T 0163/85 (Farbfernsehsignal) 14-03-1989
Téléchargement et informations complémentaires:
Sachverhalt und Anträge
I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 82 902 076.7 (Veröffentlichungsnr. 0 083 352), die am 12. Juli 1982 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 13. Juli 1981 aus der Voranmeldung GB-8 121 490 eingereicht worden war, wurde mit Entscheidung der Prüfungsabteilung des Europäischen Patentamts vom 1. Februar 1985 zurückgewiesen.
II. Der Entscheidung lagen die mit Schreiben vom 31. Oktober 1984 eingereichten Ansprüche 1 - 5 zugrunde. Diese Ansprüche wurden wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit ihres Gegenstands (Artikel 52, 56 EPU) zurückgewiesen.
In der Entscheidung wird auf folgende Druckschriften verwiesen:
(1) SMPTE Journal, Bd. 89, Nr. 9, September 1980, Seiten 663 - 669
(2) US-A-2 820 091
(3) FKTG, Tagungsband von der 7. Jahrestagung der FKTG, 17. bis 21. September 1979, Seiten 562 - 567 (Prof. Wendland)
(4) FKTG, Tagungsband von der 8. Jahrestagung der FKTG, 6. bis 9. Oktober 1980, Seiten 381 - 392 (J. Polonsky) Der unabhängige Anspruch 1 und der abhängige Anspruch 5 wurden jedoch tatsächlich wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit gegenüber dem allgemeinen technischen Fachwissen zurückgewiesen. Die Prüfungsabteilung war der Auffassung, die Merkmale der abhängigen Ansprüche 2 bis 4 seien aus der Entgegenhaltung 2 bekannt und fügten dem nicht-erfinderischen Gegenstand des Anspruchs 1 nichts Erfinderisches hinzu.
III. Gegen diese Entscheidung legte die Anmelderin und jetzige Beschwerdeführerin am 11. März 1985 Beschwerde ein. Die Gebühr wurde am 8. März 1985 entrichtet, und am 30. März 1985 wurde eine Beschwerdebegründung eingereicht.
Mit der Beschwerdebegründung wurden zwei Anspruchssätze eingereicht, nämlich Anspruchssatz A mit acht Ansprüchen und Anspruchssatz C mit sieben Ansprüchen.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Erteilung eines Patents auf der Grundlage des Anspruchssatzes A oder - falls dieser nicht gewährbar sei - auf der Grundlage des Anspruchssatzes C.
Für den Fall, daß keiner der beiden Anspruchssätze gewährbar sei, beantragte sie eine mündliche Verhandlung.
IV. Anspruchssatz A lautet wie folgt:
1. Farbfernsehsignal, das zur Erzeugung eines Bildes, dessen Bildseitenverhältnis größer als 4:3 ist, geeignet ist und bei dem der aktive Videoteil einer Zeile mindestens 85 %, vorzugsweise 90 % der Zeilendauer beträgt
2. Farbfernsehsignal nach Anspruch 1, bei dem die Farbsynchronisationsinformation getrennt von der normalen Zeilendauer übertragen wird
3. Farbfernsehsignal nach Anspruch 2, bei dem die Farbsynchronisationsinformation während der Vertikalauslastlücke übertragen wird
4. Farbfernsehsignal nach Anspruch 2, bei dem die Farbsynchronisationsinformation innerhalb des Tonsignals oder eines Datensignals oder zusammen damit übertragen wird
5. Farbfernsehsignal nach Anspruch 1, bei dem in jeder Zeile während des inaktiven Videoteils eine Klemm-Bezugsgleichspannung übertragen wird
6. Farbfernsehsignal nach Anspruch 1, bei dem die Zeilendauer weitgehend gleich 64 Mikrosekunden ist
7. Farbfernsehempfänger zum Empfang eines Signals nach Anspruch 1 mit Mitteln, die auf mindestens 85 %, vorzugsweise 90 % der Zeilendauer ansprechen, um den aktiven Videozeilenteil abzutrennen, und mit Mitteln zur daraufhin erfolgenden Wiedergabe eines Bildes, dessen Bildseitenverhältnis größer als 4:3 ist
8. Farbfernsehempfänger nach Anspruch 7 mit Mitteln zur Erhöhung der Zeilen- und/oder Halbbildfrequenz des wiedergegebenen Bildes gegenüber der des empfangenen Signals
V. In der Beschwerdebegründung brachte die Beschwerdeführerin im wesentlichen folgendes vor:
Mit der beanspruchten Erfindung lasse sich der aktive Videoteil der Zeile so erhöhen, daß zwar das Bildseitenverhältnis, nicht jedoch die gesamte Signalbandbreite vergrößert werde. In den letzten Jahren sei auf diesem Gebiet im Hinblick auf verbesserte hochauflösende Fernsehstandards viel Forschung betrieben worden; von der Prüfungsabteilung seien mehrere Vorschläge für ein Bildseitenverhältnis von 5:3 entgegengehalten worden, von denen aber keiner die in der Erfindung vorgeschlagene, außerordentlich einfache Vorrichtung offenbare oder in irgendeiner Weise nahelege.
