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T 0181/82 (Spiroverbindungen) 28-02-1984
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1. Ein als überraschend zu beurteilender Effekt kann als Anzeichen für erfinderische Tätigkeit gewertet werden; werden hierzu als Beweismittel Vergleichsversuche vorgelegt, so müssen sich diese - bei vergleichbarem Anwendungsgebiet - auf Vergleichsverbindungen größtmöglicher Strukturnähe zum Erfindungsgegenstand beziehen.
2. Als Vergleichsverbindungen qualifizieren sich keine fiktiven Stoffe, sondern nur solche, die dem Stand der Technik zuzurechnen sind. Dazu zählen auch durch Vorbeschreibung von Ausgangsstoffen und Verfahrensweise zwangsläufig resultierende Verfahrensprodukte, auch wenn einer der beiden Reaktionspartner aus dem bereichsmässig definierten Stoffkollektiv (C1-C4 Alkylbromide) als chemisches Individuum (hier C1 Alkylbromid) in Erscheinung tritt (im Anschluß an "Diastereomere" T 12/81, Amtsbl. EPA 1982, 296).
Erfinderische Tätigkeit
Vergleichsversuche - Voraussetzungen hierfür
Nichtbefassung der Großen Beschwerdekammer
Sachverhalt und Anträge
I. Die am 21. März 1980 eingegangene und am 15. Oktober 1980 veröffentlichte europäische Patentanmeldung 80 810 093.7 mit der Veröffentlichungsnummer 0 017 617, für welche die Priorität der schweizerischen Voranmeldung vom 27. März 1979 in Anspruch genommen wird, wurde durch Entscheidung der Prüfungsabteilung des Europäischen Patentamts vom 8. Juli 1982 auf der Grundlage der am 23.2.1982 eingereichten 9 Patentansprüche zurückgewiesen.
Anspruch 1 lautet:
"1. Verbindung der Formel
(FORMEL)
und deren Säureadditions-Salze, worin n eine ganze Zahl von 1 bis 4 ist, R1 Wasserstoff oder CH3 ist, R1 und R3 unabhängig voneinander Wasserstoff, C1-C18-Alkyl, unsubstituiertes oder durch Chlor oder C1-C4-Alkyl substituiertes C6-C10-Aryl oder C7-C9-Aralkyl bedeuten oder R2 und R3 zusammen mit dem C-Atom, an das sie gebunden sind, einen Cycloalkan- oder Alkylcycloalkanrest mit 5-20 C-Atomen oder einen Polyalkylpiperidinrest bilden, R4, wenn n=1 ist, C3-C8-Alkenyl. C3-C5-Alkinyl, unsubstituiertes oder durch C1-C4-Alkyl substituiertes C7-C8-Aralyl oder einen Rest
-CH2-CH(R5)-OR4
darstellt, worin R5 H, CH3, C2H5 oder Phenyl ist und R6 Wasserstoff oder den Rest einer aliphatischen, cycloaliphatischen oder aromatischen Monocarbonsäure mit bis zu 18 C-Atomen bedeutet, und wenn 2=n ist, 1,4-Buten-2-ylen, m- oder p-Xylylen oder einen Rest der Formel
-CH2-CH(R5)-O-R7-O-CH(R5)-CH2- darstellt, worin R5 die oben gegebene Bedeutung hat und R7 den zweiwertigen Rest einer aliphatischen, cycloaliphatischen oder aromatischen Dicarbonsäure mit 3-14 C-Atomen bedeutet, und wenn n=3 ist, einen Rest der Formel
(FORMEL)
darstellt, worin R5 die oben gegebene Bedeutung hat und R8 den dreiwertigen Rest einer aliphatischen oder aromatischen Tricarbonsäure mit 4-18 C-Atomen bedeutet, und wenn n=4 ist, einen Rest der Formel
(FORMEL)
darstellt, worin R5 die oben angegebene Bedeutung hat und R9 den vierwertigen Rest einer aliphatischen oder aromatischen Tetracarbonsäure mit 6-20 C-Atomen bedeutet."
