2.3. Zurückweisung nach einem einzigen Bescheid
In T 821/96 führte die Kammer ergänzend aus, dass es nach ständiger Rechtsprechung im Ermessen der Prüfungsabteilung liege, ob sie den Anmelder nach Art. 96 (2) EPÜ 1973 ein weiteres Mal auffordern wolle, Stellung zu nehmen.
In T 162/82 (ABl. 1987, 533) entschied die Kammer, dass es sich im Interesse eines ordnungsgemäßen, wirtschaftlichen Prüfungsverfahrens unter Umständen verbietet, mehr als einen Bescheid ergehen zu lassen, wenn dies aller Voraussicht nach zu keinem positiven Ergebnis führt. Die Kammer in T 84/82 (ABl. 1983, 451) stellte fest, dass es im Ermessen der Prüfungsabteilung liegt, das Vorbringen des Anmelders als vollständig und endgültig anzusehen und deshalb davon auszugehen, dass es nicht sinnvoll wäre, ihm Gelegenheit zu weiteren Stellungnahmen zu geben; die Prüfungsabteilung kann die Anmeldung im zweiten Bescheid zurückweisen, wenn die Umstände dies rechtfertigen. S. auch T 201/98, T 79/91, T 1969/07, T 2351/16.
In T 201/98 erklärte die Kammer mit Verweis auf die ständige Rechtsprechung der Beschwerdekammern (T 84/82, ABl. 1983, 451; T 300/89, ABl. 1991, 480), dass eine Prüfungsabteilung mit einer sofortigen Zurückweisung ihr Ermessen nicht überschreitet, sofern ihre Entscheidung die Erfordernisse des Art. 113 (1) EPÜ erfüllt, d. h. auf Gründen basiert, zu denen sich der Anmelder äußern konnte. In T 162/82 (ABl. 1987, 533) befand die Kammer, dass weder Art. 113 (1) EPÜ 1973 noch Art. 96 (2) EPÜ 1973 verlangt, dem Anmelder mehrmals Gelegenheit zu geben, sich zur Argumentation der Prüfungsabteilung zu äußern, solange der entscheidende Einwand gegen die Erteilung eines Patents unverändert bleibt (s. auch T 300/89, T 95/04). Nach Auffassung der Kammer in T 63/93 trifft dies vor allem dann zu, wenn der beanspruchte Gegenstand nicht wesentlich geändert wurde (s. auch T 304/91).
In T 300/89 (ABl. 1991, 480) erklärte die Kammer, dass es dem Anmelder obliegt, in seiner Erwiderung auf den ersten Bescheid, in dem die Prüfungsabteilung Einwände erhoben hat, Änderungen vorzuschlagen, die diese Einwände ausräumen.
In T 640/91 (ABl. 1994, 918) stellte die Kammer fest, dass mit den Worten "so oft wie erforderlich" in Art. 96 (2) EPÜ 1973 implizit anerkannt wird, dass die Prüfungsabteilung unter bestimmten Umständen rechtlich dazu verpflichtet ist, vor Erlass einer Entscheidung den Anmelder zu weiteren Stellungnahmen aufzufordern, beispielsweise wenn sie ihre Entscheidung auf Gründe oder Beweismittel stützt, zu denen er sich bis dahin noch nicht äußern konnte (Art. 113 EPÜ). Im Hinblick auf Art. 113 (1) EPÜ besteht seitens der Prüfungsabteilung eine "notwendige" rechtliche Verpflichtung, einen Anmelder zu weiteren Stellungnahmen aufzufordern, bevor eine ihn beschwerende Entscheidung getroffen wird, deren sofortiger Erlass damit begründet wird, dass der Anmelder bei seinen vorhergehenden Stellungnahmen Gutgläubigkeit habe vermissen lassen. Die Kammer wies darauf hin, dass es grundsätzlich nicht Aufgabe einer Prüfungsabteilung ist, die Kooperationsbereitschaft oder die Gutgläubigkeit eines Anmelders zu beurteilen, wenn sie darüber entscheidet, ob sie ihn in Ausübung ihres Ermessens nach Art. 96 (2) EPÜ 1973 zu weiteren Stellungnahmen auffordern soll. Die Ausübung dieses Ermessens hängt in erster Linie davon ab, ob es aussichtsreich erscheint, dass eine solche Aufforderung zur Erteilung des Patents führt. S. auch T 855/90.
