2.3. Kausalzusammenhang zwischen der Verletzung des rechtlichen Gehörs und der abschließenden Entscheidung
2.3.2 Erstinstanzliches Verfahren
Bei der Überprüfung von erstinstanzlichen Verfahren ist die Prüfung der Kammern grundsätzlich nicht auf "schwerwiegende" Verletzungen des rechtlichen Gehörs beschränkt.
Die Voraussetzung für eine Zurückverweisung an die erste Instanz gemäß Art. 11 VOBK ist jedoch ein "wesentlicher" Mangel im erstinstanzlichen Verfahren, und gemäß R. 103 (1) a) EPÜ wird auch die Beschwerdegebühr nur bei einem "wesentlichen" Verfahrensmangel zurückgezahlt. In T 689/05 verknüpfte die Kammer diese Konzepte und erklärte, dass ein "wesentlicher" Mangel im Sinne von Art. 11 VOBK nicht durch jeden Verfahrensfehler, sondern nur durch einen "wesentlichen" Verfahrensmangel begründet wird. Siehe auch die Kapitel V.A.9.4. "Zurückverweisung nach einem wesentlichen Mangel", V.A.11.6. "Wesentlicher Verfahrensmangel" und V.A.11.7.1 "Kausalzusammenhang zwischen wesentlichem Verfahrensmangel und Einlegung der Beschwerde".
In T 1550/18 kam die Kammer zu dem Schluss, dass angesichts des kausalen Zusammenhangs zwischen der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und der Entscheidung der Prüfungsabteilung die Verletzung als wesentlicher Verfahrensmangel anzusehen sei, der die Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach R. 103 (1) a) EPÜ rechtfertigt, und als wesentlicher Mangel, der eine sofortige Zurückverweisung an die erste Instanz nach Art. 11 VOBK erfordert (s. auch T 1655/21 und T 1677/21). In J 7/83 wurde ein wesentlicher Verfahrensmangel als ein das gesamte Verfahren beeinträchtigender objektiver Fehler definiert (s. auch T 1529/20 und T 135/22), in J 11/20 als die Gründe beeinträchtigend, auf denen die angefochtene Entscheidung beruhte (s. auch T 135/22) und in T 682/91 als Mangel, der die Rechte der Beteiligten beeinträchtigt (s. Kapitel V.A.11.6.2 "Mangel muss wesentlich sein und das gesamte Verfahren beeinträchtigen").
In T 2024/21 beraumte die Prüfungsabteilung keine mündliche Verhandlung an, wie vom Anmelder insbesondere zur Erörterung der Einwände nach Art. 84 und 123 (2) EPÜ wiederholt beantragt. Nach Auffassung der Kammer war die Vorgehensweise der Prüfungsabteilung, dem Anmelder in diesem Verfahrensstadium mitzuteilen, dass die geänderten Unterlagen der Patentanmeldung nach R. 137 (3) EPÜ nicht zugelassen worden seien und dass daher keine gültige, vom Anmelder gebilligte Fassung nach Art. 113 (2) EPÜ vorgelegen habe, als wesentlichen Verfahrensmangel anzusehen. Zudem habe der weitere Verlauf des Verfahrens gezeigt, dass dieser Verfahrensmangel negative Auswirkungen auf das gesamte weitere Verfahren hatte.
In T 990/91 konnte die mangelnde Gelegenheit, sich zu einem zusätzlich und am Rand angeführten Argument der Prüfungsabteilung zu äußern, nicht als Verletzung des rechtlichen Gehörs gewertet werden, geschweige denn als wesentliche.