T 0995/18 22-10-2020
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FAHRZEUG MIT EINER KLIMAANLAGE
Audi AG
Hanon Systems
Hauptantrag - Zulassung (nein)
Hilfsantrag 1 - Zulassung (Ja)
Einspruchsgründe - mangelhafte Offenbarung (nein)
Verspätetes Vorbringen - Zulassung (nein)
Änderungen - unzulässige Erweiterung
Änderungen - Hilfsantrag 1 (nein)
Neuheit - Hilfsantrag 1 (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag 1 (ja)
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) legte Beschwerde gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung ein, der zufolge das Streitpatent in der gemäß dem Hauptantrag vor der Einspruchsabteilung geänderten Fassung die Erfordernisse des EPÜ erfülle.
II. Die Einspruchsabteilung hatte entschieden, dass
1) der Gegenstand der Ansprüche in der im Einspruchsverfahren geänderten Fassung neu gegenüber D9 und erfinderisch gegenüber
- D9 in Kombination mit D10 und D6 oder D7
- D1 oder D4 mit dem Fachwissen des Fachmannes (belegt durch D5-D7 und D9-D10)
- D12 in Kombination mit D1 oder D4
- D13 oder D14 in Kombination mit D5, D6 oder D7 sei,
2) das Patent die Erfindung so deutlich und vollständig offenbare, dass ein Fachmann sie ausführen könne,
3) der Gegenstand der Ansprüche und die Beschreibung nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe, und
4) die Änderungen im abhängigen Anspruch 3 klar seien.
III. Am 22. Oktober 2020 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.
IV. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.
Die Beschwerdegegnerinnen (Patentinhaberinnen) beantragten die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage des in der mündliche Verhandlung eingereichten Hauptantrags, hilfsweise auf der Grundlage eines der in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsanträge 1 oder 2. Die anderen Anträge wurden zurückgenommen.
V. Der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags und des Hilfsantrags 1 entspricht dem unabhängigen Anspruch 1 des Hauptantrags der angefochtenen Entscheidung und lautet (mit der in der angefochtenen Entscheidung verwendeten Merkmalsgliederung) wie folgt:
M1.1 Fahrzeug mit einer Klimaanlage zum Beheizen einer in den Fahrzeuginnenraum (2) strömenden Zuluft (I),
M1.2 die Klimaanlage weist einen Heizungswärmeübertrager (8) auf, welcher über einen Kühlmittelkreislauf (13) thermisch mit einem Antriebsaggregat oder dergleichen gekoppelt ist,
M1.3 die Klimaanlage weist einen Zusatzwärmeübertrager (7) auf, welcher
M1.4 in einen Kältemittelkreislauf der Klimaanlage geschaltet ist,
M1.5 im Heizbetrieb Wärme an die Zuluft (I) abgibt und
M1.6 zumindest zweireihig mit einer ersten Wärmeübertrager-Reihe (30) und einer zweiten Wärmeübertrager-Reihe (31) ausgebildet ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
M1.7 in Strömungsrichtung der Zuluft (I) zunächst eine Unterkühlungs-Reihe (31) und anschließend eine Enthitzungs-/Kondensations-Reihe (30) angeordnet ist,
M1.8 wobei die beiden Wärmeübertrager-Reihen (30, 31) so ausgelegt sind, dass in der zweiten Wärmeübertrager-Reihe (31) eine Unterkühlung des kondensierten Kältemittels erfolgt und in der ersten Wärmeübertrager-Reihe (30) zumindest eine Enthitzung und gegebenenfalls eine Kondensation des Kältemittels erfolgt und
M1.9 die beiden Wärmeübertrager-Reihen (30, 31) mit einem einen Abscheideraum zum Abscheiden von dampfförmigem Kältemittel vom flüssigen Kältemittel aufweisenden Sammlerrohr (33) verbunden sind, welches
M1.10 das aus der ersten Wärmeübertrager-Reihe (30) tretende flüssige Kältemittelsammelt und zur zweiten Wärmeübertrager-Reihe (31) transferiert.
