T 0621/03 23-05-2006
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Elastomerprodukte mit akustischen Dämpfungseigenschaften
Hauptantrag - unzulässige Änderung (ja)
Nicht offenbartes Merkmal leistet technischen Beitrag (ja)
Hilfsantrag - Klarheit (nein)
I. Die Erteilung des Europäischen Patents Nr. 0 793 697 auf die am 14. November 1995 angemeldete internationale Anmeldung PCT/EP95/04467 der Firma Henkel Teroson GmbH wurde am 16. Februar 2000 im Patentblatt 2000/07 bekanntgemacht.
Das Patent mit dem Titel "Elastomerprodukte mit akustischen Dämpfungseigenschaften" wurde mit zehn Ansprüchen erteilt. Der Anspruch 1 lautet wie folgt:
"1. Heißhärtende reaktive Zusammensetzung auf der Basis von natürlichen und/oder synthetischen olefinische Doppelbindungen enthaltenden Elastomeren und Vulkanisationsmitteln, dadurch gekennzeichnet, daß die Zusammensetzung
a) 0-10 Gew.-% Festkautschuk(e) mit einem Molekulargewicht von 100000 oder höher, wobei der oder die Festkautschuk(e) aus der Gruppe cis-1,4-Polybutadien, Styrol-Butadien-Kautschuk, Naturkautschuk, Ethylen-Propylen-Dien-Kautschuk (EPDM), Nitrilkautschuk, Butylkautschuk, Acrylkautschuk, Polyurethankautschuk, ausgewählt wird/werden
b) 5-50 Gew.-% flüssige(s) Polyen(e) mit einem Molekulargewicht unter 20000
c) ein Vulkanisationssystem ausgewählt aus der Gruppe, bestehend aus
- Schwefel und einem oder mehreren organischen Beschleuniger(n) und Metalloxid(en), wobei der Anteil an Schwefel mindestens 3 Gew.-% der Gesamtformulierung ausmacht
- peroxidischen Vulkanisationssystemen
- Chinonen, Chinondioximen oder Dinitrosobenzol, ggf. in Kombination mit organsichen Beschleunigern und/oder Metalloxid(en)
d) ggf. weitere Zusätze ausgewählt aus der Gruppe gebildet durch
- Thermoplastische Polymere in Form von feinzerteilten Pulvern
- Füllstoffen
- Klebrigmacher und/oder Haftvermittler
- Extenderöle
- Alterungsschutzmittel
- Rheologiehilfsmittel, oder deren Mischungen,
wobei die Summe der Bestandteile a) bis d) sich zu 100 Gew.-% addieren,
enthält, wobei das Maximum des Verlustfaktors der d (combi) der vulkanisierten Zusammensetzung im Biegeschwingungsversuch nach DIN 53440 bei 200 Hz im Bereich von +10ºC bis +40ºC liegt und mindestens 0.1, vorzugsweise 0.2 oder mehr beträgt."
Die Ansprüche 2 bis 5 sind direkt oder indirekt vom Anspruch 1 abhängig. Anspruch 6 betrifft die Herstellung der Zusammensetzung nach den vorhergehenden Ansprüchen; Anspruch 7 ist auf die Verwendung der Zusammensetzung und die Ansprüche 8 bis 10 sind auf Verfahren zum Verbinden von Metallteilen, beziehungsweise Beschichten, Kleben und/oder Abdichten von Bauteilen mit Hilfe der in den Ansprüchen 1 bis 5 definierten Zusammensetzung gerichtet.
II. Gegen das Patent legte die Firma
EFTEC AG
gestützt auf die Einspruchsgründe gemäß den Artikeln 100 a), b) und c) EPÜ am 15. November 2000 Einspruch ein und beantragte, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.
III. Mit der am 12. März 2003 in der mündlichen Verhandlung verkündeten und am 8. April 2003 schriftlich ergangenen Entscheidung widerrief die Einspruchsabteilung das Patent. Grundlage für die Entscheidung waren die erteilten Ansprüche gemäß Hauptantrag, die Ansprüche gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2, eingereicht mit Schreiben vom 13. Januar 2003 und die Ansprüche gemäß Hilfsantrag 3, eingereicht in der mündlichen Verhandlung.
Im Hinblick auf den Hauptantrag argumentierte die Einspruchsabteilung, dass das Merkmal im Anspruch 1, wonach die beanspruchte Zusammensetzung 0 bis 10 Gew.-% Festkautschuk(e) mit einem bestimmten Molekulargewicht und einer bestimmten chemischen Zusammensetzung enthalte (Merkmal a)), den Ursprungsunterlagen nicht zu entnehmen sei.
