4.3.5 Unvollständiges Vorbringen in Beschwerdebegründung oder Erwiderung – Substantiierungserfordernis – Artikel 12 (3) und (5) VOBK
In T 503/20 erläuterte die Kammer, dass die Zulassung von Passagen der Einspruchserwiderung, auf die unter Angabe ihrer konkreten Randnummern verwiesen wird, im Ermessen der Kammer steht und von den Umständen des Einzelfalls abhängt, so etwa von der Frage, ob eine ausreichende Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung erfolgt ist und – sofern es sich um Punkte handelt, die für die Entscheidung nicht relevant wurden – ob aus dem Gesamtvortrag beider Parteien ausreichend klar wird, welche Punkte mit welcher konkreten Begründung weiterverfolgt werden und wie sich diese zum Vortrag der Gegenseite verhalten.
Im Ex-parte-Fall T 1421/20 wurden in der Beschwerdebegründung Anträge eingeführt und kommentiert, aber keine Ansprüche eingereicht, weshalb es nach Art. 12 (5) VOBK im Ermessen der Kammer stand, sie nicht zuzulassen. Die Kammer berücksichtigte, dass die Anträge ein Merkmal enthielten, das zuvor für unklar befunden worden war. Da keiner der strittigen Anträge das Erfordernis der Klarheit erfüllte, übte die Kammer ihr Ermessen dahingehend aus, diese Anträge nicht zuzulassen.
Weitere Fälle, in denen die Kammern die Erfordernisse des Art. 12 (3) VOBK als nicht erfüllt angesehen und ihr Ermessen nach Art. 12 (5) VOBK ausgeübt haben, den diesen Erfordernissen nicht genügenden Teil des Beschwerdevorbringens nicht zuzulassen, sind z. B. T 2457/16, T 430/20, T 640/20, T 1421/20, T 557/21 und T 1041/21.
In T 1220/21 erklärte die Kammer, dass der Zweck des Art. 12 (3) VOBK darin besteht zu gewährleisten, dass das relevante Vorbringen so früh wie möglich im Verfahren vorliegt, damit die Kammer und die anderen Beteiligten beginnen können, sich auf der Grundlage des vollständigen Sachvortrags der Beteiligten mit dem Fall zu befassen, ohne Spekulationen über die Absichten anstellen zu müssen. Inwieweit eine fehlende oder unvollständige Substantiierung diesem Ziel zuwiderläuft, kann bei der Ausübung des Ermessens nach Art. 12 (5) VOBK Berücksichtigung finden (T 1659/20). Dies beinhaltet die Behandlung der Frage, ob die Änderungen und die den Anträgen zugrunde liegende Argumentationskette selbsterklärend sind (was im vorliegenden Fall nicht zutraf). Siehe auch T 658/22.