Der praktischen Bedeutung der Kompatibilität auf verschiedenen Ebenen der Signalkette müsse Rechnung getragen werden. Natürlich umfasse diese Kette mehrere Elemente, wie z. B. die Kameras, die Studioausrüstung, die Kodiersysteme, die Ubertragungsstrecken und die Empfangseinrichtungen.
Die Bedeutung der Kompatibilität bei den Ubertragungsstrecken dürfe nicht unterschätzt werden.
Um die erfindungsgemäßen, wesentlich verbesserten Bilder empfangen zu können, bedürfe es zwar einer neuen Studio- und Kodierausrüstung sowie neuer Empfangseinrichtungen, nicht jedoch neuer Ubertragungsstrecken, deren Kosten immens gewesen wären. Es sei nicht so gewesen, daß ein klar umrissenes Problem zur Lösung angestanden sei, nämlich die Aufgabe, ein verbessertes Fernsehsystem mit einem größeren Bildseitenverhältnis zu entwickeln, das mit den bestehenden Systemen zumindest teilweise kompatibel sei. Filme mit großem Bildseitenverhältnis gebe es seit Jahren; das Problem ihrer Wiedergabe im Fernsehen sei also nicht erst jetzt aufgetreten.
Die Erfindung liege im wesentlichen darin, daß erkannt worden sei, daß ein solches Problem bestehe und daß es gelöst werden könne. Erst nach seiner Lösung habe sich herausgestellt, daß die dazu erforderlichen Schritte einfach seien.
Der Beschwerdebegründung lag eine eidesstattliche Erklärung von Herrn A. J. Seeds, Dozent am Queen Mary College, Universität London, bei, in der bestätigt wurde, daß die beanspruchte Erfindung nicht naheliegend sei.
VI. In einem Bescheid erhob der Berichterstatter gegen die Ansprüche 1 - 6 des Anspruchssatzes A und gegen die Ansprüche 1 - 5 des Anspruchssatzes C den Einwand, daß ein Signal, also auch ein Farbfernsehsignal, keine patentierbare Erfindung darstelle, sondern aufgrund der nicht erschöpfenden Ausschlußliste nach Artikel 52 (2) EPU mit der Einschränkung nach Artikel 52 (3) EPU von der Patentierbarkeit ausgeschlossen sei. Die Ansprüche 7 und 8 des Anspruchssatzes A und die Ansprüche 6 und 7 des Anspruchssatzes C, die alle auf einen Farbfernsehempfänger gerichtet seien, umfaßten Gegenstände, denen es an erfinderischer Tätigkeit mangele. Insbesondere seien die Merkmale des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 7 des Anspruchssatzes A und des Anspruchs 6 des Anspruchssatzes C aus der Entgegenhaltung 2 bekannt; bei einem System nach der Entgegenhaltung 2 müsse der aktive Teil einer Zeile bereits einen höheren Prozentsatz der Zeilendauer ausmachen als bei einem herkömmlichen Fernsehsystem.
VII. In der mündlichen Verhandlung beantragte die Beschwerdeführerin die Erteilung eines Patents auf der Grundlage des Anspruchssatzes A (Hauptantrag) oder des Anspruchssatzes C (Hilfsantrag).
