2. Erstes Stadium der Sachprüfung
2.1. Beginn der "Sachprüfung"
In J 9/10 stellte die Juristische Kammer fest, dass eine Mitteilung nach Art. 94 (3) EPÜ auf dem mit "Mitteilung gemäß Artikel 94 (3) EPÜ" überschriebenen EPA-Formblatt 2001A, die automatisch computergeneriert und von einem Formalsachbearbeiter ohne Beteiligung eines der Prüfungsabteilung angehörenden Prüfers versandt wird, keine rechtswirksame Handlung der Prüfungsabteilung darstellt und daher nicht als Beginn der "Sachprüfung" nach Art. 10b b) GebO (in der durch Beschluss des Verwaltungsrats vom 15. Dezember 2005 geänderten Fassung; jetzt Art. 11 GebO, zuletzt geändert durch Beschluss des Verwaltungsrats vom 29. Juni 2016) angesehen werden kann. Die Juristische Kammer führte aus, dass der Beginn der "Sachprüfung" dahin gehend auszulegen ist, dass er eine konkrete und nachprüfbare, die "Sachprüfung" betreffende Handlung der Prüfungsabteilung voraussetzt, nachdem diese für die Prüfung der Anmeldung zuständig geworden ist, damit die Vorhersehbarkeit und Nachprüfbarkeit der Anwendung von Art. 10b b) GebO gewährleistet ist (s. auch J 25/10, ABI. 2011, 624). Um rechtswirksam zu sein, muss eine Mitteilung einer Prüfungsabteilung im Namen der Mitglieder abgefasst sein, die dazu bestimmt sind, als Abteilung die Fragen zu prüfen, die Gegenstand der Mitteilung sind, und deren Standpunkte wiedergeben. In der Akte gab es jedoch keinen Hinweis darauf, dass der hierfür bestimmte Erstprüfer die Mitteilung nach Art. 94 (3) EPÜ tatsächlich als authentisch bestätigt hatte, bevor sie vom Formalsachbearbeiter versandt wurde. Die Mitteilung konnte daher nicht der Prüfungsabteilung zugeschrieben werden, sondern lediglich dem Formalsachbearbeiter, dessen Namen auf dem EPA-Formblatt 2001A angegeben war. Die Juristische Kammer stellte außerdem fest, dass der Formalsachbearbeiter, obgleich er in gutem Glauben gehandelt hatte, nicht befugt war, die Mitteilung nach Art. 94 (3) EPÜ zu erlassen. Im Anschluss an J 9/10 und J 25/10 passte das EPA die Modalitäten für die Rückerstattung der Prüfungsgebühr an (s. Mitteilung des EPA vom 29. Januar 2013, ABl. 2013, 153). Seither ist der Tag des Prüfungsbeginns im öffentlich zugänglichen Teil der elektronischen Akte gespeichert, sodass seine Nachprüfbarkeit gewährleistet ist. Für veröffentlichte Patentanmeldungen wird er auch im Europäischen Patentregister angezeigt.
In J 17/92 war die Juristische Beschwerdekammer der Ansicht, dass in Übereinstimmung mit dem in der Präambel des EPÜ ausgedrückten Bestreben, einen solchen Schutz in den Vertragsstaaten durch ein einheitliches Patenterteilungsverfahren zu erreichen, die Zulassung der Verbindung von Verfahren nach dem EPÜ sowohl zulässig als auch wünschenswert sei. Die Verbindung liege nicht nur im Interesse der Anmelder, sondern auch im Interesse der Öffentlichkeit, die nicht zwei getrennte europäische Patentanmeldungen mit dem gleichen Text berücksichtigen müsse. Die Juristische Kammer stellte weiterhin fest, dass die Voraussetzungen für die Verbindung nicht restriktiver als erforderlich sein sollten. Die Bedingung, dass die beiden zu verbindenden Anmeldungen wörtlich übereinstimmen sollten, sei zu streng. In diesem Fall war die Juristische Kammer der Ansicht, dass eine Verbindung möglich sein sollte, wenn die Ansprüche, mit denen der Anmelder die verbundenen Anmeldungen weiterverfolgen wolle, entweder in Form eines geänderten Anspruchssatzes oder in Form eines mit dem ursprünglich eingereichten Anspruchssatz identischen Satzes zulässig sind. Nach Auffassung der Juristischen Kammer sollte ein solcher geänderter Anspruchssatz der Verbindung nicht prima facie entgegenstehen.