4.4.3 Grenzen der Neuformulierung der technischen Aufgabe
Grundsätzlich können bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit auch zusätzliche Vorteile berücksichtigt werden, die in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung nicht beschrieben sind, aber einen darin genannten Anwendungsbereich betreffen, sofern diese Vorteile nicht das Wesen der Erfindung verändern (T 440/91, s. auch T 1062/93, T 1983/07, T 1422/12, T 1450/14, T 321/16). Wird nun die technische Aufgabe, die in der Anmeldung in der eingereichten Fassung angegeben ist, um derartige Vorteile ergänzt, so bleibt das Wesen der Erfindung dann unverändert, wenn der Fachmann sie aufgrund ihrer engen technischen Beziehung zur ursprünglichen Aufgabe in Erwägung ziehen konnte (T 440/91, T 1062/93, T 1983/07, T 1450/14, T 321/16).
Andererseits kann eine angebliche technische Wirkung eines beschriebenen Merkmals bei der Ermittlung der der Erfindung zugrunde liegenden Aufgabe im Hinblick auf die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht berücksichtigt werden, wenn sie nicht vom Fachmann unter Berücksichtigung des nächstliegenden Stands der Technik aus der Anmeldung in der eingereichten Fassung abgeleitet werden kann (T 386/89) oder wenn in den ursprünglich eingereichten Dokumenten nicht zumindest darauf hingewiesen wird (T 321/16; in T 344/89 "in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung angedeutet"). S. auch T 440/91, T 532/00, T 867/13.
In T 1188/00 stellte die Beschwerdekammer fest, dass eine Aufgabenneuformulierung, die sich auf eine im Beschwerdeverfahren erstmals geltend gemachte Wirkung bezieht (ehrgeizigere Aufgabe), nur dann zur Begründung einer erfinderischen Tätigkeit herangezogen werden kann, wenn glaubhaft ist, dass sich die geltend gemachte Wirkung über den gesamten beanspruchten Bereich erzielen lässt. Die Beweislast dafür liegt beim Patentinhaber. Siehe auch T 134/00, T 815/16 (Verweise auf diese Entscheidung in Bezug auf Plausibilität in T 253/02, T 172/07, T 366/12, T 438/16, T 815/16, T 987/17).
In T 235/04 stimmte die Kammer der Formulierung der technischen Aufgabe nicht zu, da nicht nachgewiesen worden sei, dass die angebliche Verbesserung im gesamten beanspruchten Bereich eintrete. Bei der Definition der technischen Aufgabe könne nach Auffassung der Kammer eine Wirkung nicht berücksichtigt werden, wenn das versprochene Ergebnis sich nicht im gesamten Bereich erzielen lasse, auf den sich der beanspruchte Gegenstand erstrecke. Die technische Aufgabe müsse daher auf weniger ehrgeizige Weise neu definiert werden (T 626/90, T 1057/04, T 824/07).
Auch in T 259/05 konnte die Kammer die behauptete Verbesserung nicht anerkennen, da sie weder durch Versuche belegt wurde noch anderweitig glaubhaft gemacht wurde. Folglich wurde die formulierte ambitionierte Aufgabe nicht als erfolgreich gelöst betrachtet. Die behauptete Verbesserung der Effizienz des Verfahrens blieb somit bei der Festlegung der objektiven Aufgabenstellung des Streitpatentes und der Beurteilung dessen erfinderischer Qualität unberücksichtigt. Infolgedessen war die technische Aufgabe weniger anspruchsvoll umzuformulieren.
Nach T 155/85 (ABl. 1988, 87) darf sich der Anmelder nicht auf eine von ihm zuvor als unerwünscht und nutzlos bezeichnete Wirkung berufen, diese nun plötzlich unter einem anderen Gesichtspunkt als möglicherweise vorteilhaft darstellen und davon ausgehen, dass dieser Umkehrung in der technischen Aufgabe und bei der Würdigung der erfinderischen Tätigkeit Rechnung getragen wird. Eine Neuformulierung der technischen Aufgabe darf nicht im Widerspruch zu früheren Aussagen über den allgemeinen Zweck und Charakter der Erfindung stehen, die in der Anmeldung enthalten sind (s. auch T 115/89, T 2245/10).