(...)
Falls Einwände nach Artikel 52 (2) und (3) EPU erhoben würden, war die Beschwerdeführerin bereit, erforderlichenfalls wieder auf die ursprüngliche Fassung der Ansprüche zurückzugreifen.
(...)
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 und Regel 64; sie ist somit zulässig.
2. Die Kammer ist nicht mehr der Auffassung, daß ein Anspruch, der sich auf ein Farbfernsehsignal bezieht, gemäß Artikel 52 (2) und (3) EPU von der Patentierbarkeit ausgeschlossen ist. Wie die Prüfungsabteilung in ihrer Entscheidung festgestellt hat, besteht zwischen dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1, der sich auf ein Farbfernsehsystem bezog, und dem nun vorliegenden Anspruch 1, der auf ein Farbfernsehsignal gerichtet ist, kein wesentlicher Unterschied, da die Merkmale des Anspruches für das System im wesentlichen auch nur ein Fernsehsignal definierten. Das nunmehr beanspruchte Fernsehsignal ist für das Fernsehsystem charakteristisch, in dem es vorkommt.
Die Beschreibung wurde dementsprechend angepaßt.
Es besteht kein Einwand nach Artikel 123 (2) EPU, da das jetzt beanspruchte Signal durch das in der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung beschriebene System ausreichend beschrieben war.
Die Kammer erhob zunächst von Amts wegen den Einwand, daß das beanspruchte Fernsehsignal als Wiedergabe von Informationen betrachtet werden könnte, die ja als solche gemäß Artikel 52 (2) d) und (3) EPU von der Patentierbarkeit ausgeschlossen ist.
Das beanspruchte Fernsehsignal scheint jedoch mehr zu sein als eine bloße Wiedergabe von Informationen "als solche". Tatsächlich enthält es inhärent die technischen Merkmale des Fernsehsystems, in dem es verwendet wird; es gibt zwar Informationen wieder, diese Informationen weisen jedoch genau die technischen Merkmale des Systems auf, in dem das Signal vorkommt.
Die Kammer hält es für richtig, bei der Informationswiedergabe zwischen zwei Arten von Informationen zu unterscheiden. Danach kann zwar ein Fernsehsystem, das lediglich durch die Informationen an sich gekennzeichnet ist, z. B. durch bewegte Bilder, die nach einem TV-Standardsignal moduliert werden, unter die Ausschlußbestimmung des Artikels 52 (2) d) und (3) EPU fallen, nicht jedoch ein Fernsehsignal, das so definiert ist, daß es inhärent die technischen Merkmale des Fernsehsystems aufweist, in dem es vorkommt.
Da die Liste der Ausnahmen von der Patentierbarkeit in Artikel 52 (2) EPU in Verbindung mit Artikel 52 (3) EPU wegen des Zusatzes "insbesondere" in Absatz 2, Zeile 2 nicht erschöpfend ist, erschien der Kammer der verallgemeinernde Schluß vertretbar, daß der Ausschluß generell für Sachverhalte gilt, die im wesentlichen abstrakt, also nicht gegenständlich, sind und deshalb nicht durch technische Merkmale im Sinne der Regel 29 (1) EPU gekennzeichnet sind.
Das beanspruchte Fernsehsignal würde auch nicht unter diese allgemeinere Auslegung der Ausnahmen nach Artikel 52 (2) und (3) EPU fallen, weil es eine physische Realität darstellt, die durch technische Mittel direkt festgestellt und deshalb trotz ihres flüchtigen Charakters nicht als abstrakt betrachtet werden kann. Dementsprechend ist also der Gegenstand derjenigen Ansprüche der Anspruchssätze A und C, die auf ein Farbfernsehsignal gerichtet sind, nicht nach Artikel 52 (2) und (3) EPU vom Patentschutz ausgeschlossen.
3. Neuheit
(...)
4. Erfinderische Tätigkeit
(...)
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die erste Instanz mit der Auflage zurückverwiesen, auf der Grundlage folgender Unterlagen ein Patent zu erteilen: ...