7.1. Deutlichkeit und Vollständigkeit der Offenbarung
7.1.3 Wiederholbarkeit
Eine Erfindung kann auch dann ausreichend offenbart sein, wenn die Ergebnisse nicht exakt wiederholbar sind. Abweichungen in der Zusammensetzung innerhalb einer Klasse genetischer Vorläufer, wie z. B. bei den durch eine Kombination struktureller Beschränkungen und funktioneller Tests beanspruchten rekombinanten DNA-Molekülen, seien für eine ausreichende Offenbarung unerheblich, sofern die Fachperson zuverlässig zu einigen Stoffen der Klasse gelangen könne, ohne dass sie unbedingt vorher wissen müsste, welche dies sein würden (T 301/87, ABl. 1990, 335).
In T 657/10 enthielt der beanspruchte Gegenstand ein "Eliteereignis", d. h. ein besonderes Ereignis, das aus einem zufälligen Verfahren hervorgeht (bei dem die Erfolgserwartung stets zwischen null und hoch anzusiedeln ist) und das mindestens eine überraschende, vorteilhafte Eigenschaft aufweist. Zu "Eliteereignissen" liegt eine umfassende Rechtsprechung der Beschwerdekammern vor. Auch wenn die spezifischen zufälligen Verfahren und die daraus resultierenden Erzeugnisse mit (normalen) durchschnittlichen Eigenschaften möglicherweise aus dem Stand der Technik bekannt sind, kann das Vorliegen eines bestimmten Erzeugnisses mit einer unerwarteten vorteilhaften Eigenschaft eine erfinderische Tätigkeit begründen. Die Offenbarung muss die Fachperson jedoch befähigen, das aus dem "Eliteereignis" hervorgehende besondere Erzeugnis herzustellen, ohne das Zufallsverfahren zu wiederholen, d. h. sie muss das besondere Erzeugnis herstellen können, ohne sich nochmals auf den reinen Zufall zu verlassen. Im vorliegenden Fall waren diese Erfordernisse nicht erfüllt.
In T 326/22 argumentierte der Beschwerdeführer (Einsprechende) unter Bezugnahme auf T 657/10, dass der in Anspruch 1 definierte Antikörper in der Patentanmeldung grundsätzlich unzureichend offenbart sei, weil er eine De-novo-Bildung weiterer CD47-Antikörper durch ein zufallsbasiertes Verfahren erfordere. Die Kammer stimmte dem Beschwerdeführer insoweit zu, als das Verfahren der Immunisierung eines Tieres mit dem in Beispiel 1 der Patentanmeldung offenbarten CD47-IgV-Antigen zur Bildung weiterer CD47-Antikörper auf Zufall beruhte. Der Kammer lagen jedoch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das CD47-IgV-Antigen oder das diskontinuierliche Epitop am CD47 nach Anspruch 1 in dem Sinne ungewöhnlich sind, dass die Bildung weiterer Antikörper gegen diese besondere Bedingungen oder Umstände erfordert. Mangels gegenteiliger Beweise stellt das beanspruchte Epitop somit ein Standardepitop an einem Standardantigen dar. Die Kammer befand daher, dass die Offenbarung eines einzigen Antikörpers (2A1) und seiner Derivate in der Patentanmeldung als solche kein Beweis dafür ist, dass die Bildung von 2A1 zufallsbasiert ist. Das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers beruhe nicht auf nachweislichen Tatsachen und sei daher nicht überzeugend. Die Kammer berücksichtigte dabei die Rechtssachen T 435/20, T 1466/05 und T 657/10, die aus Sicht des Einsprechenden nicht auf den vorliegenden Fall anwendbar waren.