6. Formalprüfung
6.2. Erfindernennung
Die Erfindernennung ist in Art. 81 und R. 19 EPÜ geregelt. Der Erfinder ist in der europäischen Patentanmeldung zu nennen. Ist der Anmelder nicht oder nicht allein der Erfinder, so hat die Erfindernennung eine Erklärung darüber zu enthalten, wie der Anmelder das Recht auf das europäische Patent erlangt hat (Art. 81 EPÜ).
Nach R. 19 EPÜ hat im Antrag auf Erteilung eines europäischen Patents die Erfindernennung zu erfolgen. Zu den Erfordernissen der Erfindernennung s. auch die Mitteilung des EPA vom 22. Februar 2021 betreffend die Änderung der Regeln 19 und 143 EPÜ (ABl. 2021, A12). Die geänderte R. 19 EPÜ trat am 1. April 2021 in Kraft (CA/D 11/20, ABl. 2021, A3).
Ist die Erfindernennung nach R. 19 EPÜ nicht erfolgt, so teilt das EPA dem Anmelder gemäß R. 60 (1) EPÜ mit, dass die Anmeldung zurückgewiesen wird, wenn die Erfindernennung nicht innerhalb von sechzehn Monaten nach dem Anmeldetag oder, wenn eine Priorität in Anspruch genommen worden ist, nach dem Prioritätstag nachgeholt wird; diese Frist gilt als eingehalten, wenn die Information vor Abschluss der technischen Vorbereitungen für die Veröffentlichung der Patentanmeldung mitgeteilt wird.
Nach R. 21 (1) EPÜ (R. 19 (1) EPÜ 1973) ist die Zustimmung des "zu Unrecht als Erfinder Genannten" zur Berichtigung einer Erfindernennung erforderlich. In J 8/82 (ABl. 1984, 155) befand die Juristische Beschwerdekammer, dass ein bereits als Erfinder Genannter, dessen Name nicht aus der Erfindernennung gestrichen werden soll, kein "zu Unrecht Genannter" im Sinne dieser Regel ist; seine Zustimmung zur Aufnahme eines weiteren Erfinders in die Erfindernennung ist somit nicht erforderlich. (Die Feststellung der Juristischen Beschwerdekammer in dieser Entscheidung zur Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen Eingangsstelle und Prüfungsabteilung bei der Entscheidung über solche Anträge wurde in J 5/01 aufgehoben, s. dieses Kapitel IV.A.5.5.3).
In J 1/10 stellte sich die Frage, ob sich die Rechtslage bezüglich der Erfindernennung durch die vorzeitige Veröffentlichung der Patentanmeldung auf Antrag des Anmelders gemäß Art. 93 (1) b) EPÜ so ändert, dass die Öffentlichkeit der veröffentlichten europäischen Patentanmeldung unter Umständen nicht entnehmen kann, wer der Erfinder ist. Nach Auffassung der Juristischen Beschwerdekammer hat die vorzeitige Veröffentlichung gemäß Art. 93 (1) b) EPÜ keine Auswirkung auf die in R. 60 (1) EPÜ vorgesehene Frist für die Einreichung der Erfindernennung. Andernfalls würde diese Frist von 16 Monaten für die Einreichung der Erfindernennung verkürzt. Jedoch besteht keine Rechtsgrundlage dafür, von einem Zusammenhang zwischen der vorzeitigen Veröffentlichung und einer Verkürzung der 16-Monatsfrist auszugehen. Dies lässt sich auch nicht aus R. 60 (1) EPÜ oder aus den Bestimmungen zum Verfahren für die Beseitigung von Mängeln (Art. 90 (3) und (4) EPÜ) herleiten.
In der Entscheidung J 8/20 (und der nahezu identischen Entscheidung J 9/20) befasste sich die Juristische Beschwerdekammer erstens damit, ob ein Anmelder eine Entität, bei der es sich nicht um eine natürliche Person handelt, als Erfinder benennen kann (Art. 81 Satz 1 EPÜ), zweitens, welche Anforderungen an die Erklärung über die Erlangung des Rechts auf das Patent gestellt werden (Art. 81 Satz 2 EPÜ) und drittens, ob und inwieweit das EPA die Erfindernennung und die Erklärung über die Erlangung des Rechts auf das Patent nach Art. 81 EPÜ prüfen und beanstanden kann.
Zur ersten Frage stellte die Juristische Beschwerdekammer fest, dass es sich bei dem benannten Erfinder um eine geschäftsfähige Person handeln muss. Dies entspricht der gewöhnlichen Bedeutung des Begriffs Erfinder. Da das sekundäre Recht (R. 19 EPÜ) diese Auslegung stützt, ist ein Rückgriff auf die "Travaux préparatoires" nicht erforderlich. Der Zweck der Bestimmungen zum Erfinder und seiner Benennung besteht in erster Linie darin, die Rechte des Erfinders zu begründen und zu schützen, die Durchsetzung möglicher Entschädigungsansprüche nach innerstaatlichem Recht zu erleichtern und eine Rechtsgrundlage für den Anspruch auf die Anmeldung zu schaffen. Die Benennung einer nicht geschäftsfähigen Maschine kann keinem dieser Zwecke dienen. Zudem ist die Veröffentlichung oder Berichtigung der Erfindernennung allein eine einseitige Entscheidung des Erfinders. Dritte haben in dieser Hinsicht keine Rechte. Diese Bestimmungen sind unvereinbar mit der Theorie, dass die Öffentlichkeit nach dem EPÜ ein Recht darauf hat zu erfahren, wer der Erfinder ist.
In Bezug auf die zweite Frage stellte die Juristische Beschwerdekammer fest, dass sich Art. 81 Satz 2 EPÜ damit befasst, "wie das Recht auf das europäische Patent erlangt [wurde]". Damit stellt Art. 81 EPÜ eine Verbindung zu Art. 60 EPÜ her, der sich mit dem Recht auf das europäische Patent befasst. Nach Art. 60 (1) EPÜ gibt es zwei Möglichkeiten, das Recht auf das europäische Patent zu erwerben, und zwar entweder durch Entwicklung der Erfindung ("Erfinder") oder durch Ableitung des Rechts vom Erfinder ("Rechtsnachfolger"). In Anbetracht des normativen Zusammenhangs zwischen Art. 60 (1) und Art. 81 EPÜ kann eine Erklärung über die Erlangung des Rechts nur dann als mit dem EPÜ vereinbar angesehen werden, wenn sie mit Art. 60 (1) EPÜ im Einklang steht. Die Behauptung, der Beschwerdeführer habe das Recht auf das europäische Patent als Inhaber und Schöpfer der Maschine abgeleitet, erfüllt somit nicht die Anforderungen des Art. 81 Satz 2 EPÜ in Verbindung mit Art. 60 (1) EPÜ.
Zur dritten Frage erklärte die Juristische Beschwerdekammer, dass das EPA nach Art. 90 (3) EPÜ zu prüfen hat, ob den Erfordernissen des Art. 81 EPÜ entsprochen worden ist. Bei dieser Prüfung handelt es sich lediglich um eine formale Bewertung. Dabei gilt nicht zu prüfen, ob der Anmelder nach dem einschlägigen Recht de jure zur Einreichung der Anmeldung berechtigt ist oder ob das betreffende Rechtsgeschäft oder die betreffende Beziehung gültig ist und tatsächlich stattgefunden hat. Eine solche Prüfung steht mit den Grundsätzen von Art. 60 (3) EPÜ und R. 19 (2) EPÜ im Einklang.