AUS DEN VERTRAGS- / ERSTRECKUNGSSTAATEN
DE Deutschland
Beschluß des Bundesgerichtshofs, X. Zivilsenat, vom 11. Juni 1991
(X ZB 13/88)*
Stichwort: Seitenpuffer
§ 1 (1) PatG 1968
Schlagwort: "Technischer Charakter einer Lehre zum Betrieb einer Datenverarbeitungsanlage - unmaßgeblich ist, ob eine bestimmte gegenständliche Ausgestaltung der Anlage oder neue Einsatzmöglichkeiten gelehrt werden" - "Technizität der Erfindung hängt nicht vom Vorliegen der sonstigen Patentierbarkeitsvoraussetzungen ab"
Leitsätze
1. Eine programmbezogene Lehre ist technisch, wenn sie die Funktionsfähigkeit der Datenverarbeitungsanlage als solche betrifft und damit das unmittelbare Zusammenwirken ihrer Elemente ermöglicht (Ergänzung zu BGHZ 67, 22, 29 - Dispositionsprogramm).
2. Ein Verfahren, das in der Erfassung und Speicherung der Information über den aktuellen Speicherbereich eines in einer Datenverarbeitungsanlage ablaufenden Rechenprozesses und in einer bestimmten Ladestrategie für einen dem bevorzugten Zugriffunterliegenden, aber nur eine Auswahl von Speicherseitenfassenden Speicher (Seitenpuffer) besteht, betrifft die Funktionsfähigkeit der Datenverarbeitungsanlage als solche; esenthält die Anweisung, die Elemente einer Datenverarbeitungsanlage beim Betrieb unmittelbar auf bestimmte Art und Weise zu benutzen.
3. Ob eine Lehre zum technischen Handeln vorliegt, hängt nichtdavon ab, ob die Lehre neu, fortschrittlich und erfinderischist.
Sachverhalt und Anträge
I. Die Patentanmeldung P 25 42 845.9-53 vom 28. September 1975, die ein Verfahren zum Betreiben eines hierarchisch gegliederten, mehrstufigen Arbeitsspeichersystems und eine Schaltungsanordnung zur Durchführung des Verfahrens betrifft, wurde (...) am 13. März 1980 bekanntgemacht (...).
Im Einspruchsverfahren ist das Patent mit der Begründung versagt worden, die Lehre des Patentanspruchs 1 sei nicht technisch (...).
Das Bundespatentgericht hat die Beschwerde der Anmelderin zurückgewiesen. (...)
Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde rügt die Anmelderin, das Bundespatentgericht habe die konkrete Anwendung einer Organisationsregel zur Systemsteuerung der internen Abläufe einer Datenverarbeitungsanlage zu Unrecht als nicht patentfähig angesehen. Sie beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen.
Die Einsprechende beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
Der Präsident des Deutschen Patentamts (...) hält die Rechtsbeschwerde für begründet.
Entscheidungsgründe
II. (...)
III. Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Bundespatentgericht.
1. Die Rechtsbeschwerde macht geltend, Betriebs- und Steuersysteme von Datenverarbeitungsanlagen würden auf Grund von Fortschritten in der Halbleitertechnik nicht mehr als fest verdrahtete Schaltungen (Hardware) gestaltet. Die früher von der festen Verdrahtung vorgegebenen Schaltungsfunktionen seien bei modernen Datenverarbeitungsanlagen in einzelne, nacheinander auszuführende Funktionsschritte aufgelöst und jeweils Mikrobefehlen zugeordnet, die bei ihrem Wirksamwerden auf vorbestimmte Schaltungselemente der Anlage einwirkten und so den zugehörigen Funktionsschritt auslösten (...). Dieselbe schaltungstechnische Lösung könne als fest verdrahtete Anordnung oder als programmierte Anordnung verwirklicht werden; bei letzterer seien Software und Hardware voneinander trennbar. Dies dürfe jedoch nicht zu einer getrennten Betrachtung dieser Bestandteile führen; Gegenstand der Prüfung müsse die aus beiden Teilen zusammengesetzte Anordnung oder das derart zusammengesetzte Verfahren sein. Dabei dürfe es keine Rolle spielen, ob nur die Hardware, nur die Software oder beide die Problemlösung verwirklichten. In der Praxis seien Datenverarbeitungsanlagen so konzipiert, daß sie ohne eine Mindestausstattung an Software, die Betriebs- oder Systemsteuerprogramme, nicht zu nutzen seien. Die Programme legten die innere Arbeitsweise und das Zusammenwirken der einzelnen Hardwarekomponenten einer Datenverarbeitungsanlage fest und vervollständigten so die Hardware.