In T 677/97 stellte die Kammer fest, dass mit dem Wort "sollen" (englisch: "where appropriate") in R. 51 (3) EPÜ 1973 der Prüfungsabteilung ein Ermessen eingeräumt wird, einen Erstbescheid zu erlassen, der nicht umfassend ist. Diese Auslegung des EPÜ wurde auch in T 98/88 bestätigt. Die Kammer befand, dass nach Art. 96 (2) EPÜ 1973 die Prüfungsabteilung jedoch verpflichtet war, einen zweiten Bescheid zu erlassen, in dem begründet wurde, warum der Einwand nach Art. 56 EPÜ aufrechterhalten wurde. Diese Feststellung steht mit der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA in Einklang, in der anerkannt ist, dass es im Ermessen einer Prüfungsabteilung liegt, eine die Anmeldung zurückweisende Entscheidung nach nur einem einzigen Bescheid zu erlassen. Unter den vorliegenden Umständen stellte die umgehende Zurückweisung jedoch keine angemessene Ermessensausübung dar. Die Grenzen des diesbezüglichen Ermessens der Prüfungsabteilung sind in T 951/92 (ABl. 1996, 53) erläutert worden, in der die Kammer Folgendes festhielt: Nennt eine Mitteilung nach R. 51 (3) EPÜ 1973 und Art. 96 (2) EPÜ 1973 nicht die wesentlichen rechtlichen und tatsächlichen Gründe, die zu der Feststellung geführt haben, dass ein Erfordernis des EPÜ nicht erfüllt ist, so verstößt eine aufgrund dieser Feststellung ergangene Entscheidung gegen Art. 113 (1) EPÜ 1973, sofern und solange keine Mitteilung über diese wesentlichen Gründe erlassen wird. Eine ohne Mitteilung der wesentlichen Gründe ergangene Entscheidung verstößt zudem gegen Art. 96 (2) EPÜ 1973, da eine weitere Mitteilung "erforderlich" ist, um eine Verletzung von Art. 113 (1) EPÜ 1973 zu vermeiden (im Anschluss an T 640/91, ABl. 1994, 918).
In T 449/03 wies die Kammer das Vorbringen des Beschwerdeführers, der Anmelder habe im Prüfungsverfahren grundsätzlich Anspruch auf mindestens zwei Bescheide, bevor eine negative Entscheidung zur Patentierbarkeit ergehe, zurück (s. T 84/82, ABl. 1983, 451). Werden einem Anspruch allerdings in Erwiderung auf einen amtlichen Bescheid Merkmale hinzugefügt, so ist ein weiterer Bescheid nur in außergewöhnlichen Fällen entbehrlich (vgl. T 161/82, ABl. 1984, 551).
In T 5/81 (ABl. 1982, 249) stellte die Kammer fest, dass eine Beschwerde nur eine im Sinne von Art. 106 (1) EPÜ 1973 beschwerdefähige Entscheidung, nicht jedoch vorbereitende Handlungen im Sinne von Art. 96 (2) EPÜ 1973 und R. 51 (3) EPÜ 1973 zum Gegenstand haben kann. Eventuelle Verstöße gegen diese Vorschriften könnten höchstens in Betracht gezogen werden, wenn sie sich auf die Entscheidung über die Zurückweisung auswirken würden, etwa im Falle eines Verstoßes gegen Art. 113 (1) EPÜ 1973 (s. auch T 808/90). Der Einwand des Beschwerdeführers sei jedoch nicht nur aus diesem Grund gegenstandslos. Der Prüfer habe sehr wohl zum Inhalt des fraglichen Anspruchs Stellung genommen und dabei auf die Möglichkeit hingewiesen, auf der Grundlage dieses Anspruchs einen unabhängigen Anspruch zu formulieren. Da der Beschwerdeführer von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht habe, sei die Prüfungsabteilung bei der Begründung der Zurückweisung der Anmeldung nicht verpflichtet gewesen, auf diesen Punkt einzugehen. Der diesbezügliche Hinweis in den Entscheidungsgründen gehöre nicht zu den die Entscheidung tragenden Überlegungen; er sollte nur deutlich machen, dass sich die Prüfungsabteilung dessen bewusst war, dass die Anmeldung möglicherweise patentierbare Sachverhalte enthalten könnte. Dass unter diesen Umständen eine Zurückweisung erfolgt sei, stelle keinen Anfechtungsgrund dar. S. auch T 228/89, T 347/04, R 14/10.