6. Auslegung der Ansprüche
6.2. Auslegung von "(im Wesentlichen) umfassend", "(im Wesentlichen) bestehend aus", "enthaltend"
In den Sachen T 759/91 und T 522/91 enthielten die Ansprüche den Ausdruck "comprising substantially". Die Kammer war der Auffassung, dass diese Formulierung eine klare, explizite Abgrenzung vermissen lasse und ihre Bedeutung daher der Auslegung bedürfe. Während das Wort "comprise" allgemeinsprachlich sowohl "aufweisen" oder "umfassen" als auch "bestehen aus" bedeuten könne, müsse es in Patentansprüchen im Interesse der Rechtssicherheit in der Regel im weiteren Sinne von "aufweisen" oder "umfassen" verstanden werden. Durch den Zusatz "substantially" (im Wesentlichen) werde das Wort "comprising" in seiner Bedeutung eingeschränkt und sei so zu verstehen, dass "weitgehend nur das umfasst ist, was spezifiziert wird". Die Grenzen der Formulierung "comprising substantially" seien demnach dort zu ziehen, wo die wesentlichen Merkmale des spezifizierten Gegenstands endeten. Die Wendung "comprising substantially" werde daher als gleichbedeutend mit der Formulierung "consisting essentially of" (im Wesentlichen bestehend aus) ausgelegt. Da aber "consisting of" anders als "comprising" von vornherein völlig eindeutig sei, sei der Formulierung "consisting essentially of" der Vorzug zu geben. S. auch T 1730/09, T 274/16.
In T 405/00 erklärte die Kammer, dass der Ausdruck "Zusammensetzung, die ein Persalz enthält" nach dem üblichen Sprachgebrauch in Patentansprüchen auf dem Gebiet der Chemie ausschließlich bedeute, dass mindestens eine der spezifischen chemischen Verbindungen, die zur Gruppe der Persalze gehören, vorhanden sein müsse.
In T 1023/02 hielt die Kammer fest, dass ein Anspruch, der unter Verwendung der Formel "der ... umfasst" (comprising) abgefasst ist, im Allgemeinen nicht dahin gehend ausgelegt werden darf, dass er sich auf einen Gegenstand erstreckt, der weitere Schritte beinhaltet, die den angegebenen technischen Zweck der im Anspruch genannten Schritte offenkundig konterkarieren würden.
In T 1599/06 hatte die Kammer ebenfalls den Begriff "der ... umfasst" (comprising) auszulegen. Sie betonte, dass die Bedeutung von Begriffen in einem Patentanspruch vom Standpunkt einer Fachperson zu bestimmen ist, die den Anspruch im Gesamtzusammenhang der Anmeldung und vor dem Hintergrund ihres allgemeinen Fachwissens liest. Der Anspruch war auf einen Impfstoff gerichtet, der mindestens ein spezifisches gereinigtes und isoliertes Mycobacterium-tuberculosis-Protein umfasst. Die Prüfungsabteilung hatte den Begriff "der ... umfasst" weit ausgelegt und festgestellt, dass der beanspruchte Gegenstand gegenüber einer teilweise gereinigten Proteinfraktion, die ihrer Ansicht nach unter anderem die angegebenen Proteine enthielt, nicht neu sei. Die Kammer war hingegen der Auffassung, dass die Fachperson der Anmeldung als Ganzes die Information entnehmen würde, dass die spezifischen Merkmale der erfindungsgemäßen Impfstoffe darin bestünden, dass sie aus isolierten und gereinigten Mycobacterium-tuberculosis-Proteinen gewonnen würden. Daher wäre die Fachperson davon ausgegangen, dass die Definition nach Anspruch 1 auf Impfstoffe abstelle, die erstens aus den in den Ansprüchen genannten isolierten und gereinigten Proteinen bestünden und zweitens diese Proteine als ihren Hauptbestandteil enthielten.
In T 1771/06 befand die Kammer, dass ein Anspruch, der sich speziell und eindeutig auf den charakterisierenden Teil (GBSS-Genfragment in Antisense-Orientierung) des Genkonstrukts bezieht und in dem Versuch einer Verallgemeinerung die anderen für die Ausführung notwendigen Strukturelemente offenlässt ("mit einem Fragment ..., welches für ... kodiert, wobei das Fragment aus einer aus … SEQ ID Nr: ... ausgewählten Nukleotidsequenz besteht"), nicht ungewöhnlich formuliert sei. Das Argument des Beschwerdeführers, der Umfang des Anspruchs erstrecke sich auf Genkonstrukte, die zusätzlich zu den GBSS-Genfragmenten jegliche DNA umfassten, konnte die Kammer nicht akzeptieren. Die Fachperson werde sicherlich berücksichtigen, dass das Genkonstrukt zur Aufnahme des GBSS-DNA-Fragments in Kartoffelzellen und zu seiner Integration in das Genom diene. Entsprechend werde davon ausgegangen, dass das Genkonstrukt alle für diese Schritte notwendigen DNA-Elemente enthält.
