T 0204/83 (Venturi) 24-06-1985
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Neuheit
Schematische Darstellung
Einzelheiten
Sachverhalt und Anträge
I. Die am 28. November 1980 eingereichte und am 10. Juni 1981 unter der Nummer 0030192 veröffentlichte europäische Patentanmeldung Nr. 80401694.7, für die die Priorität einer Voranmeldung in Frankreich vom 30. November 1979 in Anspruch genommen wird, wurde mit Entscheidung der Prüfungsabteilung des Europäischen Patentamts vom 8. September 1983 zurückgewiesen. Der Entscheidung lag der ursprünglich eingereichte einzige Patentanspruch zugrunde. Dieser Patentanspruch lautet wie folgt: Verbesserung der Anordnung im Einleiten eines Gasstromes in Vorrichtungen zum Granulieren und/oder Beschichten in einer Wirbelfontäne, die einen unteren, sich trichterförmig erweiternden Teil aufweisen, dessen kleinere Grundfläche mit dem Durchmesser d mit einem Gaszufuhrrohr, dessen Durchmesser größer als d ist, durch einen sich trichterförmig verengenden Teil verbunden ist, dessen kleinere Grundfläche den Durchmesser d aufweist, dadurch gekennzeichnet, daß zwischen der kleineren Grundfläche mit dem Durchmesser d des sich trichterförmig erweiternden Teils der Granulierungskammer und der kleineren Grundfläche mit dem Durchmesser d des sich trichterförmig verengenden Teils des Gaszufuhrrohres ein zylindrischer Teil mit der Höhe h >0,5 d und <0,66 d eingefügt ist.
II. Die Zurückweisung erfolgte wegen mangelnder Neuheit, gestützt auf die US-Patentschrift 3 110 626. In der angefochtenen Entscheidung wird ausgeführt, daß eine alle Merkmale des einzigen Patentanspruchs aufweisende verbesserte Anordnung zur Einleitung eines Gasstromes in eine Vorrichtung zur Beschichtung in einer Wirbelfontäne bereits in der US-Patentschrift offenbart sei. Die Prüfungsabteilung stützt sich im wesentlichen auf die Abbildung 9 in der amerikanischen Patentschrift, in der eine Ausführungsart des unteren Teils der in der Patentschrift beschriebenen Beschichtungsvorrichtung dargestellt ist.
Nach den Messungen, die die Prüfungsabteilung an der Abbildung 9, in der der zylindrische Teil gut zu sehen ist, vorgenommen hat, ist die Höhe h zwischen den beiden waagrechten Linien, die den verengten zylindrischen Teil (37) begrenzen, größer als 0,5 d und kleiner als 0,66 d, wobei d den Abstand zwischen den schraffierten Wänden darstellt, die den inneren Durchmesser des zylindrischen Teiles bilden.
III. Die Beschwerdeführerin hat gegen diese Entscheidung am 9. November 1983 Beschwerde eingelegt und diese am 11. November 1983 begründet. Die entsprechende Gebühr ist ordnungsgemäß entrichtet worden.
In der Beschwerdebegründung weist die Beschwerdeführerin darauf hin, daß sich mit der Vorrichtung nach der US-Patentschrift keine Wirbelfontäne erzielen lasse, weil sie mit einer zylindrischen Wand versehen sei.
Sie macht ferner geltend, daß das anhand der Abbildung 9 der US-Patentschrift errechnete Verhältnis h : d 0,5 betrage; außerdem seien in der Beschreibung dieser Patentschrift keine Maße angegeben.
Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106, 107 und 108 EPÜ. Sie entspricht ferner der Forderung der Regel 64 b) EPÜ nach Angabe des Umfangs, in dem eine Änderung oder Aufhebung der angefochtenen Entscheidung begehrt wird. Wenn die Beschwerdeführerin formuliert, sie wolle gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung "Beschwerde einlegen", dann ist dies so zu verstehen, daß sie die Aufhebung dieser Entscheidung in vollem Umfang begehrt (s. Entscheidung T 07/81, Färben linearer Polyamide/CIBA-GEIGY, ABl. EPA 1983, 98).
2. In formeller Hinsicht ist der einzige Patentanspruch nicht zu beanstanden. Auch die Prüfungsabteilung hat übrigens ausschließlich Einwände aufgrund des Artikels 54 EPÜ erhoben.
