4.5.6 Einreichung neuer Anträge – außergewöhnliche Umstände verneint
In T 1187/16 stellte die Kammer Folgendes fest: Falls sämtliche in einer Mitteilung der Kammer behandelten Einwände bereits Gegenstand des bisherigen Verfahrens waren, kann diese Mitteilung das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände im Sinne von Art. 13 (2) VOBK 2020 nicht begründen. Im vorliegenden Fall waren diese Einwände insbesondere in der Erwiderung des Beschwerdegegners (Einsprechenden) ausführlich dargelegt worden. Die Kammer kam daher zu dem Schluss, dass der Beschwerdeführer bereits vor Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung ausreichend Gelegenheit gehabt hätte, im Hinblick auf die bestehenden Einwände vorsichtshalber Hilfsanträge einzureichen. Verfahrensökonomische Aspekte sowie die Tatsache, dass der Beschwerdeführer den Hilfsantrag mehr als einen Monat vor der mündlichen Verhandlung eingereicht hatte, waren vor diesem Hintergrund unbeachtlich.
In ähnlicher Weise stellte die Kammer in T 1328/18 (unter Bezugnahme auf T 2271/18) fest, dass die ungünstige vorläufige Einschätzung, die Einwände enthielt, die bereits in der Einspruchsphase erhoben worden waren, nicht als außergewöhnlicher Umstand angesehen werden kann.
In der Entscheidung T 2775/17 wies die Kammer das Argument des Beschwerdegegners zurück, wonach er erst durch die Lektüre der Mitteilung und der darin geäußerten vorläufigen Meinung der Kammer in der Lage gewesen sei, den Inhalt der gegen den Hilfsantrag 2 erhobenen Einwände zu verstehen. Nach Ansicht der Kammer wurden durch ihre Mitteilung keine neuen Aspekte eingeführt.
In T 1891/16 war der Klarheitseinwand gegen Anspruch 1 des vierten Hilfsantrags, der in der Mitteilung der Kammer geäußert worden war, zwar in der Erwiderung des Einsprechenden explizit nur hinsichtlich Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags vorgebracht worden. Dasselbe strittige Merkmal war jedoch unverändert auch im vierten Hilfsantrag vorhanden. Nach Auffassung der Kammer war dies für den Patentinhaber leicht erkennbar. Folglich hätte der Patentinhaber, so die Kammer, den fünften Hilfsantrag unmittelbar als Antwort auf die Beschwerdeerwiderung des Einsprechenden einreichen können und sollen, und nicht erst als Antwort auf den Ladungsbescheid der Kammer.
In T 172/17 stellte die Kammer fest, dass es im Wesen des Beschwerdeverfahrens liegt, dass eine Kammer bei einer strittigen Frage zu einer anderen Schlussfolgerung kommen kann als die erste Instanz. Dies könne objektiv gesehen für den Beschwerdegegner nicht überraschend sein. S. auch die Fälle in V.A.4.5.6 h) "Meinung der Kammer anders als die der Einspruchsabteilung".
Für weitere Fälle, bei denen die Kammer das Argument, die Änderung sei eine Reaktion auf die vorläufige Einschätzung der Kammer, nicht akzeptierte, siehe z. B. T 1483/16, T 276/17, T 1707/16 und T 1717/17.