4.2.2 Zweite und dritte Stufe des Konvergenzansatzes: Änderungen des Beschwerdevorbringens im Sinne von Artikel 13 (1) und (2) VOBK 2020
Mit Bezug auf G 9/92 date: 1994-07-14 und G 4/93 (ABl. EPA 1994, 875) hob die Kammer in T 1577/19 hervor, dass prozessuale Anträge oder Verfahrenserklärungen eines Beteiligten während des dem Beschwerdeverfahren vorausgegangenen Verwaltungsverfahrens (vorliegend die in der angefochtenen Entscheidung diskutierten Anträge) nicht für ein anschließendes Beschwerdeverfahren gelten, wenn diese nicht zu Beginn des Beschwerdeverfahrens in der Beschwerdeschrift und der Beschwerdebegründung in spezifizierender und substantiierter Weise wiederholt wurden.
Im gleichen Sinne merkte die Kammer in T 276/17 in Bezug auf Tatsachen und Beweismittel an, dass gemäß Art. 12 (3) VOBK 2020 das im Einspruchsverfahren vorgetragene Vorbringen nicht automatisch Teil des Beschwerdeverfahrens ist. Ein pauschaler Verweis auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung und auf die darin genannten Argumente oder Sachverhalte ohne explizite Erläuterungen in der Beschwerdebegründung (hier des Patentinhabers) ist nicht ausreichend. Dementsprechend sah die Kammer später vorgetragene Tatsachen und Beweismittel zur erfinderischen Tätigkeit eines Hilfsantrages als Änderung des Beschwerdevorbingens gemäß Art. 12 (3) VOBK 2020 an und ließ diese unberücksichtigt.
In T 241/18 brachte der Beschwerdeführer (Einsprechende) einen Angriff auf die erfinderische Tätigkeit vor, der zwar in der Einspruchsschrift angeführt und in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung weiterverfolgt worden war, jedoch in der Beschwerdebegründung nicht geltend gemacht worden war (sondern erst nach der Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung). Somit stellte das Erheben dieses Einwands eine Änderung des Vorbringens des Beschwerdeführers dar. Da der Beschwerdeführer nicht dargelegt oder überhaupt argumentiert hatte, dass außergewöhnliche Umstände vorlagen (Art. 13 (2) VOBK 2020), wurde der neue Angriff von der Kammer nicht berücksichtigt. Ebenso T 2024/16.
Ebenso ließ die Kammer in der Sache T 1439/16 das Argument des Beschwerdeführers (Einsprechenden) nicht gelten, der im Einspruchsverfahren erhobene Einwand einer Erweiterung des Gegenstands gegen einen Anspruch (der im Wesentlichen mit Anspruch 8 identisch war, gegen den in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer ein Einwand erhoben worden war) sei implizit Teil des Beschwerdeverfahrens. Die Kammer wies darauf hin, dass der Umfang der Beschwerde vom Beschwerdeführer definiert wurde und die Beschwerdebegründung gemäß Art. 12 (3) VOBK 2020 das vollständige Vorbringen eines Beteiligten enthalten musste. Die Kammer hob hervor, dass sich der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall dafür entschieden hatte, in der Beschwerdebegründung nur gegen Anspruch 1 und nicht gegen Anspruch 8 einen Einwand zu erheben. Die Kammer ließ diesen Einwand, der erstmals während der mündlichen Verhandlung erhoben wurde, als der Verfahrensökonomie abträglich und aus Gründen der Fairness im Verfahren nicht zu.
In T 1108/16 befand die Kammer, dass eine neue Argumentationslinie, die in der Beschwerdebegründung oder -erwiderung nicht enthalten war, eindeutig als Änderung des Beschwerdevorbringens zu betrachten ist, selbst wenn sie im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht und aufrechterhalten wurde.