VI. Abhängiger Anspruch 3 des Hauptantrags lautet wie folgt:
Fahrzeug nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Wärmeübertragerfläche der Unterkühlungs-Reihe (31) um ein Vielfaches größer dimensioniert ist als die Wärmeübertragerfläche der Enthitzungs/Kondensations-Reihe (30).
VII. Abhängiger Anspruch 3 wurde im Hilfsantrag 1 gestrichen.
VIII. In der vorliegenden Entscheidung wird auf folgende Dokumente Bezug genommen:
D1: DE 10 2005 005 430 A1
D4: DE 102 53 357 B4
D5: DE 10 2008 043 823 A1
D6: DE 42 38 853 A1
D7: EP 0 480 330 A2
D8: WO 96/06748 A1
D9: JP 2000/071756 A (D9a: englische Übersetzung)
D10: EP 0 643 278 A2
D11: EP 0 401 752 A2
D12: US 53 55 689
D13: US 64 22 308 B1
D14: JP 11-105541 A (D14a: englische Übersetzung)
Entscheidungsgründe
1. Zulassung des Hauptantrags
Der Hauptantrag wird nicht in das Beschwerdeverfahren zugelassen (Artikel 13(1) und (2) VOBK 2020).
1.1 Der Hauptantrag wurde am 22. Oktober 2020, während der mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren, eingereicht, also nach der Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 4. März 2020. Seine Zulassung in das Beschwerdeverfahren unterliegt daher Artikel 13(2) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern 2020 (VOBK 2020), (siehe Artikel 25 VOBK 2020).
1.2 Gemäß Artikel 13(2) VOBK 2020 bleiben Änderungen des Beschwerdevorbringens nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, die betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.
1.3 Die Patentinhaberinnen / Beschwerdegegnerinnen machten geltend, dass die Kammer ihre vorläufige Meinung über die Klarheit des abhängigen Anspruchs 3 während der mündlichen Verhandlung revidiere. Die Änderung des abhängigen Anspruch 3 des Hauptantrags würde die mangelnde Klarheit beseitigen.
1.4 Nach Ansicht der Kammer ist es im Hinblick auf Artikel 13(2) VOBK 2020 unerheblich, ob während der mündlichen Verhandlung die Kammer von Ihrer in der Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK 2020 dargelegten vorläufigen Meinung abweicht. Die Mitteilung einer vorläufige Meinung nach Artikel 15(1) VOBK 2020 stellt primär eine den Rahmen einer anberaumten mündlichen Verhandlung absteckenden und eine die effiziente Vorbereitung der Beteiligten auf diese Verhandlung erleichternde Verfahrensmaßnahme dar und impliziert keine "Einladung" zu weiteren Änderungen in Reaktion hierauf (siehe z.B. T 1459/11, Gründe 3.2 und T 0752/16, Gründe 3). Im Beschwerdeverfahren hat jede Partei ihren Fall am Anfang des Verfahrens zu präsentieren und dabei ggfs. umgehend auf den Vortrag der Gegenseite zu reagieren und nicht erst dann, wenn sie sich mit einer negativen Meinung einer Beschwerdekammer konfrontiert sieht.
1.5 Im vorliegenden Fall basierte die Meinung der Kammer auf dem bereits im Einspruchsverfahren vorgebrachten Klarheitseinwand gegenüber dem relativen Begriff "wesentlich" im abhängigen Anspruch 3.
Die Patentinhaberinnen / Beschwerdegegnerinnen hätten daher bereits mit ihrer Beschwerdeerwiderung auf die Einwände der Beschwerdeführerin reagieren und gegebenenfalls Ansprüche einreichen sollen, die den Einwänden der Einsprechenden / Beschwerdeführerin Rechnung tragen. Die Änderung einer ausdrücklich als vorläufig bezeichneten Meinung infolge der mündlichen Diskussion von Argumenten, die alle aus dem schriftlichen Verfahren bereits bekannt waren, kann dagegen keine Rechtfertigung dafür bieten, dies erstmals in der mündlichen Verhandlung zu tun.
Die Kammer erachtet im Ergebnis die von den Patentinhaberinnen /Beschwerdegegnerinnen vorgebrachten Gründe als nicht stichhaltig. Sie erkennt keine "außergewöhnlichen Umstände" im Sinne des Artikels 13(2) VOBK 2020, welche die verspätete Vorlage des Hauptantrags rechtfertigen würden.
