T 0471/98 (Verbund-Ultraschallwandler und Herstellungsverfahren/SIEMENS AG) 02-07-2002
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Verbund-Ultraschallwandler und Verfahren zur Herstellung eines strukturierten Bauelementes aus piezoelektrischer Keramik
Patentfähigkeit eines auf die Herstellung eines Teilelementes eines Erzeugnisses gerichteten Verfahrensanspruchs
Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (nein)
Sachverhalt und Anträge
I. Der Beschwerdeführer (Einsprechende) hat seine am 22. April 1998 unter gleichzeitiger Bezahlung der Beschwerdegebühr eingelegte Beschwerde gegen die am 19. März 1998 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung gerichtet, mit der das Patent in geänderter Fassung aufrechterhalten wurde. Die Beschwerdebegründung wurde am 14. Mai 1998 eingereicht.
II. Einspruch und Beschwerde stützen sich auf Artikel 100 a) EPÜ aus den Gründen fehlender Neuheit und erfinderischer Tätigkeit (Artikel 52 (1), 54 (1), (2) und 56 EPÜ) des Gegenstandes des Patents.
III. Der Beschwerdeführer beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patentes in vollem Umfang.
IV. Der Beschwerdegegner (Patentinhaber) beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent auf der Basis der Zwischenentscheidung aufrechtzuerhalten. Hilfsweise wurde ein Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt.
V. Mit Bescheid vom 18. Januar 2002 wurden die Parteien zur mündlichen Verhandlung geladen. In einer Anlage zur Ladung legte die Kammer ihre vorläufige Auffassung dar und äußerte in diesem Zusammenhang unter anderem Zweifel, ob der Gegenstand des Verfahrensanspruchs 11 im Hinblick auf das vom Beschwerdeführer diskutierte Dokument:
D1: K. Lubitz: "Mikrostrukturierung von Piezokeramik", VDI Berichte, Nr. 796, 1989, Seiten 35 - 49
sowie das in der Patentschrift zitierte Dokument:
D2: DE-A-3 739 226
patentfähig sei.
VI. Mit Schreiben bzw. Fax jeweils vom 3. Juni 2002 teilten die Parteien mit, daß sie nicht beabsichtigten, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen.
Keine der Parteien nahm inhaltlich zur vorläufigen Auffassung der Kammer Stellung.
VII. Der geltende Anspruch 1 gemäß der Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung lautet wie folgt:
"1. Verbund-Ultraschallwandler mit im wesentlichen in Längsrichtung abstrahlenden Wandlerelementen aus piezoelektrischer Keramik mit folgenden Merkmalen:
a) die Wandlerelemente (12, 22, 42) sind in einer Ebene senkrecht zu ihrer Längsrichtung in einer Kunststoffmatrix (11, 21, 41) eingelagert, so daß zwischen den Wandlerelementen (12, 22, 42) mit Kunststoff vollständig gefüllte Zwischenräume bestehen,
b) die Wandlerelemente (12, 22, 42) weisen eine solche geometrische Struktur auf und sind so zueinander angeordnet, daß eine Ausbildung von Schwingungsmoden senkrecht zur Längsrichtung der Wandlerelemente (12, 22, 42) in dem Verbund-Ultraschallwandler unterdrückt wird,
c) die Wandlerelemente (12, 22, 42) sind so angeordnet, daß es senkrecht zu ihrer Längsrichtung keine über den ganzen Verbund-Ultraschallwandler geradlinig durchgehenden Kunststoffkanäle gibt,
d) die Wandlerelemente (12, 22, 42) weisen in einer Schnittebene, die ihre Längsrichtung enthält, einen trapezförmigen Querschnitt auf."
Darüber hinaus enthält der Antrag des Beschwerdegegners zwei nebengeordnete Verfahrensansprüche gemäß den Ansprüchen 11 und 12. Während Anspruch 12 auf ein Verfahren zur Herstellung eines Verbund-Ultraschallwandlers nach Anspruch 1 gerichtet ist, bezieht sich Anspruch 11 auf die Herstellung eines einzelnen Wandlerelements. Anspruch 11 hat den folgenden Wortlaut:
"11. Verfahren zur Herstellung eines keramischen Wandlerelements für einen Verbund-Ultraschallwandlers nach Anspruch 1 mit den folgenden Schritten:
a) es wird eine Form verwendet, die ein Negativ der vorgegebenen Struktur für das keramische Wandlerelement darstellt,
b) es wird ein Keramikschlicker in die Form gegossen, aus dem durch Trocknen und Brennen das Wandlerelement aus piezoelektrischer Keramik entsteht,
c) die Form wird aus einem Kunststoff erzeugt, der beim Brennen ohne feste Rückstände quantitativ verbrennt, ohne die beim Trocknen fixierte Struktur des Wandlerelements zu verändern."
VII. Die Einspruchsabteilung kam in ihrer Entscheidung zu dem Schluß, daß der Verbund-Ultraschallwandler gemäß Anspruch 1 neu und erfinderisch sei und sah durch diesen Befund auch die Neuheit und erfinderische Tätigkeit der Gegenstände der Verfahrensansprüche 11 und 12 begründet.
VIII. Nach Auffassung des Beschwerdeführers sind die beanspruchten Verfahren an sich aus dem Dokument D1 bekannt und daher nicht patentfähig.
IX. Der Beschwerdegegner betrachtet die Ansprüche 11 und 12 wegen ihres Rückbezugs auf Anspruch 1 als echte Unteransprüche, bei denen es nicht darauf ankomme, ob sie selbstständige Erfindungen zum Gegenstand haben.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde erfüllt die Erfordernisse der Artikel 106 bis 108 sowie der Regel 64 EPÜ und ist damit zulässig.
2. Das Patent in seiner vorliegenden Fassung umfaßt sowohl Gegenstandsansprüche als auch Verfahrensansprüche, wobei der Beschwerdegegner letztere aufgrund ihrer Rückbeziehung auf erstere als echte Unteransprüche ansieht, wodurch sich die Patentfähigkeit ihrer Gegenstände auf die unterstellte Patentfähigkeit der Gegenstandsansprüche gründete.
Die Kammer vermag diese Auffassung des Beschwerdegegners nicht zu teilen, da ein Verfahren nicht als eine Weiterbildung eines speziellen, in voranstehenden Ansprüchen beanspruchten Gegenstandes angesehen werden kann (vgl. hierzu etwa Punkt 5 und 6 der Entscheidungsgründe in T 189/88). Daher sind die vorliegenden Ansprüche 1, 11 und 12 als unabhängige Ansprüche zu betrachten.
Zwar kann sich die Patentfähigkeit eines Verfahrens, welches zu einem Erzeugnis führt, das Gegenstand eines Erzeugnisanspruches ist, auf die Patentfähigkeit des Erzeugnisses stützen, sofern alle Merkmale des Erzeugnisses aus dem beanspruchten Verfahren hervorgehen (vgl. Punkte 5 und 6 der Entscheidungsgründe in T 169/88). Im vorliegenden Fall bezieht sich jedoch der Anspruch 11 nicht auf die Herstellung eines Verbund-Ultraschallwandlers, wie er Gegenstand des Anspruchs 1 ist, sondern lediglich auf die Herstellung eines für die Verwendung in einem derartigen Wandler geeigneten Wandlerelements.
Aus diesem Grunde konzentriert die Kammer ihre nachstehenden Überlegungen zunächst auf die Patentfähigkeit des Verfahrens nach Anspruch 11.