II. Die Zurückweisung wird mit mangelnder erfinderischen Tätigkeit begründet. Den nächstvergleichbaren Stand der Technik stelle die DE-A-2 606 026 (=Druckschrift A) dar, wo bereits dem Anmeldungsgegenstand gegenüber strukturell sehr ähnliche UV-Stabilisatoren beschrieben seien. Die Anmelderin habe zwar anhand eines Vergleichsversuchs die erhöhte Extraktionsresistenz einer anmeldungsgemäßen Verbindung gezeigt; sie habe aber nicht beachtet, daß der Vergleichsversuch mit der in (A) offenbarten strukturell nächstvergleichbaren N-Propyl- oder N-Butylverbindung durchzuführen sei. Diese Verbindungen seien zwar nicht durch ein Herstellungsbeispiel beschrieben, jedoch gebe der Herstellungsanspruch 9 zusammen mit der Liste auf den Seiten 8-10 der Beschreibung eine konkrete Lehre zur Herstellung zumindest der Butylverbindungen. Die Frage, mit welchem Stand der Technik Vergleichsversuche durchzuführen seien, könne nicht losgelöst von dem technischen Problem betrachtet werden, dessen Lösung auf erfinderische Tätigkeit hin untersucht werden solle. Im vorliegenden Fall bestehe das Problem, bekannte Verbindungen nach (A) bezüglich ihrer Extraktionsresistenz zu verbessern. Es gehöre jedoch zum Grundwissen des Chemikers, daß die Lipophilität eines Moleküls durch Einführung von Kohlenwasserstoffgruppen erhöht wird. Damit werde automatisch die Extrahierbarkeit durch Wasser aus einer lipophilen Umgebung (Polypropylen) verringert. Insofern liefere der von der Anmelderin vorgelegte Vergleichsversuch lediglich einen weiteren Beweis für eine dem Fachmann geläufige Tatsache. Im ubrigen liege kein Beweis vor, weshalb die an der Allylverbindung festgestellten Eigenschaften auch der Benzyl oder Hydroxyäthylverbindung zukommen sollten. Der letztere Rest gelte allgemein als hydrophil und sollte daher die Extrahierbarkeit mit Wasser eher erleichtern. Bezüglich der beanspruchten Verbindungen mit n>1 bliebe die Frage zu beantworten, weshalb die Verminderung der Extrahierbarkeit durch Wasser durch Vervielfachung der Molekülgröße nicht nahegelegen haben solle, zumal der einschlägige Stand der Technik hierzu bereits Anregungen gebe (vgl. z. B. DE-A-2 500 314 (=Druckschrift B)).
Schließlich umfasse die Bedeutung R4=C3-8-Alkenyl und C3-5-Alkinyl in Anspruch 1 Verbindungen, deren Existenz zweifelhaft sei und die deshalb nicht ausreichend offenbart (Artikel 83) seien. Die Frage, ob dieser Umstand zu einer entsprechenden Klarstellung des Anspruchswortlauts (Artikel 84 EPÜ) führen müsse, könne hier offenbleiben.
III. Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 25. August 1982 unter Zahlung der vorgesehenen Gebühr erhobene Beschwerde, die am 19. November 1982 etwa wie folgt begründet wurde: Es könne nicht zulässig sein, dem Anmelder eine im Stande der Technik nicht spezifisch vorbeschriebene Verbindung als Vergleichssubstanz vorzuschreiben. Im übrigen sei (A) nicht zu entnehmen, wie Piperidinspirooxazolidone modifiziert werden könnten, ohne daß sie ihre Lichtschutzwirkung verlieren, und daß zusätzlich noch ein in der Druckschrift gar nicht angesprochener technisch wertvoller Effekt (Extraktionsresistenz) auftrete. Jedenfalls könne aus (A) keine Motivation für die Herstellung der beanspruchten Verbindungen entnommen werden.
Mit dem Versuch sei gezeigt worden, daß von der bekannten NH-Verbindung keine naheliegenden Aussagen bezüglich der anmeldungsgemäßen N-Allylverbindung abgeleitet werden könnten. Wenn schon für die N-Allylverbindung keine Voraussage des Effekts der N-Substitution möglich sei, so könne dies logischerweise auch nicht für eine N-Aralkyl- bzw. N-Hydroxyalkyl- oder eine andere R4-Verbindung gemacht werden. Was den Zweifel an der Existenz und Herstellbarkeit der Alkenyl- oder Alkinylverbindungen angehe, so richte sich die Anmeldung an den Fachmann; diesem sei aber klar, daß nur solche Reste gemeint seien, in welchen das an den Stickstoff gebundene C-Atom primär sei.
IV. Die Kammer hat darauf hingewiesen, daß eine Aufhebung des angefochtenen Beschlusses möglich erscheine, wenn anhand eines Vergleichsversuchs gezeigt werde, daß die anvisierte Verbesserung gegenüber dem objektiv, d. h. strukturell nächstliegenden Stand der Technik überraschenderweise gelingt. Hierfür eigne sich die von der Beschwerdeführerin bisher gewählte Verbindung nicht, weil dem Stand der Technik auch die dem Anmeldungsgegenstand strukturell näherliegenden, in 3-Stellung N-methylierten Verbindungen zuzurechnen seien, die aus der Umsetzung der Ausgangsstoffe nach den Ansprüchen 3 bis 7 aus (A) mit Methylbromid (=C1-Alkylbromid) gemäß Anspruch 9 resultieren und nach der Entscheidung "Diastereomere" (Amtsblatt EPA 1982, 296) zum Stand der Technik gehörten. Im übrigen könnten Verbindungen, von denen feststehe, daß sie für die Problemlösung ungeeignet sind (R4=C3-C8-Alkenyl und C3-C5 Alkinyl), nicht beansprucht werden.
