10.2. Vorurteil in der Fachwelt
10.2.3 Entwicklung der Technik in eine andere Richtung
Ein dem "Vorurteil in der Fachwelt" ähnliches Beweisanzeichen ist die Entwicklung der Technik in eine andere Richtung (s. dazu T 24/81, ABl. 1983, 133; T 650/90; T 330/92).
In T 883/03 stellte die Kammer fest, dass die Lehre, die zum kennzeichnenden Merkmal des Anspruchs 1 hätte führen können, bereits über eine lange Zeit im Stand der Technik enthalten war. Trotzdem sei die Fachwelt in dieser langen Zeit gegenüber dieser Kenntnis "blind" gewesen. Dies stelle im konkreten Fall ein weiteres Indiz für die erfinderische Tätigkeit der im Anspruch 1 vorgeschlagenen Lösung dar.
In T 872/98 wies die Beschwerdekammer darauf hin, dass für das Vorliegen eines Beweisanzeichens auch die Tatsache sprechen könne, dass ein Wettbewerber kurz nach dem Prioritätstag eine Patentanmeldung beim Deutschen Patentamt eingereicht habe, deren Erfindung in eine völlig andere Richtung gehe als die europäische Patentanmeldung.
In T 779/02 wies die Kammer darauf hin, dass das Vorliegen eines Vorurteils durch einen langen Zeitraum (hier mehr als 16 Jahre) zwischen dem nächstliegenden Stand der Technik und der Erfindung bewiesen werden kann, wobei in dem Zeitraum nur Lösungen verfolgt wurden, die in andere Richtungen wiesen als die Erfindung, und erst danach die durch die Erfindung bereitgestellte Lösung die Akzeptanz der Fachwelt erlangt hat.