C. Mündliche Verhandlung
2. Zweck der mündlichen Verhandlung
Zweck einer mündlichen Verhandlung ist es, das Recht auf Anhörung der Beteiligten zu wahren und möglichst alle zur Entscheidungsfindung noch anstehenden offenen Fragen zu klären.
Gemäß der Großen Beschwerdekammer in R 3/10 besteht der Zweck der mündlichen Verhandlung darin, dass i) jeder Beteiligter seine Argumente mündlich präsentieren kann, ii) die Kammer den Beteiligten Fragen stellen kann, iii) die Beteiligten auf diese Fragen antworten können und iv) die Kammer und die Beteiligten Fragen erörtern können, zu denen auch kontroverse und möglicherweise entscheidende Fragen zählen.
In T 1790/17 betonte die Kammer, dass der Zweck der mündlichen Verhandlung für den Beschwerdeführer darin besteht, sein Vorbringen zu vertiefen, und für die Kammer darin, diejenigen Punkte zu verstehen und zu klären, die bis dahin möglicherweise noch nicht ausreichend klar waren. Dies ist vor allem in Ex-parte-Verfahren von Bedeutung, in denen es außer dem Anmelder (Beschwerdeführer) keinen anderen Beteiligten gibt. Wenn im Ergebnis einer solchen Debatte keine Änderungen zulässig wären, wären mündliche Verhandlungen zwecklos.
Die Kammer in T 247/20 erklärte, dass die mündliche Verhandlung ein wichtiger Bestandteil des Verfahrens vor den Beschwerdekammern ist. Ihre Bedeutung wird durch das in Art. 116 EPÜ verankerte absolute Recht eines Beteiligten auf eine mündliche Verhandlung unterstrichen. Diese dient zur Erörterung von Aspekten, die für die Entscheidung der Kammer maßgeblich sind. Die mündliche Verhandlung würde ihren Zweck verfehlen, wären die Beteiligten lediglich auf eine Wiederholung ihres schriftlichen Vorbringens beschränkt. Vielmehr ist den Beteiligten eine Präzisierung ihrer Argumente und selbst deren Vertiefung zu gestatten, sofern diese im Rahmen der Argumente und Beweismittel bleiben, welche im schriftlichen Verfahren fristgerecht vorgelegt wurden (s. auch T 747/21).
In T 596/22 betonte die Kammer, dass die mündliche Verhandlung kein bloßes Anhängsel des schriftlichen Verfahrens ist, sondern Zeitpunkt und Ort, um die Argumente der Parteien in direkter Erörterung durch Argumente und Gegenargumente auf den Prüfstand zu stellen.