3. Vom EPA erteilte Auskünfte
3.2. Als freiwillige Serviceleistung erteilte Auskünfte
Grundsätzlich gilt der Grundsatz des Vertrauensschutzes auch in Bezug auf freiwillige Serviceleistungen des EPA, wenn diese nicht so abgefasst sind, dass Missverständnisse bei einem vernünftigen Adressaten ausgeschlossen sind. Ein Anmelder kann aber nicht darauf vertrauen, dass bestimmte freiwillige Serviceleistungen des EPA regelmäßig erbracht werden, und kann daher keine Ansprüche daraus herleiten, wenn sie nicht erfolgen (J 12/84, ABl. 1985, 108; J 1/89, ABl. 1992, 17; J 27/92, ABl. 1995, 288; G 2/97, ABl. 1999, 123), oder wenn die Zustellung des Bescheids an den falschen Adressaten erfolgt (J 23/10).
In J 1/89 wurde ausgeführt, dass der Anmelder auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der freiwilligen Serviceleistung vertrauen könne. Er könne jedoch nicht darauf vertrauen, dass freiwillige Serviceleistungen, die im EPÜ nicht vorgesehen sind, regelmäßig erbracht werden. Zahlt ein Anmelder Jahresgebühren im Einklang mit einem missverständlichen Hinweis auf deren Fälligkeit, so ist er so zu behandeln, als ob er die Jahresgebühr rechtzeitig entrichtet hätte.
In J 34/92 wurde die fünfte Jahresgebühr nicht in voller Höhe gezahlt. Der zugelassene Vertreter erhielt keine Mitteilung des EPA, mit der üblicherweise auf die Möglichkeit der Nachzahlung mit Zuschlagsgebühr hingewiesen wird. In der Rechtsverlustmitteilung nach R. 69 (1) EPÜ 1973 (R. 112 (1) EPÜ) wurde jedoch auf einen solchen Hinweis Bezug genommen. Die Kammer stellte fest, dass es sich bei dem Hinweis auf die Möglichkeit der Nachzahlung unter Entrichtung einer Zuschlagsgebühr lediglich um eine freiwillige Serviceleistung des EPA handle. Der Anmelder könne aus der Tatsache, dass ihm ein solcher Hinweis nicht zugestellt worden sei, keine für ihn günstigen Schlüsse ziehen.
In T 2053/20 gewährte die Kammer dem Beschwerdeführer (Einsprechenden) jedoch Vertrauensschutz und kam zu dem Schluss, dass die Beschwerdegebühr innerhalb der in Art. 108 EPÜ vorgesehenen Frist von zwei Monaten entrichtet worden sei. In der Beschwerdeschrift und dem entsprechenden Begleitschreiben hatte der Beschwerdeführer seine Absicht, die Beschwerdegebühr zu bezahlen bekundet. Die dafür eingeschlagenen Wege, nämlich der automatische Abbuchungsauftrag einerseits und die nicht im korrekten elektronischen Format erteilte Einzugsermächtigung vom laufenden Konto andererseits, waren unter den Bestimmungen der VLK und deren Anhängen (in der Fassung von 2019) zur Zahlung der Beschwerdegebühr nicht zulässig. Allerdings unterblieb die entsprechende in den VLK eigentlich vorgesehene Mitteilung des EPA über die Nichtausführung der Zahlungsaufforderung. Nach Ansicht der Kammer konnte der Beschwerdeführer in Ermangelung einer entsprechenden Mitteilung des EPA unter den gegebenen Umständen davon ausgehen, dass die von ihm getätigten Zahlungsanweisungen zur Abbuchung der Beschwerdegebühr akzeptiert und ausgeführt worden waren.In J 27/92 (ABl. 1995, 288) hatte sich der beim EPA zugelassene Vertreter auf Auskünfte der Informationsstelle zur Höhe der zu entrichtenden Prüfungsgebühr verlassen. Die Kammer stellte Folgendes klar: Hat das EPA dem Anmelder unaufgefordert eine objektiv irreführende – schriftliche oder mündliche – Auskunft erteilt und ihn damit unmittelbar zu einer bestimmten Handlung veranlasst, so darf ihm daraus kein Nachteil erwachsen. Siehe auch J 10/17.