7.2. Erforderlicher Umfang der Offenbarung bei einer medizinischen Verwendung – glaubhafte Wirkung
7.2.6 Arzneimittel für eine bestimmte Patientengruppe
Der Fall T 1491/14 betraf ein Arzneimittel, dessen neuartiges Merkmal darin bestand, dass es an eine bestimmte Patientengruppe gerichtet war. Die angebliche unzureichende Offenbarung lag darin, dass die Fachperson die Patientengruppe nicht identifizieren könne. Entgegen dem Vorbringen des Einsprechenden ist die Messung eines physikalischen oder chemischen Parameters zur Identifizierung der Patienten nicht erforderlich. Diese Ansicht wurde durch die Sachverständigengutachten bestätigt (Befragung des Patienten durch den Arzt ist Standardpraxis). Die Tatsache, dass es zu diesem Zweck keine Standardfragebögen gibt, stellt keine Sackgasse dar (Anamnese). Es mag manchmal Unsicherheit geben, doch stellt dies eher einen Mangel an Klarheit als eine unzureichende Offenbarung dar. Da die betreffenden technischen Merkmale (Definition der Patientengruppe) bereits in den Ansprüchen in der erteilten Fassung vorhanden waren und die Ursache der Unsicherheit nicht die Änderung war, war diese Frage nicht im Rahmen des Einspruchsbeschwerdeverfahrens zu behandeln (s. G 3/14).
In T 166/22 waren die unabhängigen Ansprüche 1 und 6 in ihrer erteilten Fassung auf die Verwendung einer Kombination von mindestens vier Komponenten zum Aufrechterhalten oder Erhöhen des Körpergewichts eines älteren Menschen über 65 Jahre gerichtet. Die Beispiele 3, 4, 9 und 10 der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung enthielten Beweise für diese Wirkung. Dass die altersbedingte Entwicklung des Körpergewichts bei Mäusen und Menschen parallel verläuft, war unstrittig. Die Streitfrage zwischen den Beteiligten ergab sich aus der Tatsache, dass die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung einen Nachweis über eine Zunahme des Körpergewichts bei erwachsenen Mäusen erbrachte, während die in den Ansprüchen 1 und 6 beanspruchte Wirkung darin bestand, die Abnahme des Körpergewichts bei älteren Menschen aufzuhalten oder umzukehren. Es gab keinen aktenkundigen Beweis dafür, dass die in den Beispielen 3, 4, 9 und 10 getesteten Mäuse am Prioritätstag etablierte oder allgemein anerkannte Modelle für die Entwicklung des Körpergewichts bei älteren Menschen darstellten. Der Beschwerdegegner (Patentinhaber) verwies auf D19; nach Ansicht der Kammer hätte die Fachperson jedoch angesichts der Beweismittel in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung keinen Grund zu der Annahme gehabt, dass eine solche Wirkung glaubhaft sei. Der Beschwerdegegner verwies ferner auf das Dokument D18, das allerdings weder zum allgemeinen Fachwissen gehörte noch in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung erwähnt worden war. Somit habe der Inhalt von D18 keinen Einfluss auf die Beurteilung der Fachperson, ob der beanspruchte Gegenstand am Anmeldetag ausreichend offenbart war. Die Kammer kam daher zu dem Schluss, dass ernsthafte, durch nachprüfbare Fakten erhärtete Zweifel bestanden. Nach G 2/21 (Nr. 77 der Gründe) müsse der Nachweis der in den Ansprüchen 1 und 6 genannten Wirkung in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung erbracht werden. Ein diesbezüglicher Mangel könne nicht durch nachveröffentlichte Beweismittel behoben werden. Daher konnten die Beweise im nachveröffentlichten Dokument D24 (klinische Studie, die als Reaktion auf die vorläufige Stellungnahme der Kammer eingereicht worden war) nicht berücksichtigt werden.