Zwar sei die Untergrenze von "0 Gew.-%" offenbart, da der Gehalt an Festkautschuk ursprünglich als fakultativ genannt sei, jedoch lasse sich die Obergrenze von 10 Gew.-% Festkautschuk nicht allgemein aus den Ursprungsunterlagen ableiten. Die Beispiele 1 bis 3 des Patents könnten hierzu keinen Beitrag leisten, da nur punktuell Werte von 10, 5 und 3 Gew.-% offenbart seien, und dies nur in Verbindung mit cis-1,4-Polyisopren (10 Gew.-%, Beispiel 1) und Polybutadien (5 bzw. 3 Gew.-%, Beispiele 2 und 3). Daraus lasse sich kein allgemeiner Bereich für die gesamte im Anspruch 1 genannte Auswahl an Festkautschuken ableiten.
Den Einwand der Patentinhaberin mit Blick auf die Entscheidung G 1/93, dass der im Anspruch 1 angegebene Gehalt an Festkautschuk den Schutzbereich des erteilten Patents einschränke, keinen technischen Beitrag zum Gegenstand der beanspruchten Erfindung leiste und daher nicht als Gegenstand zu betrachten sei, der über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinausgehe, ließ die Einspruchsabteilung nicht gelten. Sie argumentierte, dass gemäß dem ursprünglichen Anspruch 1 kein Unterschied gemacht werde zwischen Fest- und Flüssigkautschuk, so dass beide die Lösung der gestellten Aufgabe garantierten. Obwohl gemäß Seite 11, Absatz 3 der ursprünglichen Beschreibung Flüssigkaut schuk bevorzugt sei, sei das Vorhandensein von Fest kautschuk nicht ausgeschlossen. Zudem enthielten die Formulierungen aller erfindungsgemäßen Beispiele Festkautschuk. Die in der mündlichen Verhandlung nachgereichten Formulierungen 9 und 10 zeigten zwar, dass die erfindungsgemäße Aufgabe auch ohne Festkautschuk gelöst werden könne, jedoch handle es sich hierbei um spezielle Zusammensetzungen mit Flüssig kautschuk im oberen beanspruchten Mengenbereich. Dies liefere keinen Beweis dafür, dass die Aufgabe auch mit Flüssigkautschuken im unteren beanspruchten Bereich zu lösen sei. Das Argument, dass das in Rede stehende Merkmal keinen technischen Beitrag im Sinne der Entscheidung G 1/93 leiste könne daher nicht durchgreifen, so dass ein Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ vorliege.
Die Streichung der Mengenangaben für den Festkautschuk in den Ansprüchen 1 der Hilfsanträge 1 und 2 führten zu einer Erweiterung des Schutzbereichs des erteilten Patents, was im Rahmen von Artikel 123 (3) EPÜ nicht zulässig sei.
Der Hilfsantrag 3 sei ebenfalls nicht gewährbar, da sich ein lückenloser Bereich von 0 bis 10 Gew.-% für die Festkautschuke cis-1,4-Polybutadien und cis-1,4-Polyisopren gemäß Anspruch 1 aus den Ursprungsunterlagen nicht ableiten lasse und somit ein Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ vorliege.
Die Einspruchsgründe gemäß den Artikeln 100 a) und 100 b) EPÜ wurden in der Entscheidung nicht diskutiert.
IV. Gegen die Entscheidung legte die Patentinhaberin (nachfolgend Beschwerdeführerin) am 3. Juni 2003 Beschwerde ein und beantragte das Patent im erteilten Umfang aufrechtzuerhalten. Die fällige Gebühr wurde am selben Tag entrichtet.
Die Beschwerdebegründung wurde am 7. August 2003 nachgereicht. Dem Schriftsatz lag ein Versuchsbericht bei, worin mittels Diagrammen die Verlustfaktoren von verschiedenen erfindungsgemäßen Reaktivzusammensetzungen verglichen wurden. Weitere Vergleichsversuche wurden mit Schreiben vom 30. Juni 2005 eingereicht.
V. Mit den Schriftsätzen vom 5. November 2003 und vom 24. September 2004 reichte die Einsprechende (nachfolgend Beschwerdegegnerin) ihrerseits Versuche ein, die belegen sollten, dass die Anwesenheit von Festkautschuk einen technischen Beitrag zur beanspruchten Erfindung leistet.