3. Neuheit (Artikel 52 (1) und 54 (1) und (2)) des Verfahrens nach Anspruch 11
3.1. Es besteht Einvernehmen zwischen den Parteien, daß Dokument D1 den nächstkommenden Stand der Technik darstellt.
D1 zeigt in Bild 12 und der zugehörigen Beschreibung auf Seite 45, letzter Absatz und Seite 47 ein Verfahren zur Herstellung eines Verbund-Ultraschallwandlers mit einer Anzahl keramischer Wandlerelemente, bei dem eine Form verwendet wird, die ein Negativ der vorgegebenen Struktur für die keramischen Wandlerelemente und deren Anordnung zueinander darstellt, wobei weiter ein Keramikschlicker in die Form gegossen wird, woraus durch Trocknen und Brennen die Wandlerelemente aus piezoelektrischer Keramik entstehen, und wobei die Form aus einem Kunststoff erzeugt wird, der beim Brennen ohne feste Rückstände quantitativ verbrennt, ohne die beim Trocknen fixierte Struktur der Wandlerelemente zu verändern. Das bekannte Verfahren wird dabei ausdrücklich als vorteilhaft gegenüber einer Strukturierung einer piezokeramischen Platte mittels eines Sägeverfahrens dargestellt.
Damit sind aus D1 die im vorliegenden Anspruch 11 angeführten Maßnahmen a) bis c) als die entscheidenden Maßnahmen zur Lösung der in Spalte 2, Zeilen 24 - 39 der vorliegenden Patentbeschreibung angesprochenen, mit Sägeverfahren verbundenen Probleme bekannt.
3.2. Der Gegenstand des Anspruchs 11 kann damit nur noch dann als neu angesehen werden, wenn er aufgrund seiner Rückbeziehung auf den Anspruch 1 Merkmale umfaßt, welche nicht aus D1 bekannt sind.
3.3. Merkmal a) des Anspruchs 1 bezieht sich auf das Vorsehen einer Kunstoffmatrix, in welche die Wandlerelemente des Verbund-Ultraschallwandlers eingelagert sind. Dieses Merkmal betrifft ein Strukturelement des vollständigen Ultraschallwandlers und ist damit (ganz abgesehen davon, daß es ebenfalls aus der zitierten Textstelle in D1 hervorginge) für das Verfahren zur Herstellung eines einzelnen Wandlerelements gemäß dem vorliegenden Anspruch 11 irrelevant.
Merkmal b) des Anspruchs 1 bezieht sich in Verbindung mit Merkmal c) auf die Anordnung der Wandlerelemente zueinander und spielt daher, wie schon Merkmal a), keine Rolle bei der Herstellung einzelner Wandlerelemente gemäß Anspruch 11.
Damit verbleibt als dem Gegenstand des Anspruchs 11 zuzurechnende Maßnahme allenfalls die geometrische Struktur des einzelnen Wandlerelements gemäß Merkmal b) des Anspruchs 1, dergestalt, daß eine Ausbildung von Schwingungsmoden senkrecht zur Längsrichtung der Wandlerelemente in dem Verbund-Ultraschallwandler unterdrückt wird, wobei konkret entsprechend Merkmal d) des Anspruchs 1 das Wandlerelement in einer Schnittebene, die seine Längsrichtung enthält, einen trapezförmigen Querschnitt aufweist. Durch die Rückbeziehung des Anspruchs 11 auf den Anspruch 1 ist damit die Gestalt einer geeigneten Kunststoffform bestimmt.
3.4. Gemäß dem Beispiel des Bilds 12 von D1 werden Wandlerelemente rechteckigen Querschnitts hergestellt.
Somit ist in der Verwendung einer "verlorenen" Kunststoffform, mit der ein Wandlerelement trapezförmigen Querschnitts herstellbar ist, das die Neuheit des Verfahrens nach Anspruch 11 gegenüber dem Verfahren gemäß Bild 12 des Dokuments D1 begründende Merkmal zu sehen.
4. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 52 (1) und 56 EPÜ)
4.1. Für die Frage, ob das Verfahren nach Anspruch 11 als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend anzusehen ist, ist zunächst zu ermitteln, welche technische Wirkung der identifizierte Unterschied besitzt.
Gemäß den Angaben in Spalte 7, Zeilen 36 - 42 der Patentbeschreibung bewirkt ein trapezförmiger Querschnitt der Wandlerelemente im Vergleich zu einem rechteckigen Querschnitt eine Verbesserung der Unterdrückung der Quermoden. Es ist somit festzuhalten, daß die technische Wirkung der trapezförmigen Querschnittsform sich nicht auf ein individuelles Wandlerelement, sondern auf dessen Verwendung in einem Verbund-Ultraschallwandler bezieht.
