7.2. Zweite (bzw. weitere) medizinische Verwendung
7.2.4 Übergangsbestimmungen
In G 2/08 date: 2010-02-19 (ABl. 2010, 456) befasste sich die Große Beschwerdekammer mit den Auswirkungen des revidierten EPÜ auf Ansprüche, die in der schweizerischen Anspruchsform abgefasst sind. Sie entschied, dass ein Anspruch, dessen Gegenstand nur durch eine neue therapeutische Verwendung eines Arzneimittels Neuheit verliehen wird, jetzt nicht mehr in der sogenannten schweizerischen Anspruchsform abgefasst werden darf, wie sie mit G 1/83 geschaffen wurde (ABl. 1985, 64). Nach Art. 54 (5) EPÜ kann nun zweckgebundener Stoffschutz für jede weitere spezifische Anwendung eines bekannten Arzneimittels in einem Verfahren zur therapeutischen Behandlung gewährt werden, sodass mit dieser neuen Bestimmung die Lücke im EPÜ 1973 geschlossen wurde – fällt der Sinn eines Gesetzes weg, so fällt das Gesetz selbst weg. Angesichts der Tatsache, dass Patente mit Ansprüchen dieser (schweizerischen) Form erteilt wurden und noch viele Anmeldungen anhängig sind, die Patentschutz für solche Ansprüche anstreben, erachtete die Große Beschwerdekammer zur Wahrung der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes im Hinblick auf die Anmelder eine Übergangsregelung für erforderlich. Sie setzte daher eine Frist von drei Monaten nach der Veröffentlichung ihrer Entscheidung im Amtsblatt des EPA, damit künftige Anmeldungen dieser neuen Situation gerecht werden können. Als maßgeblicher Zeitpunkt in dieser Hinsicht wurde der Anmeldetag der künftigen Anmeldungen bzw., wenn eine Priorität in Anspruch genommen wurde, deren Prioritätstag festgelegt.
Die Entscheidung G 2/08 date: 2010-02-19 wird in diesem Kapitel I.C.7.2.6 e) "Neue Dosierungsanleitung" näher erläutert.
Laut Art. 1 Nr. 3 des Beschlusses des Verwaltungsrats vom 28. Juni 2001 ist Art. 54 (5) EPÜ nach Art. 7 der Akte zur Revision des EPÜ vom 29. November 2000 auf die bei Inkrafttreten des EPÜ 2000 anhängigen Anmeldungen anzuwenden, soweit eine Entscheidung über die Erteilung des Patents noch nicht ergangen ist (s. T 1127/05, T 406/06, T 1599/06; s. auch ABl. SA 4/2007).
Art. 54 (5) EPÜ wurde im Zuge der Revision des EPÜ in das Übereinkommen eingeführt. Nach den Übergangsbestimmungen zum EPÜ 2000 ist Art. 54 (5) EPÜ auf anhängige Anmeldungen anzuwenden, soweit eine Entscheidung über die Erteilung des Patents noch nicht ergangen ist (T 1599/06 und T 1127/05).
In T 1599/06 war nach Auffassung der Kammer bei der Prüfung der strittigen Ansprüche bereits die neue Situation gemäß EPÜ 2000 zu berücksichtigen. Anspruch 1 wurde als auf eine zweite medizinische Verwendung gerichteter Erzeugnisanspruch nach Art. 54 (5) EPÜ angesehen (s. auch den ähnlich gelagerten Fall T 385/07).