4.3.4 "Chirurgische Behandlung" in der Rechtsprechung im Anschluss an G 1/07
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
In T 992/03 vom 4. November 2010 date: 2010-11-04 wurde als Teil der beanspruchten Verfahren 129Xe-Gas angewendet. Die Kammer wies darauf hin, dass es bekannt sei, dass 129Xe auch als Narkosemittel eingesetzt werden könne. Allerdings sei dies für die Beurteilung der Frage, ob die beanspruchten Verfahren nach Art. 53 c) EPÜ von der Patentierbarkeit ausgeschlossen seien, irrelevant. Die Große Beschwerdekammer habe in G 1/07 klargestellt, dass "ein chirurgisches Verfahren nur dann von der Patentierbarkeit ausgeschlossen ist, wenn sich das damit verbundene Gesundheitsrisiko aus der Verabreichungsart und nicht nur aus dem Wirkstoff selbst ergibt", und eine narkotisierende Wirkung des 129Xe-Gases falle somit nicht unter den Ausschluss.
In T 663/02 stellte sich die Frage, ob der Schritt des "Injizierens des Kontrastmittels für die Magnetresonanztomografie in eine von der Arterie entfernte Vene" chirurgischen Charakter hatte. Die Kammer verwies auf die Entscheidung G 1/07 und kam zu folgendem Ergebnis: Dass der Arzt die intravenöse Injektion eines Magnetresonanzkontrastmittels an qualifiziertes medizinisch-technisches Personal delegieren könne, zeige, dass eine solche Injektion als kleiner Routineeingriff anzusehen sei, dessen Vornahme mit der erforderlichen Sorgfalt und Sachkunde nicht mit einem erheblichen Gesundheitsrisiko verbunden sei. Derartige Handlungen fielen nach dem engen Verständnis, von dem die Große Beschwerdekammer ausgeht (G 1/04 und G 1/07), aus dem Anwendungsbereich der Ausschlussbestimmung in Art. 53 c) EPÜ heraus. Eine Möglichkeit zur Beurteilung von Gesundheitsrisiken bestehe in der Verwendung einer Matrix, durch die sich die Wahrscheinlichkeit und die gesundheitlichen Folgen von Komplikationen eines medizinischen Eingriffs bei einer großen Anzahl von Patienten kombinieren ließen, um statistische Werte für Gesundheitsrisiken zu erhalten, die für die Entscheidung über das weitere Vorgehen verwendet werden könnten.
Die Kammer in T 1075/06 urteilte, dass die bei Blutspenden durchgeführte Venenpunktion und die Entnahme von Blut aus dem Körper des Spenders einen erheblichen physischen Eingriff am Körper darstellten, dessen Durchführung medizinische Fachkenntnisse erfordere und der, selbst wenn er mit der erforderlichen professionellen Sorgfalt und Kompetenz ausgeführt werde, mit einem erheblichen Gesundheitsrisiko verbunden sei. Ein Verfahrensanspruch, der Schritte umfasse, die derartige Verfahren beinhalteten, sei ein Verfahren zur chirurgischen Behandlung des menschlichen Körpers. Auch in T 1695/07 befand die Kammer, dass ein Verfahren zur Behandlung von Blut, bei dem einem Patienten kontinuierlich Blut entnommen wird, das anschließend durch eine zirkulierende Leitung eines extrakorporalen Kreislaufs fließt und dem Patienten wieder zugeführt wird, ein Verfahren zur chirurgischen Behandlung des menschlichen Körpers sei.