VI. Die Kammer äußerte in ihrem Bescheid vom 30. März 2006 Zweifel, dass sich der Bereich von 0 bis 10 Gew.-% für alle im erteilten Anspruch 1 angegebenen Festkautschuke aus den Erstunterlagen ableiten lasse. Weiterhin vertrat sie die vorläufige Auffassung, dass sich der technische Beitrag, den ein Merkmal zur beanspruchten Erfindung leistet, nicht allein danach bemessen lasse, ob dieses Merkmal für die Lösung der gestellten Aufgabe wesentlich ist.
Daraufhin reichte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 6. April 2006 einen Anspruchssatz als Basis für einen Hilfsantrag ein.
Nachdem die Kammer in der mündlichen Verhandlung vom 23. Mai 2006 diesen Hilfsantrag wegen mehrerer Mängel unter Artikel 123 (2) EPÜ nicht für gewährbar erachtet hatte, wurde der Antrag durch Ansprüche 1 und 2 als Basis für einen neuen Hilfsantrag ersetzt. Der Anspruch 1 lautet folgendermaßen:
"1. Heißhärtende reaktive Zusammensetzung auf der Basis von natürlichen und/oder synthetischen olefinische Doppelbindungen enthaltenden Elastomeren und Vulkanisationsmitteln, dadurch gekennzeichnet, daß die Zusammensetzung
a) 0 Gew.-% Festkautschuk(e) mit einem Molekulargewicht von 100000 oder höher,
b) 5-50 Gew.-% flüssige(s) Polyen(e) aus der Gruppe bestehend aus 1,2-Polybutadien, 1,4-Polybutadien, Polyisopren, Polybuten, Polyisobutylen, Copolymere des Butadiens und/oder Isoprens mit Styrol und/oder Acrylnitril mit einem Molekulargewicht unter 20000
c) ein Vulkanisationssystem ausgewählt aus der Gruppe, bestehend aus
- Schwefel und einem oder mehreren organischen Beschleuniger(n) und Metalloxid(en), wobei der Anteil an Schwefel mindestens 3 Gew.-% der Gesamtformulierung ausmacht
- peroxidischen Vulkanisationssystemen
- p-Benzochinondioxim ggf. in Kombination mit organischen Beschleunigern und/oder Metalloxid(en)
- Chinonen, Chinondioximen oder Dinitrosobenzol
d) ggf. weitere Zusätze ausgewählt aus der Gruppe gebildet durch
- Thermoplastische Polymere in Form von feinzerteilten Pulvern
- Füllstoffen
- Klebrigmacher und/oder Haftvermittler
- Extenderöle
- Alterungsschutzmittel
- Rheologiehilfsmittel, oder deren Mischungen,
wobei die Summe der Bestandteile a) bis d) sich zu 100 Gew.-% addieren,
enthält, wobei das Maximum des Verlustfaktors der d (combi) der vulkanisierten Zusammensetzung im Biegeschwingungsversuch nach DIN 53440 bei 200 Hz im Bereich von +10ºC bis +40ºC liegt und mindestens 0.1, vorzugsweise 0.2 oder mehr beträgt."
VII. Die Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Das Merkmal a) des erteilten Anspruchs 1 "0-10 Gew.-% Festkautschuk(e) mit einem Molekulargewicht von 100.000 oder höher ..." schränke den Schutzbereich des Patents ein und leiste zudem keinen technischen Beitrag zur beanspruchten Erfindung. Dies werde schon aus der ursprünglichen Offenbarung der Erfindung deutlich, in der Festkautschuk nur als fakultativ genannt sei. Insbesondere zeigten die eingereichten Vergleichs beispiele und die zugehörigen Diagramme in der Gesamtschau, dass sich die anspruchsgemäß geforderten Dämpfungswerte der vulkanisierten Zusammensetzungen auch ohne den Zusatz von Festkautschuk erreichen ließen. Die Einhaltung der anspruchsgemäßen Dämpfungswerte hänge zudem nicht vom Einsatz einer speziellen Flüssigkaut schukspezies ab, sondern von einer Vielzahl von Merk malskombinationen im Rahmen der Lehre der beanspruchten Erfindung.