V. Die Beschwerdeführerin teilt den Standpunkt der Kammer nicht und hat mündliche Verhandlung beantragt. Diese hat am 14. Februar 1984 stattgefunden. In der Verhandlung betont die Beschwerdeführerin, daß die Begriffe C1-Alkyl und C4-Alkyl im Anspruch 9 der Entgegenhaltung (A) Mittel zur Definition eines Bereichs seien und nicht der Individualisierung der spezifischen Vertreter dieser Grenzen des Bereichs dienten. Eine andere Betrachtung müßte zwangsläufig dazu führen, daß auch alle Zwischenglieder des Bereichs als individualisiert anzusehen wären. Dies könne aber nicht der Fall sein. Das Charakteristische an einem Bereich sei, daß er Auswahlerfindungen zuläßt, und zwar über den gesamten Bereich. Das C1-Alkylbromid sei daher nicht differenziert beschrieben, sondern repräsentiere lediglich das Anfangsglied des angegebenen Gruppen-Bereichs, der noch sieben weitere Alkylbromide enthalte. Die Definition gemäß Anspruch 9 aus (A) stelle also eine Auflistung von 8 Ausgangsstoffen dar, von denen keiner besonders hervorgehoben sei. Die Frage, ob Anfangs- und Endglieder eines Bereichs individualisiert seien, könne nicht von der Art und Weise seiner Definition abhängen, zumal es bekanntlich mehrere Definitionsmöglichkeiten mit identischem technischen Informationsgehalt gebe.
Die weiteren Ausgangsstoffe, um gemäß dem Verfahren von Anspruch 9 die N8-alkylierten Endprodukte zu liefern, seien in den Ansprüchen 3 bis 7 aufgezählt und stellten immer noch eine Auflistung von 30 möglichen Ausgangsstoffen dar. Jedes Endprodukt erweise sich somit als Resultat zweier variabler Parameter. Zur Herstellung der Endprodukte seien also zweierlei Klassen von Ausgangsstoffen notwendig, wobei die eine mindestens 30 und die andere 8 mögliche Ausgangsstoffe enthalte. Ein Stoff, der durch Umsetzung eines speziellen Paares aus beiden Klassen von Ausgangsstoffen zustande komme, stelle, wie die Entscheidung der Kammer (T 12/81, Amtsbl. EPA 1982, 296) einräume, eine Auswahl im patentrechtlichen Sinne dar und sei damit neu. Ein Vergleich mit einer neuen Verbindung, die selbst wieder eine Auswahl und damit eine potentiell patentfähige Erfindung darstelle, könne nicht verlangt werden.
Im übrigen sei nicht zu bestreiten, daß gemäß (A) bevorzugt solche Verbindungen gewählt werden, in denen R5 Wasserstoff ist. Wenn man daher, wie in einer weiteren Entscheidung der Kammer (T 24/81, Amtsbl. EPA 1983, 133) angeregt, alle im einzigen hier relevanten Dokument aus dem Stand der Technik veröffentlichten Ausführungsformen heranziehe, so werde dem Fachmann für diese Strukturgruppe nur nahegelegt, eine Verbindung auszuwählen, bei der R5 Wasserstoff bedeutet. Man könne jedoch nicht sagen, daß (A) bei objektiver Betrachtung aller Ausführungsformen die Wahl einer Verbindung nahelege, bei der R5=C1 bis C4 Alkyl ist. In diesem Zusammenhang wurde schließlich noch auf die Entscheidung der Kammer (T 01/80, Amtsbl. EPA 1981, 206) hingewiesen. Dieser Entscheidung zufolge liefere ein Dokument keine Anregung für die Verwendung einer speziellen Verbindungsklasse, wenn diese nur beiläufig erwähnt und nicht durch ein Beispiel hervorgehoben sei. Für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit sei also das heranzuziehen, was der Fachmann dem Stand der Technik als besonders geeignet zur Lösung einer bestimmten Aufgabe entnehme. Bei der angestrebten Verbesserung der bekannten Lichtstabilisatoren hätte er auf jeden Fall eine Verbindung mit R5=Wasserstoff und nicht eine solche mit R5=Alkyl ausgewählt. Zudem sei nachgewiesen worden, daß ein anmeldungsgemäßes Derivat, bei welchem R5=Allyl ist, ein unerwartet besserer Lichtstabilisator sei als das im Stand der Technik in den Vordergrund gerückte N-unsubstituierte Produkt.
Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Patenterteilung auf der Grundlage des Patentanspruchs 1 folgender Fassung:
"Verbindungen der Formel
(FORMEL)
und deren Säureadditions-Salze, worin n eine ganze Zahl von 1 bis 4 ist, R1 Wasserstoff oder CH3 ist, R2 und R3 unabhängig voneinander Wasserstoff, C1-C18-Alkyl, unsubstituiertes oder durch Chlor oder C1-C4-Alkyl substituiertes C6-C10-Aryl oder C7-C9-Aralkyl bedeuten, oder R2 und R3 zusammen mit dem C-Atom, an das sie gebunden sind, einen Cycloalkan- oder Alkylcycloalkanrest mit 5-20 C-Atomen oder einen Polyalkylpiperidinrest bilden, R4 wenn n=1 ist, Allyl, Methallyl, unsubstituiertes oder durch C1-C4-Alkyl substituiertes C7-C9-Aralkyl oder einen Rest
-CH2-CH(R5)-OR6
darstellt, worin R5 H, CH3, C2H35 oder Phenyl ist und R6 Wasserstoff oder den Rest einer aliphatischen, cycloaliphatischen oder aromatischen Monocarbonsäure mit bis zu 18 C-Atomen bedeutet, und wenn 2=n ist, 1,4-Buten-2-ylen, m-, oder p-Xylylen oder einen Rest der Formel
-CH2-CH(R5)-O-R7-O-CH(R5)-CH2-
darstellt, worin R5 die oben angegebene Bedeutung hat und R7 den zweiwertigen Rest einer aliphatischen, cycloaliphatischen oder aromatischen Dicarbonsäure mit 3-14 C-Atomen bedeutet, und wenn n=3 ist,
(FORMEL)
darstellt, worin R5 die oben angegebene Bedeutung hat und R8 den dreiwertigen Rest einer aliphatischen oder aromatischen Tricarbonsäure mit 4-18 C-Atomen bedeutet, und wenn n=4 ist, einen Rest der Formel
(FORMEL)
darstellt, worin R5 die oben angegebene Bedeutung hat und R9 den vierwertigen Rest einer aliphatischen oder aromatischen Tetracarbonsäure mit 6-20 C-Atomen bedeutet."
Den von der Kammer vorgeschlagenen Vergleichsversuch (s. oben IV) hält die Beschwerdeführerin nicht für notwendig. Hilfsweise wird beantragt, die Große Beschwerdekammer mit den folgenden Fragen zu befassen:
a) Ist aufgrund der Vorbeschreibung eines Verfahrens zur Herstellung eines Verbindungskollektivs, das bloß dadurch benannt ist, daß man ein Verbindungskollektiv von Ausgangsstoffen mit einem Verbindungskollektiv von Reaktanten umsetzt, ein konkreter Einzelvertreter des synthetisierbaren Kollektivs neuheitsschädlich vorweggenommen oder nur das dabei resultierende Verbindungskollektiv als generischer Begriff bzw. als Bereich?
b) Stellt die bloße Beschreibung eines Bereichs, der ja zwangsläufig durch Eckpunkte definiert werden muß, eine Offenbarung (auch nur) eines individuellen Gliedes dieses Bereichs dar?
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 und Regel 64 EPÜ, sie ist daher zulässig.
2. Es ist unstreitig, daß die in der Beschreibungseinleitung genannte Entgegenhaltung (A) den zum Anmeldungsgegenstand nächstliegenden Stand der Technik darstellt. Dort werden bereits für Polymere bestimmte Lichtstabilisatoren mit dem Grundgerüst des 1-Oxa-3,8-diaza-spiro-[4,5]-decans beschrieben (vgl. Ansprüche 1 und 11-14), bevorzugt solche, die in 7- und 9-Stellung tetramethyliert und in 2-Stellung durch die in den Ansprüchen 3-7 näher bezeichneten Reste alkyliert sind. Ferner ist auch die Umsetzung dieser bevorzugten Derivate mit einem C1-C4 Alkylbromid zu den entsprechenden 8-Alkylverbindungen beschrieben (vgl. Anspruch 9 und dessen Rückbezug). Bezüglich der Nomenklatur der hier interessierenden Spiroverbindungen muß beachtet werden, daß sich beim Übergang von Spiro- zu Dispiroverbindungen (anmeldungsgemäße Vergleichsverbindung) die Numerierung des heterocyclischen Grundgerüsts und damit die am hier bedeutsamen Stickstoffatom von 8 in 3 ändert. Trotzdem sollen nachfolgend aus Gründen der Übersichtlichkeit beide Verbindungsklassen, deren Piperidinstickstoffatom substituiert ist, mit 8-substituierten Spiroverbindungen bezeichnet werden.
Nach den Angaben in der Beschreibung zur vorliegenden Anmeldung weisen solche Stoffe eine zu hohe Flüchtigkeit und Migrationstendenz auf (vgl. Seite 1). Daß durch die anmeldungsgemäßen Verbindungen diese Nachteile überwunden werden, ist bei der großen strukturellen Ähnlichkeit zwischen den bekannten und den hier beanspruchten Verbindungen weder ohne weiteres glaubhaft noch glaubhaft gemacht worden. Vorteile, auf die sich die Anmelderin gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik beruft, die aber nicht hinreichend belegt sind, können bei der Ermittlung der der Erfindung zugrunde liegenden Aufgabe und damit für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht in Betracht gezogen werden (vgl. T 20/81 "Shell-Aryloxybenzaldehyd", Amtsbl. EPA 1982, 217).
3. Ausweislich des am 24. September 1981 eingegangenen Vergleichsversuchs soll die anmeldungsgemäß erzielte Verbesserung in einer erhöhten Extraktionsresistenz der Lichtstabilisatoren gegenüber Wasser (bei 90°C) gesehen werden. Dort wurde die Verbindung Nr. 31 aus Tabelle 1 gemäß (A) mit dem entsprechenden anmeldungsgemäßen 8-Allyl-derivat verglichen und eine Verdreifachung der Extraktionszeit bis zum 50-2437618gen Restgehalt erzielt. Mit der Vorlage dieses Versuchsberichts wollte die Anmelderin der Tatsache Rechnung tragen, daß im vorliegenden Fall der Stand der Technik so nahe an den Anmeldungsgegenstand heranreicht, daß es der Vorlage eines im Bereich der Chemie oft gewählten und häufig überzeugungskräftigen Anzeichens für erfinderische Tätigkeit, d. h. des Nachweises überlegener Eigenschaften, bedarf.
4. Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, daß ein überraschender Effekt gegenüber einem bevorzugten Vertreter des Standes der Technik ausreicht. Eines zusätzlichen Beweises gegenüber einem nur beiläufig erwähnten Vertreter, der überhaupt erst ex post bei Kenntnis der vorliegenden Anmeldung in das Blickfeld geraten sei, bedürfe es zur Glaubhaftmachung der erfinderischen Tätigkeit nicht.
Demgegenüber ist zunächst darauf hinzuweisen, daß ein Vergleich begrifflich die Kenntnis des Anmeldungsgegenstandes voraussetzt; andemfalls ist weder eine Ermittlung das relevanten Standes der Technik noch eine Beurteilung der Erfindung auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit möglich. Die Kenntnis der Erfindung ist also notwendige Voraussetzung der Bestimmung ihres Abstands zum Stand der Technik. Die Prüfung auf erfinderische Tätigkeit beschränkt sich auf die Frage des Naheliegens aus der Gesamtschau des Standes der Technik, ausgehend von der nächstliegenden Entgegenhaltung (vorwärtsschauend) und nicht aus dem der Erfindung (retrospektiv). Wenn die Beschwerdeführerin nur die bevorzugten Verbindungen aus einer Entgegenhaltung als vergleichsfähig ansieht, stellt sie auf den technischen Fortschritt gegenüber den bekannten, als bestwirksam angesehenen Stoffen ab. Nach dem Europäischen Patentübereinkommen ist technischer Fortschritt kein Patenterfordernis. Ein mittels Vergleichsversuch demonstrierter Effekt kann jedoch als Anzeichen für erfinderische Tätigkeit gewertet werden; hierzu eignen sich nur Versuche, die sich an der Strukturnähe zur Erfindung orientieren, weil ausschließlich hierin das Überraschungsmoment zu suchen ist.
5. Um relevant zu sein, muß ein solcher Vergleichsversuch bestimmte Kriterien erfüllen. Dazu gehören zunächst die Wahl einer anmeldungsgemäß offenbarten Verbindung einerseits und einer dem Stand der Technik entnommenen Vergleichssubstanz andererseits sowie eine größmögliche Übereinstimmung des verglichenen Paars in Struktur und Anwendung. Die im Vergleichsversuch anmeldungsgemäß gewählte Verbindung 3 - Allyl-2,2,4,4 - tetramethyl - 7 - oxa - 3,20-diaza - 21 - oxo - dispiro[5,1,11,2]heneicosan dürfte als offenbart gelten, weil sie anscheinend identisch ist mit dem im Beispiel 1 nicht näher bezeichneten Reaktionsprodukt (vgl. dessen Schmelzpunkt mit dem der entsprechenden 20-Allylverbindung nach Beispiel 4). Als Vergleichsverbindung nach dem Stand der Technik wurde das 2,2,4,4 - tetramethyl - 7 - oxa - 3,20 - diaza - 21 - oxo - dispiro - [5,1,11,2] - heneicosan gewählt. Diese Verbindung ist zwar in (A) beschrieben (vgl. ursprüngliche Seite 5 Zeilen 1/2), sie stellt aber nicht den strukturell nächstliegenden Stand der Technik dar.