1.6 Darüber hinaus können bei der Anwendung von Artikel 13(2) VOBK 2020 wiederum die Kriterien von Artikel 13(1) VOBK 2020 herangezogen werden (siehe z.B. T 0989/15, Gründe 16.2, T 0752/16 Gründe 3.2 und T 0584/17 Gründe 1.2.7 bis 1.2.11). Eines dieser Kriterien bezieht sich im Falle von Patentänderungen auf die Prüfung, ob die Änderungen bereits aufgeworfene Fragen ausräumen und hierbei keinen Anlass zu neuen Einwänden geben.
Das Merkmal in Anspruch 3, "die Wärmeübertragerfläche der Unterkühlungs-Reihe ist um ein Vielfaches größer dimensioniert als die Wärmeübertragerfläche der Enthitzungs-/Kondensations-Reihe (30)", soll nach Angaben der Patentinhaberinnen Basis auf Seite 5, Zeilen 5-6 der ursprünglich eingereichten Beschreibung finden: "Die Unterkühlungsstrecke kann um ein Vielfaches grösser sein als die Wärmeübertragerfläche der Kondensation".
Insoweit ist jedoch zu berücksichtigen, dass in der Beschreibung die Unterkühlungsstrecke mit der Wärmeübertragerfläche der Kondensations-Reihe verglichen wird, während in Anspruch 3 die Wärmeübertragerfläche der Unterkühlungs-Reihe mit der Wärmeübertragerfläche der Enthitzungs-/Kondensations-Reihe verglichen wird, was Anlass zu neuen Einwänden gemäß Artikel 123(2) EPÜ gibt.
2. Zulassung des Hilfsantrags 1
Hilfsantrag 1 wird in das Beschwerdeverfahren zugelassen (Artikel 13(2) VOBK 2020).
Der in der mündlichen Verhandlung eingereichte Hilfsantrag 1 beruht auf dem Hauptantrag der angefochtenen Entscheidung, der mit der Beschwerdeerwiderung eingereicht wurde; es wurde in ihm nur der abhängige Anspruch 3 gestrichen.
Die Kammer sieht insoweit keinen Grund, eine Zulassung dieses Anspruchssatzes in das Verfahren in Anwendung von Artikel 13 (2) VOBK 2020 zu verweigern.
Die Streichung des abhängigen Anspruchs 3 in Hilfsantrag 1 gegenüber dem Hauptantrag der unterliegenden angefochtenen Entscheidung, der mit der Beschwerdeerwiderung eingereicht wurde und somit bereits Gegenstand des Verfahrens ist, wird nicht als Änderung des Beschwerdevorbringens gesehen, da sich dadurch keine geänderte Sachlage ergibt (siehe T 1480/16, Punkt 2.3), wie dies der Fall sein könnte, wenn die Streichung eine völlige Neugewichtung des Verfahrensgegenstandes mit sich brächte. Vorliegend bereinigt der Verzicht auf einen abhängigen Anspruch das Verfahren nur um einen Streitpunkt, ohne die anderen Ansprüche in ein neues Licht zu setzen und ohne sonstige Auswirkungen auf das Beschwerdevorbringen der Patentinhaberinnen. Er ist daher vergleichbar mit dem Verzicht auf einzelne Einwände oder Angriffslinien einer Einsprechenden, der zurecht ebenso wenig als unter dem Zulassungsvorbehalt der Kammer stehend angesehen wird. Da die Kammer vorliegend keine Änderung des Beschwerdevorbringens erkennen kann, sind die Voraussetzungen des Artikels 13(2) VOBK 2020 nicht gegeben.
3. Ausführbarkeit - Artikel 100(b) EPÜ
Das Patent offenbart die Erfindung so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen kann (Artikel 100(b) EPÜ).
