3.2. Zeitlicher Rahmen für die Vorlage von Beweisen und die Anordnung der Beweisaufnahme
3.2.10 Etwaige diskriminierende Behandlung von Verfahrensbeteiligten
In T 712/97 hatte die Einspruchsabteilung den in Erwiderung auf den Versuchsbericht des Beschwerdegegners eingereichten Versuchsbericht des Beschwerdeführers (Patentinhabers) nicht zugelassen. Die Zulassung des Versuchsberichts eines Beteiligten, nicht aber der Erwiderung des anderen Beteiligten erweckte nach Auffassung der Kammer den Anschein einer diskriminierenden Behandlung. Die Einspruchsabteilung hatte somit einen Verfahrensfehler begangen.
Die Kammer in T 523/14 stellte fest, dass es den Grundsätzen der Verfahrensgerechtigkeit und der Gleichbehandlung der Beteiligten widerspricht, das verspätet eingereichte Dokument D55 (schriftliche Erklärung des Einsprechenden) zuzulassen, zugleich aber das verspätet eingereichte Dokument D54 (vom Patentinhaber zwei Tage später eingereichte Ergebnisse einer Suche mit der Internet-Wayback-Maschine) zurückzuweisen, weil es prima facie nicht relevant für die Bestimmung des Veröffentlichungstags von D11 sei. Nach Ansicht der Kammer war D54 geeignet, ernsthafte Zweifel an der Behauptung des Einsprechenden zu wecken, dass D11 im oder vor November 2007 auf der Website von Glasstech verfügbar gewesen sei, und hätte deshalb zugelassen werden können. Angesichts der eingehenden Prüfung von D54 durch die Einspruchsabteilung neigte die Kammer jedoch zu dem Schluss, dass seine Zulassung nichts am Ergebnis geändert hätte. Dennoch entschied die Kammer in Anbetracht der potenziellen Auswirkung dieses Dokuments auf den strittigsten Punkt des Verfahrens – die öffentliche Zugänglichkeit von D11 – D54 zu berücksichtigen (s. auch T 1551/14).
In T 435/20 wurden die Druckschriften D81 und D90 als unmittelbare und sofortige Reaktion auf neue Beweismittel vorgelegt, die der Beschwerdeführer (Patentinhaber) am letzten Tag der Frist für die Einreichung von Eingaben gemäß R. 116 EPÜ eingereicht hatte. Indem die Einspruchsabteilung die verspätet eingereichte Druckschrift D80 samt der zu ihrer Stützung vorgelegten Dokumente D64 und D79 ins Verfahren zugelassen, die in unmittelbarer Reaktion durch die Beschwerdegegner eingereichten Druckschriften D81 und D90 jedoch verworfen hatte, hatte sie gegen die Grundsätze der fairen Verfahrensführung und der Gleichbehandlung der Beteiligten verstoßen. Die Tatsache, dass die vorläufige Meinung der Einspruchsabteilung negativ für den Beschwerdeführer, aber positiv für die Beschwerdegegner ausgefallen war, konnte keine Ungleichbehandlung der Beteiligten rechtfertigen, da eine vorläufige Meinung weder verbindlich noch endgültig ist.