Die Forderung nach einem Vergleich gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik basiert auf dem Prinzip der Strukturabhängigkeit der Eigenschaften chemischer Stoffe, d. h. der Tatsache, daß diese Eigenschaften von der Struktur der Stoffe geprägt werden. Bei den aufgrund der Strukturähnlichkeit zweier Stoffe zu erwartenden ähnlichen Eigenschaften kann der Nachweis einer sprunghaften Verbesserung als überraschend angesehen werden. Je größer der strukturelle Abstand zwischen den verglichenen Verbindungen wird, desto weniger überraschend sind Unterschiede im Effekt. Um zur Glaubhaftmachung einer erfinderischen Tätigkeit aussagekräftig zu sein, müssen daher solche Verbindungen miteinander verglichen werden, die ein Höchstmaß an struktureller Übereinstimmung aufweisen.
6. Hieran fehlt es beim vorgelegten Vergleichsversuch, da eine 8-Methyl-spiroverbindung einer anmeldungsgemäßen 8-Allyl-spiroverbindung strukturell näher steht als ein in dieser Stellung unsubstituiertes Spiroderivat (Verbindung Nr. 31 aus (A)).
Die Kammer hat als Vergleichsbasis ein beliebiges 8-Methylderivat der in den Ansprüchen 3-7 aus (A) genannten Spiroverbindungen vorgeschlagen. Dem ist die Beschwerdeführerin nicht gefolgt, weil sie diese Stoffe als nicht vorbeschrieben ansieht.
7. Die Kammer hat in ihrer Entscheidung T 12/81 "Diastereomere" (Amtsbl. EPA 1982, 296) die Auffassung vertreten, daß ein in einer Vorveröffentlichung zwar nicht wortwörtlich, aber gleichwohl durch Nennung des Ausgangsstoffes und des im Zusammenhang damit beschriebenen Verfahrens (implizit) beschriebener chemischer Stoff dem Stand der Technik angehört. In den Ansprüchen 3-7 nach (A) werden durch den Rückbezug auf Anspruch 2, der die Variablen R1 und R2 als Methylgruppen, R5 als Wasserstoff und m als Null festlegt, ganz bestimmte in 8-Stellung unsubstituierte Spiroverbindungen als Einzelindividuen genannt, die gemäß Anspruch 9 in dieser Stellung mit einem C1-C4 Alkylbromid alkyliert werden sollen (vgl. den Rückbezug in Anspruch 9 auf die Ansprüche 1-7). Dabei ist C1-Alkylbromid ein Synonym für Methylbromid. Nach dem in der Entscheidung "Diastereomere" niedergelegten Prinzip, wonach ein nach Ausgangsstoffen und Arbeitsmethode bestimmt beschriebenes Verfahren das daraus zwangsläufig resultierende Verfahrensprodukt in den Offenbarungsgehalt dieser Lehre einschließt, gehören die 8-Methylderivate der Spiroverbindungen nach den Ansprüchen 3-7 zum Stand der Technik. Wenn die Beschwerdeführerin meint, die Nennung des o.g. Bereichs sei ausschließlich ein Mittel zu dessen Definition, so verkennt sie den Offenbarungsgehalt der Lehre nach Anspruch 9, wonach über den Gruppenbereich hinaus das durch Nennung herausgegriffene Methylbromid ein Alkylierungsmittel für die o.g. Spiroverbindungen darstellt. Diese für den Fachmann unstreitig ausführbare Information läßt die genannten 8-Methyl-spiroverbindungen zum Stand der Technik erwachsen, unabhängig davon, ob sie hergestellt wurden. Für die Kammer ist eben eine genannte Verbindung, gleich zu welchem Zweck, vorweggenommener Stand der Technik.
