Wenn ich in die europäische Phase eintrete, gelten dann die gelöschten Ansprüche nach R 162(4) EPÜ als aufgegeben?
Nein. Anspruchsgebühren sind nur fällig für Ansprüche in den Anmeldungsunterlagen, die dem europäischen Erteilungsverfahren zugrunde zu legen sind (R. 162 (1) EPÜ). Sie sind innerhalb der 31-Monatsfrist für den 16. und jeden weiteren Anspruch zu entrichten (R. 162 (1) und 159 (1) EPÜ). Werden sie nicht rechtzeitig, d. h. innerhalb von 31 Monaten, entrichtet, so können sie noch innerhalb einer in der Mitteilung nach Regel 162 (2) EPÜ gesetzten Nachfrist von sechs Monaten gezahlt werden. Werden sie auch dann, also innerhalb der sechsmonatigen Nachfrist, nicht rechtzeitig entrichtet, so gilt dies als Verzicht auf diese Ansprüche gemäß Regel 162 (4) EPÜ. In Regel 162 EPÜ wird somit der Begriff "rechtzeitig" zweimal, d. h. in den Absätzen 2 und 4, für zwei verschiedene Fristen verwendet. Ein Verzicht liegt nur dann vor, wenn die Anspruchsgebühren nicht innerhalb der sechsmonatigen Nachfrist entrichtet wurden.
Dies lässt sich anhand der folgenden Beispiele veranschaulichen:
(A) Die internationale Anmeldung umfasste 25 Ansprüche. Vor Ablauf der 31-Monatsfrist werden die Ansprüche 21 - 25 gestrichen (d. h. innerhalb der 31-Monatsfrist wird ein geänderter Anspruchssatz mit 20 Ansprüchen eingereicht), und fünf Anspruchsgebühren (für die Ansprüche 16 - 20) werden entrichtet.
(B) Die internationale Anmeldung umfasste 25 Ansprüche. Nach Ablauf der 31-Monatsfrist, aber vor Ablauf der in der Mitteilung nach Regel 162 (2) EPÜ gesetzten Sechsmonatsfrist werden die Ansprüche 21 - 25 gestrichen (d. h. es wird ein geänderter Anspruchssatz mit 20 Ansprüchen eingereicht), und fünf Anspruchsgebühren (für die Ansprüche 16 - 20) werden entrichtet.
In den Beispielen A und B liegt kein Verzicht auf die Ansprüche 21 - 25 nach Regel 162 (4) EPÜ vor. Diese wurden vor Ablauf der sechsmonatigen Nachfrist gestrichen, und für die Ansprüche 16 - 20 wurden Anspruchsgebühren entrichtet. Bei Ablauf der sechsmonatigen Nachfrist enthielten somit die dem europäischen Erteilungsverfahren zugrunde zu legenden Anmeldungsunterlagen keine Ansprüche, für die fällige Anspruchsgebühren nicht entrichtet wurden.
In den folgenden Fällen hingegen liegt ein Verzicht nach Regel 162 (4) EPÜ vor:
(C) Die internationale Anmeldung umfasste 25 Ansprüche. Vor Ablauf der in der Mitteilung nach Regel 162 (2) EPÜ gesetzten Sechsmonatsfrist werden keine Änderungen vorgenommen, und fünf Anspruchsgebühren (für die Ansprüche 16 - 20) werden entrichtet. Auf die Ansprüche 21 - 25, für die innerhalb der Frist nach Regel 162 (2) EPÜ keine Anspruchsgebühren entrichtet wurden, wurde nach Regel 162 (4) EPÜ verzichtet.
(D) Die internationale Anmeldung umfasste 25 Ansprüche. Vor Ablauf der in der Mitteilung nach Regel 162 (2) EPÜ gesetzten Sechsmonatsfrist wird ein geänderter Anspruchssatz mit 22 Ansprüchen eingereicht, und fünf Anspruchsgebühren (für die Ansprüche 16 - 20) werden entrichtet. Auf die Ansprüche 21 und 22, für die innerhalb der Frist nach Regel 162 (2) EPÜ keine Anspruchsgebühren entrichtet wurden, wurde nach Regel 162 (4) EPÜ verzichtet.
Wurde nach Regel 162 (4) EPÜ auf einen Anspruch verzichtet, so können Merkmale dieses Anspruchs, die der Beschreibung oder den Zeichnungen nicht zu entnehmen sind, später nicht mehr in die Anmeldung und insbesondere nicht in die Ansprüche eingeführt werden. Die Formulierung "so gilt dies als Verzicht" bedeutet, dass die Anmeldung so behandelt wird, als hätte sie die Ansprüche, für die der Anmelder keine Anspruchsgebühren entrichtet hat, nie enthalten.