1. Rechtlicher Status der Beschwerdekammern des EPA
1.7. Zuständigkeit des EPA für die Feststellung der Priotitätsberechtigung
In G 1/22 (ABl. 2024, A50) erklärte die Große Beschwerdekammer, dass zwischen dem Recht auf die Nachanmeldung und dem Recht auf Inanspruchnahme des Prioritätstags für diese Anmeldung, streng zu unterscheiden ist. Ihrer Auffassung nach ist Art. 60 (3) EPÜ weder unmittelbar noch entsprechend auf das Prioritätsrecht nach Art. 87 (1) EPÜ anwendbar. Sie kam zu dem Schluss, dass das EPA für die Feststellung der Prioritätsberechtigung zuständig ist und diese Feststellung nach dem autonomen Recht des EPÜ erfolgen sollte. Die Anerkennung der Zuständigkeit des EPA für die Feststellung der Prioritätsberechtigung trägt ferner dem Argument Rechnung, dass das EPA in Anbetracht von Art. 87 (1) EPÜ alle Aspekte des Prioritätsrechts prüfen muss. Werden alle vier dem Art. 87 (1) EPÜ zugrunde liegenden Erfordernisse vom EPA beurteilt, so ist das EPA für alle Aspekte zuständig, die für die Ermittlung des Stands der Technik von Bedeutung sein können, und somit in der Lage, alle Aspekte der Patentierbarkeit zu beurteilen. Nach Auffassung der Großen Beschwerdekammer gibt es eine widerlegbare Vermutung nach dem autonomen Recht des EPÜ, dass ein Anmelder, der eine Priorität unter Beachtung des Art. 88 (1) EPÜ beansprucht, dazu berechtigt ist.
Zur Zuständigkeit des EPA für die Feststellung der Prioritätsberechtigung s. auch Kapitel II.D.2.2.