8. Die Beschwerdeführerin hat ferner vorgebracht, daß der Bereich der "C1-C4 Alkylbromide" auch anders definierbar sei, etwa "Alkylbromide mit höchstens 4 C-Atomen", "Alkylbromide mit weniger als 5 C-Atomen" oder "Alkylbromide mit mehr als 0 und weniger als 5 C-Atomen". Solche Bereiche hätten trotz unterschiedlicher Formulierung identischen Informationsgehalt und würden vom Fachmann als Offenbarung aller 8 möglichen Alkylbromide verstanden, ohne daß sie individualisiert seien. Es läßt sich nicht bestreiten, daß durch all diese Definitionen die 8 denkbaren Alkylbromide umfaßt werden; von diesem rein denkgesetzlichen Inhalt der Definitionen streng zu trennen ist deren Informationsgehalt im Sinne einer konkreten Lehre zum technischen Handlen. Während die "C1-C4"-Definition Methylbromid als Einzelindividuum und die Butylbromide als Familie (4 Möglichkeiten) konkret nennt, individualisiert die "hochstens-C4"-Definition Methylbromid nicht, weil dieser Stoff nicht genannt oder anderweit näher beschrieben ist. Die anderen beiden Definitionen vermeiden geschickt jede konkrete Aussage über Methylbromid, im übrigen auch über die C4-Familie. Bei der Auslegung der Lehre aus einer Entgegenhaltung ist auf deren tatsächlichen Offenbarungsgehalt im Sinne einer fertigen konkreten technischen Regel abzustellen. Eine Verbindungsgruppe, in der der Substituent durch einen Bereich gekennzeichnet ist, belehrt den Fachmann nur uber die aus der Gruppe konkret bezeichneten Einzelindividuen. Die in der Entgegenhaltung (A) gewählte Formulierung C1-C4 Alkylbromid im Herstellungsanspruch 9 beschreibt daher im Zusammenhang mit den hierfür vorgesehenen Spiroderivaten nach den Ansprüchen 3-7 die entsprechenden 8-Methylderivate in allen Einzelheiten.
9. Mit dieser Auslegung der Offenbarung nach (A) ist auch für den weiteren Einwand der Beschwerdeführerin kein Raum mehr, wonach die Auflistung der in 8-Stellung unsubstituierten Spiroverbindungen auf der einen Seite und den 8 Alkylbromiden auf der anderen Seite zu einer Fülle von Kombinationsmöglichkeiten führe, die ausnahmslos als nicht vorbeschrieben anzusehen seien. Dabei kann sich die Beschwerdeführerin nicht auf das von der Kammer in ihrer Entscheidung "Diastereomere" ausdrücklich gebilligte Prinzip von der Neuheit solcher Kombinationen aus zwei Listen unterschiedlicher Ausgangsstoffe berufen. Wie ausgeführt liegt hier diese Fallgestaltung nicht vor; denn Anspruch 9 ist gerade nicht als Auflistung aller von ihm umfaßten 8 Alkylbromide anzusehen.
10. Aus den vorstehenden Ausführungen läßt sich unschwer ersehen, warum die Kammer die von der Vorinstanz geforderten Vergleichsversuche auf der Basis einer 8-Propyl- und 8-Butylspiroverbindung für nicht angemessen gehalten und Vergleichsversuche mit einer 8-Methylspiroverbindung angeregt hat.
11. Da - wie ausgeführt - ein relevanter Vergleichsversuch nicht vorliegt, ist die der vorliegenden Anmeldung zugrunde liegende technische Aufgabe im Vorschlag weiterer Lichtstabilisatoren für Polymere zu sehen. Diese Aufgabe wird durch die Bereitstellung der im Anspruch 1 näher definierten Polyalkylpiperidin-spiro-oxazolone gelöst.