Demgegenüber wird gemäß den Angaben in Spalte 2, Zeilen 24 - 39 der Patentbeschreibung mit dem beanspruchten Herstellungsverfahren das Ziel verfolgt, mit einem Sägeverfahren verbundene Probleme hinsichtlich des erforderlichen Aufwandes und der Anfälligkeit für Beschädigungen zu vermeiden.
Es ist nicht ersichtlich und auch vom Beschwerdegegner nicht dargelegt, daß die Abwandlung der Kunststoffform von einem im Querschnitt rechteckigen in einen trapezförmigen auszugießenden Hohlraum irgendeine technische Wirkung für das verwirklichte, aber eben bereits bekannte Lösungsprinzip der "verlorenen Form" hätte und somit als Grundlage für die Bestimmung einer dem beanspruchten Herstellungsverfahren objektiv zugrundeliegenden Aufgabe, welche von der im Patent angegebenen Aufgabe abwiche, dienen könnte. Ganz im Gegenteil ist es für den fachkundigen Leser des Dokuments D1 offenkundig, daß das in Bild 12 dargestellte Verfahren zur Herstellung von Wandlerelementen mit im Prinzip beliebiger Querschnittsform geeignet ist, solange sich die Form mit dem Keramikschlicker zuverlässig füllen läßt. Insbesondere ist ohne weiteres erkennbar, daß eine bloße Schrägstellung der Seitenwände der verlorenen Kunststoffform, wodurch sich unmittelbar ein trapezförmiger Querschnitt der Wandlerelemente ergibt, die Durchführbarkeit des bekannten Verfahrens in keiner Weise berührt.
Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern (vgl. z. B. die Entscheidungen T 37/82, ABl. EPA 1984, 071; T 285/91 oder T 15/97) ist aber ein Anspruchsmerkmal, welches keinen Beitrag zur Lösung der gestellten Aufgabe liefert, bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht zu berücksichtigen.
4.2. Schon aus diesem Grunde stellt das die Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 11 begründende Merkmal keine Maßnahme von erfinderischer Bedeutung dar.
Im übrigen ist festzustellen, daß, selbst wenn man die Querschnittsform des Wandlerelements in die Betrachtung der erfinderischen Tätigkeit mit einbeziehen würde, die Ausbildung von Wandlerelementen mit einem in Längsrichtung trapezförmigen Querschnitt an sich auch schon aus D1 bekannt ist (vgl. Bild 2 und die erläuternde Beschreibung im Abschnitt 2.1), wenn auch in Verbindung mit einem anderen, auf Laserätzen beruhenden Herstellungsverfahren.
Darüber hinaus weiß der Fachmann aus dem Dokument D2 (vgl. insbesondere Spalte 1, Zeilen 19 - 39 und 52 - 59 sowie Spalte 2, Zeilen 45 - 52) um den mit dieser Maßnahme verbundenen technischen Effekt hinsichtlich einer Verringerung unerwünschter akustischer Querkopplungen.
Die Kammer vermag unter diesen Umständen keine erfinderische Leistung darin zu sehen, die auf dem Hintergrund des bekannten technischen Effekts für einen Verbund-Ultraschallwandler als vorteilhaft erkannte Struktur der Wandlerelemente gemäß Bild 2 von D1 alternativ mit einem erkennbar gleichwertigen, aus demselben Dokument bekannten Verfahren der "verlorenen Form" gemäß Bild 12 herzustellen und so zu dem vorstehend skizzierten, durch Merkmal d) des Anspruchs 1 ergänzten Gegenstand des Anspruchs 11 zu gelangen.
4.3. Nach alldem beruht der Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 11 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
5. Folglich erfüllt der Antrag des Beschwerdegegners nicht die Erfordernisse der Artikel 52 (1) und 56 EPÜ und ist daher nicht gewährbar.
6. Bei dieser Sachlage kann es dahingestellt bleiben, ob der Gegenstand eines der anderen vorliegenden Ansprüche patentfähig wäre oder nicht.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Entscheidung der Einspruchsabteilung wird aufgehoben.
Das Patent wird widerrufen.