3.1 Die Einsprechende / Beschwerdeführerin macht geltend, dass die Erfindung aus den folgenden Gründen nicht so deutlich und vollständig offenbart sei, dass ein Fachmann sie ausführen könne:
a) Die Verwendung des Begriffs "gegebenenfalls" im Merkmal 1.8 des Anspruchs 1, wonach "in der ersten Wärmeübertrager-Reihe (30) zumindest eine Enthitzung und gegebenenfalls eine Kondensation des Kältemittels erfolgt" mache die Kondensation des Kältemittels in der ersten Reihe optional, was im Widerspruch zum Merkmale 1.9 und 1.10 stehe, dem zufolge flüssiges Kältemittel aus der ersten Wärmeübertrager-Reihe (30), durch den Sammlerrohr fließt und in die zweite Wärmeübertrager-Reihe (31) transferiert wird. Der Gegenstand des Anspruchs 1 wonach keine Kondensation des Kältemittels in der ersten Reihe stattfindet, sei daher nicht ausführbar.
b) Es sei nicht eindeutig nacharbeitbar, in welcher Reihenfolge die Unterkühlungs-Reihe und die Enthitzungs-/Kondensation Reihe anzuordnen sind, denn die Merkmale M1.7, dem zufolge "in Strömrichtung der Zuluft (I) zunächst eine Unterkühlungs-Reihe (31) und anschließend eine Enthitzungs-/Kondensations-Reihe (30) angeordnet ist", und M1.8, wonach "die beiden Wärmeübertrager-Reihen (30, 31) so ausgelegt sind, dass in der zweiten Wärmeübertrager-Reihe (31) eine Unterkühlung des kondensierten Kältemittels erfolgt und in der ersten Wärmeübertrager-Reihe (30) zumindest eine Enthitzung und gegebenenfalls eine Kondensation des Kältemittels erfolgt", seien widersprüchlich zueinander formuliert.
3.2 Einwand a) wurde erst während der mündlichen Verhandlung erhoben, obwohl der Begriff "gegebenenfalls" sowohl in dem ursprünglich eingereichten, als auch in dem erteilten Anspruch 1, sowie im Anspruch 1 aller anderen Anträge enthalten war.
Dieser neue Einwand ist eine Änderung des Beschwerdevorbringens im Sinne von Artikel 13(2) VOBK 2020, dessen Zulassung zum Beschwerdeverfahren im Ermessen der Kammer liegt.
Die einzige Rechtfertigung für den verspäteten neuen Einwand seitens der Einsprechenden / Beschwerdeführerin ist, dass es ihr erst kurz vor der mündlichen Verhandlung eingefallen sei.
Dies stellt jedoch keinen "außergewöhnlichen Umstand" im Sinne des Artikels 13(2) VOBK 2020 dar, welcher die verspätete Einreichung des neuen Einwands rechtfertigen könnte.
Einwand a) wird daher nicht in das Beschwerdeverfahren zugelassen.
3.3 Einwand b) überzeugt die Kammer nicht. Wie von den Patentinhaberinnen ausgeführt, gibt es keinen Widerspruch zwischen den Merkmalen M1.7 und M1.8. Die Erfindung betrifft einen Gegenstromwärmeübertrager (siehe Absatz [0016] des Patents), wobei das Kältemittel in Gegenrichtung zur Zuluft strömt. Diese Art von Wärmeübertrager ist dem Fachmann allgemein bekannt. In der Beschreibung und in Anspruch 1 beziehen sich die Bezeichnung erste Wärmeübertrager-Reihe (30) und zweite Wärmeübertrager-Reihe (31) dabei vorliegend auf die Strömungsrichtung des Kältemittels (siehe Merkmal 1.8), wobei in der ersten Wärmeübertrager-Reihe eine Enthitzung und Kondensation des Kältemittels stattfindet und in der zweiten Wärmeübertrager-Reihe eine Unterkühlung des Kältemittels stattfindet. In Strömungsrichtung der Zuluft ist zunächst die zweite Wärmeübertrager-Reihe (31) und anschließend die erste Wärmeübertrager-Reihe (30) angeordnet. Die Erfindung ist in Figur 1 schematisch klar dargestellt, sodass ein Fachmann sie ausführen kann.
4. Unzulässige Erweiterung
Die Beschreibung sowie der Gegenstand des Anspruchs 1 gehen nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus (Artikel 123(2) EPÜ).