Bei dem Anmeldungsgegenstand handle es sich um ein technisches Verfahren; die Lehre erschöpfe sich nicht in einer bloßen Organisationsregel, weil deren Umsetzung in Datenverarbeitungsanlage eine Steuerungsfunktion innerhalb des Verfahrens auslöse. Das beanspruchte Verfahren erfordere Mittel zur Überwachung der Anforderungssignale, Zwischenspeicher, Steuermittel zur Abspeicherung der Seitenadressen im Zwischenspeicher (...), sowie Mittel zur Steuerung der Umladung der gewünschten Datenseite aus dem Hauptspeicher in einen freien Seitenrahmen des Seitenpuffers, zur Überwachung der Bereitstellung aller benötigten Seiten im Seitenpuffer und zur Erzeugung einer entsprechenden Quittung. Allen diesen Verfahrensschritten entsprächen Schaltungszustände. Der mit den Schaltungsabläufen beabsichtigte Zweck werde ohne Zwischenschaltung menschlicher Verstandestätigkeit durch den Einsatz technischer Mittel erreicht.
Selbst wenn aber das Vorliegen eines technischen Programms zu verneinen sei, lehre das beanspruchte Verfahren eine neue Brauchbarkeit einer Datenverarbeitungsanlage. Entgegen der Auffassung des Bundespatentgerichts führe der Betrieb baugleicher Hardwareanordnungen mit unterschiedlichen Betriebsprogrammen nicht zu identischen Datenverarbeitungsanlagen. Unterschiede im Betriebssystem führten zu verschiedenen Schaltungsanordnungen. Man müsse von dem notwendigen Zusammenspiel zwischen Software und Hardware ausgehen. Daraus, daß das beanspruchte Verfahren die innere Gestaltung der Arbeitsweise einer Datenverarbeitungsanlage betreffe, ergebe sich, daß es mehr als ein nichttechnisches Programm sei (...). Wenn das Gesamtsystem aus Hard- und Software zum andersartigen Betrieb einer Datenverarbeitungsanlage führe, habe es eine technische Lehre zum Inhalt.
2. Der Präsident des Deutschen Patentamts meint, der angefochtene Beschluß gehe von einem zu engen Technikbegriff aus. Die technische Natur einer Lehre könne auch durch die neue Art der Benutzung einer bekannten Anlage begründet sein. Soweit das Bundespatentgericht darauf abstelle, daß jeder Gebrauch einer Datenverarbeitungsanlage im Rahmen der dieser innewohnenden Fähigkeiten bestimmungsgemäß sei, verkenne es, daß dies nur die bereits bekannte Bestimmung der Anlage betreffe. Von neuen, bisher nicht üblichen und nicht naheliegenden Fähigkeiten der Anlage könne kein bestimmungsgemäßer Gebrauch gemacht werden. Der Weg zur Patentierung einer neuen, erfinderischen Brauchbarkeit einer in ihren Elementen und in ihrem Aufbau bekannten Datenverarbeitungsanlage müsse auch dann offen bleiben, wenn sich diese Brauchbarkeit aus dem Algorithmus oder aus der Rechenregel ergebe (...). Dem in Patentanspruch 1 beanspruchten Verfahren sei eine neue Brauchbarkeit der Datenverarbeitungsanlage deshalb zu entnehmen, weil dadurch eine Beschleunigung und Verbesserung bisher üblicher Verfahrensabläufe erzielt werde.
3. Die Einsprechende tritt dem entgegen. Sie verweist darauf, daß eine Lehre, deren wesentlicher Gehalt sich in einer Regel zur Auswahl, Gliederung und Zuordnung bestimmter Bedeutungsinhalte erschöpfe, auch dann nichttechnisch sei, wenn ihre Anwendung zweckmäßig oder ausschließlich unter Zuhilfenahme technischer Geräte erfolge und sich in technisch verwendbaren Ergebnissen niederschlage (...). Die Zuordnung eines Programms zur Hard- oder Software sei beliebig und gebe für die Einordnung der Lehre als technisch nichts her. Werde ein Problem mittels einer Datenverarbeitungsanlage und eines Programms gelöst, werde der Fachmann, der die Problemlösung entwickle, ausschließlich organisatorisch tätig. Die von ihm ermittelte Programmfolge stelle bereits die Lösung dar. Das Gebiet der Technik werde erst bei der Anwendung der fertigen Problemlösung betreten (...). Auch Systemsteuerprogramme bestünden aus einem Organisationsschema. Ihre Aufstellung erfordere zwar tiefere Kenntnisse vom Hardwareaufbau der Anlage und erscheint somit "technischer", jedoch werde der vorgegebene Hardwareaufbau der Datenverarbeitungsanlage durch derartige Programme nicht verändert. Systemsteuerprogramme ließen sich im übrigen von Anwenderprogrammen nicht eindeutig unterscheiden. Auch Anwenderprogramme wirkten sich regelmäßig auf die Arbeitsweise und das Zusammenwirken der einzelnen Teilschaltungen der Datenverarbeitungsanlage aus.