12. Diese Lehre ist in dem der Kammer vorliegenden Stand der Technik nicht vorbeschrieben, also neu. Es ist daher zu prüfen, ob sie auf erfinderischer Tätigkeit beruht. Hierzu ist Entgegenhaltung (A) anzuziehen, in der bereits Lichtstabilisatoren für Polymere mit dem gleichen Grundgerüst beschrieben sind: Dort sind auch bereits 8-Alkylderivate mit 1-4 C-Atomen im Alkylrest genannt. Hiervon unterscheiden sich die beanspruchten Verbindungen ausschließlich in der 8-Stellung, und zwar dadurch, daß sie u.a. die beiden Alkenylreste Allyl und Methallyl enthalten. Es ist daher zu prüfen, ob der Ersatz der bekannten C1-C4-Alkylreste durch die anmeldungsgemäßen Alkenylreste nahe lag angesichts der technischen Aufgabe, weitere Lichtstabilisatoren vorzuschlagen. Auf den ursprünglichen Seiten 24 und 25 gemäß (A) wird die Stabilisierung von Polypropylen gegen UV-Strahlung durch Zusatz von 7 verschiedenen Polyallkylpiperidin - spiro - oxazolonderivaten beschrieben und festgestellt, daß alle Verbindungen den Test gleich gut bestehen (Absinken der Reißdehnung auf 10ach mehr als 800 Std.). Die ersten 6 dieser Verbindungen leiten sich vom 7,7,9,9 - Tetramethyl - 1 - oxa - 3,8-diaza - 4 - oxo - spiro - [4,5] - decan ab und stellen dessen 2-Butyl, 2-iso-Pentyl, 2-Undecyl, 2-Methyl-2-propyl, 2-Methyl-2-nonyl und 2,2-Dibenzylderivate dar; die siebte Verbindung ist ein Dispiroderivat (richtige Klammerbezeichnung lautet [5,1,5,2]). Der Fachmann entnimmt daraus, daß der Stabilisierungseffekt wesentlich auf dem diesen Verbindungen gemeinsamen Grundgerüst des Piperidinspirooxazolons und nicht auf dessen spezieller Substitution beruht. Dieser Lehre folgend lag es bei der bestehenden Aufgabe, weitere Lichtstabilisatoren vorzuschlagen, nahe, Spiroverbindungen mit dem gleichen Grundgerüst und ähnlicher Substitution auch in 8-Stellung bereitzustellen. Die anmeldungsgemäßen 8-Allyl- und 8-Methallylderivate sind solche Verbindungen mit ähnlicher Substitution, weil sie sich von den bekannten Alkylderivaten nur durch den Sättigungsgrad, d. h. das Fehlen zweier Wasserstoffatome, unterscheiden.
13. Die Beschwerdeführerin vertritt dagegen den Standpunkt, nur die in 8-Stellung unsubstituierten Spiroverbindungen hätten nahegelegen, weil nur diese als bevorzugte Verbindungen hervorgehoben seien. Sie verweist in diesem Zusammenhang auch auf die Entscheidung der Kammer in T 01/81 "Reaktionsdurchschreibepapier" (Amtsbl. EPA 1981, 206), wonach ein Dokument keine Anregung für die Verwendung einer speziellen Verbindungsklasse zur Herstellung verbesserter Durchschreibepapiere geliefert habe, weil diese spezielle Verbindungsklasse nur beiläufig erwähnt und nicht durch ein Beispiel hervorgehoben war. Diese aus dem Fallzusammenhang gerissene Passage bestätigt keinesfalls diese Auflassung, die zwei wesentliche Unterschiede zwischen den verglichenen beiden Fällen außer acht läßt.
In der genannten Entscheidung wird festgestellt, daß "die bloße beiläufige Erwähnung einer Stoffgruppe neben zahlreichen anderen Stoffgruppen allenfalls vergleichbare Eignung und Wirksamkeit für den angestrebten Verwendungszweck beim Austausch all dieser Stoffgruppen vermuten laßt." Das bedeutet, daß solche Erwähnung einer Stoffklasse eben nur vergleichbare, aber keine bessere Wirksamkeit erwarten läßt. Wie unter Abschnitt 11 ausgeführt, liegt die anmeldungsgemäße Aufgabe nicht in der Verbesserung bekannter Stabilisatoren, sondern im Vorschlag weiterer wirkungsmäßig vergleichbarer Stabilisatoren; daher konnten die in (A) genannten, nicht eigens hervorgehobenen 8-Alkylspiroverbindungen zu deren lediglich strukturellen Weiterentwicklung in der Tat Anregung geben. Ferner liegt hier nicht die weitere Voraussetzung der beiläufigen Erwähnung einer neben zahlreichen anderen Stoffgruppen vor, weil (A) nur eine einzige Stoffklasse beschreibt, nämlich die der Polyalkylpiperidin-spiro-oxazolone. Im übrigen hat die Kammer in der späteren Entscheidung "Metallveredlung", T 24/81 (Amtsbl. EPA 1983, 133), die Ansicht vertreten, daß bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit alle vorveröffentlichten Ausführungsformen heranzuziehen sind, die dem Fachmann Anregung zur Lösung der bestehenden Aufgabe geben konnten, unabhängig davon, ob diese in der Entgegenhaltung besonders hervorgehoben sind.
14. Was den Hilfsantrag angeht, so sieht Art. 112 (1) EPÜ eine Befassung der Großen Beschwerdekammer nur in Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung vor. Solche Rechtsfragen liegen hier nicht vor. Die von der Beschwerdeführerin formulierten beiden Fragen laufen vielmehr darauf hinaus, ob der Fachmann den technischen Inhalt der Entgegenhaltung (A) aufgrund seines Wissens ohne weiteres verstehen kann; dies ist aber eine in erster Linie technische Frage, weil sie die Interpretation einer technischen Information durch den Fachmann erfordert.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird wie folgt entschieden:
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag auf Befassung der Großen Beschwerdekammer wird abgelehnt.