In der mündlichen Verhandlung hat die Einsprechende auf die im schriftlichen Verfahren vorgebrachten Einwände verwiesen. Die Kammer sieht daher keinen Grund, die im Bescheid vom 26. März 2020 geäußerte vorläufige Meinung zu ändern:
"Die Beschreibung sowie der Gegenstand des Anspruchs 1 scheinen nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinauszugehen. Siehe Punkt 2.2 (Seiten 3 und 4) der Entscheidung der Einspruchsabteilung und Seite 7-12 der Beschwerdeerwiderung. Insbesondere wird sowohl in der Beschreibung als auch in Anspruch 1 klargestellt, dass in Strömungsrichtung des Kältemittels erst die Enthitzung und Kondensation des Kältemittels in der "ersten Wärmeübertrager-Reihe (30)" stattfindet und dann die Unterkühlung des flüssigen Kältemittels in der "zweiten Wärmeübertrager-Reihe (31)". Dabei ist auch klar, dass in Strömungsrichtung der Zuluft (I) erst die Zuluft von der "zweiten Wärmeübertrager-Reihe (31)" und dann von der "ersten Wärmeübertrager-Reihe (30)" erwärmt wird.
Diese Klarstellung ist im Einklang mit Figuren 1 und 2 und deren jeweiliger Beschreibung".
5. Neuheit gegenüber D9
D9 offenbart nicht unmittelbar und eindeutig die Merkmale M1.6-M1.10. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist somit neu gegenüber D9 (Artikel 54 EPÜ).
Insbesondere, offenbart D9, Figur 1, Absatz [0022] einen Verdampfer 7, der das Kältemittel im nebligen Zustand in ein Gaskältemittel umwandelt, wodurch die Zuluft abgekühlt und entfeuchtet wird. D9 offenbart keine zweite Wärmeübertrager-Reihe (31) mittels derer eine Unterkühlung des kondensierten Kältemittels erfolgt.
Die Einsprechende ist der Meinung, der Wärmeübertrager könne selbstverständlich je nach seiner Gestaltung und Ansteuerung auch die anspruchsgemäßen Bedingungen erfüllen und dem Kältemittel Wärme entziehen und an die durchströmende Luft abgeben.
Die Kammer teilt nicht die Meinung der Einsprechenden. In Dokument D9 wird die Verwendung des Verdampfers 7 als Unterkühler mit dem Zweck, die Zuluft zu beheizen, nicht vorgesehen. Im Gegenteil besteht die Funktion des Verdampfers 7 in D9 darin, die Temperatur der Zuluft zu senken und sie zu entfeuchten. Darüber hinaus ist der Verdampfer 7 zwischen einem Expansionsventil 13 und einem Kompressor 10 angeordnet (siehe Figur 1). Das Expansionsventil 13 expandiert das Kältemittel. Dies bedeutet, dass das Kältemittel nicht unmittelbar danach im Wärmeübertrager 7 einer Unterkühlung unterzogen werden kann. Ebenso funktioniert der dem Wärmeübertrager 7 nachgeschaltete Kompressor nur dann einwandfrei, wenn das Kältemittel gasförmig ankommt. In D9 muss, damit der Wärmeübertrager 7 das Kältemittel unterkühlen kann, nicht nur das Expansionsventil entfernt oder deaktiviert werden, sondern auch ein weiteres Expansionsventil und ein weiterer Verdampfer nach dem Wärmeübertrager 7 installiert werden.
Eine Unterkühlungs-Reihe, ist ein strukturelles und funktionelles Merkmal, sie ist einen Wärmeübertrager, der auf eine bestimmte Weise funktioniert. Nicht jeder Wärmeübertrager kann als Unterkühlungs-Reihe betrachten werden. Insbesondere kann der Wärmeübertrager 7 des Dokuments D9 nicht als Unterkühlungs-Reihe betrachtet werden, da er als Verdampfer vorgesehen ist und in einem Kältekreislauf so eingesetzt ist, dass er auch als Verdampfer funktionieren muss.
6. Erfinderische Tätigkeit
Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).
