9.21. Beispiele für die Verneinung der erfinderischen Tätigkeit
9.21.1 Vorhersehbare nachteilige bzw. technisch nicht relevante Änderungen
In einigen Entscheidungen wurde der Gegenstand nicht als erfinderisch erachtet, wenn die Erfindung das Ergebnis einer vorhersehbaren nachteiligen Änderung des nächstliegenden Stands der Technik war (T 119/82, ABl. 1984, 217; T 155/85, ABl. 1988, 87; T 939/92, ABl. 1996, 309; T 72/95; T 694/13, T 2313/22).
Schon in T 119/82 (ABl. 1984, 217) war festgestellt worden, dass bei nachteiligen Änderungen keine erfinderische Tätigkeit vorliegt, wenn die Fachperson diese Nachteile klar vorhersehen konnte, sie mit dieser Einschätzung richtig lag und diese vorhersehbaren Nachteile nicht durch einen unerwarteten technischen Vorteil aufgewogen wurden. Auch in der jüngeren Entscheidung T 2197/09 wurde bestätigt, dass aufgrund einer ausschließlich nachteiligen Änderung des nächstliegenden Stands der Technik keine erfinderische Tätigkeit zuerkannt werden kann.
In T 2465/19 befand die Kammer, dass das Unterscheidungsmerkmal i) keine willkürliche Veränderung der Vorrichtung in D1 darstellt, die nur vorhersehbare Nachteile mit sich bringt, sondern vielmehr eine alternative Lösung für eine bekannte Aufgabe ist. Die Kammer erkannte an, dass in der Anmeldung nicht ausdrücklich ein bestimmter zusätzlicher Vorteil oder eine unerwartete günstige Wirkung genannt wurde. Es kann jedoch nicht behauptet werden, dass sie gegenüber D1 nur Nachteile aufweist. Auch kann das Merkmal nicht als willkürlich bezeichnet werden. Die Kammer hielt unter Bezugnahme auf den Leitsatz Nr. 2 von G 2/21 (ABl. 2023, A85) fest, dass die technische Wirkung einer Erfindung gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik in der Anmeldung nicht ausdrücklich angegeben werden muss, solange sie sich aus der ursprünglichen Anmeldung ableiten lässt, zumal der nächstliegende Stand der Technik dem Anmelder bei der Abfassung der Anmeldung womöglich nicht bekannt war. (s. auch Kapitel I.D.4.1).