In T 390/08 urteilte die Kammer, dass die Definition eines Stoffgemisches als "bestehend aus" obligatorischen und fakultativen Komponenten die Erfordernisse des Art. 84 EPÜ erfüllte, da damit ein "geschlossenes" Gemisch – unter Ausschluss anderer als der angegebenen Bestandteile – definiert wurde. S. auch T 1190/01, T 1998/07.
In T 2027/13 wurde die beanspruchte Zusammensetzung durch eine (angesichts des Wortes "umfassend") offene Formulierung definiert, die das Vorhandensein nicht nur der möglichen Hilfsstoffe, sondern auch sonstiger zusätzlicher pharmazeutisch akzeptabler Bestandteile (einschließlich Unreinheiten) und sogar von Stoffen zur Freisetzungssteuerung bereits implizierte, sowie durch die Formulierung "im Wesentlichen bestehend aus", die sich auf einen einzelnen Bestandteil der Zusammensetzung bezog. Da die gewöhnliche Auslegung dieser Formulierung im vorliegenden Fall keinen Sinn machte, wurde die den Anspruch lesende Fachperson darüber im Unklaren gelassen, ob – und wenn ja, welche – Beschränkungen damit eingeführt wurden.
In T 2103/22 war der Anspruch gerichtet auf "[…] eine Schicht eines Polyesterharzes […], das eine Ethylenterephthalateinheit umfasst […], dadurch gekennzeichnet, dass das Polyesterharz ein gemischtes Polyesterharz ist, das ein Gemisch aus einem niederkristallinen Polyesterharz und einem hochkristallinen Polyesterharz mit einem Gewichtsverhältnis von 90:10 bis 10:90 ist […]". Die Kammer erklärte, dass zwar nach der regulären Anspruchsauslegung den Begriffen in einem Anspruch die breiteste, technisch sinnvolle Bedeutung beigemessen werden sollte, bei der wörtlichen Auslegung dieser Passage aber "das Polyesterharz" so definiert war, dass es aus den im Anspruch weiter definierten niederkristallinen und hochkristallinen Polyesterharzen im angegebenen Gewichtsverhältnis bestand, d. h. dass das Vorliegen anderer Komponenten als der spezifisch definierten ausgeschlossen war. Da das Polyesterharz in den Formulierungen "eine Schicht eines Polyesterharzes" und "das Polyesterharz" identisch war, kam die Kammer zu dem Schluss, dass es aus einem Gemisch nur des niedrigkristallinen und des hochkristallinen Polyesterharzes bestand.
In T 711/90 bestätigte die Kammer die Rechtsprechung, wonach sich die Frage der Klarheit des Anspruchs stellt, wenn in einem Anspruch der Begriff "enthalten" durch "bestehen aus" ersetzt wird. Wenn ein Glas, wie im vorliegenden Anspruch, aus den Komponenten i), ii) und iii) bestehe, sei das Vorhandensein einer weiteren Komponente ausgeschlossen, sodass die in Prozent angegebenen Anteile der Komponenten i), ii) und iii) bei jeder beanspruchten Zusammensetzung zusammen 100 Mol-% ergeben müssten.
Hinsichtlich Art. 123 (2) EPÜ siehe Kapitel II.E.1.15. "Umfassend", "bestehend aus", "im Wesentlichen bestehend aus", "enthaltend".
- T 0583/23
In T 583/23 the parties agreed that claim 1 related to a closed composition, i.e. a smoke condensate that did not include other components than those stated in the claim.
The board noted that claim construction, namely the meaning that a skilled person would give to the wording of a claim, was a question of law. In determining this, the board was not bound by the parties' views on the matter. The smoke condensate composition defined in claim 1 was introduced by the term "comprising." Due to the open-ended nature of this formulation, the inclusion of additional ingredients was, in principle, not excluded. Moreover, the scope of claim 1 included smoke condensates having a low pH of between 2.0 and 3.5, which were a preferred embodiment in the patent. These smoke condensates must necessarily comprise acids. Likewise, claims 2 and 3 contained further limitations which were not in line with a "closed" interpretation of claim 1.
Citing T 107/14 and T 303/20, the respondent (opponent) had argued that claim 2 as granted was a "false dependent claim" because it altered the closed composition of an allegedly closed independent claim 1. The board disagreed. As suggested in T 107/14, whether a particular amendment extended beyond the content of the application as originally filed must be assessed based on the information that is clearly and unambiguously disclosed in the entire application as originally filed, i.e. on the merits of the specific case. The same holds true for the interpretation of a specific claim and the question of whether it is a dependent claim or not.
According to the board, the indication "and the rest water" in claim 1 did not rule out the presence of further components in the smoke condensates, as long as water complemented the composition to 100 wt%. Such an interpretation of claim 1 was technically not nonsensical. By contrast, it was in line with e.g. claims 2 and 3 when interpreted as "truly dependent claims", and it led to a scenario which was not at variance with the teaching of the patent itself.
For these reasons, the board construed claim 1 as encompassing smoke condensates which could comprise other components than those explicitly specified in the claim ("open claim formulation"), such as, undoubtedly, acids.