6.1 Die Einsprechende ist der Ansicht, dass Anspruch 1 nicht erfinderisch sei gegenüber:
i) Dokument D9, D1, oder D4 in Kombination mit Dokument D10 und mit Dokument D7
ii) Dokument D1 oder D4 in Kombination mit dem Fachwissen des Fachmannes (belegt mit D5-D7 und D8,D10-D11);
iii) Dokument D12 in Kombination mit Dokument D1 oder D4; sowie
iv) Dokument D13 oder D14 in Kombination mit dem Fachwissen des Fachmannes bzw. mit einem der Dokumente D5-D7.
6.2 Die Einsprechende ist der Meinung, dass ausgehend von Dokument D9, D1 oder D4 der Gegenstand des Anspruchs 1 sich von diesen Dokumenten unterscheide durch
i) die Anordnung des Wärmeübertragers in zwei Reihen (Merkmale M1.6-M1.8) und
ii) die Anordnung des Abscheideraums (Merkmale M1.9-M1.10).
Ihrer Meinung nach handele es sich um eine nahegelegte Nebeneinanderstellung von Merkmalen, die in keiner funktionellen Wechselwirkung zueinander stehen.
6.2.1 Die erste Teilaufgabe könne darin gesehen werden, einen Wärmeübertrager bereitzustellen, mit dem die Luft gleichmäßig beheizt werden könne.
Nach Ansicht der Einsprechenden sei diese Aufgabe durch das Dokument D10 gelöst. D10 (Figur 1) offenbare einen zwei-reihigen Wärmeübertrager für Klimaanlagen in Fahrzeugen, wobei in der ersten Reihe eine Enthitzung und Kondensation (Spalte 4, Zeilen 46-50) und in der zweiten Reihe eine Unterkühlung des Kältemittels stattfindet (Spalte 5, Zeilen). Beide Reihen seien unten durch das Rohr 60 verbunden.
6.2.2 Die zweite Teilaufgabe könne darin gesehen werden, einen Wärmeübertrager bereitzustellen, mit dem die Zuluft effizient beheizt werden könne.
Nach Ansicht der Einsprechenden sei diese Aufgabe durch das Dokument D7 gelöst. D7 (Figuren 9 und 10) offenbare einen Abscheideraum 100 zwischen dem Enthitzungs-/Kondensations- Teil und dem Unterkühlungs- Teil des Wärmeübertragers.
6.3 Die Kammer hält diese Argumentationslinie nicht für überzeugend.
6.3.1 In Übereinstimmung mit der Einsprechende /Beschwerdeführerin unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von D9, D1 und D4 durch Merkmale M1.6-M1.10.
6.3.2 Der zwei-reihige Wärmeübertrager ermöglicht, zusammen mit der Anordnung eines Abscheideraums zwischen der ersten und der zweiten Wärmeübertrager-Reihe eine Trennung der Enthitzung und Kondensation des Kältemittels einerseits und der Unterkühlung des Kältemittels anderseits. Der Abscheideraum ermöglicht die Abtrennung des Restgases im flüssigen Kältemittel (siehe Spalte 3, Zeilen 1-8) und trägt daher mit dem zweireihigen Wärmeübertrager dazu bei, die Enthitzung- / Kondensations- und Unterkühlungs-Funktionen des Wärmeübertragers zu trennen. Dies ermöglicht eine effizientere und gleichmäßigere Beheizung der Zuluft.
6.3.3 Die zu lösende Aufgabe kann daher als Bereitstellung eines Fahrzeugs mit einer Klimaanlage angesehen werden, die es ermöglicht, die Zuluft effizienter und gleichmäßiger zu beheizen.
6.3.4 Die Formulierung von Teilaufgaben ist in diesem Fall nicht angemessen, denn die Unterscheidungsmerkmale M1.6-M1.10 führen zusammen zu einem effizienteren Wärmeübertrager (siehe Absatz [0006] des Patents). Der zwei-reihige Wärmeübertrager (Absatz [0009], Zeilen 20-33) und der Abscheideraum (Absatz [0011], Zeilen 2-8) tragen beide zur strukturellen und funktionellen Trennung der Enthitzung/Kondensation und der Unterkühlung des Kältemittels bei.