Die Einsprechende ist weiter der Ansicht, eine neue Brauchbarkeit einer Datenverarbeitungsanlage auf technischem Gebiet liege nicht schon in der Verkürzung der einzelnen Prozesse oder in der größeren Leistungsfähigkeit des Arbeitsspeichers.
4. Entgegen der Auffassung des Bundespatentgerichts kann der technische Charakter der in Patentanspruch 1 beschriebenen Lehre nicht verneint werden.
a) Der beanspruchten Lehre liegt das Problem zugrunde, den Seitenpuffer einer simultan mehrere Prozesse bearbeitenden Datenverarbeitungsanlage mit einem hierarchisch gegliederten, mehrstufigen Arbeitsspeichersystem, auf den schnell zugegriffen werden kann, der aber nur über eine begrenzte Speicherkapazität verfügt, optimal für die gerade zu bearbeitenden Prozesse mit Speicherseiten aus dem alle Daten enthaltenen Hauptspeicher zu belegen, auf den nur ein langsamerer Zugriff möglich ist.
b) Zur Lösung dieses Problems schlägt die Anmelderin vor, beim Reaktivieren eines bereits früher bearbeiteten Prozesses die benötigten Speicherseiten, die sich nicht mehr im Seitenpuffer befinden, nicht einzeln aus dem Hauptspeicher abzurufen, was mit Wartezeiten verbunden wäre, sondern sie bereits bei der ersten Anforderung zu registrieren und die registrierten Speicherseiten bei der erneuten Aktivierung des Prozesses insgesamt in den Seitenpuffer zu übertragen.
c) Gegenstand der beanspruchten Lehre ist danach ein Verfahren zum Betreiben eines Arbeitsspeichersystems einer Datenverarbeitungsanlage, die simultan mehrere Prozesse bearbeitet,
(1) wobei das Arbeitsspeichersystem folgendermaßen ausgestaltet ist:
(1.1) es ist mehrstufig und hierarchisch gegliedert,
(1.2) seine zwei niedersten Speicherstufen bestehen,
(1.2.1) aus einem alle Daten der simultan ablaufenden Prozesse enthaltenden Hauptspeicher und
(1.2.2) einem nur eine Auswahl von Speicherseiten umfassenden Seitenpuffer,
(1.3) der Seitenpuffer
(1.3.1) unterliegt gesteuert durch eine Speichersteuereinheit dem bevorzugten Zugriff und
(1.3.2) in ihn wird eine bei einem Speicherzugriff fehlende Speicherseite übertragen,
(2) mit folgenden Verfahrensschritten:
(2.1) beim Ablauf eines Prozesses wird jede Anforderung auf einen Speicherzugriff zum Seitenpuffer in der Speichersteuereinheit registriert,
(2.1.1) die Registrierung erfolgt durch Zwischenspeichern der Adresse der ausgewählten Speicherseite,
(2.1.2) damit wird der aktuelle Speicherbereich des Prozesses ermittelt,
(2.2) bei einem Wechsel des Prozesses werden die zwischengespeicherten Seitenadressen in den Hauptspeicher übertragen,
(2.3) bei späterer erneuter Aktivierung des Prozesses durch einen Prozessor der Datenverarbeitungsanlage werden
(2.3.1) zunächst aus dem Hauptspeicher die Information über den bisher aktuellen Speicherbereich (dieses Prozesses) ausgelesen,
(2.3.2) mit den gespeicherten Seitenadressen sequentiell die zugeordneten Speicherseiten im Hauptspeicher ausgewählt und
(2.3.3) in den Seitenpuffer übertragen, sofern sie beim Verarbeiten anderer Prozesse aus diesem verdrängt wurden,
(2.4) nach dem Bereitstellen des bisher aktuellen Speicherbereichs des zu aktivierenden Prozesses läuft dieser Prozeß im Seitenpuffer unbehindert durch Seitenwechselanforderungen ab, solange sich der Bereich nicht ändert,
(2.5) durch die Anforderung bisher nicht benötigter Speicherseiten verursachte Änderungen des aktuellen Speicherbereichs werden in der Speichersteuereinheit registriert.
