7.2.2 Nachweis der therapeutischen Wirkung
Damit eine therapeutische Anwendung als hinreichend offenbart akzeptiert wird, müssen die Anmeldung oder das Patent und/oder das allgemeine Fachwissen Informationen liefern, die dem Fachmann technisch plausibel darlegen, dass die beanspruchten Verbindungen für die beanspruchte therapeutische Verwendung geeignet sind (T 1599/06 mit Verweis auf T 609/02).
Das Erfordernis der ausreichenden Offenbarung gilt in Bezug auf Ansprüche auf eine zweite medizinische Verwendung als erfüllt, wenn der Fachmann aufgrund der Offenbarung in der Patentschrift oder des allgemeinen Fachwissens in der Lage ist, die anzuwendende Verbindung herzustellen und anzuwenden, und wenn die beabsichtigte therapeutische Wirkung nachweislich erzielt werden kann (T 1437/07 – Botulinumtoxin). Für die Kammer gab es ohne überzeugende Beweise dafür, dass die Wirkung nicht erzielt werden kann, keinen Grund, die tatsächliche Erzielbarkeit der Wirkung zu bezweifeln, nur weil ein Patent eine Wirkung offenbart, die in der Realität nicht erzielt wurde (Nr. 38.1 der Gründe).
Die Kammer in T 899/14 entschied, dass es entgegen der Auffassung des Patentinhabers nicht ausreicht, nur eine zu befolgende Verabreichungsweise zu beschreiben, ohne Beweis von der therapeutischen Wirksamkeit der vorgeschlagenen Behandlung. Der Beschwerdeführer (Patentinhaber) argumentierte nicht, dass es sich um ein allgemeines Fachwissen handle, sondern stützte sich auf die Beispiele. So stellte sich die Frage, ob die in den Beispielen enthaltenen Informationen die angebliche Wirksamkeit glaubwürdig machen oder zumindest ihre anfängliche Plausibilität begründen könnten. Die Kammer stellte ferner fest, dass die Ergebnisse klinischer Tests oder von Tierversuchen zwar nicht immer notwendig seien, um eine ausreichende Offenbarung zu belegen, eine bloße verbale Erklärung in der Anmeldung aber nicht ausreiche, um auch nur die anfängliche Plausibilität eines angeblichen therapeutischen Nutzens festzustellen.
Nach einem Hinweis auf die Grundsätze (Nr. 4.2 der Gründe) befand die Kammer in der Sache T 1959/15, in der der erteilte Anspruch 1 ein als zweckgebundener Erzeugnisanspruch gemäß Art. 54 (5) EPÜ formulierter Anspruch auf eine zweite medizinische Verwendung war, dass im konkreten Fall das Patent neben einer Aufforderung zur Durchführung eines Forschungsprogramms, die einen unzumutbaren Aufwand darstelle, nur für zwei beispielhafte Verbindungen mit der gewünschten Fähigkeit eine Wirkung (auf die Kardiomyopathie) aufweise, wobei diese beiden Verbindungen strukturell sehr ähnlich seien. Es sei daher nicht plausibel, dass sämtliche möglichen (strukturell unterschiedlichen) Verbindungen mit dieser Fähigkeit dieselbe Wirkung haben würden.