6.3.5 Um zur Erfindung zu gelangen, müsste der Fachmann ausgehend von D9, D1 oder D4 eine der dort gezeigten Klimaanlagen mit D10 (Figur 1), das einen zwei-reihigen Wärmeübertrager offenbart, und zusätzlich mit D7 (Figuren 9 und 10), das einen Modulator 100 offenbart, der als Abscheideraum betrachten werden kann, kombinieren. Die Lehre der Dokumenten D10 und D7 kann jedoch nicht einfach kombiniert werden ohne erfinderische Tätigkeit. Der Modulator und seine Konfiguration hängen von der Konfiguration des Wärmeübertragers ab. In D7 besteht der Wärmeübertrager aus einer einzigen Reihe, in der sukzessive von oben nach unten die Enthitzung, Kondensation und Unterkühlung des Kältemittels erfolgt. Der Modulator ist am Wärmeübertrager verzweigt zwischen der Kondensation und Unterkühlung des Kältemittels (siehe Figur 10) angeordnet. Dieser Modulator soll gemäß D7 klein sein (Spalte 2, Zeilen 3-6), nach oben gerichtet und geeignet, eine Grenze zwischen der flüssigen Phase und der Gasphase des Kältemittels zu definieren (Spalte 2, Zeilen 38-44). Für den Fachmann ist es nicht offensichtlich, den Modulator aus D7 in den zwei-reihigen Wärmeübertrager aus D10 zu integrieren. Die Position, die Größe des Modulators und sein Anschluss am Wärmeübertrager müssen angepasst werden, damit der Modulator ordnungsgemäß als Abscheideraum am zwei-reihigen Wärmeübertrager des Dokuments D10 funktionieren kann, was für den Fachmann nicht nahegelegt ist.
Insbesondere wenn der Modulator 100 von D7 mit dem Rohr 60, das die zwei Reihen des Wärmeübertragers des D10 verbindet, verbunden sein sollte, wie die Einsprechende erwägt, muss entweder die Höhe des Modulators erhöht werden, sodass der Modulator die Höhe des zweireihigen Wärmeübertragers überschreitet, oder die Unterkühlungs-Reihe des Wärmeübertragers des D10 verringert werden. Andernfalls würde der Modulator 100 vollständig mit Kältemittel im flüssigen Zustand gefüllt und das im flüssigen Kältemittel verbleibende gasförmige Kältemittel könnte nicht abgetrennt werden.
Diese beiden möglichen Maßnahmen sind aber nicht geeignet. Die erste Maßnahme, die ein extrem hohes Modul erfordert, widerspricht der Aufgabe, einen Wärmeübertrager zur Verfügung zu stellen, der einen kleinen Raum einnehmen soll (D10, Spalte 1, Zeilen 39-42 und D7, Spalte 2, Zeilen 1-6). Die zweite Maßnahme, die darin bestehen würde, die zweite Reihe des Wärmeübertragers zu reduzieren, in der die Unterkühlung des Kältemittels stattfindet, würde keine homogene Beheizung der Luft mehr ermöglichen, da nur ein Teil der Zuluft, die durch die erste Wärmeübertrager-Reihe strömen würde, auch durch die zweite Wärmeübertrager-Reihe strömen würde.
6.3.6 Darüber hinaus ändern sich die Abmessungen eines zweireihigen Wärmeübertragers mit Modulator im Vergleich zu einem einreihigen Wärmeübertrager erheblich. Der Fachmann muss daher die Klimaanlage für ihre Einführung anpassen. Die Zuluft strömt in D9, D1 und D4 nicht nur durch einen Wärmeübertrager, sondern auch durch einen Kondensator und bei D1 und D9 zusätzlich durch einen Heizungswärmeübertrager, sodass die Größe der anderen Wärmeübertrager auch angepasst werden müssen.
6.3.7 Um zur Erfindung zu gelangen, handelt es sich nicht um eine einfache Nebeneinanderstellung von Merkmalen, sondern um eine Kombination von Merkmalen, die zahlreiche Anpassungen der in der Klimaanlage vorhandenen Wärmeübertrager erfordert.