3. Übereinstimmend mit der Prüfungsabteilung sieht auch die Kammer die US-Patentschrift 3 110 626 für den nächstliegenden Stand der Technik an. Gegenstand dieser Entgegenhaltung ist eine Vorrichtung zur Erzeugung eines geschlossenen, gleichmäßigen Überzugs auf Teilchen in der Weise, daß in der Zeiteinheit ein Maximum an Teilchen mit einem Minimum an Beschichtungsmaterial in Berührung gebracht wird (vgl. Spalte 1, Zeilen 38-54). Sie besteht aus vierreilen, nämlich a) einer Beschichtungskammer, die im unteren, trichterförmigen Teil ein zylindrisch oder konisch geformtes Führungselement in axialer Anordnung enthält, b) einem an den unteren Teil der Kammer anschließenden Venturi-Rohr mit darin axial und beweglich angeordneter Düse für die Beschichtungsflüssigkeit, c) einem Mittel zur Gaszufuhr durch das Venturi-Rohr in die Beschichtungskammer und d) einem Mittel zur Abtrennung der vom Gasstrom in den oberen Teil der Kammer mitgeführten Teilchen sowie deren Rückführung zur Kammer (vgl. Anspruch 1). Übrigens wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der Ausdruck "Venturi" hier nicht unbedingt die Abmessungen eines Venturi-Rohrs im üblichen fachmännischen Sprachgebrauch bezeichnet (vgl. Spalte 3, Zeilen 23-27).
Die Vorrichtung ist für eine diskontinuierliche Arbeitsweise bestimmt, wobei die Masse der Teilchen in der Beschichtungskammer umläuft. Die an der Kammerwand abwärts fließenden Teilchen mischen sich im unteren Teil der Kammer mit den aus dem Gasstrom nach d abgetrennten, durch das Venturi-Rohr zurückgeführten Teilchen; diese werden dann vom Gasstrom erfaßt und strömen im Inneren des Führungselements der Beschichtungskammer nach oben (vgl. Spalte 5, Zeile 55 bis Spalte 6, Zeile 11).
Hieraus ergibt sich, daß die bekannte Vorrichtung die Merkmale des Oberbegriffs des anmeldungsgemäßen Patentanspruchs sowie einige Merkmale des kennzeichnenden Teile aufweist, nämlich einen Zylinder zwischen dem oberen, zur Granulierungskammer hin divergierenden trichterförmigen Abschnitt und dem unteren, zur Gaseinspeisung hin konvergierenden trichterförmigen Abschnitt.
Auf den ersten Blick besteht der einzige Unterschied zwischen der anmeldungsgemäßen Vorrichtung und der nach der obengenannten Entgegenhaltung in der Höhe des zylindrischen Teiles, die größer als 0,5 d und kleiner als 0,66 d sein soll (wobei d der kleinere Durchmesser der trichterförmigen Abschnitte ist).
4. Es stellt sich daher die Frage, ob dieses Merkmal neu oder - wie in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt - für den Fachmann unmittelbar und eindeutig aus der obengenannten US-Patentschrift herleitbar ist.
Nach Artikel 54 (2) EPÜ bildet den Stand der Technik alles, was vor dem Anmeldetag der europäischen Patentanmeldung der Öffentlichkeit durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung oder in sonstiger Weise zugänglich gemacht worden ist. Eine schriftliche Beschreibung in diesem Sinne kann auch eine Zeichnung sein. Ist ein Merkmal lediglich in einer Zeichnung dargestellt, ohne daß es erläuternd beschrieben ist, so ist besonders sorgfältig zu prüfen, ob die bloße zeichnerische Darstellung dem zuständigen Fachmann eine für ihn erkennbare und ausführbare Lehre zum technischen Handeln vermittelt. Für die Beantwortung dieser Frage lassen sich keine allgemeinen Regeln aufstellen, da sie zum einen vom Kenntnisstand des Fachmanns und zum anderen von der Art und Weise der Darstellung des Merkmals in der Zeichnung im Einzelfall abhängt. Ist z. B. die Zeichnung insbesondere einem bestimmten Merkmal gewidmet oder wird es in verschiedenen Abbildungen wiederholt, so wird es der Fachmann auch dann als eine wesentliche technische Aussage erkennen, wenn es weder mit Worten noch mit Zahlen beschrieben ist; ist dagegen das Merkmal lediglich beiläufig in der Darstellung einer komplizierten Vorrichtung enthalten, so wird es Fälle geben, in denen der Fachmann den technisch relevanten Sinn nicht oder erst mit dem Wissen aus der neu angemeldeten Erfindung begreifen kann.