Was die in einigen Beispielen gezeigte Temperatur verschiebung des Maximums des Verlustfaktors nach Zusatz von Festkautschuk anbelange, müsse berücksichtigt werden, dass dafür die relative Erhöhung der Konzentration des Vulkanisationsmittels verantwortlich sei, die den Vernetzungsgrad des Flüssigkautschuks verändere.
Aus Vorstehendem ergebe sich, dass das in Rede stehende Merkmal im Hinblick auf die in G 1/93 entwickelten Grundsätze nicht gegen die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ verstoße.
VIII. Bezüglich der Zulassung der Merkmals "0-10 Gew.-% Festkautschuk(e)..." unter Artikel 123 (2) EPÜ argumentierte die Beschwerdegegnerin folgendermaßen:
Für den Mengenbereich von 0-10 Gew.-% Festkautschuk gebe es keine Basis in den Ursprungsunterlagen. Die Offenbarung von 10 Gew.-% in Verbindung mit einem speziellen Kautschuk im Beispiel 1 sei nicht dazu geeignet, zusammen mit dem (ursprünglich offenbarten) fakultativen Gehalt an Festkautschuken einen kontinuierlichen Bereich von 0-10 Gew.-% zu entwickeln.
Zur Rechtfertigung des strittigen Bereichs sei die Entscheidung G 1/93 ebenfalls nicht anwendbar, da sie nur Fälle betreffe, in denen ein Patentinhaber ein im Prüfungsverfahren entgegen den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ in den Anspruch aufgenommenes Merkmal nicht mehr aus dem erteilten Anspruch streichen könne, ohne den Schutzbereich des Patents, im Wider spruch zu Artikel 123 (3) EPÜ, zu erweitern.
Ein solcher Fall liege hier schon deshalb nicht vor, da die Beschwerdeführerin aufgrund der anspruchsgemäßen Untergrenze von "0 Gew.-% Festkautschuk" die Möglichkeit habe, das Merkmal a) vollständig aus dem Anspruch zu streichen, ohne gegen die Artikel 123 (2) und (3) EPÜ zu verstoßen. Auf diese Möglichkeit sei die Beschwerde führerin bereits im Einspruchsverfahren hingewiesen worden, ohne jedoch davon Gebrauch zu machen.
Das strittige Merkmal leiste zudem einen technischen Beitrag zur beanspruchten Erfindung, wie die zahlreichen Vergleichsversuche der Beschwerdeführerin selbst und die eigenen Vergleichsbeispiele zeigten. Dies manifestiere sich schon durch die den Vergleichsversuchen beiliegenden Diagramme, die zeigten, dass sich durch die Art und Menge des eingesetzten Festkautschuks in Relation zum Flüssigkautschuk die Lage des Dämpfungsmaximums verschiebe.
IX. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents im erteilten Umfang, hilfsweise auf Basis des Patentanspruchs 1, eingereicht in der mündlichen Verhandlung.
X. Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Hauptantrag
2. Diskussion des Merkmals a) des Anspruchs 1 betreffend den Gehalt an Festkautschuk von 0-10 Gew.-% im Rahmen von Artikel 123 (2) EPÜ in Verbindung mit G 1/93
Nach Überzeugung der Kammer existiert für den Wertebereich von 0-10 Gew.-% keine Basis in den Ursprungsunterlagen, da diese zwar - durch die nur fakultative Anwesenheit von Festkautschuk - den Wert 0% offenbaren, nicht aber den oberen Bereichsgrenzwert 10%, für den nur im Beispiel 1 für cis-1,4-Polyisopren (also nicht für Festkautschuk im allgemeinen) ein punktueller Wert von 10 Gew.-% angegeben ist.
Die Beschwerdeführerin hat bereits im vorinstanzlichen Einspruchsverfahren vorgebracht, dass das strittige Merkmal a) im Sinne der Entscheidung G 1/93 (OJ EPA 1994, 541) dennoch die Bedingungen des Artikels 123 (2) EPÜ erfülle, weil es
a) den Schutzbereich des Patents gegenüber der ursprünglichen Anmeldung einschränke und
b) überdies keinen technischen Beitrag zum Gegenstand der Erfindung leiste.
Während es unbestritten zutrifft, dass die Festlegung der oberen Bereichsgrenze von 10% gegenüber der ursprünglich - mengenmäßig undefinierten - fakultativen Anwesenheit von Festkautschuk den Schutzbereich einschränkt, stimmt die zweite Behauptung, wie im folgenden ausgeführt, mit den Tatsachen nicht überein.