6.4 In der mündlichen Verhandlung hat die Einsprechende auf ihren schriftlichen Eingaben für die anderen Angriffe ii), iii) und iv) verwiesen. Die Kammer sieht daher keinen Grund, von der im Bescheid vom 26. März 2020 bekanntgegebenen vorläufigen Meinung abzuweichen, wonach diese Angriffe nicht überzeugen. Im Detail:
6.5 Ausgehend von den Dokumenten D1 oder D4, mit dem Fachwissen des Fachmanns ist der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht nahegelegt. Aus den gleichen Gründen wie beim obigen Angriff ist eine in zwei Teilaufgaben zerlegte zu lösende Aufgabe nicht angebracht. Darüber hinaus ist für die Fahrzeugklimaanlage die Verwendung eines Wärmeübertragers mit zwei Reihen zwar aus den Dokumenten D8, D10 und D11 bekannt, und die Verwendung eines Abscheideraums für einen einreihigen Wärmeübertrager aus den Dokumenten D6 und D7 bekannt, aber die Kombination eines zweireihigen Wärmeübertragers mit einem Abscheideraum ist nicht offensichtlich, wie die Einsprechende es behauptet, und erfordert eine Anpassung des Abscheideraums, um diesen an einen zweireihigen Wärmeübertrager zu montieren, die nicht nahegelegt ist.
Darüber hinaus betrifft das Dokument D5 keinen Wärmeübertrager für Fahrzeuge, sondern eine Wärmepumpenanlage für Raumheizung oder Warmwasserbereitung. Der Fachmann würde daher die Wärmepumpenanlage des Dokuments D5, die ganz andere Anforderungen in Bezug auf Volumen, Anordnung und Kapazität hat, mit dem Wärmeübertrager der Dokumente D10 oder D11 nicht kombinieren.
6.6 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von D12 durch Merkmal M1.2, aber auch durch die Merkmale M1.6-M1.10. Der Wärmeübertrager 35 ist ein Verdampfer und keine Unterkühlungs-Reihe (siehe D12, Figur 1, und Spalte 5, Zeile 40-59). Die Kombination der Lehre des Dokuments D12 mit der Lehre des Dokuments D1 oder D4 führen nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1; denn in D1 und D4 sind die Merkmale M1.6-M1.10 auch nicht vorhanden.
6.7 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von den Dokumenten D13 und D14 durch die Merkmalen M1.6-M1.10. So wie bei dem Dokument D9 ist in D13, ein Verdampfer Eb (siehe Figur 1 und Spalte 5, Zeile 53- Spalte 6, Zeile 11) und keine Unterkühlungsreihe. Und auf die gleiche Weise ist der Wärmeübertrager 5 in D14 ein Verdampfer und keine Unterkühlungsreihe (siehe Figur 1 und Seite 4, Absatz [0016] der English Übersetzung des japanischen Dokuments D14 (D14a)). Die Kombination der Lehre des Dokuments D13 oder D14 mit der Lehre der Dokumente D6-D7, führt jeweils nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1. D6-D7 offenbaren keinen zwei-reihigen Wärmeübertrager mit einer ersten Reihe, bei dem eine Enthitzung und Kondensation des Kältemittels erfolgt und der eine zweiten Reihe aufweist, durch die eine Unterkühlung des Kältemittels erfolgt. Die Merkmale M1.6-M1.8 sind auch bei einer Kombination von D13 oder D14 mit D6-D7 nicht vorhanden. Und wie oben schon erwähnt, betrifft das Dokument D5 keinen Wärmeübertrager für Fahrzeuge, sondern eine Wärmepumpenanlage für Raumheizung oder Warmwasserbereitung. Der Fachmann würde daher D5 mit D13 oder D14 nicht kombinieren.
7. Unter Berücksichtigung der nach dem Hilfsantrag 1 vorgenommenen Änderungen stellt die Kammer fest, dass das Patent die Erfordernisse des EPÜ erfüllt, und somit nach Artikel 101(3)(a) EPÜ in geänderter Fassung aufrechterhalten werden kann.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent auf der Grundlage der Ansprüche des während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags 1 und der Beschreibung und der Figuren wie erteilt aufrecht zu erhalten.