3.6. Rügepflicht
Ob ein Einwand während der mündlichen Verhandlung wirksam erhoben worden ist, wird gewöhnlich anhand der Niederschrift über die mündliche Verhandlung festgestellt, die wie in R. 124 (1) EPÜ vorgeschrieben die rechtserheblichen Erklärungen der Beteiligten enthalten muss (R 4/08, R 17/10, R 8/16). Wird in der Niederschrift kein Einwand nach R. 106 EPÜ erwähnt und wurde keine Berichtigung der Niederschrift beantragt, so ist dies ein starkes Indiz dafür, dass ein solcher Einwand, wenn überhaupt, dann zumindest nicht rechtswirksam erhoben wurde (R 3/11; s. auch R 5/14, R 6/13, R 3/14).
In R 7/11 erklärte die Große Beschwerdekammer, dass die in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung festgehaltenen Tatsachen mit der Niederschrift verbindlich festgestellt werden, sofern diese nicht wirksam berichtigt wird. In R 2/12 vom 17. Oktober 2012 date: 2012-10-17 vertrat die Große Beschwerdekammer die folgende Auffassung: Ist ein Beteiligter überzeugt, dass sein Anspruch auf rechtliches Gehör in der mündlichen Verhandlung verletzt wurde, muss der nachfolgende Einwand eindeutig als solcher erhoben werden, sodass die Beschwerdekammer zum Handeln gezwungen wird, und dies gemäß R. 124 EPÜ in der Niederschrift zu vermerken ist.
In R 8/17 stellte die Kammer fest, dass das eigene Vorbringen des Antragstellers nicht den Schluss zulasse, dass dieser einen Einwand in der mündlichen Verhandlung erhoben habe, der als Einwand gemäß R. 106 EPÜ gelten könne, und wenn der Antragsteller die Niederschrift als unvollständig angesehen habe, hätte von ihm erwartet werden können, dass er einen entsprechenden Berichtigungsantrag einreicht (s. R 17/10). In R 3/08 berücksichtigte die Große Beschwerdekammer allerdings auch ein privates Protokoll eines Mitarbeiters des Antragstellers.
In R 8/16 wies die Große Beschwerdekammer auf Folgendes hin: Zwar verpflichtet keine strenge Formvorschrift die Beteiligten dazu, eine Berichtigung der Niederschrift zu beantragen, doch wenn kein solcher Antrag gestellt wird, obliegt ihnen im Zweifelsfall die Beweislast betreffend die Niederschrift.