Diesbezüglich argumentierte die Beschwerdeführerin, dass die erfindungsgemäß gestellte Aufgabe auch ohne Anwesenheit von Festkautschuk gelöst werden könne. Der Festkautschuk sei daher ein Merkmal ohne technische Relevanz und vernachlässigbar. Um dies zu demonstrieren, wurden Vergleichsbeispiele und Diagramme eingereicht, die belegen sollen, dass das anspruchsgemäße Maximum des Verlustfaktors der d (combi) auch ohne Anwesenheit von Festkautschuk eingehalten werden kann, siehe beispielsweise die Versuche basierend auf den Zusammensetzungen 2, 9, 12 bis 16, eingereicht mit der Beschwerdebegründung.
Die Kammer kann sich dieser Argumentation nicht anschließen. Die technische Relevanz eines Merkmals lässt sich nicht daran bemessen, ob das Merkmal erfindungswesentlich ist oder nicht, sondern daran, in welcher Weise seine Anwesenheit technischen Einfluss ausübt.
Dass die Anwesenheit von Festkautschuk die Zusammen setzung in technischer Hinsicht, insbesondere auch im Hinblick auf die angestrebten Dämpfungseigenschaften beeinflusst, ist nicht nur aufgrund der jedem Fachmann geläufigen Kautschukrheologie evident, sondern erschließt sich auch aus den Vergleichsversuchen der Beschwerdeführerin selbst; siehe beispielsweise die mit der Beschwerdebegründung eingereichten Diagramme betreffend den Vergleich der Zusammensetzungen gemäß der Beispiele 2/14 oder 9/15 (Beispiele 2 und 9 mit Festkautschuk; 14/15 ohne Festkautschuk) und die später mit Schriftsatz vom 30. Juni 2006 nachgereichten Versuche 12, 12F, 12G, wonach die Lage der Dämpfungs maxima auf der Temperaturskala von Zusammensetzungen mit Festkautschuk gegenüber solchen ohne Festkautschuk unterschiedlich ist. Zu analogen Ergebnissen gelangte auch die Beschwerdegegnerin mit ihren am 5. November 2003 und 24. September 2004 eingereichten Versuchen.
Das weitere Argument der Beschwerdeführerin, dass es sich bei der beanspruchten Zusammensetzung um ein Vielstoffgemisch handle, bei dem alle Komponenten a) bis d) zusammenwirkten und die Komponente a) bestehend aus 0-10 Gew.-% Festkautschuk daher in ihrer Funktion als nur fakultatives Merkmal, und nicht im Lichte von möglicherweise vorhandenen Einzelmengen der Festkaut schukkomponente betrachtet werden müsse, kann die Kammer ebenfalls nicht überzeugen.
Da anspruchsgemäß Festkautschuk in einer Menge von bis zu 10% vorhanden sein kann, sind für die Beurteilung der technischen Bedeutung dieses Merkmals alle Ausführungs formen maßgeblich, die Festkautschuk enthalten. Dabei muss ein technischer Beitrag nicht notwendigerweise darin bestehen, dass der Festkautschuk für die - in den Versuchen der Parteien gezeigte - Verschiebung der Dämpfungsmaxima unmittelbar verantwortlich ist, sondern kann sich auch darin manifestieren, dass andere Merkmale beeinflusst werden, indem der Festkautschuk beispiels weise eine Anpassung der Menge des Flüssigkautschuks und des Gehalts am Vulkanisationssystem initiiert oder erforderlich macht.
Letztere Wirkung wird von der Beschwerdeführerin selbst eingeräumt (siehe den Schriftsatz vom 30. Juni 2005, Seite 2, vorletzte und letzte Zeile und Seite 3, Absatz 1) indem sie darlegt, dass in den Beispielen 12D bis F der in steigenden Mengen zugesetzte Festkautschuk als Lösungs- und Verdünnungsmittel für das Vulkanisationssystem wirke und dem vulkanisierbaren Flüssigkautschuk eine zunehmende Menge des reaktiven Schwefels und Vulkanisationsbeschleunigers entziehe. Eine mengenmäßige Anpassung der Komponenten ist beispielsweise auch aus den von den Parteien vorgelegten Beispielen 2, 9, 12 und 13 (Beschwerdeführerin) sowie 12, 12A/B/C (Beschwerdegegnerin) eindeutig ersichtlich.
Damit ergibt sich zweifelfrei ein technischer Beitrag des den Festkautschuk betreffenden Merkmals a) des Anspruchs 1.