5. a) Die Patentfähigkeit des Gegenstands der vorliegenden Anmeldung beurteilt sich nach § 1 Abs. 1 PatG 1968. Der Senat hat das Vorliegen einer Erfindung in ständiger Rechtsprechung nur dann bejaht, wenn die beanspruchte Lehre dem Bereich der Technik angehört (BGHZ 52, 74 ff. - Rote Taube). Er hat eine Lehre zum technischen Handeln in einer Anweisung zum planmäßigen Handeln unter Einsatz beherrschbarer Naturkräfte zur Erreichung eines kausal übersehbaren Erfolgs gesehen, und dies bei bloßen Rechen-und Organisationsregeln unabhängig von ihrer sprachlichen Einkleidung verneint (BGHZ 67, 22, 27 - Dispositionsprogramm; BGH GRUR 1977, 657, 658 - Straken; GRUR 1978, 102 f. - Prüfverfahren; GRUR 1980, 849 f. - Antiblockiersystem; BGHZ 78, 98 f. -Walzstabteilung; GRUR 1986, 531, 533 - Flugkostenminimierung). An diesen Grundsätzen hält er fest.
b) Nach der Lehre des Patentanspruchs 1 wird die Entscheidung, welche Speicherseiten bei der Wiederaufnahme eines bestimmten Rechenprozesses aus dem Hauptspeicher in den Seitenpuffer genommen und dort weiterhin bereitgehalten werden, nach einer bestimmten Auswahlregel getroffen. Diese Auswahlregel besteht darin, die Speicherseiten bei der vorhergehenden Durchführung desselben Prozesses zu registrieren und das Ergebnis als Information über den aktuellen Speicherbereich dieses Prozesses festzuhalten, und zwar nach dem Wortlaut des Patentanspruchs 1 zunächst diesen Bereich zu ermitteln, die Speicheradressen zwischenzuspeichern und bei einem Prozeßwechsel in den Hauptspeicher zu übertragen, aus dem die Information bei der erneuten Aktivierung des Prozesses ausgelesen werden kann. In der Patentbeschreibung ist herausgestellt, bisher habe man erst dann eine Speicherseite in den Seitenpuffer übertragen, wenn sie bei einer Seitenanforderung gefehlt habe. Diese Ladestrategie habe den Nachteil einer Totzeit bei jeder Seitenübertragung (Spalte 3 Zeile 12 bis Zeile 25). (...)
Die Patentanmeldung lehrt demgegenüber, diesen Nachteil dadurch zu vermeiden, daß anstelle mehrfacher Seitenanforderung auf Grund der Ermittlung und Speicherung des aktuellen Speicherbereichs des Prozessors (Merkmale 2.1 mit Untermerkmalen und 2.2) bei dessen erneuter Aktivierung die Information über den bisher aktuellen Speicherbereich ausgelesen, die zugeordneten Speicherseiten im Hauptspeicher sequentiell ausgewählt und nach einem Abgleich mit dem Bestand im Seitenpuffer in diesen übertragen werden (Merkmal 2.3 mit Untermerkmalen), wodurch wiederholte Seitenanforderungen vermieden werden, solange sich der aktuelle Seitenbereich des Prozesses nicht ändert (Merkmal 2.4).
c) Die Lehre besteht somit zum einen in der Erfassung und Speicherung der Information über den aktuellen Speicherbereich eines Prozesses unter Zuordnung der benötigten Speicherseiten zu diesem (unter laufender Aktualisierung, Merkmal 2.5) und zum anderen in einer bestimmten Ladestrategie für den Seitenpuffer dergestalt, daß die benötigten Speicherseiten nicht einzeln, sondern auf Grund der durchgeführten Zuordnung "gebündelt" in diesen übertragen und dort als "Datenbündel" gespeichert werden. Diese Lehre erschöpft sich nicht in der Auswahl, Gliederung und Zuordnung von Daten, sondern verbessert die Arbeitsweise der Datenverarbeitungsanlage. Durch die Art der Nutzung des Seitenpuffers arbeitet die Datenverarbeitungsanlage schneller, indem Totzeiten vermieden werden. Dies betrifft die Funktion der Datenverarbeitungsanlage unmittelbar.
