5.3.2 Keine Durchführung der mündlichen Verhandlung trotz fehlender ausdrücklicher Rücknahme des entsprechenden Antrags
Der Kammer in T 1750/19 zufolge entspricht es der ständigen Rechtsprechung, dass eine Kammer, die auf Antrag eines Beteiligten eine mündliche Verhandlung anberaumt hat, nicht verpflichtet ist, diese in Abwesenheit des Beteiligten durchzuführen, wenn der Beteiligte später erklärt, dass er in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten sein werde. Unter diesen Umständen ist es dem Ermessen der Kammer anheimgestellt, die anberaumte mündliche Verhandlung durchzuführen oder abzusagen, denn Zweck des Art. 116 EPÜ ist es nicht, dass ein Beteiligter die Kammer zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung in seiner Abwesenheit zwingen kann (s. auch T 1103/22).
In T 910/02 verwies die Beschwerdekammer die Angelegenheit ohne mündliche Verhandlung zur weiteren Entscheidung an die erste Instanz zurück, da alle Parteien, die sich im Beschwerdeverfahren geäußert hatten, entweder ihren Hilfsantrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen oder erklärt hatten, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen würden. In diesem Fall liegt es im Ermessen der Kammer, den Termin der mündlichen Verhandlung zur Verkündigung einer Entscheidung aufrechtzuerhalten oder ihn abzusetzen und im schriftlichen Verfahren zu entscheiden (s. auch T 154/17, T 1750/19, T 1103/22). In T 663/10 wurde T 910/02 mit dem ergänzenden Hinweis bestätigt, dass die Kammer nicht verpflichtet ist, eine mündliche Verhandlung in Abwesenheit des Betreffenden durchzuführen, selbst wenn der Beschwerdeführer seinen Antrag auf mündliche Verhandlung ausdrücklich aufrechterhalten hat (s. auch T 1750/19, T 1103/22). Diesen Entscheidungen schloss sich die Kammer in T 671/12 an und stellte fest, es könnte nicht Zweck des Art. 116 EPÜ sein, dass ein Beteiligter die Kammer zwingen kann, in seiner Abwesenheit eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Siehe auch T 166/17, T 1750/19, T 3002/19, T 1103/22.
Mit Verweis auf T 671/12 und T 663/10 stellte die Kammer in T 263/22 fest, dass sie, wenn im Ex-parte-Verfahren der einzige Beteiligte seine Nichtteilnahme an der mündlichen Verhandlung erklärt, nicht verpflichtet ist, in dessen Abwesenheit die mündliche Verhandlung durchzuführen, d. h. mit sich selbst als einziger Teilnehmerin. Sie stellte außerdem klar, dass, wenn der Beschwerdeführer rechtlich verpflichtet ist, sich durch einen zugelassenen Vertreter vertreten zu lassen, die Ankündigung der Nichtteilnahme des Vertreters der Nichtteilnahme des Beteiligten gleichzusetzen ist.
Im Ex-parte-Verfahren T 674/19 interpretierte die Kammer die Ankündigung des Beteiligten, dass er nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen werde, nicht als Rücknahme seines Antrags auf mündliche Verhandlung. Vielmehr hielt sie die Durchführung der mündlichen Verhandlung für angebracht, um die sachliche Debatte abzuschließen und in der mündlichen Verhandlung eine Entscheidung zu verkünden. Ihrer Auffassung nach lag es in dem ihr durch Art. 116 (1) Satz 1 EPÜ eingeräumten Ermessen, entweder den Termin der mündlichen Verhandlung zur Verkündung ihrer Entscheidung aufrechtzuerhalten oder die Verhandlung abzusagen und im schriftlichen Verfahren unter Wahrung des in Art. 113 (1) EPÜ verankerten Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör zu entscheiden.