3. Aus 2. folgt, dass das Merkmal "0-10 Gew.-% Festkaut schuk" über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht. Der Anspruch 1 ist somit nicht gewährbar.
Daher ist der Hauptantrag insgesamt nicht gewährbar.
Hilfsantrag
4. Zulassung ins Verfahren
Die Beschwerdegegnerin war der Ansicht, dass der in der mündlichen Verhandlung hilfsweise eingereichte Anspruch 1 aus Gründen der Verfahrensökonomie nicht in das Verfahren zuzulassen sei; die späte Vorlage sei ungerechtfertigt, weil ein derartiger, die Anwesenheit von Festkautschuk ausschließender Anspruch bereits im vorinstanzlichen Einspruchsverfahren eingereicht hätte werden können und sollen.
In der Tat unterscheidet sich der Gegenstand des Hilfsantrags von dem des Hauptantrags im wesentlichen durch den Ausschluss von Festkautschuken mit einem Molekulargewicht von 100.000 oder höher sowie durch weitere Änderungen, die nach Einwänden der Kammer in der mündlichen Verhandlung im Rahmen von Artikel 123 (2) EPÜ bezüglich der Merkmale b) und c) vorgenommen wurden.
Da insbesondere die Problematik des Gehalts an Festkautschuken im schriftlichen Verfahren ausführlich diskutiert worden war, bringt der Hilfsantrag keine neuen Sachverhalte ein, die für die Beschwerdegegnerin überraschend gewesen wären.
Die Tatsache, dass die Einschränkung des Gehalts an Festkautschuk nicht schon im vorinstanzlichen Einspruchsverfahren vorgenommen wurde, kann der Beschwerdeführerin nicht als Missbrauch der Verfahrensführung angelastet werden, da einem Patentinhaber nicht vorgeschrieben werden kann, mit welchen Anträgen er sein Patent verteidigen soll.
Zudem wurde bereits im Bescheid der Kammer vom 30. März 2006 im Punkt 5. darauf hingewiesen, dass bei Vorliegen formal gewährbarer Ansprüche eine Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz in Frage komme.
Der Hilfsantrag wird daher zum Verfahren zugelassen.
5. Artikel 84 EPÜ
Merkmal a) des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag wurde unter anderem dahingehend eingeschränkt, dass der Bereich "0-10 Gew.-% Festkautschuk mit einem Molekulargewicht von 100.000 oder höher" in "0 Gew.-% ..." geändert wurde. Es ist daher zu prüfen, ob durch diese Änderung des Anspruchswortlauts das Erfordernis der Klarheit gemäß Artikel 84 EPÜ für den Anspruch erfüllt ist.
Nach Überzeugung der Kammer lässt dieses Merkmal eine Interpretation in zweierlei Hinsicht zu:
- Zum einen kann es dahingehend verstanden werden, dass Festkautschuk generell aus der Zusammensetzung ausgeschlossen ist. Dies würde der Forderung der Beschwerdegegnerin Rechnung tragen und wäre auch im Sinne der ursprünglichen Offenbarung (siehe Seite 6, Absatz 1 der WO-A 96/16136);
- Zum anderen kann das Merkmal aber auch bedeuten, dass nur Festkautschuke mit einem Molekulargewicht von 100.000 oder höher ausgeschlossen werden und dass durchaus Festkautschuke mit einem Molekulargewicht von kleiner 100.000 in der Zusammensetzung enthalten sein können. Dafür spricht das Erfordernis im Anspruch 1 "wobei die Summe der Bestandteile a) bis d) sich zu 100 Gew.-% addieren", welches impliziert, dass substanzielle Mengen Festkautschuk zur Gesamtsumme der Komponenten in der Zusammensetzung beitragen können.
Der Anspruch 1 des Hilfsantrags erfüllt daher nicht die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ.
6. Artikel 123 (2) EPÜ
Das Merkmal b) des Anspruchs 1, wonach das flüssige Polyen unter anderem ein Copolymer des Isoprens mit Styrol und/oder Acrylnitril mit einem Molekulargewicht unter 20000 sein kann, findet keine Stütze in den Ursprungsunterlagen. Derartige Copolymere sind auf Seite 7 der WO-Publikation im Zusammenhang mit der Molekulargewichtsangabe nicht genannt.
Die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ sind daher für diesen Anspruch nicht erfüllt.
7. Auch der Hilfsantrag ist somit nicht gewährbar.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.