d) In der Entscheidung "Dispositionsprogramm" (BGHZ 67, 22, 29) hat der Senat ausgeführt, die Lehre, eine Datenverarbeitungsanlage nach einem bestimmten Rechenprogramm zu betreiben, könne nur dann patentfähig sein, wenn das Programm einen neuen, erfinderischen Aufbau einer solchen Anlage erfordere und lehre oder wenn ihm die Anweisung zu entnehmen sei, die Anlage auf eine neue, bisher nicht übliche und auch nicht naheliegende Art und Weise zu benutzen. Diese Aussage bedarf der Klarstellung. Für die Frage, ob der Anmeldungsgegenstand eine Lehre zum technischen Handeln zum Inhalt hat, ist ohne Bedeutung, ob die Lehre neu, fortschrittlich und erfinderisch ist. Eine programmbezogene Lehre ist technisch, wenn sie die Funktionsfähigkeit der Datenverarbeitungsanlage als solche betrifft und damit das unmittelbare Zusammenwirken ihrer Elemente ermöglicht. Ob es noch andere programmbezogene Lehren gibt, die eine Lehre zum technischen Handeln zum Gegenstand haben, bedarf hier keiner Entscheidung.
e) Die Auffassung des Bundespatentgerichts, die Anmeldung beschreibe keinen bestimmten Aufbau einer Datenverarbeitungsanlage im Sinne einer gegenständlichen Ausgestaltung, wird von der Anmelderin nicht in Frage gestellt; sie begegnet auch keinen rechtlichen Bedenken. Dagegen kann dem Bundespatentgericht nicht in seiner Beurteilung zugestimmt werden, daß der Anmeldungsgegenstand keine Lehre enthalte, beim Betrieb der Anlage deren Elemente unmittelbar auf bestimmte Art und Weise zu benutzen.
Zwar ist nicht erkennbar, daß sich durch die beanspruchte Lehre für die Datenverarbeitungsanlage Einsatzmöglichkeiten zu anderen als den bisher gegebenen Zwecken eröffnet hätten; die Anmelderin macht das auch nicht geltend. Die Lehre ermöglicht es aber, eine Datenverarbeitungsanlage unter besserer Ausnutzung des Arbeitsspeichers und mit kürzeren Speicherzugriffszeiten zu betreiben. Da dies durch die unmittelbare Benutzung der Elemente der Datenverarbeitungsanlage auf eine bestimmte Art und Weise erfolgt, kann der technische Charakter der Lehre nicht verneint werden.
Der Senat hat in einer Organisations- oder Rechenregel, die zur Anwendung in einer Datenverarbeitungsanlage formuliert ist, dann eine patentfähige Lehre gesehen, wenn sie eine neue, erfinderische Brauchbarkeit einer solchen Anlage lehrt (BGH GRUR 1978, 102 - Prüfverfahren; BGH GRUR 1978, 420, 421 f. -Fehlerortung). In anderen Entscheidungen hat er von der Benutzung der Anlage auf eine neue, bisher nicht übliche und auch nicht naheliegende Art und Weise (BGHZ 67, 22, 29 -Dispositionsprogramm; BGH GRUR 1980, 849, 851 -Antiblockiersystem) oder von einer erfinderischen Veränderung der Nutzung der technischen Mittel (BGHZ 78, 98, 106 -Walzstabteilung) gesprochen. Mit all diesen Formulierungen hat der Senat dasselbe zum Ausdruck bringen wollen. Er hat dies in der Entscheidung "Straken" (GRUR 1977, 657, 658) näher erläutert: die Formulierung ziele allein darauf ab, den Weg zu einer Patentierung einer neuen, erfinderischen Brauchbarkeit einer in ihren Elementen und ihrem Aufbau bekannten Datenverarbeitungsanlage offen zu halten, falls sich eine solche aus der Angabe des Rechenprogramms herleiten lassen sollte.
f) Die angemeldete Lehre betrifft ein Verfahren, das in der Erfassung und Speicherung der Information über den aktuellen Speicherbereich eines in einer Datenverarbeitungsanlage ablaufenden Rechenprozesses und in einer bestimmten Ladestrategie für einen dem bevorzugten Zugriff unterliegenden, aber nur eine Auswahl von Speicherseiten fassenden Speicher (Seitenpuffer) besteht. Dieses Verfahren betrifft die Funktionsfähigkeit der Datenverarbeitungsanlage als solche, denn es enthält die Anweisung, die Elemente einer Datenverarbeitungsanlage beim Betrieb unmittelbar auf bestimmte Art und Weise zu benutzen. Dies ist eine Lehre zum technischen Handeln (...).
DE 3/93
* Amtlicher, für die Veröffentlichung gekürzter Text der Entscheidung, die vollständig veröffentlicht ist in Bl. f. PMZ 1991, 345, GRUR 1992, 33 und IIC 1992, 824.