5. Einen Fall der letztgenannten Art stellt nach der Überzeugung der Kammer die Abbildung 9 der genannten US-Patentschrift dar. Dort ist nämlich ein Venturi-Rohr mit einem aufgesetzten Behälter dargestellt, dessen oberer Abschluß nur durch Wellenlinien wiedergegeben ist. In dem dargestellten Teil des Behälters ist ein seitlich gehaltenes, trichterförmiges Rohr angeordnet, das unten in der Höhe des Übergangs zwischen Venturi-Rohr und Behälter mit einer gezackten Linie wiedergegeben ist und sich gegen das in den Behälter ragende Ende hin leicht verjüngt. Im Venturi-Rohr befindet sich eine nach oben gerichtete Düse. Der Raum zwischen dem leicht konisch geformten Rohr und der Behälterwand ist dicht mit Teilchen gefüllt. Andere, weiter auseinander liegende Teilchen sind vor allem oberhalb und seitlich des Rohres dargestellt. Die Düse dient offensichtlich zur Zufuhr eines Mediums, wie die von ihr ausgehenden, durch gestrichelte Linien dargestellten Strahlen sowie - als Fortsetzung dieser Strömungsrichtung - zwei nach oben weisende Pfeile am oberen Ende des Rohres veranschaulichen.
6. Die Vorinstanz glaubt nun, die in der Beschreibung nicht enthaltenen Zahlenangaben über die Ausgestaltung des zylindrischen Mittelstückes des Venturi-Rohrs bezüglich Höhe und Durchmesser der Abbildung 9 entnehmen zu dürfen. Dabei verkennt sie den Informationsgehalt dieser Abbildung. Abbildung 9 wird in der Beschreibung der US-Patentschrift als Schnitt der Beschichtungsvorrichtung nach Abbildung 8 bezeichnet; Abbildung 8 wiederum ist die schematische Darstellung ("diagrammatic representation") einer besonderen Ausgestaltung der beschriebenen Vorrichtung. Daraus ergibt sich, daß die Abbildung 9 selbst eine schematische Darstellung des Bereichs um das Venturi-Rohr ist.
Dem Begriff der schematischen Darstellung wird auch durch die Beschreibung der US-Patentschrift keine andere als seine übliche Bedeutung gegeben. Eine schematische Darstellung wendet sich bekanntlich an das Urteils- oder Unterscheidungsvermögen des Betrachters und nicht an sein Erinnerungsvermögen. Sie zeigt die allgemeine Anordnung eines Gegenstands und ist auf die wesentlichen Merkmale beschränkt (s. Grand Larousse Encyclopédique 1964). Diese Definition entspricht inhaltlich der der wichtigsten englischsprachigen Nachschlagewerke (s. The Oxford English Dictionary 1969; Webster's Third New International Dictionary 1976; The New Encyclopaedia Britannica 1977). Daraus folgt, daß sich eine schematische Darstellung auf die wesentlichen Merkmale des abgebildeten Gegenstands beschränkt und daß sie beliebig Raum für die Umsetzung in die Praxis läßt. Die bloße schematische Darstellung eines erst noch im Detail auszuarbeitenden Prinzips stellt aber keine exakte Arbeitsanweisung an den Fachmann im Sinne einer technischen Lehre dar.
7. Die Kammer vertritt abschließend die Auffassung, daß eine schematische Darstellung dem Fachmann helfen soll, die im Dokument beschriebene Lehre rascher zu verstehen. So nützlich Illustrationen zum rascheren Verständnis der beschriebenen Gegenstände auch sein mögen, so kann ihnen doch nicht die Bedeutung einer in jeder Hinsicht genauen Abbildung gegeben werden. Kein Fachmann würde daher eine Schemazeichnung nachmessen, um dadurch die Abmessungen des dargestellten Gegenstands mit Sicherheit zu ermitteln. Abmessungen, die sich aus einer schematischen Darstellung nur durch Nachmessen ergeben, gehören somit nicht zum Offenbarungsgehalt eines Dokuments. Sie können daher nicht zur Ergänzung der durch die Beschreibung vermittelten Lehre herangezogen werden. Abbildung 9 lehrt somit nicht, daß für die Höhe des zylindrischen Teils des Venturi-Rohrs ein Wert zwischen >0,5 d und <0,66 d zu wählen ist.
8. Da die angezogene US-Patentschrift somit keine Anordnung zum Einleiten eines Gasstromes in eine Vorrichtung zur Granulierung und/oder Beschichtung von Teilchen in einer Wirbelfontäne mit allen Merkmalen des einzigen Patentanspruchs der vorliegenden Anmeldung offenbart, ist der Anmeldungsgegenstand neu.
Bei dieser Sachlage kann die Frage dahinstehen, ob sich die bekannte Vorrichtung überhaupt zur Erzeugung einer Wirbelfontäne eignet, was von der Beschwerdeführerin bestritten wird.
9. Der von der Vorinstanz festgestellte Patenthinderungsgrund besteht somit nicht. Die Entscheidung ist daher aufzuheben. Aus der Akte geht hervor, daß die Prüfungsabteilung bisher nur zum Aspekt der Neuheit Stellung genommen hat.
Um das Recht der Anmelderin auf Prüfung in zwei Instanzen zu wahren, verweist die Kammer die Sache nach Artikel 111 (1) EPÜ an die Prüfungsabteilung zurück.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird wie folgt entschieden:
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben und die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen.