit im Rahmen von Regel 55 c) EPÜ 1973, sondern der Begründetheit."
e) Dritte Mittel des Anspruchs 7 ("Merkmal 7c)") [Text aus Mitteilung]
"In den Ausführungen der Patentinhaberin zu den dritten Mitteln (Merkmal 7c) nahm sie offenbar auf ihren Vortrag zu dem korrespondierenden Anspruch 1b) Bezug. Dort wies sie auf Unklarheiten der Bedienungsanleitung E8 und auf einen Widerspruch zwischen E8 und der eidesstattlichen Versicherung E1 hin. Des Weiteren sei das Merkmal 1b) den in der Einspruchsbegründung angegeben Unterlagen nicht zu entnehmen.
Allerdings hat die Einsprechende im dritten Absatz von Teil III der Einspruchsbegründung nähere Angaben zu Merkmal 7c) gemacht und Beweismittel genannt, nämlich die Kalibriersoftware TCalib.1.0.14. sowie die [hierzu gehörige] Datei Driver.ini ... Weder die Kalibriersoftware [im Allgemeinen] noch die Datei [im Besonderen] können von vornherein ihrer Art nach als ungeeignete Beweismittel angesehen werden.
Daher scheint es auch in Bezug auf Merkmal 7 c) um den Nachweis von Tatsachen und nicht um die Angabe von Tatsachen und diesbezüglichen Beweismitteln zu gehen."
Hinzuzufügen ist, dass in der Begründung zu dem korrespondierenden Merkmal 1b) ausgeführt wurde, dass die fraglichen Positionen und Winkelstellungen in einer Liste gemäß Zeile 505 der Datei Tk_tastw.dms gespeichert werden.
f) Vierte Mittel des Anspruchs 7 ("Merkmal 7d)")
Die vierten Mittel beinhalten gemäß Teil III der Einspruchsbegründung (Seite 7, 1. Absatz) die Anwendung eines Korrekturverfahrens für kalibrierte Taststifte zur Korrektur der zuvor errechneten und gespeicherten ungefähren Kalibrierdaten, so dass sich das Merkmal 7d) wiederfinde. Als Mittel zum Speichern der Werte wurde die Datei "Driver.ini" bezeichnet. Nach Auffassung der Kammer wird der Fachmann davon ausgehen, dass das Korrekturverfahren durch die Kalibriersoftware TCalib.1.0.14 realisiert wird, deren Quellcode bereits als Beweismittel (E3 bis E5) angegeben worden war. In der Begründung zu dem korrespondierenden Merkmal 1c) wird insoweit konkret die Datei Tk_folge.dms (Zeile 571 bis 940) angeführt.
g) Fünfte Mittel des Anspruchs 7 ("Merkmal 7e)") [Text aus Mitteilung]
"Zwar ist die Angabe der Tatsachen zu Merkmal 7 e) auf Seite 7, 2. Absatz, der Einspruchsbegründung sehr knapp: 'In der Win-Werth-Software konnten Werkstücke vollautomatisch vermessen werden, indem ein Automatikablauf benutzt wird.' Als Beweismittel hierzu wird die 'Bedienungsanleitung' gemäß Anlage 4 von E1 genannt; gemeint ist offenbar das dort als Anlage 4 bezeichnete 'Anwenderhandbuch' E7 (vgl. die entsprechende Passage zu Merkmal 1d) auf Seite 5, dritter Abschnitt, der Einspruchsbegründung).
Der Fachmann wird jedoch davon ausgehen, dass es sich um einen Routineablauf unter Verwendung der üblichen zu dessen Durchführung erforderlichen Mittel handelt, bei dem insbesondere die in Merkmal 7 c) genannten Positionen und Winkelstellungen der Liste sowie die in Merkmal 7 d) genannten ermittelten Kalibrierdaten zu Hilfe genommen werden. Die allgemeine Nennung der vollautomatischen Vermessung mittels eines Automatikablaufs mag daher als Tatsachenangabe den Anforderungen der Regel 55 c) EPÜ 1973 genügen.
Daher scheint auch bei Merkmal 7 e) die geforderte Angabe von Tatsachen und diesbezüglichen Beweismitteln vorzuliegen. Auch die Patentinhaberin bezog sich betreffend Merkmal 7 e) auf den Inhalt von Beweismitteln, nicht auf die Angabe von Tatsachen und Beweismitteln. Sie führte aus: 'So geht aus keinem der relevanten Dokumente hervor, dass Mittel vorhanden sind, damit der für die Vermessung des Werkstückes benötigte CNC-Ablauf mit Hilfe der in Merkmal 7c) gespeicherten Liste der Positionen und Winkelstellungen durchgeführt wird'. (Siehe [die Einspruchserwiderung auf] Seite 6, unten.) "
h) Die Beschwerdeerwiderung
Mit der Beschwerdeerwiderung werden unter Punkt II bis VI (siehe oben, Punkt VII b), Nr. 2 bis 6) Zweifel in Zusammenhang mit den Beweismitteln, vor allem dem innerhalb der Einspruchsfrist vorgelegten Quellcode (Dokumente E3 bis E 5), vorgebracht. Nach den vorstehenden Ausführungen ist aber einerseits die Frage der Eignung von E3 bis E5 zum Nachweis von Tatsachen für die Zulässigkeit irrelevant und sind die Angaben von Tatsachen zum Gegenstand der Vorbenutzung der einzelnen Merkmale von Anspruch 7 auch ohne Zuhilfenahme des Inhalts der Beweismittel, insbesondere des Quellcodes, verständlich. Die Frage der hinreichenden Konkretisierung der relevanten Stellen dieses Beweismittels als Tatsachenangabe und die Verständlichkeit dieser Stellen (siehe oben, unter Punkt 5.1.3), ist demnach hier nicht aufgeworfen. Daher sind die Ausführungen der Beschwerdegegnerin unter Punkt II bis VI ihrer Beschwerdeerwiderung für die Frage der ausreichenden Angabe von Tatsachen und Beweismitteln hinsichtlich der Vorbenutzung des Gegenstands des unabhängigen Vorrichtungsanspruchs 7 nicht relevant.
5.3 Ergebnis der Anwendung des rechtlichen Rahmens
Die in der Einspruchsschrift enthaltenen Angaben der Tatsachen und Beweismittel zu Zeitpunkt, Umständen und Gegenstand der Vorbenutzung erfüllen im Hinblick auf den Gegenstand des Anspruchs 7 die Erfordernisse von Regel 55 c) EPÜ 1973. Denn aufgrund dieser Angaben ist es für die Kammer möglich, das Vorbringen der Beschwerdeführerin betreffend die geltend gemachte, angeblich neuheitsschädliche Vorbenutzung soweit zu verstehen, dass sie eine Prüfung seiner materiellrechtlichen Begründetheit einleiten könnte. Da das Vorhandensein dieser Angaben für einen Anspruch und bezüglich eines Einspruchsgrundes, hier der fehlenden Neuheit, ausreicht und bezüglich des Vorliegens der übrigen Zulässigkeitserfordernisse keine Bedenken bestehen, ist der Einspruch zulässig. Die Prüfung des Beweiswerts der im Verfahren vor der Einspruchsabteilung vorgelegten Beweismittel gehört zur sachlichen Begründetheit des Einspruchs.
Auf die Frage, ob die in der Einspruchsbegründung gemachte Angabe von Tatsachen und Beweismitteln im Hinblick auf Anspruch 1 oder 2 die Voraussetzungen von Regel 55 c) EPÜ 1973 ebenfalls erfüllt, kommt es daher für die Zulässigkeit des Einspruchs nicht mehr an.
Den Anträgen der Beschwerdeführerin, die angefochtene Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und den Einspruch für zulässig zu erklären, ist damit stattzugeben.
6. Zurückverweisung an die erste Instanz
Neben der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und der Erklärung des Einspruchs für zulässig hat die Beschwerdegegnerin auch beantragt, "das Verfahren" an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen, um einen Instanzenverlust zu vermeiden.
Die Einspruchsabteilung hat die geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung materiellrechtlich noch nicht umfassend geprüft. Die zur Zulässigkeit des Einspruchs gemachten Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung sind allenfalls als Teilergebnis einer materiellrechtlichen Untersuchung der Begründetheit anzusehen. Nachdem die angefochtene Entscheidung ausschließlich die Zulässigkeit behandelt, hätte eine Überprüfung der Begründetheit des Einspruchs durch die Kammer den Verlust einer Instanz zur Folge. Die Kammer macht daher von der ihr in Artikel 111 (1) EPÜ 1973 eingeräumten Befugnis Gebrauch, die Angelegenheit zur materiellen Prüfung auf der Basis der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen. Dem diesbezüglichen Antrag der Beschwerdeführerin wird somit ebenfalls stattgegeben.
7. Befassung der Großen Beschwerdekammer
Die Beschwerdegegnerin hat hilfsweise beantragt, die Große Beschwerdekammer mit den "hier aufgeworfenen Fragen" zu befassen, sofern sie die Beschwerde nicht als unbegründet zurückweist und den Einspruch als unzulässig verwirft.
Gemäß Artikel 112 (1) a) EPÜ 1973 befasst die Beschwerdekammer, bei der ein Verfahren anhängig ist, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung oder wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, von Amts wegen oder auf Antrag eines Beteiligten die Große Beschwerdekammer, wenn sie hierzu eine Entscheidung für erforderlich hält. Nach Auffassung der Kammer ist keine dieser Bedingungen erfüllt. Mit der vorliegenden Entscheidung beabsichtigt die Kammer nicht, von einer Entscheidung der Großen Beschwerdekammer oder einer anderen Beschwerdekammer abzuweichen. Die Kammer ist auch nicht der Auffassung, dass eine Entscheidung der Großen Beschwerdekammer erforderlich ist, weil sich vorliegend eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellen würde. Sie ist vielmehr der Auffassung, dass sich die Beantwortung der Fragen aus dem Übereinkommen in einer für die Kammer zweifelsfreien Weise ableiten lässt (siehe J 5/81, ABl. 1982, 155, Nr. 11).
Der Antrag der Beschwerdegegnerin, in dem weder die "hier aufgeworfenen Fragen", mit denen die Große Beschwerdekammer befasst werden soll, konkret bezeichnet sind, noch gar ausdrücklich begründet ist, warum eine Befassung erfolgen sollte, ist daher zurückzuweisen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Der Einspruch ist zulässig.
3. Die Angelegenheit wird zur Fortsetzung des Einspruchsverfahrens an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen.
4. Der Antrag auf Befassung der Großen Beschwerdekammer wird zurückgewiesen.